Viveka Chudamani – Vers 17

Deutsche Übersetzung:

17. Nur derjenige ist geeignet für die Suche nach der höchsten Wahrheit, der zwischen den Wirklichen und Unwirklichen unterscheiden kann (vivekin), wer leidenschaftslos /anhaftungslos ist (virakta), wer die 6 Tugenden (shamadi-shatkam), wie Stille/ Ruhe des Geistes, Selbstbeherrschung etc. hat, und wer das brennende Verlangen/ tiefe Sehnsucht nach Befreiung (mumukshutvam) verspürt.

Sanskrit Text:

vivekino viraktasya śamādi-guṇa-śālinaḥ |
mumukṣor eva hi brahma-jijñāsā-yogyatā matā || 17 ||

विवेकिनो विरक्तस्य शमादिगुणशालिनः |
मुमुक्षोरेव हि ब्रह्मजिज्ञासायोग्यता मता || १७ ||

vivekino viraktasya shamadi-guna-shalinah |
mumukshor eva hi brahma-jijnasa-yogyata mata || 17 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • vivekinaḥ : einem, der Unterscheidungsfähigkeit besitzt (Vivekin)
  • viraktasya : der leidenschaftslos, anhaftungslos ist (Virakta)
  • śamādi-guṇa-śālinaḥ : der reichlich versehen ist (Shalin) mit den Tugenden (Guna) der Gemütsruhe (Shama) usw. (Adi)
  • mumukṣoḥ : der das Verlangen nach Erlösung besitzt (Mumukshu)
  • eva : nur (Eva)
  • hi : gewiss, wahrlich (Hi)
  • brahma-jijñāsā-yogyatā : die Eignung (Yogyata) für die Erforschung (Jijnasa) des Absoluten (Brahman)
  • matā : wird zugestanden (Mata)     || 17 ||

Kommentar

In diesem Vers von Shankaracharya werden zum ersten Mal die vier Eigenschaften eines Schülers, die „Sadhana Chatushtaya“, benannt und im nächsten noch ausführlicher beschrieben.

Shankaracharya sagt: „Um die Höchste Wahrheit wirklich erfahren zu können, muss man sich vorbereiten.“
Wenn Du zum Beispiel Mathematik studieren möchtest, musst du zunächst in die Grundschule und anschließend in die weiterführende Schule gehen. Idealerweise hast Du einen Mathematik Leistungskurs belegt, die Fähigkeit abstrakt zu denken und Dir machen Zahlen Spaß. Wenn du diese Eigenschaften und vielleicht noch Disziplin hast, dann bist Du geeignet für ein Mathematik Studium.

Wenn Du ein bekannter Musiker werden willst, brauchst Du auch bestimmte Eigenschaften, wie eine gewisse Musikalität, Rhythmusgefühl, Taktgefühl, ein Gefühl für Klang und die Stimmung der Zuhörer, Disziplin und irgendetwas Besonderes, was andere dazu verleitet, zu Dir zu kommen.

Sehr ähnlich ist es auch für den spirituellen Weg. Für den Weg des Jnana Yoga werden vier Eigenschaften genannt. Shankaracharya verwendet hierfür Ausdrücke, die etwas anders sind als diejenigen, die er im nächsten Vers gebraucht, aber auf das Gleiche hinauslaufen.

„Vivekinaha“ – Du musst ein „Vivekino“ sein, das heißt übersetzt „Jemand mit Unterscheidungskraft“. Du musst demnach jemand sein, der in der Lage ist einen Moment innezuhalten und Fragen stellt, wie „Wer bin ich? Woher komme ich? Und wohin gehe ich?“, dem diese Fragen wichtig sind und der sich nicht mit oberflächlichen Antworten zufrieden gibt.

„viraktasya“ – Du musst ein „Virakta“ sein, das bedeutet „Einer ohne Anhaftungen“. Wenn du verhaftet bist, dann wird es schwierig, objektiv zu sein. Und im Jnana Yoga geht es um das Erkennen der objektiven Wahrheit.

„Samādiguṇaśālinaḥ“ – „reichlich versehen mit den Eigenschaften der Gemütsruhe“.
„Samā“ heißt übersetzt „Gemütsruhe“ und „adi“ bedeutet wörtlich „die anderen“. Demnach solltest Du gute Eigenschaften und insbesondere Gemütsruhe haben.

Du solltest ein „mumukśhor“ sein, was wörtlich übersetzt „Einer, der das Verlangen nach Erlösung, Befreiung hat“ bedeutet.

Was kann ich tun, wenn ich diese vier Eigenschaften nicht habe?
Dann überlege einerseits, ob Bhakti Yoga für Dich geeigneter ist, Du eher Hingabe und Liebe spürst und Dir Gemütsruhe, Klarheit des Geistes, abstraktes Denken und Loslösung von Emotionen eher schwerer fällt.

Oder vielleicht ist Raja Yoga gut für Dich – das Bemühen um geistige Ruhe, ohne viel abstrakt zu denken und nachzudenken.

Wenn Du ein praktisch veranlagter Mensch bist und nicht viel philosophieren, sondern Dich mehr dafür einsetzen möchtest, Gutes zu tun, anderen zu helfen, dann ist Karma Yoga gut für Dich.

Das sind auch alles Yogawege, für den Jnana Yogaweg brauchst Du allerdings als Eigenschaften die Ruhe des Geistes, Klarheit, Loslösung von Verhaftungen und Unterscheidungskraft. Fange heute mit Deiner Kultivierung von Tugenden an, indem Du sie etwas intensivierst. Sage Dir: „Ich werde mehr Ruhe haben. Ich lasse mich nicht so leicht aus dem Gleichgewicht bringen. Ich werde einen Moment in die Unterscheidung gehen und mich fragen, ob das wirklich wichtig ist und ich mich in diesem Maße damit beschäftigen muss.“

Werde ein „Mumukśhor“ und sei dir bewusst, dass die Sehnsucht nach Befreiung wichtig ist.

Werde ein „Virakta“ und löse Dich von allen Verhaftungen. Immer wenn Du Dich gekränkt fühlst, bemerke, dass dort eine Verhaftung ist. Freue Dich, wenn du das nächste Mal von jemandem eine Kränkung erfährst, und sei dem Menschen dankbar dafür. Er hilft Dir Dich weiterzuentwickeln. Ein „Virakta“ bedeutet demnach „Derjenige, der nicht zu kränken ist“. Solange wie du angreifbar, verletzbar, gekränkt bist, ist irgendwo eine Verhaftung.

Überlege, welche dieser Eigenschaften Du heute und morgen entwickeln willst.

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