Viveka Chudamani – Vers 345

Deutsche Übersetzung:

345. Es ist sehr schwer die Kraft der Projektion zu überwinden, wenn die Kraft der Verhüllung nicht restlos überwunden wird. Wenn man klar zwischen Seher (drish) und Gesehenem (drishya) unterscheidet, so wie man Wasser von Milch unterscheidet, verschwindet die Verhüllung, die das Selbst verdeckt, ganz von selbst. Wenn der Geist nicht weiterhin in falschen Sinnesobjekten verstrickt ist, wird das Selbst frei von allen Hindernissen und der Sieg (vikshepa-shakti-vijaya) ist ohne Zweifel erlangt.

Sanskrit Text:

vikṣepa-śakti-vijayo viṣamo vidhātuṃ
niḥśeṣam āvaraṇa-śakti-nivṛtty-abhāve |
dṛg-dṛśyayoḥ sphuṭa-payo-jala-vad-vibhāge
naśyet tad āvaraṇam ātmani ca sva-bhāvāt |
niḥsaṃśayena bhavati pratibandha-śūnyo
vikṣepaṇaṃ na-hi tadā yadi cen mṛṣārthe || 345 ||

विक्षेपशक्तिविजयो विषमो विधातुं
निःशेषमावरणशक्तिनिवृत्त्यभावे |
दृग्दृश्ययोः स्फुटपयोजलवद्विभागे
नश्येत्तदावरणमात्मनि च स्वभावात् |
निःसंशयेन भवति प्रतिबन्धशून्यो
विक्षेपणं नहि तदा यदि चेन्मृषार्थे || ३४५ ||

vikshepa-shakti-vijayo vishamo vidhatum
nihshesham avarana-shakti-nivritty-abhave |
drig-drishyayoh sphuta-payo-jala-vad-vibhage
nashyet tad avaranam atmani cha sva-bhavat |
nihsamshayena bhavati pratibandha-shunyo
vikshepanam na-hi tada yadi chen mrisharthe || 345 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • vikṣepa-śakti-vijayaḥ : der Sieg (Vijaya) über die Kraft der Projektion (Vikshepa Shakti)
  • viṣamaḥ : (ist) schwierig (Vishama)
  • vidhātum : zu erringen („zu machen“, vi + dhā)
  • niḥśeṣam : vollständig, restlos (Nihshesha)
  • āvaraṇa-śakti-nivṛtty-abhāve : beim Fehlen (Abhava) des Unwirksamwerdens (Nivritti) der Kraft der Verhüllung (Avarana Shakti)
  • dṛg-dṛśyayoḥ : zwischen dem Seher (Drish) und der sichtbaren Welt (Drishya)
  • sphuṭa-payo-jala-vad-vibhāge : bei genauer (Sphuta) Unterscheidung („Trennung“, Vibhaga) wie (Vat) zwischen Milch (Payas) und Wasser (Jala)
  • naśyet : verschwindet (naś)
  • tat : diese (Tad)
  • āvaraṇam : Verhüllung (Avarana)
  • ātmani : über dem Selbst (Atman)
  • ca : aber (Cha)
  • sva-bhāvāt : ganz natürlich (Svabhava)
  • niḥsaṃśayena : zweifellos (Nihsamshaya)
  • bhavati : ist (bhū)
  • pratibandha-śūnyaḥ : frei (Shunya) von Hindernissen (Pratibandha)
  • vikṣepaṇam : Zerstreuung, Ablenkung (Vikshepana)
  • na-hi : absolut keine („gar nicht“, Nahi)
  • tadā : dann (Tada)
  • yadi cet : wenn (Yadi Ched)
  • mṛṣārthe : hin zu einem unwirklichem (Mithya) Sinnesobjekt (existiert, Artha)     || 345 ||

Kommentar

Hast du schon mal innere Unruhe erfahren oder kennst du andere, die öfters innere Unruhe haben? Was könntest du dort machen? Wie könntest du mit dieser inneren Unruhe umgehen?

