Viveka Chudamani – Vers 164

Deutsche Übersetzung:

164. Für Menschen, die ihren Sinn auf das Vergängliche richten, ist der Gedanke, der Körper sei das Selbst, der Samen (bija) /die Ursache ihres Leidens, woraus der Stängel/Stiel der Geburt, Krankheit, Alter und Tod entsteht. Deshalb musst du diesen Gedanken mit allen mitteln im Keim ersticken. Sobald der Geist sich von der Identifikation loslöst, ist keine Wiedergeburt mehr zu erwarten.

Sanskrit Text:

dehātma-dhīr eva nṛṇām asad-dhiyāṃ
janmādi-duḥkha-prabhavasya bījam |
yatas tatas tvaṃ jahi tāṃ prayatnāt
tyakte tu citte na punar-bhavāśā || 164 ||

देहात्मधीरेव नृणामसद्धियां
जन्मादिदुःखप्रभवस्य बीजम् |
यतस्ततस्त्वं जहि तां प्रयत्ना-
त्त्यक्ते तु चित्ते न पुनर्भवाशा || १६४ ||

dehatma-dhir eva nrinam asad-dhiyam
janmadi-duhkha-prabhavasya bijam |
yatas tatas tvam jahi tam prayatnat
tyakte tu chitte na punar-bhavasha || 164 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • dehātma-dhīḥ : die Überzeugung (Dhi), der Körper (Deha) sei das Selbst (Atman)
  • eva : genau (Eva)
  • nṛṇām : für Menschen (Nri)
  • asad-dhiyām : deren Geist (Dhi) auf das Unwirkliche (Asat) ausgerichtet ist
  • janmādi-duḥkha-prabhavasya : für die Entstehung (Prabhava) des Leids (Duhkha) von Geburt (Janman) usw. (ist, Adi)
  • bījam : der Same (Bija)
  • yataḥ : weil (Yatas)
  • tataḥ : deshalb (Tatas)
  • tvam : du (Tvam)
  • jahi : vernichte („zerschlage“, han)
  • tām : diese (Überzeugung, Tad)
  • prayatnāt : gründlich („eifrig“, Prayatna)
  • tyakte : aufgegeben wurde (Tyakta)
  • tu : aber (Tu)
  • citte : (wenn diese) Vorstellung („das Denken“, Chitta)
  • na : nicht (Na)
  • punar-bhavāśā : ist eine Wiedergeburt (Punarbhava) zu erwarten („Erwartung“, Asha)    || 164 ||

Kommentar

Warum solltest du dich nicht mit dem Körper identifizieren? Natürlich zu aller erst, weil du nicht der Körper bist. Aber zum zweiten auch: Die Identifikation mit dem Körper führt zum Leid. Warum?
Der Körper ist vergänglich. Irgendwann wird der Körper sterben. Und nicht nur dein Körper, sondern auch der Körper von allen, die mit deinem Körper in Verbindung stehen. Deine Eltern werden irgendwann sterben. Dein Partner, deine Partnerin wird irgendwann sterben.
Menschen in deiner Umgebung werden sterben. Vielleicht nicht gleich sterben, sie werden dich verlassen. Sie werden nicht mehr mit dir sein. Du wirst sie verlassen, so viel wird geschehen. Und es geht nicht nur um sterben, sondern Körper vergänglich, bedeutet ja auch, es ändert sich ständig etwas. Irgendwann entdeckst du eine Falte, irgendwann hast du Zahnschmerzen, irgendwann hast du Gelenkprobleme usw.. All das kommt, dass ist sicher.
Schmerzen kommen, Probleme kommen, denn der Körper ist vergänglich.
Er ist der Vergänglichkeit unterworfen. Intuitiv weißt du: Ich bin das unsterbliche Selbst.
Ich bin sat chid ananda. Weil du das weißt, bist du nicht zufrieden damit, dass du jetzt irgendwo fühlst, als ob du vergänglich wärst.
Und du weißt auch: Mein Partner, meine Partnerin, meine Eltern müssten doch auch unsterblich sein. Und so fällt es dir schwer das zu akzeptieren, dass der Körper der Vergänglichkeit unterworfen ist.
Mache dir bewusst: Ich bin das unsterbliche Selbst. Was mit dem Körper passiert ist nicht so relevant. Ich kann den Körper bewegen. Ich kann den Arm heben. Ich kann ihn senken. Ich kann den Kopf heben und senken. Ja ich habe einen gewissen Einfluss auf den Körper.
So ähnlich auch wie ich einen Einfluss auf eine Uhr habe. Ich kann die Uhr heben, senken, ich kann sie stellen usw.. Aber ich bin nicht die Uhr. Ich kann den Körper bewegen. Ich kann beobachten.
Ich habe einen gewissen Einfluss auf den Körper. Keinen vollständigen, aber einen gewissen.
Aber ich bin nicht der Körper. Ich bin das unsterbliche Selbst. Und so ähnlich auch kannst du dir bewusst sein: Ja, ich bin unvergänglich, das Ewige und das Absolute.

So jetzt überlege noch ein paar Mal:
Es heißt so schön: Schmerzen ist eine Sache, Leiden ist eine zweite Sache. Körper erzeugt Schmerzen. Manchmal mehr, manchmal weniger. Vielleicht, wenn du Yoga machst, Hatha Yoga, hast du etwas weniger Schmerzen. Wenn du eine gesunde Ernährung hast, hast du vielleicht auch weniger Schmerzen. Aber weniger heißt nicht, gar keine Schmerzen. Schmerzen kommen.
Du kannst darunter leiden, weil du dich identifizierst oder du kannst es akzeptieren. So ähnlich auch wie angenommen du hast ein Auto das nicht mehr so richtig funktioniert. Dann weißt du so schnell kannst du nicht mehr fahren. Und du weißt vielleicht kannst du zwei oder drei der vier Fenster nicht mehr öffnen. Vielleicht ist es auch so, dass die Matten nicht mehr so ordentlich sind usw..
Es macht aber nichts. Was soll’s? Dafür musst du dir kein neues Auto kaufen. Keine Kredite aufnehmen. Du kannst stattdessen ein einfacheres Leben führen und dir weniger Sorgen machen.
So ähnlich auch: Du hast einen Körper. Der Körper kann besser funktionieren, er kann weniger gut funktionieren. Aber du bist nicht der Körper.

Ich weiß, ich wiederhole das immer wieder. Shankara wiederholt es immer wieder. Und es ist wichtig. Und so ist es auch gut, dass du diese Vortragsreihe jeden Tag hörst.
Jeden Tag darüber nachdenkst. Jeden Tag überlegst. Jeden Tag dich wieder erwischst, wie du dich identifizierst. Jeden Tag dich wieder davon löst.
Da hat der Körper Schmerzen. Ok, dann hat der Körper Schmerzen. Was soll’s? Nicht so tragisch. Die Schmerzen gehen auch wieder vorbei. Vielleicht musst du etwas tun. Vielleicht musst du Entspannungstechniken machen. Vielleicht musst du zum Arzt gehen. Vielleicht musst du mal ein Schmerzmittel nehmen. Dein Körper mag das alles brauchen. Aber die Gesundheit des Körpers ist nicht ein Zeichen, dass du richtig machst. Und die Krankheit des Körpers ist auch kein Zeichen dafür, dass du alles schlecht machst.
Der Körper ist wie ein Auto, wie eine Maschine, wie ein Fahrrad, wie ein Fahrzeug.
Mache dir nicht so viele Gedanken darüber.
Sei dir bewusst: Du bist das unsterbliche Selbst. Du bist nicht dieser Körper.

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