4. Kapitel, Vers 1

Deutsche Übersetzung:

Gruß (namah) an Shiva (shiva), an den Lehrer (guru), dessen Essenz (atma) Klang (nada), Ort (bindu) und Wahrnehmung (kala) ist. | Wer ihm darin (tatra) völlig hingegeben ist (parayana) der wandelt (yati) immer (nityam) rein (niranjana) in seinen Fußabdrücken (padam).

Sanskrit Text:

  • namaḥ śivāya gurave nāda-bindu-kalātmane |
    nirañjana-padaṁ yāti nityaṁ tatra parāyaṇaḥ ||1||
  • नमः शिवाय गुरवे नादबिन्दुकलात्मने ।
    निरञ्जनपदं याति नित्यं तत्र परायणः ॥१॥
  • namah shivaya gurave nada bindu kalatmane |
    niranjana padam yati nityam tatra parayanah ||1||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • namas : Verehrung, Verbeugung (sei, Namas)
  • śivāya : Shiva
  • gurave : dem Lehrer, Meister (Guru)
  • nāda : Klang (Nada)
  • bindu : Bindu („Punkt, Tropfen“)
  • kalā* : (und) Kala („Mondsechzehntel“ ist)
  • ātmane : (dessen) Wesen (Atman)
  • nirañjana : (den) makellosen (Niranjana)
  • padaṁ : Ort, Zustand (Pada)
  • yāti : (der) erreicht („geht“, )
  • nityaṁ : täglich („stets“, Nitya)
  • tatra : dort (bei der Praxis von Nada usw. ist, Tatra)
  • para-ayaṇaḥ : (wessen) höchstes Ziel (Parayana)      ||1||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass Kala „ein Teil (Ekadesha) des Klanges (Nada) ist“: kalā nādaika-deśaḥ.

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Brahmananda

Dieses Kapitel ist völlig dem Raja Yoga gewidmet. Nada ist ein mystischer Klang, ähnlich dem langgezogenen Klang einer Glocke. Repräsentiert wird es durch den Halbkreis in OM. Bindu ist der „M“-Klang des Anusvara in Pranava. Kala ist eine Besonderheit von Nada.

Vishnu-devananda

Gegrüßt sei Shiva, der Guru

Wir grüßen immer den Guru. Der ursprüngliche Guru jeden Yogas ist Shiva

welcher eine Erscheinungsform von Nada Bindu und Kala ist.

Nada bedeutet Klang oder Wellenenergie. Bindu ist der Punkt. Hier steht der Punkt für das Zentrum oder den Kern. Kala ist die transzendentale Schwingung. Sie endet in einem zeitlosen, raumlosen und non-dualistischen Zustand. Nada und Bindu sind Shiva und Shakti. Bindu ist mit dem Kern in einem Atom vergelichbar. Nada sind die Elektronen, die um den Kern herumschwirren. Die Energie ist Kala. Werden Nada und Bindu in ihrer Wellenlänge geändert, entsteht Energie: eine reine Schwingung. Shiva hat alles zusammengefasst: Nada (die Klangenergie), Bindu (die statische Energie) und Kala (die transzendentale Energie).

Derjenige, des sich diesem für immer hingibt, erreicht den vollkommenen Zustand (frei von Maya).

Sukadev

Ich fange jetzt mit dem vierten Kapitel an. Die Themen des vierten Kapitels sind: Pratyahara, Dharana, Dhyana, Samadhi, also Meditation und Überbewusstsein. Und es fängt schon sehr erhaben an.

1. Gegrüßt sei Siva, der Guru, welcher eine Erscheinungsform von Nada Bindu und Kala ist.

Shiva , Gott, Gott selbst, ist letztlich der höchste Guru. Shiva, ein Name für Gott. Wörtlich heißt es: Der Liebevolle. Shiva ist aber der Zerstörer, der Transformator. Daran kann man öfters dran denken, wenn Dinge von uns weggenommen werden: Wer macht das, das Wegnehmen? Der Liebevolle. Also das Bewusstsein zu haben: Wenn einem was weggenommen wird, geschieht das aus Liebe. Gott hilft uns auf diese Weise zu wachsen.