Lasst uns hören, was Shankara dazu schreibt: Es ist sehr schwer die Kraft der Projektion zu überwinden, wenn die Kraft der Verhüllung nicht restlos überwunden wird. Wenn man klar zwischen Seher (drish) und Gesehenem (drishya) unterscheidet, so wie man Wasser von Milch unterscheidet, verschwindet die Verhüllung, die das Selbst verdeckt, ganz von selbst. Wenn der Geist nicht weiterhin in falschen Sinnesobjekten verstrickt ist, wird das Selbst frei von allen Hindernissen und der Sieg ist ohne Zweifel erlangt.

Innere Unruhe, Ängstlichkeit usw. berühren dich nicht wirklich. Er sagt hier, dass du lernen sollst, zu unterscheiden zwischen dem Seher und dem Gesehenen. Das ist so etwas wie die Achtsamkeitsübung. Mache dir bewusst, dass da vielleicht die innere Unruhe ist. Mache dir bewusst, wo du sie spürst.
Vielleicht spürst du ein Zusammengezogensein im Herzen oder in der Kehle oder etwas im Bauch. Vielleicht merkst du auch, dass die Hände etwas zittern. Vielleicht merkst du Phantasien usw., aber du kannst all das wahrnehmen. Nimm es wahr und werde dir bewusst, wie sich deine Energien anfühlen. Wie fühlen sich deine Emotionen an? Wo spürst du sie? Und in dem Moment, in dem du dich davon löst und es nur beobachtest, da ist zum einen die innere Unruhe und die ist beobachtbar und zum Anderen bist du derjenige, der beobachtet und der nicht unruhig ist. Nicht du bist unruhig, sondern du bist das unsterbliche Selbst, das die innere Unruhe beobachtet.

Shankara sagt in diesem Vers, dass die Unterscheidung zwischen Drish und Drishya, zwischen dem Seher (Drish) und dem Gesehenen (Drishya), dir hilft, dich zu lösen. Und wenn du das erkannt hast, dann hast du dich von der Verhüllung gelöst. Und aus der Tiefe deines Selbst wiederum kannst du dann auch Gemüt und Energien beeinflussen. So wie Patanjali ja sagt, dass das Gesehene für den Seher da ist. Mache dich also nicht zum Sklaven des Gesehenen. Löse dich von dem Gesehenen und danach kannst du es ändern. Du könntest auch auf folgende Weise zu dir sprechen:
„Auf der einen Seite nehme ich eine innere Unruhe wahr. Ich spüre sie im Herzen. Ich spüre sie im Bauch. Ich spüre sie in der Kehle. Es gibt gute Gründe für die innere Unruhe. Demnächst steht eine wichtige Entscheidung an usw. Wenn ich in die Tiefe meines Wesens gehe, dann spüre ich dort Sat-Chid-Ananda, SeinWissenGlückseligkeit. Tief im Inneren ist Ruhe. An der Oberfläche ist die innere Unruhe. In der Tiefe meines Wesens bin ich in der Ruhe verankert. Und schon bald wird aus dieser inneren Ruhe eine Ruhe kommen in meine Psyche, meine Energien, meine Gefühle. Aus der tiefen Ruhe im inneren meines Selbst, kommt auch die Ruhe in meine Psyche.“
Gehe so mit dir um. Erster Schritt: Unterscheidung zwischen Seher und Gesehenem. Zweiter Schritt: Lösen vom Gesehenen und Spüren deines Selbst. Dritter Schritt: Aus dem Selbst heraus kommt die Herrschaft über das Gesehene, also z.B. über deinen Gemütszustand.
Probiere es aus. Schreibe vielleicht einen Kommentar, wie das für dich wirkt oder ob es vielleicht etwas anderes gibt, was für dich stärker wirkt.

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