Viveka Chudamani – Vers 272

Deutsche Übersetzung:

272. „Für den, der sich aus den Fesseln des Geburtenkreislaufes befreien will, sind diese drei starken Neigungen wie eiserne Fesseln an den Füssen“ – sagen die Weisen. Ein Mensch, der davon frei ist, wird mit Sicherheit Befreiung erlangen.

Sanskrit Text:

saṃsāra-kārā-gṛha-mokṣam icchor
ayo-mayaṃ pāda-nibandha-śṛṅkhalam |
vadanti taj-jñāḥ paṭu vāsanā-trayaṃ
yo’smād vimuktaḥ samupaiti muktim || 272 ||

संसारकारागृहमोक्षमिच्छो-
रयोमयं पादनिबन्धशृङ्खलम् |
वदन्ति तज्ज्ञाः पटु वासनात्रयं
यो ऽस्माद्विमुक्तः समुपैति मुक्तिम् || २७२ ||

samsara-kar-agriha-moksham ichchhor
ayo-mayam pada-nibandha-shrinkhalam |
vadanti taj-jnah patu vasana-trayam
yo’smad vimuktah samupaiti muktim || 272 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • saṃsāra-kārā-gṛha-mokṣam : die Befreiung  (Moksha) aus dem Gefängnis (Karagriha) des Daseinswandels (Samsara)
  • icchoḥ : desjenigen, der sich wünscht (Ichchhu)
  • ayo-mayam : (als) eiserne (Ayomaya)
  • pāda-nibandha-śṛṅkhalam : Fußfesselkette (PadaNibandhaShrinkhala)
  • vadanti : bezeichnen („sagen“, vad)
  • taj-jñāḥ : die Wissenden (Tajjna)
  • paṭu : starke (Patu)
  • vāsanā-trayam : (diese) drei („Dreiheit“, Traya) Verlangen (Vasana)
  • yaḥ : wer (Yad)
  • asmāt : daraus (Idam)
  • vimuktaḥ : befreit ist (Vimukta)
  • samupaiti : erlangt (sam + upa + i)
  • muktim : die Befreiung, Erlösung (Mukti)     || 272 ||

Kommentar

Hier bezieht sich Shankara auf das, was er im vorigen Vers gesagt hat. Im 271. Vers hat er gesagt: „Weil die Menschen nach weltlichen Dingen streben, dogmatisch an den Schriften hängen und dem Körper verhaftet sind.“
Das sind die drei Neigungen, die auch spirituelle Aspiranten haben.

Man ist verhaftet an weltliche Dinge. Es gibt viele weltliche Dinge, wie z.B. Erfolg im Beruf, dein Auto, deine Wohnung, dein Zuhause, Umgang mit anderen usw.

Man hängt dogmatisch an den Schriften, d.h. dass Menschen aus aller Spiritualität ein Dogma machen können. Sie können sagen, dass es so sein muss. Sie können sich mit Menschen auseinandersetzen, die es etwas anders sehen oder tun.
Wichtig ist, dass du dir bewusst machst, dass die Schriften Mittel zum Zweck sind. Sie sind kein Selbstzweck. So wie auch Jesus gesagt hat: „Das Gesetz ist für den Menschen da und nicht der Mensch für das Gesetz.“ Hier ist bei Gesetz die Thora gemeint, die Heilige Schrift. Hänge nicht am Dogma, sondern siehe die Schrift als Hilfe zur Gottverwirklichung an.

Man hängt am Körper. Verhaftung an den Körper merkst du besonders, wenn du krank wirst oder eine Gefahr für den Körper besteht.

Das sind die drei Dinge, von denen du dich lösen musst. Ich bin immer wieder erstaunt, wie Menschen plötzlich ihr ganzes Leben umstellen und ihre Werte umstellen, nur weil der Körper ein Problem hat. Der Körper kann Probleme haben. Er kann Krebserkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck bekommen usw. Du kannst zwar mit Yoga insgesamt gesünder leben, aber es heißt nicht, dass du deshalb keine Probleme haben wirst. Es heißt nur, dass die Wahrscheinlichkeit geringer ist, dass du größere Probleme haben wirst. Deshalb sei dir bewusst, dass du das unsterbliche Selbst bist. Du bist nicht der Körper.

