Viveka Chudamani – Vers 306

Deutsche Übersetzung:

306. Einzig und alleine durch Verwechslung des Ichs mit dem Selbst unterliegst du dem Kreislauf von Geburt und Tod – oh Du, der unveränderlich (sadaikarupa), ewig, allgegenwärtig, von unbefleckter Herrlichkeit, absolutes Wissen (cidatman) – absolute Glückseligkeit (anandamurti) und alldurchdringendes höchstes Bewusstsein bist.

Sanskrit Text:

sadaika-rūpasya cid-ātmano vibhor
ānanda-mūrter anavadya-kīrteḥ |
naivānyathā kvāpy avikāriṇas te
vināham-adhyāsam amuṣya saṃsṛtiḥ || 306 ||

सदैकरूपस्य चिदात्मनो विभो-
रानन्दमूर्तेरनवद्यकीर्तेः |
नैवान्यथा क्वाप्यविकारिणस्ते
विनाहमध्यासममुष्य संसृतिः || ३०६ ||

sadaika-rupasya chid-atmano vibhor
ananda-murter anavadya-kirteh |
naivanyatha kvapy avikarinas te
vinaham-adhyasam amushya samsritih || 306 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • sadaika-rūpasya : der immer (Sada) ein und derselbe („einförmig“, Ekarupa) ist
  • cid-ātmanaḥ : dessen Wesen (Atman) Bewusstsein (Chit) ist
  • vibhoḥ : des allgegenwärtigen (Vibhu)
  • ānanda-mūrteḥ : dessen Natur („Form“, Murti) Glückseligkeit (Ananda) ist
  • anavadya-kīrteḥ : von makellosem (Anavadya) Ruhm (Kirti)
  • na : nicht (Na)
  • eva : gewiss, wahrlich (Eva)
  • anyathā : anders (Anyatha)
  • kvāpi : irgendwann (Kva + Api)
  • avikāriṇaḥ : der unveränderlich ist (Avikarin)
  • te : für dich (Tvad)
  • vinā : ohne (Vina)
  • aham-adhyāsam : die Ich-Identifikation (AhamAdhyasa)
  • amuṣya : des (Egos, Adas)
  • saṃsṛtiḥ : (existiert) der Daseinswandel (Samsriti)     || 306 ||

Kommentar

Bindung an den Kreislauf von Geburt und Tod ist etwas, von dem Shankara immer wieder spricht. Du kannst auch fragen, was denn so schlimm daran ist, immer wieder geboren zu werden?
Shankara sagt immer wieder, dass wir uns vom Kreislauf von Geburt und Tod befreien wollen. Es gilt loszulassen. Aber wie können wir uns vom Kreislauf von Geburt und Tod befreien? Eben durch Nichtidentifikation. Durch Verwechslung des Ichs mit dem Selbst. Du bist das unsterbliche Selbst. Und du verwechselst das mit dem kleinen Ich und das kleine Ich ist das Selbst, das sich mit Körper und Psyche identifiziert. Aber die Frage ist ja auch, warum soll ich aus dem Kreislauf von Geburt und Tod überhaupt aussteigen? Ist es nicht schön in diesem Leben zu sein? Es gilt sich das bewusst zu machen.
Ich weiß nicht, ob du überhaupt an Reinkarnation glaubst. Ich glaube an Reinkarnation. Ich glaube sogar, dass es einige Hinweise gibt, die zeigen, dass Reinkarnation mehr als ein Glaube ist. Ich habe ja auch ein Buch über Karma und Reinkarnation geschrieben, wo ich diese Indizien, dass Reinkarnation mehr ist als ein Glaube genauer verdeutlicht. Darüber möchte ich kurz sprechen.
Zum einen gibt es Bewusstsein ohne eigenen Körper. Dafür gibt es einige Indizien, wie z.B. gibt es Menschen, die bewusstlos sind, scheinbar. Sie beschreiben, dass sie während der Zeit der Bewusstlosigkeit ihren Körper verlassen haben und obgleich der Körper auf nichts reagiert, können sie nachher beschreiben, was gewesen ist.
Manche Menschen können in der Tiefenentspannung und in der Meditation ihren Körper verlassen und die Welt von oben sehen und das ganze beschreiben, wie es von oben ist. Manche Menschen können sogar beschreiben, was im Nachbarraum war.
Es gibt Nahtoderfahrungen, wo Menschen, die kaum Hirnwellen haben, trotzdem wahrnehmen und nachher beschreiben, was sie gesehen haben. Zum Teil sogar die Gespräche der Verwandten im Zimmer, das ein oder zwei Zimmer vom Operationssaal entfernt ist. Sie können mit ihrer Psyche woanders hingehen als dort, wo der Körper ist.
Es gibt Menschen die Zugang haben zu Verstorbenen. Es gibt Medien, die Botschaften empfangen können und sie dem Hinterbliebenen geben können, ohne dass er den Toten jemals gesehen hat.
Es gibt Menschen die unter Hypnose in frühere Leben zurückgebracht werden können. Es gibt Menschen, die berichten was sie in einem früheren Leben waren. Und es kann bewiesen werden, dass das, was sie erzählen, wahr ist, dass es diese historische Person gegeben hat.
So gibt es einige Indizien für das Leben nach dem Tod und Leben vor dem Leben, Reinkarnation.
Den Indern geht es darum, aus dem Kreislauf von Geburt und Tod herauszukommen. Das ist im Buddhismus so, im Jainismus so, im Hinduismus und im Vedanta so.
Man kann aber fragen, ob es nicht schön wäre, wiedergeboren zu werden. Man hat schöne Phasen, zweifelsohne. Aber geboren zu werden, ist nicht schön. Durch den Geburtskanal hindurch zu gehen, den Kopf gepresst zu bekommen, ist nicht schön. Ein paar Jahre lang reichlich ohnmächtig zu sein, ist nicht schön. In der Kindheit so wenig zu wissen, ist nicht schön. Als Jugendlicher mit Hormonen, die durcheinandergeraten sind, zu leben, ist auch nicht so schön. Dann die Sorgen um Mann, Frau, Kinder, Lebensunterhalt und Eltern sind nicht schön. Dann Krankheit, Schmerzen, Dauerschmerzen, vielleicht irgendwann Verlust der geistigen Kräfte, Demenz, sind auch nicht schön.
Es gibt so vieles, was nicht so schön ist. Das kann man sich bewusst machen. Wenn du das vergleichst mit dem Zustand deiner wahren Natur Ananda, wahre Freude, dann ist die Identifikation Unglück. Die kleinen Freuden, die du hast, sind eine Widerspiegelung des Selbst. Freude kommt, wenn dein Geist ruhig ist, wenn du dich nicht identifizierst. Auch wenn du glücklich bist, weil du einen Wunsch erfüllt hast, ist das nicht wegen dem Objekt des Wunsches, sondern weil dein vorrübergehender Geist ruhig ist. Es ist gut, die unendliche Glückseligkeit zu erfahren und um sie zu erfahren, gilt es die Identifikation loszulassen. So lange du dich identifizierst, hast du auch ein Bedauern. So lange du dich identifizierst, bist du nicht glücklich. So lange du dich identifizierst, hast du eine Gier. Denn die Identifikation wird dich nie zufrieden stellen. Langfristig gesehen bist du glücklich, wenn du keine Wünsche mehr hast, keine Identifikation, deine wahre Natur erfährst.
Aber vielleicht magst du noch mal nachdenken: Warum ist es gut danach zu streben, nicht mehr wiedergeboren zu werden?

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