Viveka Chudamani – Vers 454

Deutsche Übersetzung:

454. Das prarabdha Karma ist auch für die verwirklichte Person sehr machtvoll und wird erst durch den Verbrauch seiner Früchte beendet, während sanchita und agami durch das Feuer vollendeter (Selbst)Erkenntnis verbrannt werden. Aber keine dieser drei Arten von Karma beeinflusst diejenigen, die die Einheit des Selbst mit Brahman erkannt haben und immer in Ihm verwurzelt /verankert leben. Sie sind wahrhaftig das transzendierte/formlose (nirguna) Brahman.

Sanskrit Text:

prārabdhaṃ balavattaraṃ khalu vidāṃ bhogena tasya kṣayaḥ
samyag-jñāna-hutāśanena vilayaḥ prāk-saṃcitāgāminām |
brahmātmaikyam avekṣya tan-mayatayā ye sarvadā saṃsthitās
teṣāṃ tat tritayaṃ na-hi kva-cid api brahmaiva te nirguṇam || 454 ||

प्रारब्धं बलवत्तरं खलु विदां भोगेन तस्य क्षयः
सम्यग्ज्ञानहुताशनेन विलयः प्राक्संचितागामिनाम् |
ब्रह्मात्मैक्यमवेक्ष्य तन्मयतया ये सर्वदा संस्थिता-
स्तेषां तत्त्रितयं नहि क्वचिदपि ब्रह्मैव ते निर्गुणम् || ४५४ ||

prarabdham balavattaram khalu vidam bhogena tasya kshayah
samyag-jnanahutashanena vilayah praksanchitagaminam |
brahmatmaikyam avekshya tan-mayataya ye sarvada samsthitas
tesham tat tritayam na-hi kva-chid api brahmaiva te nirgunam || 454 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • prārabdham : das im aktuellen Leben wirkende („begonnene“, PrarabdhaKarma)
  • balavattaram : (ist) äußerst mächtig (Balavat-tara)
  • khalu : allerdings (Khalu)
  • vidām : (selbst) für die Weisen (Vid)
  • bhogena : (geschieht nur) durch (gelebte) Erfahrung („Genuss“, Bhoga)
  • tasya : dessen (Tad)
  • kṣayaḥ : Verschwinden, Aufzehrung (Kshaya)
  • samyag-jñāna-hutāśanena : (geschieht) durch das Feuer (Hutashana) wahrer Erkenntnis (Samyagjnana)
  • vilayaḥ : die Auflösung (Vilaya)
  • prāk-saṃcitāgāminām : der früher (Prak) angehäuften (Taten, Sanchita Karma) und der zukünftigen (Taten, Agamin)
  • brahmātmaikyam : die Einheit (Aikya) des Selbst (Atman) und des Absoluten (Brahman)
  • avekṣya : nachdem sie erkannt haben („erblickt habend“, ava + īkṣ)
  • tan-mayatayā : in dem davon ganz Erfülltsein (Tanmayata)
  • ye : diejenigen, die (Yad)
  • sarvadā : immer, stets (Sarvada)
  • saṃsthitāḥ : verweilen (Samsthita)
  • teṣām : für diese (Tad)
  • tat : diese (Tad)
  • tritayam : drei (Dinge, Tritaya)
  • na-hi : (sind) nicht (mehr von Bedeutung, Nahi)
  • kva-cid api : irgendwann, in irgendeinem Fall (Kvachid Api)
  • brahma : Absolute (Brahman)
  • eva : nichts als („nur“, Eva)
  • te : (denn) sie (sind, Tad)
  • nirguṇam : das eigenschaftslose (Nirguna)     || 454 ||

Kommentar

Ich hatte schon in den Kommentaren zu den letzten Versen über die drei Arten von Karma gesprochen. Ein Verwirklichter hat Agami und Sanchita Karma verbrannt. Agami Karma verbrannt heißt zum einen, dass er keine Wünsche mehr hat. Wenn man keine Wünsche mehr hat, schafft man durch seine Handlungen auch kein neues Karma mehr.
Zum Zweiten wird der Selbstverwirklichte nicht aus Tugend oder Laster heraus handeln. Er fühlt sich eins mit allem. Es geschieht spontan aus ihm heraus. Er tut, was zu tun ist. Er hat daher auch nicht das Karma der Kompensation. Der Selbstverwirklichte hat nichts mehr zu lernen. Er hat das Ziel des Lebens erreicht. Das Karma der Evolution greift nicht.
Der Selbstverwirklichte tut vielleicht etwas und das, was er tut, hat auch eine gewisse Wirkung. Aber es beeinflusst ihn nicht. Der Selbstverwirklichte ist dermaßen in der Gnade Gottes, dass er keine weitere Gnade Gottes braucht. Daher ist der Selbstverwirklichte Weise nicht mehr dem Agami Karma unterworfen. Er schafft kein neues Karma.

Zum Dritten hat der Selbstverwirklichte etwas anderes. Er hat kein Sanchita Karma mehr. Alles, was noch an Lektionen künftig auf ihn zukommen sollte, ist verschwunden. So ähnlich, angenommen jemand überspringt eine Klasse, dann muss er die Lektionen der vorigen Klasse nicht alle erledigen. Ich habe selbst recht früh Abitur gemacht, ich habe zwei Klassen übersprungen, aber ich musste die früheren Lernlektionen nicht auch noch alle machen. Ich habe mich eigentlich sehr gewundert, dass mir die dritte Klasse, die ich übersprungen habe, nie gefehlt hat. Oder ich habe das Abitur in zwei Jahren gemacht anstatt in drei Jahren wie in Rheinland-Pfalz üblich. Ich habe nie verstanden, was mir eigentlich fehlt. An der Uni habe ich in einem Semester die Zwischenprüfung gemacht. Ich habe einiges nicht gemacht, was andere gemacht haben. Es hat mir nicht gefehlt.
In diesem Sinne, Sanchita Karma, wenn du die höhere Stufe erreicht hast, verschwindet das Sanchita Karma. Aber Prarabdha Karma erfährst du noch. Prarabdha Karma bist du weiterhin unterworfen. Aber auch dieses Prarabdha Karma beeinflusst dich nicht. Ein Gottverwirklichter, ein Selbstverwirklichter, ein Brahmanjnani weiß: Ich bin Brahman. Ich bin eins mit Brahman. Vielleicht wird der Körper Prarabdha Karma erfahren. Vielleicht wird das Umfeld dieses Körpers Prarabdha Karma erfahren, aber ich selbst bin Brahman.
Der größte Teil des Sanchita Karmas wird verbrannt, kein neues Karma wird erzeugt, und das wenige Karma, was noch kommt, kann noch ein paar Jahre oder Jahrzehnte dauern, muss erfahren werden. Die Früchte müssen kommen. Die Pfeile werden ihr Ziel erreichen, aber sie beeinflussen dich nicht mehr, wenn du die Gottverwirklichung erreicht hast. Karma geschieht, aber es macht dir nichts aus.

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