Viveka Chudamani – Vers 219

Deutsche Übersetzung:

219. Der Weise wendet sich von dem Gefäß, vom Wasser und vom Widerschein der Sonne im Wasser ab und sieht die wirkliche Sonne, die über allem steht, diese drei erhellt und aus sich selbst leuchtet, klar und deutlich.

Sanskrit Text:

ghaṭaṃ jalaṃ tad-gatam arka-bimbaṃ
vihāya sarvaṃ vinirīkṣyate’rkaḥ |
taṭa-stha etat-tritayāvabhāsakaḥ
svayaṃ-prakāśo viduṣā yathā tathā || 219 ||

घटं जलं तद्गतमर्कबिम्बं
विहाय सर्वं विनिरीक्ष्यते ऽर्कः |
तटस्थ एतत्त्रितयावभासकः
स्वयंप्रकाशो विदुषा यथा तथा || २१९ ||

ghatam jalam tad-gatam arka-bimbam
vihaya sarvam vinirikshyate’rkah |
tata-stha etat-tritayavabhasakah
svayam-prakasho vidusha yatha tatha || 219 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • ghaṭam : den Topf (Ghata)
  • jalam : das Wasser (Jala)
  • tad-gatam : (und) das darin (Tad) befindliche (Gata)
  • arka-bimbam : Spiegelbild (Bimba) der Sonne (Arka)
  • vihāya : nachdem er beiseite gelassen hat (beiseite gelassen habend, vi + )
  • sarvam : allesamt („alles“, Sarva)
  • vinirīkṣyate : wird erblickt (vi + nis + īkṣ)
  • arkaḥ : die Sonne (Arka)
  • taṭa-sthaḥ : (die von all diesen) unabhängig ist („unbeteiligt“, Tatastha)
  • etat-tritayāvabhāsakaḥ : die diese (Etad) drei („Dreiheit“, Tritaya) zur Erscheinung bringt („beleuchtet“, Avabhasaka)
  • svayaṃ-prakāśaḥ : (und) die sich selbst offenbart (Svayamprakasha)
  • viduṣā : von einem Weisen (Vidvams)
  • yathā : so wie (Yatha)
  • tathā : ebenso (Tatha)     || 219 ||

Kommentar

Es ist eine interessante Analogie von Shankaracharya, die er analysiert. Er hat im vorigen Vers davon gesprochen, dass nur ein Dummkopf meint, dass die widergespiegelte Sonne in einem Gefäß die Sonne selbst ist und sich dann vielleicht beschwert, dass er nicht ausreichend Wärme von dieser Sonne bekommt. Oder, dass diese Sonne wieder verschwunden ist, wenn man vielleicht einen Vorhang davorsetzt. Oder wenn man sagt, dass sie nicht so machtvoll ist. Warum ist diese Sonne in diesem Wassergefäß nicht so machtvoll?
So ähnlich denkt ein Dummkopf auch er wäre der Körper oder die Widerspiegelung im Körper, ich bin dieses Individuum. Und dann beschwert sich der Dummkopf darüber, dass er nicht genügend Freiheit hat, dass er nicht genügend Glück hat und nicht das bekommt, was er will.
Der Weise dagegen weiß, dass der Körper wie ein Gefäß ist. In dem Körper ist das Wasser und das Wasser ist wie die Psyche. Und in dieser Psyche innerhalb des Körpers spiegelt sich das Selbst, aber es gilt sich vom Körper und der Psyche abzuwenden und auch von der Widerspiegelung des Selbst in der Psyche als Individuum. Als Individuum wirst du nie das bekommen, was du willst. Du wirst nie das bekommen, was du wirklich brauchst. Die tiefe Sehnsucht des Menschen geht über das Ich hinaus. Und das ist eine Tragik unserer Zeit. Die Menschen der heutigen Zeit sind sehr individualistisch. Sie denken, wenn ich als Individuum bekomme, was ich will, dann werde ich glücklich sein. Aber das ist ein Irrtum. Du wirst nie glücklich sein aus dem Individuum heraus. Schon wenn du in das Du hineingehst, für andere da bist, dann bist du schon etwas glücklicher. Aber erst wenn du über alle Upadhis, alle begrenzenden Attribute hinausgehst, wirst du dich selbst erfahren als die reine Sonne.
So ähnlich ist es, wenn du dich nur um deine eigene Widerspiegelung kümmerst, wirst du nicht glücklich sein. Wenn du mehrere Sonnen analysierst, die in verschiedenen Wassergefäßen sich widerspiegelt, dann fängst du vielleicht an zu denken. Und wenn du dann zur Sonne hin schaust, dann erfährst du dich als unendlich, ewig, reines Bewusstsein.
Der erste Schritt wäre zu erkennen, dass da der Körper ist, die Psyche ist und sei dir bewusst, dass das individuelle Selbst eine Widerspiegelung des kosmischen Selbst im Individuum ist. Dann schaue dir andere an und sei dir bewusst, dass auch deren individuelles Bewusstsein Widerspiegelung des kosmischen Bewusstseins ist. Spüre von deinem Herzen her das Bewusstsein der anderen. Sei dir bewusst, dass wir alle ein einziges unendliches Bewusstsein sind und danach wende dich von allem Individuellem ab und erfahre dich selbst als Atman, als Brahman, als Sat-Chid-Ananda.

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