– Derjenige, der sich diesem für immer hingibt, erreicht den vollkommenen Zustand (frei von Maya).

Derjenige, der sich Gott vollkommen hingibt, erreicht den vollkommenen Zustand, frei von Maya. Vollkommen – auf dieser physischen, auf dieser relativen Welt, gibt es letztlich nichts wirklich Vollkommenes. Aber es gibt etwas Vollkommenes jenseits der physischen Welt, und das ist das Bewusstsein, das reine Selbst. Und das ist erfahrbar. Das ist keine Theorie. Das ist tatsächlich erfahrbar. Es ist nicht wirklich mitteilbar, aber es ist erfahrbar. Und die Techniken um dort hin zu kommen, sind wiederum mitteilbar, und dann muss man sie praktizieren. Und so sagt er im vierten Kapitel, im zweiten Vers:

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4. Kapitel, Vers 2

Deutsche Übersetzung:

Jetzt (atha) und Hier (idani) werde ich die beste (uttama) Methode (krama) für Samadhi (samadhi) erklären (pravaksya) | Sie ist die Überwindung (ghnam) von Tod (mrityu), die Ursache (upaya) von Wohlbefinden (Sukha) und (ca) der beste (param) Verursacher (karam) von göttlicher (brahma) Wonne (ananda).

Sanskrit Text:

  • athedānīṁ pravakṣyāmi samādhi-kramam uttamam |
    mṛtyu-ghnaṁ ca sukhopāyaṁ brahmānanda-karaṁ param ||2||
  • अथेदानीं प्रवक्ष्यामि समाधिक्रमम् उत्तमम् ।
    मृत्युघ्नं च सुखोपायं ब्रह्मानन्दकरं परम् ॥२॥
  • athedanim pravakshyami samadhi kramam uttamam |
    mrityu ghnam cha sukhopayam brahmananda karam param ||2||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • atha : daraufhin, nun (Atha)
  • idānīṁ : jetzt, bei dieser Gelegenheit (Idanim)
  • pravakṣyāmi : ich werde lehren, verkünden (pra +  vac)
  • samādhi : (der) Versenkung (Samadhi)
  • kramam : Prozess („schrittweise Abfolge“, Krama)
  • uttamam : (den) hervorragenden, besten (Uttama)
  • mṛtyu-ghnaṁ : (welcher den) Tod (Mrityu) vernichtet (Ghna)
  • ca : und (Cha)
  • sukha : (von) Glück, Wohlbefinden (Sukha)
  • upāyaṁ : (ein) Mittel (zum Erreichen, Upaya)
  • brahma : (aufgrund der Vereinigung mit dem) Brahman
  • ānanda-karaṁ : (Mittel zum) Bewirken (der) Glückseligkeit (Ananda Kara)
  • param : (das) beste (Para)        ||2||

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Brahmananda

a) Die Überwindung des Todes ermöglicht dem Yogi, nach seinem Willen zu sterben. Das wird später noch erklärt.
b) Die Glückseligkeit von Jivanmukta wird erreicht, wenn Atem, Geist und Vasanas (karmische Tendenzen) zerstört sind.
c) Vedeha Mukti: Ist das Prarabda Karma erschöpft, vereinigen sich Jiva und Parabrahman für immer.