In diesem Sinne überlege jetzt, an welchen Dingen du verhaftet bist. Überlege, wo du dogmatisch bist, wo du über andere urteilst, wo du in Bezug auf die Schriften und das Verhalten anderer denkst, dass das doch gar nicht geht. Es ist dann sehr dogmatisch. Man darf die Ethik nicht außer Acht lassen. Man sollte nicht verletzen, nicht stehlen, nicht lügen, sexuelles Fehlverhalten vermeiden und unbestechlich sein.
Es gilt allerdings nicht die Regeln wörtlich zu nehmen, sondern den Sinn aus ihnen herauszustellen. Ansonsten sind alles andere nur Empfehlungen. Die übergeordnete Ethik ist wichtig und bei allem anderen gilt es nicht zu genau am Wortlaut zu hängen, sondern zu schauen, inwieweit mir das zur Gottverwirklichung hilft.
Ich bringe hier mal ein gewisses Beispiel. Bei Yoga Vidya gibt es momentan die Überlegung, ob wir Homas, Yajnas, Agnihotras, Havans, also Feuerzeremonien, weiter mit Ghee (Butterghee) machen oder wollen wir sie mit Pflanzenfett machen. Dann gibt es Menschen, die sagen, dass in den Schriften steht, dass es Kuh-Ghee sein muss. Und ich selbst als überzeugter Veganer sage: „Nein, es muss kein Ghee sein. Es kann irgendein Pflanzenfett sein.“ Irgendjemand hat dann versucht zu sagen, warum es Kuh-Ghee sein muss. Er meint, es seien gesättigte Fettsäuren notwendig. Ich meine das nicht, sondern dass ein Pflanzenfett ausreicht.
Ein anderer hat damit argumentiert, dass es Kuh-Ghee sein muss, weil es, wenn es verbrennt, weniger Stoffe in die Luft abgibt, die potentiell schädlich sind. Das hat etwas für sich, deshalb habe ich geforscht, ob es auch auf pflanzlicher Basis etwas gibt, gesättigte Fettsäuren gibt und das gibt es, das ist das Kokosfett. Man darf kein Kokosöl nehmen, sondern muss Kokosfett nehmen. Kokosfett, reines Fett, ist sogar noch reiner als Butterghee und verbrennt rückstandsfreier. Für die Lungen ist es günstiger Kokosfett zu nehmen. Was soll sonst noch im Kuh-Ghee sein? Das Leiden der Kälber, das Leiden der Kuh? Warum soll das gut sein? Warum sollte sonst Kuh-Ghee verwendet werden? Gut, es ist flüssig, es ist Öl. Aber was macht aus dem Kuh-Ghee etwas ganz Besonderes? Eigentlich nichts. Alles, was schwingungsmäßig da ist, wird durch die Mantras aufgebaut. Ansonsten müssten alle Menschen Butter essen und es müsste ihnen dann gut gehen. Das ist aber nicht so. Wer viel tierische Fette ist, erhöht seine Wahrscheinlichkeit für Krebserkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen und vermutlich auch für Alzheimer. Es gibt also keinen rein logisch nachvollziehbaren Grund. Menschen hängen am Wortlaut der Schriften, vergessend, dass vermutlich die Inder in Nordindien festgestellt haben, dass wenn Kuh-Ghee verwendet wurde, die Menschen weniger Lungenprobleme bekommen haben, als wenn dort andere Öle und Fette verwendet wurden. Vermutlich haben sie das deshalb gemacht, weil dort gesättigte Fettsäuren enthalten sind. Dann wurde das in die Schrift hineingegeben. Vielleicht auch weil die Kuhwirtschaft im alten Indien üblich war. So war es am leichtesten, zuverlässig Fett zu bekommen, indem man Kuh-Ghee nimmt. Aber heute geht es auch über Kokosfett. Man kann Kokosfett auch aus Bio bekommen, aus Fair-Trade, auch ohne, dass dabei Urwälder in Mitleidenschaft gezogen werden. So sollte man nicht am Wortlaut hängen, sondern schauen, was der Sinn dahinter ist. Man sollte nicht am Körper hängen, nicht an weltlichen Dingen hängen und auch nicht am Wortlaut der Schriften hängen.

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