Viveka Chudamani – Vers 20

Deutsche Übersetzung:

20. „Brahma satyam, jagan mithya“ Brahman alleine ist wirklich, die Welt, wie wir sie erfahren, ist unwirklich. – diese feste Überzeugung entsteht durch die Unterscheidung (viveka) zwischen dem Ewigen und dem Vergänglichen (nitya – anitya).

Sanskrit Text:

brahma satyaṃ jagan mithyety evaṃ-rūpo viniścayaḥ |
so’yaṃ nityānitya-vastu-vivekaḥ samudāhṛtaḥ || 20 ||

ब्रह्म सत्यं जगन्मिथ्येत्येवंरूपो विनिश्चयः |
सो ऽयं नित्यानित्यवस्तुविवेकः समुदाहृतः || २० ||

brahma satyam jagan mithyety evam-rupo vinishchayah |
so’yam nityanitya-vastu-vivekah samudahritah || 20 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • brahma : das Absolute (Brahman)
  • satyam : (ist) wirklich (Satya)
  • jagat : die Welt (Jagat)
  • mithyā : (ist) unwirklich (Mithya)
  • iti : so (heißt es, Iti)
  • evaṃ-rūpaḥ : so geartete (Evamrupa)
  • viniścayaḥ : eine feste Überzeugung (Vinishchaya)
  • so’yam (saḥ + ayam) : diese (Tad Ayam)
  • nityānitya-vastu-vivekaḥ : (als) Unterscheidungsfähigkeit (Viveka) hinsichtlich ewiger (Nitya) und  vergänglicher (Anitya) Dinge (Vastu)
  • samudāhṛtaḥ : wird bezeichnet (Samudahrita)     || 20 ||

Kommentar

Shankaracharya erläutert im 20. Vers der Viveka Chudamani die vier Eigenschaften eines Schülers, welche man braucht, um auf dem Jnana Yoga gute Fortschritte zu machen.
Für diejenigen, die schon eine Weile auf dem Weg sind, dienen die vier Eigenschaften zur Überprüfung, ob sie auf dem spirituellen Weg Fortschritte oder gar Rückschritte machen, oder vielleicht hängengeblieben sind.

Viveka“ ist die erste der vier Eigenschaften, Unterscheidungskraft. Das ganze Werk von Shankaracharya heißt Viveka Chudamani und Shankaracharya beschreibt im Laufe des Werkes vier Vivekas.

Zuerst benennt er „Nitya-Anitya Viveka“ – die Unterscheidung zwischen dem Ewigen und den Vergänglichen. „Nitya“ heißt wörtlich übersetzt „ewig“ und „anitya“ bedeutet „vergänglich“.

Die zweite Unterscheidungskraft erklärt er als „Sat – Asat Viveka“ – Unterscheidung zwischen den Wirklichen und dem Unwirklichen, welche manchmal auch als „Satya Nitya Viveka“ bezeichnet wird.

Die Dritte dieser Unterscheidungen ist „Atma – Anatma Viveka“ – die Unterscheidung zwischen dem Selbst und dem Nichtselbst.

Die vierte Unterscheidungseigenschaft wird manchmal als „Ananda – Sukha Viveka“ bezeichnet – die Unterscheidung zwischen ewiger Wonne und vergänglicher Freude, welche auch manchmal als „Sukha – Asukha Viveka – die Unterscheidung zwischen „Sukha“, Freude, und „Asukha“, Nichtfreude.

Shankaracharya benennt zunächst die vier Eigenschaften von Unterscheidung zwischen dem Ewigen und den Vergänglichen, „Nitya – Anitya“, als Grundlage für „Satyam – Nitya Viveka“.

