Viveka Chudamani – Vers 426

Deutsche Übersetzung:

426. Jemand, dessen Geist frei von äußeren Sinnesobjekten ist, in dem er ständig in der Einheit mit dem Absoluten verharrt/verweilt/versunken ist, betrachtet Besitz und Genuss, die von anderen erstrebt werden, wie ein Schlafender, wie ein Kind. Er sieht diese Welt, wie die Welt, die im Traum wahrgenommen wird. Sein Geist ist an einem anderen Ort. Er genießt die Früchte endloser verdienstvoller Taten, ist gesegnet und wird in der Welt verehrt.

Sanskrit Text:

brahmākāratayā sadā sthitatayā nirmukta-bāhyārtha-dhīr
anyāvedita-bhogya-bhoga-kalano nidrālu-vad bāla-vat |
svapnālokita-loka-vaj jagad idaṃ paśyan kva-cil labdha-dhīr
āste kaś-cid ananta-puṇya-phala-bhug dhanyaḥ sa mānyo bhuvi || 426 ||

ब्रह्माकारतया सदा स्थिततया निर्मुक्तबाह्यार्थधी-
रन्यावेदितभोग्यभोगकलनो निद्रालुवद्बालवत् |
स्वप्नालोकितलोकवज्जगदिदं पश्यन्क्वचिल्लब्धधी-
रास्ते कश्चिदनन्तपुण्यफलभुग्धन्यः स मान्यो भुवि || ४२६ ||

brahmakarataya sada sthitataya nirmukta-bahyartha-dhir
anyavedita-bhogya-bhoga-kalano nidralu-vad bala-vat |
svapnalokita-loka-vaj jagad idam pashyan kva-chil labdha-dhir
aste kash-chid ananta-punya-phala-bhug dhanyah sa manyo bhuvi || 426 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • brahmākāratayā : als eine Form (Akara) des Absoluten (Brahman)
  • sadā : immer, stets (Sada)
  • sthitatayā : aufgrund (seines) Verweilens (Sthita)
  • nirmukta-bāhyārtha-dhīḥ : dessen Geist („Intellekt“, Dhi) von äußeren (Bahya) Dingen (Artha) befreit ist (Nirmukta)
  • anyāvedita-bhogya-bhoga-kalanaḥ : dessen Genuss (Bhoga) von Speisen („Sinnesobjekten“, Bhogya), die ihm von anderen (Anya) dargereicht (Avedita) werden, nur scheinbar ist („dem Gebaren nach“, Kalana)
  • nidrālu-vat : wie (Vat) ein Schläfriger (Nidralu)
  • bāla-vat : (oder) wie ein Kind (Bala)
  • svapnālokita-loka-vat : wie (Vat) eine im Traum (Svapna) gesehene (Alokita) Welt (Loka)
  • jagat : Welt (Jagat)
  • idam : diese (Idam)
  • paśyan : der ansieht, betrachtet („sehend“, paś)
  • kva-cit : bisweilen, manchmal (Kvachid)
  • labdha-dhīḥ : (wenn er von ihr) eine Wahrnehmung („Erkenntnis“, Dhi) erlangt hat (Labdha)
  • āste : lebt („weilt“, ās)
  • kaś-cit : seltener Mensch („gewisser“, Ka Chid)
  • ananta-puṇya-phala-bhuk : der die Früchte (Phala) unendlicher (Ananta) Verdienste (Punya) genießt (bhuj)
  • dhanyaḥ : glücklich, gesegnet (Dhanya)
  • saḥ : solch ein („dieser“, Tad)
  • mānyaḥ : (und) verehrungswürdig (Manya)
  • bhuvi : auf Erden (Bhu)     || 426 ||

Kommentar

Jesus sagt ja in den Evangelien, dass, wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, ihr nicht eingehen werdet ins Gottesreich oder ins Himmelreich.
Shankara sagt so etwas Ähnliches und beschreibt, wie er denkt, dass ein Kind ist. Er beschreibt es im 426. Vers des Viveka Chudamani:

„Jemand, dessen Geist frei von äußeren Sinnesobjekten ist, indem er ständig in der Einheit mit dem Absoluten verharrt/verweilt/versunken ist, betrachtet Besitz und Genuss, die von anderen erstrebt werden, wie ein Schlafender, wie ein Kind. Er sieht diese Welt, wie die Welt, die im Traum wahrgenommen wird. Sein Geist ist an einem anderen Ort. Er genießt die Früchte endloser verdienstvoller Taten, ist gesegnet und wird in der Welt verehrt.“

Shankara spricht weiter über die Früchte von Atmajnana, der Erkenntnis des Selbst, die Früchte der Erleuchtung. Der Geist ist frei von äußeren Sinnesobjekten, d.h., äußerlich mögen Sinnesobjekte da sein, aber der Geist haftet nicht daran. Du magst in einer Welt sein, wo alles Mögliche ist. Du magst dort auch wandeln, aber es macht dir nichts. Weder hast du vor schlimmen Sachen Angst noch hängst du an schönen Sachen noch hast du Vorstellungen, was unbedingt sein müsste, damit du glücklich sein müsstest. Du bist zufrieden im Hier und Jetzt. Du bist in der Einheit des Absoluten mit offenen und mit geschlossenen Augen. Ein Erleuchteter kann jederzeit die Augen schließen und Brahman erfahren. Er kann aber auch die Augen öffnen und Bewusstsein erweitern und Brahman so erfahren. Er kann sein Herz mit dem Herzen anderer verbinden und auch so Brahman erfahren. Brahman wird erfahren, indem du dein Herz öffnest. In diesem Sinne öffne dein Herz und erfahre die Seligkeit von Brahman.
Shankara sagt hier auch: „Besitz und Genuss wird von anderen erstrebt“. Aber ein Kind will nicht unbedingt so viel besitzen, auch wenn Kinder schon früh „mein“ sagen. Aber ein Kind kann auch etwas genießen, etwas schön finden und legt dann das Spielzeug wieder weg. Das ärgert manchmal Erwachsene, die dem Kind ein tolles Spielzeug gekauft haben. Das Kind nimmt es, spielt etwas damit und legt es dann wieder weg. Was soll es?
In diesem Sinne kannst du etwas, was Karma dir gibt, genießen und loslassen. Du brauchst nichts zu besitzen. Eventuell braucht es für die Gesellschaft eine Art von Besitz und deshalb gibt es das Bürgerliche Gesetzbuch. Es scheint zumindest in neuerer Zeit so zu sein, dass die moderne Zivilisation besser funktioniert, wenn es Privateigentum gibt. Trotzdem musst du dich nicht an das Privateigentum verhaften. Lass einfach los! Nichts gehört dir. Du kannst innerlich sagen: „Nichts gehört mir.“ Selbst wenn es dir äußerlich scheinbar gehört, gehört es dir doch nicht. Es ist dir vorrübergehend anvertraut. Und so weißt du, dass es wie ein Traum ist. Angenommen du weißt, dass du träumst, dann magst du immer noch träumen, aber du bist ziemlich verhaftungslos. Du weißt, in jedem Moment kann ich aufwachen und was im Traum geschieht, ist nicht so relevant. In diesem Sinne, wenn du in der Meditation mal jenseits dieser Traumwelt gegangen bist, dann kannst du dich wunderbar freuen. Genieße diese wunderbare Schönheit der Unendlichkeit.

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