Viveka Chudamani – Vers 19

Deutsche Übersetzung:

19. Unter den Voraussetzungen ist die erste die Unterscheidung zwischen Vergänglichem und Unvergänglichem (viveka). Dann kommt die Gleichgültigkeit/Verhaftungslosigkeit (viraga) darüber, ob man in diesem Leben oder im Jenseits die Früchte für Mühen und getane Arbeit genießt. Dann folgen die 6 Tugenden (shamadi-shatkam), wie Stille der Gedanken und Gefühle/ Ruhe des Geistes und schließlich das brennende Verlangen/ die tiefe Sehnsucht nach Befreiung (mumukshutvam).

Sanskrit Text:

ādau nityānitya-vastu-vivekaḥ parigaṇyate |
ihāmutra-phala-bhoga-virāgas tad-anantaram |
śamādi-ṣaṭka-sampattir mumukṣutvam iti sphuṭam || 19 ||

आदौ नित्यानित्यवस्तुविवेकः परिगण्यते |
इहामुत्रफलभोगविरागस्तदनन्तरम् |
शमादिषट्कसम्पत्तिर्मुमुक्षुत्वमिति स्फुटम् || १९ ||

adau nityanitya-vastu-vivekah pariganyate |
ihamutra-phala-bhoga-viragas tad-anantaram |
shamadi-shatka-sampattir mumukshutvam iti sphutam || 19 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • ādau : zuerst („am Anfang“, Adi)
  • nityānitya-vastu-vivekaḥ : die Unterscheidungsfähigkeit (Viveka) hinsichtlich ewiger (Nitya) und  vergänglicher (Anitya) Dinge (Vastu)
  • parigaṇyate : wird genannt („aufgezählt“, pari + gaṇ)
  • ihāmutra-phala-bhoga-virāgaḥ : Gleichgültigkeit (Viraga) hinsichtlich des Genusses (Bhoga) von Resultaten („Früchten“, Phala) in der hiesigen (Iha) und der jenseitigen Welt (Amutra)
  • tad-anantaram : als nächstes (Tadanantara)
  • śamādi-ṣaṭka-sampattiḥ : die Gruppe der sechs (Shatka) Vollkommenheiten („Vorzüglichkeiten“, Sampatti), beginnend (Adi) mit Gemütsruhe (Shama)
  • mumukṣutvam : das Verlangen nach Erlösung (Mumukshutva)
  • iti : ganz („so“, Iti)
  • sphuṭam : klar, offensichtlich (Sphuta)     || 19 ||

Kommentar

Shankaracharya beschreibt im 19. Vers der Viveka Chudamani die vier klassischen Eigenschaften eines Aspiranten und hilft uns, wie wir sie entwickeln können.

Zunächst macht er es uns einfach und beginnt mit eher einfacheren Anforderungen – „Viveka“, die Unterscheidung zwischen dem Vergänglichen und dem Unvergänglichen. Das ist nicht sehr schwer. Vielleicht hast Du als Kind bereits die Aussage gehört: „Wenn Du heiratest, hast Du es vergessen.“ Und manchmal erinnerst Du Dich auch, dass die Dinge vorbeigehen werden. Diese Unterscheidung zwischen dem Ewigen und dem Vergänglichen ist im Alltag nicht sehr schwer. Mache Dir bewusst, dass das, was Dich heute bedrückt, in ein paar Stunden, Wochen, Monaten oder Jahren nicht mehr wichtig ist. Vom Standpunkt der Ewigkeit ist das Kleine nicht so wichtig.
Betrachten wir ein weiteres Beispiel. Angenommen jemand käme von einem anderen Planeten zur Erde und Du würdest ihm oder ihr erzählen, was dich bedrückt. Überlege von seinem oder ihrem Standpunkt aus betrachtet, wie wichtig Deine Probleme sind.
Die Unterscheidung zwischen dem Vergänglichen und dem Ewigen ist eine einfache und effektive Methode, um aus dem Ungleichgewicht herauszukommen.

Als Zweites beschreibt Shankaracharya „Vairagya“ relativ einfach und sagt, „Verhaftungslosigkeit darüber, ob man in diesem Leben oder im Jenseits, die Früchte für Mühen und getaner Arbeit genießt“.
Hier gebraucht er „Vairagya“ und „Sannyasa“ wie aus seinem Kommentar zur Bhagavad Gita und erklärt „Verhaftungslosigkeit gegenüber den Früchten der Handlung“. Wenn Du demnach etwas Großartiges tust und es Dir etwas ausmachst, dass Du kein Lob und Anerkennung erhältst, bist Du verhaftet. „Vairagya“ bedeutet, dass Du das tust, was zu tun ist, ohne dass es Dir etwas ausmacht, kein Lob und Anerkennung zu bekommen.
In diesem Sinne bedeutet „Viveka“, die Unterscheidung zwischen Ewigem und Vergänglichem, und „Vairagya“, das Nichtverhaftet sein an den Früchten der Handlung. Das ist nicht einfach, aber machbar.

„Samādiśhaṭkam“ sind die sechs Tugenden und heißt wörtlich übersetzt „die Sechsheit von Sama, Geistesruhe, und die anderen“. Die Ruhe des Geistes ist eine wichtige Eigenschaft. Kultiviere diese Eigenschaft.
Zuletzt zählt er als vierte Eigenschaft eines Aspiranten „Mumukśhutva“ auf – das brennende Verlangen nach der Wahrheit. Shankaracharya sagt immer wieder: „Strebe nach der Wahrheit, denn nur die Wahrheit macht dich frei.“ Daher ist es richtig nach der Wahrheit zu streben.

„Unter den Voraussetzungen ist die erste die Unterscheidung zwischen dem Vergänglichen und dem Unvergänglichen, „Viveka“. Dann kommt die Gleichgültigkeit, Verhaftungslosigkeit darüber, ob man in diesem Leben oder im Jenseits die Früchte für Mühen und getaner Arbeit genießt, „Vairagya“. Dann folgen die sechs Tugenden der Gleichmut, „śamādiśhaṭkam“, wie Stille der Gedanken und Gefühle, Ruhe des Geistes und schließlich das brennende Verlangen, die Sehnsucht nach Befreiung, „mumukśhutva“.“

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