Die einfachste Eigenschaft der vier Vivekas ist „Nitya – Anitya Viveka“, Nitya – ewig – und Anitya – vergänglich. Überlege, was wichtig ist. Das, was ewig ist, ist natürlich wichtig und das, was vergänglich ist, ist nicht sehr wichtig.
Strebe somit nach dem, was ewig ist. Nimm das, was vergänglich ist, in seinen verschiedenen Veränderungen an, wie zum Beispiel den Körper, das Prana oder die Emotionen.
Der Körper geht durch Höhen und Tiefen. In manchen Phasen ist der Körper gesunder, in anderen kränker. Vor allem wenn du die 40 überschritten hast, merkst Du das mehr. Auch wenn Du jünger bist, gibt es vielleicht manchmal einen Unfall oder auch keinen, aber der Körper ändert sich.

Auch beim Prana, der Lebensenergie, hast Du manchmal mehr oder auch weniger Energie. Auch Emotionen verlaufen in Höhen und Tiefen.

Krishna sagt in der Bhagavad Gita: „Vergnügen und Schmerz kommt aus den Kontakten der Sinne und diese verändern sich ständig. Ertrage sie tapfer.“
Sei nicht sehr durcheinander durch das, was sich verändert, zum Beispiel durch die Stimmungen deiner Mitmenschen wie die Stimmung deines Partners, deines Kollegen/ Kolleginnen, deiner Freundin-nen/ Freunde oder Bekannte und so weiter. Alles ist vergänglich. Nehme es nicht zu wichtig. Frage Dich, was gleich bleibt. Shankara sagt an einer anderen Stelle: „Das Selbst bleibt gleich. Der Beobachter bleibt gleich. In der Tiefe deines Wesens ist etwas, was gleich bleibt. Und das ist wichtig.“

Bezüglich seiner eigenartigen Aussage bedeutet das Ewige „Sat“ oder auch „Brahman“ oder „Satya“.
Er sagt „brahma satyaṁ“. Das bedeutet wörtlich übersetzt „Brahman allein ist wirklich“.
„jagan mithya“ heißt dagegen „die Welt ist unwirklich“. An einer anderen Stelle wird Shankaracharya dies noch genauer ausführen. Im 20. Vers sagt er zunächst: „Das, was vergänglich ist, ist nicht wirklich wirklich.“

Anders ausgedrückt existiert die Vergangenheit nur in der Erinnerung und ist eine Illusion bzw. gibt es nicht mehr. Die Zukunft ist nur eine Vorstellung und Einbildung. Das, was jetzt in diesem Moment ist, ist nicht greifbar und die Gegenwart ist nur der Übergang von der unwirklichen Zukunft in die unwirkliche Vergangenheit. Aber in allen drei Zeitperioden bleibt etwas gleich. Und zwar ist das der Beobachter – das Selbst, das Bewusstsein -, „brahma satyaṁ“, das ist wirklich.

Alles andere ändert sich und ist daher „mithya“. Die Unterscheidung zwischen dem Ewigen, dem Vergänglichen und einen Moment Innehalten ist „Viveka“ oder einer der Aspekte von Viveka.

Wenn Du Dich zum Beispiel heute über irgendetwas geärgert hast, dann lächle darüber. Der Ärger wird vergehen. Wenn Dich jemand unverschämt behandelt hat, lächle darüber. Das geht vorbei. Wenn du Grippe oder Schmerzen hast, mache Dir bewusst, dass es vorbei geht. Es ist nicht wirklich wirklich. Nutze Viveka und lerne das Vergängliche zu ertragen, Dich im Ewigen zu verankern.

Passend dazu benannte der griechischen Philosophen Heraklit die Formel „Panta rhei“: „Alles fließt, alles kommt, alles geht. Höhen kommen, aber auch Tiefen.“
Einer der verbreitetsten Meditationstechniken ist die Atem-Meditation. Hierbei liegt die Beobachtung auf dem Atem. Der Atem kommt und geht, genauso kommen und gehen Gedanken, Stimmungen, Schmerzen, aber auch Schönes kommt und geht. Verhafte Dich nicht daran, lass es los und suche das, was ewig ist.

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