Viveka Chudamani – Vers 13

Deutsche Übersetzung:

13. Weder heilige Bäder noch irgendwelche wohltätige Geschenke, noch Hunderte von Pranayama Übungen können uns Wissen über das Selbst geben. Das wahre Wissen wird durch das richtige Befragen (vicarena) erlangt.

Sanskrit Text:

arthasya niścayo dṛṣṭo vicāreṇa hitoktitaḥ |
na snānena na dānena prāṇāyama-śatena vā || 13 ||

अर्थस्य निश्चयो दृष्टो विचारेण हितोक्तितः |
न स्नानेन न दानेन प्राणायमशतेन वा || १३ ||

arthasya nishchayo drishto vicharena hitoktitah |
na snanena na danena pranayama-shatena va || 13 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • arthasya : einer (zu entscheidenden) Sache (Artha)
  • niścayaḥ : Gewissheit in, genaue Kenntnis (Nishchaya)
  • dṛṣṭaḥ : wird gewonnen („gesehen“, Drishta)
  • vicāreṇa : durch das Verfahren (der Prüfung, Untersuchung, Vichara)
  • hitoktitaḥ : in Übereinstimmung mit den nützlichen Aussagen („guten Ratschlägen“ derer, die sich darin auskennen, Hitokti)
  • na : weder („nicht“, Na)
  • snānena : durch ein Baderitual („das Baden“, Snana)
  • na : noch („nicht“)
  • dānena : durch Gaben, Spenden („das Geben“, Dana)
  • prāṇāyama-śatena : einhundert (Shata) Pranayama-Übungen
  • vā : oder (Va)     || 13 ||

Kommentar

In diesem Teil der Viveka Chudamani möchte Shankaracharya alles in die rechte Perspektive rücken und uns damit vor Selbstsicherheit, Selbstbetrug schützen. Es hängt nicht von der Menge unserer Praktiken ab, sondern es geht mehr um die Transformation des Bewusstseins. Die Erkenntnis ist wichtig und nicht das mechanische Praktizieren.
Das mag vielleicht einen etwas abfälligen Anschein machen über jede Art von Praktiken und das richtige Baden an heiligen Orten steht natürlich für alle Rituale, das Aufsuchen von Kraftorten oder wohltätige Geschenke stehen für alles uneigennützige Dienen, Pranayama – welches Shankaracharya im Vers 13 als Beispiel verwendet – steht natürlich für alle Hatha Yoga Praktiken, wie Asana, Pranayama, Tiefenentspannung und letztlich auch weitere Praktiken wie Meditation, Mantrarezitation

Aber ein mechanisches Ausführen von Praktiken allein reicht nicht aus.
Nach dem Verständnis des Jnana Yoga übst Du die Praktiken, um Dich zu reinigen. Du praktizierst, um die Kraft, das Prana, die Ruhe des Geistes zu haben, Dich mit Spiritualität zu beschäftigen, übst das uneigennützige Dienen, um Dich vom Krebs der Individualität zu befreien, und machst Bhakti, um dein Herz zu öffnen, eine emotionale Weite, Liebe zu haben. Aber alle Praktiken allein werden wiederum nicht zur Befreiung führen.
Sondern ausgehend von Shankaracharyas Standpunkt ist das alles die Vorbereitung auf Jnana Yoga, Vedanta, Vicara, mit der zentralen Frage „Wer bin ich?“.

Wie bereits im letzten Vers erwähnt führen alle Yogawege zur Befreiung. Auch wenn jeder Weg von sich behauptet, dass er der Beste und der Schnellste sei. Shankaracharya hat übrigens wunderschöne Bhakti Werke geschrieben – oder zumindest werden sie ihm zugeschrieben. Und Swami Sivananda, letztlich in der Tradition von Shankaracharya, lehrt auch, dass die Bhakti Hingabe, oder auch Raja Yoga jeweils allein zur Befreiung führen.

Aber nicht durch ein mechanisches Ausüben, sondern nur durch die Hingabe, das Bewusstsein der Bedeutung wird jede Praktik bedeutsam.

Wenn Du in diesem Sinne eine Asana und Pranayama übst, praktiziere mit Intensität.
Frage Dich vielleicht während der Asana „Wer bin ich?“. Spüre in der Vorwärtsbeuge den Körper, das Prana. Frage Dich „Wer ist in der Vorwärtsbeuge? Wer spürt das Prana?“.
Während der Pranayama Übung fühlst Du das Prana, spürst die Energie, die Klarheit Deines Geistes und fragst Dich „Wer bin ich, der gleich bleibt, inmitten der Prana-Veränderungen, inmitten der Konzentrationsveränderung?“
Beim uneigennützigen Dienen kommst Du in verschiedene Herausforderungen, Empfindungen, Gefühle und fragst Dich „Wer bin ich inmitten von all diesem uneigennützigen Dienen?“.

In diesem Sinne kann jede Form von Praxis auch zu Jnana Yoga werden. Du kannst auch nicht den ganzen Tag herumsitzen und fragen „Wer bin ich?“. Verbinde somit jede spirituelle Praxis und jeder Alltagshandlung mit Vichara – mit der Frage „Wer bin ich?“.

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