Viveka Chudamani – Vers 294

Deutsche Übersetzung:

294. Das wirkliche Ich /das wahre Selbst (aham-padartha) ist hingegen Zeuge des Egos (aham), und ist immer da. Es existiert auch im Tiefschlaf. Es ist ungeboren und ewig, wie die Schriften (shruti) sagen. Es ist das innerste Selbst (pratyag-atman), das sich von der relativen Wahrheit/ Wirklichkeit (sat) und Unwahrheit/Unwirklichkeit (asat) unterscheidet.

Sanskrit Text:

ahaṃ-padārthas tv aham-ādi-sākṣī
nityaṃ suṣuptāv api bhāva-darśanāt |
brūte hy ajo nitya iti śrutiḥ svayaṃ
tat pratyag-ātmā sad-asad-vilakṣaṇaḥ || 294 ||

अहंपदार्थस्त्वहमादिसाक्षी
नित्यं सुषुप्तावपि भावदर्शनात् |
ब्रूते ह्यजो नित्य इति श्रुतिः स्वयं
तत्प्रत्यगात्मा सदसद्विलक्षणः || २९४ ||

aham-padarthas tv aham-adisakshi
nityam sushuptav api bhava-darshanat |
brute hy ajo nitya iti shrutih svayam
tat pratyag-atma sad-asad-vilakshanah || 294 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • ahaṃ-padārthaḥ : die dem (Wort) „Ich“ (Aham) tatsächlich entsprechende Sache (Padartha)
  • tu : dagegen, wiederum (Tu)
  • aham-ādi-sākṣī : (ist) der Zeuge (Sakshin) des Egos (Aham) usw. (Adi)
  • nityam : stets, immer (Nitya)
  • suṣuptau : im Tiefschlaf (Sushupti)
  • api : sogar (Api)
  • bhāva-darśanāt : weil dessen Vorhandensein (Bhava) wahrgenommen wird (Darshana)
  • brūte : sagt (brū)
  • hi : denn (Hi)
  • ajaḥ : (das Selbst) ungeboren (Aja)
  • nityaḥ : (und) ewig (ist, Nitya)
  • iti : dass („so“, Iti)
  • śrutiḥ : die offenbarte Schrift (Shruti)
  • svayam : selbst (Svayam)
  • tat : daher (Tad)
  • pratyag-ātmā : (ist) das innerste Selbst (Pratyagatman)
  • sad-asad-vilakṣaṇaḥ : verschieden (Vilakshana) vom Manifesten („Seienden“, Sat) und Unmanifesten („Nichtseienden“, Asat)     || 294 ||

Kommentar

Geht es dir manchmal so, dass du von dir sagst, dass du nicht ausreichend gut bist? Dass du kein ausreichend guter Aspirant bist? Dass du dich mehr anstrengen solltest? Dass du nicht würdig bist, besser sein solltest?
Dann höre, was Shankara dir sagt:

„Das wirkliche Selbst ist Zeuge des Egos, und ist immer da. Es existiert auch im Tiefschlaf. Es ist ungeboren und ewig, wie die Schriften (shruti) sagen. Es ist das innerste Selbst (pratyag-atman), das sich von der relativen Wahrheit und Unwahrheit unterscheidet.“

Mache dir nicht zu viele Sorgen darum, ob du ein guter Yoga Aspirant oder Yoga Aspirantin bist. Du bist weder Aspirant noch Aspirantin, du bist das unsterbliche Selbst. Dieses unsterbliche Selbst warst du immer und wirst du immer sein. Es ist Zeuge des Egos. Das Ego identifiziert sich damit, dass du eine gute Aspirantin, ein guter Aspirant bist, ich bin ein würdiger Schüler, ich mache nicht ausreichend, ich müsste mehr tun usw. Das mag alles sein und vielleicht hast du sogar Recht, aber ist es wirklich so wichtig?
Nein, das Selbst ist Zeuge des Egos. Es ist ein Ego, das sagt, ob du gut genug bist oder nicht. Es ist das Ego, das sich vergleicht. Das Ego mag da sein, aber das wahre Selbst ist unabhängig davon.
Wo sind deine Ambitionen, deine Minderwertigkeitskomplexe, dein tamassiges Ego, wenn du schläfst? Im Schlaf ist es weg. Im Tiefschlaf ist nichts mehr davon vorhanden. Das ist nicht mehr deine Natur. Dein wahres Ich ist ungeboren und ewig. Es wird nicht dadurch verändert, dass du lebst oder nicht lebst. Es wird nicht dadurch verändert, ob du ein guter oder schlechter Aspirant bist. Dieses innere Selbst pratyag-atman unterscheidet sich vom Relativen.
Relativ gesehen hast du einen Körper und eine Psyche, ein Streben. Patanjali sagt, wer intensiv strebt ist der Verwirklichung nahe. Shankara sagt auch, dass du Shama (Gelassenheit des Geistes) und Dama (Sinneskontrolle) üben solltest. Du solltest Titiksha üben, d.h. lernen etwas aushalten zu können, etwas ertragen zu können. Du sollst meditieren und ein sattviges Leben führen, sagt Shankara. Aber das ist alles relativ. Es ist die relative Wahrheit eines Aspiranten.
In Wahrheit bist du das unsterbliche Selbst und dieses unsterbliche Selbst ist verschieden von der relativen Wahrheit.
Er spricht von relativer Wahrheit und relativer Unwahrheit. Das ist auch interessant. Es gibt auch die Maya zweiter Ordnung. In der Maya erster Ordnung identifizierst du dich überhaupt mit deinem Körper und deiner Psyche.
In der zweiten Ordnung identifizierst du dich mit deinem Selbstbild. Vielleicht bist du ein guter Aspirant, eine gute Aspirantin. Du übst täglich Asanas, Pranayama, Meditation, Tiefenentspannung. Du arbeitest an dir selbst. Du bist ein mitfühlender Mensch. Du hast eine sattvige Lebensweise, lebst vegan und bemühst dich ein guter Mensch zu sein. Aber vielleicht hast du trotzdem die Vorstellung, nicht ausreichend zu sein und nicht gut genug und wirst nie die Gottverwirklichung erreichen. Das ist dann die relative Unwirklichkeit.
Oder du tust ganz wenig, bildest dir aber viel darauf ein. Du sagst, dass du alles nicht so genau nimmst und deshalb bin ich verhaftungslos, tue, was mir in den Sinn kommt und so zeige ich meine Verhaftungslosigkeit. Eigentlich bist du kein guter Aspirant aber du denkst, du bist einer. Das ist relative Unwirklichkeit.
Aber vom Höchsten her spielt beides keine Rolle. Egal, wie gut du dir als Aspirant, als Aspirantin vorkommst, du bist das unsterbliche Selbst und das ist entscheidend. Tat tvam asi, das bist du, jetzt und immer. Das ist entscheidend.

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