Viveka Chudamani – Vers 194

Deutsche Übersetzung:

194. Der hochverehrte Meister spricht: „Oh du Weiser, du hast die richtige Frage gestellt. Höre nun aufmerksam zu. Vorstellungen, welche dem täuschenden Irrtum entspringen, sind nicht endgültig/ beweiskräftig/ können nicht als Beweis akzeptiert werden.“

Sanskrit Text:

śrī-gurur uvāca |
samyak pṛṣṭaṃ tvayā vidvan sāvadhānena tac chṛṇu |
prāmāṇikī na bhavati bhrāntyā mohita-kalpanā || 194 ||

श्रीगुरुरुवाच |
सम्यक्पृष्टं त्वया विद्वन्सावधानेन तच्छृणु |
प्रामाणिकी न भवति भ्रान्त्या मोहितकल्पना || १९४ ||

shri-gurur uvacha |
samyak prishtam tvaya vidvan savadhanena tach chhrinu |
pramaniki na bhavati bhrantya mohita-kalpana || 194 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • śrī-guruḥ : der verehrte (Shri) Meister (Guru)
  • uvāca : sagte (vac)
  • samyak : recht, richtig (Samyak)
  • pṛṣṭam : gefragt (Prishta)
  • tvayā : hast du („durch dich“, Tvad)
  • vidvan : du Kluger („Wissender“, Vidvams)
  • sāvadhānena : aufmerksam (Savadhana)
  • tat : dies (Tad)
  • śṛṇu : höre (śru)
  • prāmāṇikī : beweiskräftig, gültig („maßgebend“, Pramanika)
  • na : nicht (Na)
  • bhavati : ist (bhū)
  • bhrāntyā : durch Irrtum (Bhranti)
  • mohita-kalpanā : eine Vorstellung (Kalpana), die zustande gekommen ist („verwirrt“, Mohita)     || 194 ||

Kommentar

Der Schüler hatte die Frage gehabt: „Solange ich mich erinnern kann, fühle ich mich als Einzelseele. Die Identifikation mit Körper und Psyche ist schon immer gewesen. Wie kann es dann möglich sein, dass ich die Identifikation verliere? Wie kann es möglich sein, aus dem Kreislauf von Geburt und Tod auszutreten?“ Der Guru antwortet: „Wenn etwas auf Irrtum beruht, dann hört es auch auf.“
Ein einfaches Beispiel dafür: Kinder, deren Existenz durch Samenspende ermöglicht wurde. Diese Kinder erfahren manchmal erst mit 30 oder 40 Jahren, dass ihr Vater nicht der leibliche Vater ist, für den sie ihn gehalten haben. 30 oder 40 Jahre sind sie also in dem irrtümlichen Glauben aufgewachsen, dass der Mensch, der sich liebevoll um sie gekümmert und sie großgezogen hat, ihr leiblicher Vater sei. Der Irrtum mag lange Jahre da gewesen sein, aber dennoch kann er plötzlich aufhören. Plötzlich wissen sie, dass sie einen anderen physischen Vater haben.
Ein anderes Beispiel ist eine jüdische Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruhen soll. Ein Junge einer jüdischen Familie sollte zum Militär eingezogen werden. Es war zur Zeit der Intifada. Da erzählten ihm seine Eltern, dass er Palästinenser sei und sie ihn adoptiert hätten, nachdem seine leiblichen Eltern bei einem Angriff auf ein Krankenhaus ums Leben gekommen seien. Bevor er nun gegen seine Geschwister kämpfen würde, solle er Bescheid wissen.
Auch ein Beispiel dafür, dass von einem auf den anderen Moment alles anders sein kann.
Die Identifikation mit Körper und Psyche beruht auch auf so einem Irrtum. Dieser Irrtum ist überwindbar. Etwas, das, so lange du dich erinnern kannst, gewesen ist, kann trotzdem aufhören. Was anadhi ist, ohne Anfang, kann trotzdem ein Ende haben. Erkenne dein wahres Selbst. Rechtes Wissen hilft, die Täuschung zu überwinden, selbst wenn die Täuschung schon sehr lange angedauert hat.

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