Vishnu-devananda

Nun werde ich den vollkommenen Prozess des Samadhi näher erläutern, der wirklich vollendet ist:

a) überwindet den Tod
b) führt zu ewiger Glückseligkeit
c) führt auf der Stufe der höchsten Glückseligkeit zur Vereinigung mit Brahman

Im (Raja) Yoga gibt es 8 Stufen: Wir haben über Asanas, Pranayama, Dharana, Dhyana usw. gesprochen und kommen nun zu Samadhi, dem letzten Stadium. Gemäß Hatha-Yoga sind diese 8 Stufen nichts anderes als Fortschritte im Pranayama. Das bedeutet, dass, wenn sich das Prana in der Sushumna für eine bestimmte Zeit aufhält, man dies Pratyahara nennt, hält es sich etwas länger auf, wird dies Dharana (Konzentration) genannt, bleibt das Prana noch länger in der Sushumna, nennt man dies Dhyana (Meditation), und bei einer noch längeren Zeit spricht man von Samadhi. Man sagt, Samadhi besiegt den Tod, da ihr nun erkennt, dass ihr nicht euer Körper seid, sondern das Unsterbliche Selbst. Unser Ziel ist dieses Ananda oder die Glückseligkeit. Diese höchste Glückseligkeit – mit Brahman vereint zu sein – ist Sat-Chit-Ananda (Sein-Wissen-absolute Glückseligkeit) oder Gott. Wie ein Wassertropfen sich mit dem Ozean vermengt und zum Ozean selbst wird, vereinigt sich das Individuelle mit dem Allerhöchsten.

Sukadev

2. Nun werde ich den vollkommenen Prozess des Samadhi näher erläutern, der wirklich vollendet ist.

Jetzt will er uns sagen, wie wir Samadhi erreichen. Warum ist der Samadhi-Zustand so vollendet? Erstens: Es führt zu ewiger Glückseligkeit, zu Ananda. Das, wonach wir immer streben, erreichen wir in Samadhi. Wir suchen natürlich immer nach relativen Freuden, oder? Und nach relativen Freuden zu suchen – gut, man kann auch nach kleinen relativen Freuden suchen und man erfährt auch kleine relative Freuden. Manchmal sucht man nach kleinen relativen Freuden und erfährt statt dessen Frust. Manchmal erwartet man Frust, und erfährt statt dessen relative Freude. Manchmal haben’s die Pessimisten auch gut. Sie erwarten immer das Schlechteste, und sind immer überrascht, wenn’s besser kommt. Trotzdem wird das oft zu einer selbsterfüllenden Prophezeihung. Aber jenseits dieser kleinen Freuden dauerhafte Freude in der genialen Manipulation dieser externen zu Welt erwarten, was tun wir damit? Wir rennen einem Schatten hinterher.

Wisst ihr, was das Schattenhinterherlaufen ist? Es gibt da so eine schöne Geschichte. Es gab mal einen Menschen, der nahm sich vor, seinen Schatten zu finden, oder zu fangen. Und der sah seinen Schatten vor sich und machte einen Schritt auf den Schatten zu. Was machte der Schatten? Der machte auch einen Schritt, aber vom Mann weg. Dann dachte er, er muss springen. Er sprang ganz geschickt. Und was machte der Schatten? Er sprang auch. Und dann fing er an, schneller zu gehen, und schneller und schneller, und er rannte und rannte und rannte, und er erreichte den Schatten nicht. Ich glaub nur Lucky Luke ist schneller als sein Schatten. Wer schon mal von dieser Comicfigur gehört hat – jedenfalls er war’s nicht. Und so war er schließlich total traurig. Und dann sah ihn ein Weiser und sagte: „Oh, was ist denn los mit dir?“ „Ja, ich versuche, meinen Schatten zu fangen, und ich kann ihn nicht fangen.“ Dann sagt der Weise: „Ist doch ganz einfach. Nimm deine Hand und gib sie auf deinen Kopf. Jetzt hast du deinen Schatten.“ Und so ist es auch: Wir rennen Dingen hinterher, als ob wir einem Schatten hinterher rennen. Wir denken: Ich müsste nur noch das haben, gerade das, und dann ist alles gut. Ist es gut? Vorübergehend. Dauerhaft ist es nicht gut.

Krishna hat mal irgendwo gesagt – ich weiß nicht, ob es die Bhagavatam ist oder woanders: Dauerhafte Freude in diesem Leben zu suchen ist so ähnlich, wie Kleidung in der Metzgerei suchen. Kann man Kleidung in der Metzgerei kaufen? Kann man dauerhafte Freude in dieser Welt erreichen? Und jetzt erzähl ich euch einen Trick. Wenn wir nicht erwarten, dass auf dieser Welt alles so ist, dass es uns glücklich macht, dann können wir glücklich sein. Versteht ihr das? Ja oder Nein? Paradox oder nicht paradox? Wir können uns an den kleinen Dingen freuen. Denn wir denken nämlich nicht, dass es vollkommen sein muss. Denn wir wissen, selbst wenn es vollkommen wäre, würde es uns trotzdem nicht glücklich machen. Das Einzige, was uns wirklich glücklich macht, dauerhaft glücklich macht, sagt Swatmarama hier, ist Samadhi. Samadhi führt zu Glückseligkeit. Es hilft uns, den Tod zu überwinden, das heißt, die Identifikation mit dem physischen Körper. Weil wir erfahren, wer wir wirklich sind. Es ist nicht mehr nur intellektuell. Es ist eine tatsächliche Erfahrung. Und diese Erfahrung ist möglich. Es ist kein Glaube, nicht etwas, was wir nach dem Tod vielleicht erst erfahren, und woran wir glauben müssen, sondern – es ist nicht etwas, was jemand vor 5000 Jahren mal erreicht hat, und seitdem rennen dem Leute hinterher und wissen nicht, ob’s stimmt – sondern zu jedem beliebigen Zeitpunkt gibt’s Menschen, die das erfahren haben. Wir können es auch erfahren. Und dann schreibt er noch:

– und führt auf der Stufe der höchsten Glückseligkeit zur Vereinigung mit Brahman. Brahman, dem Absoluten.

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4. Kapitel, Vers 3

Deutsche Übersetzung:

Königlicher Yoga (Rajayoga), Versenkung (Samadhi), der Zustand jenseits des Geistes (Unmani), der Zustand des Geistes jenseits des Geistes (Manonmani),
Unsterblichkeit, Göttlichkeit (Amaratva), Auflösung (Laya), Wahrheit (Tattva), leere (Shunya) Nichtleere (Ashunya), höchster Zustand (Para Pada) …

Sanskrit Text:

  • rāja-yogaḥ samādhiś ca unmanī ca manonmanī |
    amaratvaṁ layas tattvaṁ śūnyāśūnyaṁ paraṁ padam ||3||
  • राजयोगः समाधिश्च उन्मनी च मनोन्मनी ।
    अमरत्वं लयस्तत्त्वं शून्याशून्यं परं पदम् ॥३॥
  • raja yogah samadhish cha unmani cha manonmani |
    amaratvam layas tattvam shunyashunyam param padam ||3||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • rāja-yogaḥ* : königlicher Yoga (Rajayoga)
  • samādhiḥ : Versenkung (Samadhi)
  • ca : und (Cha)
  • unmanī : (der Zustand) jenseits des Geistes („Selbstvergessenheit“, Unmani)
  • ca : und
  • mana-unmanī : (der Zustand) des Geistes jenseits des Geistes (Manonmani)
  • amaratvaṁ : Unsterblichkeit, Göttlichkeit (Amara)
  • layaḥ : Auflösung (Laya)
  • tattvaṁ : Wahrheit, Realität, die wahre Natur („So-sein“, Tattva)
  • śūnya-aśūnyaṁ : leere Nichtleere (Shunyashunya)
  • paraṁ padam : höchster (Para) Ort, Zustand (Pada)        ||3||

*Anmerkung: Zu einer Definition des Begriffes Raja Yoga durch den Kommentator Brahmananda vgl. die Anm. zu Kap. 4 Vers 103.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

3. und 4. Raja Yoga, Samadhi, Unmani, Manomani, Unsterblichkeit, Konzentration, Shunyashunya (Leere und doch nicht Nicht-Leere), Paramapada (der allerhöchste Zustand), Amanaska (die zurückgehaltene Geistestätigkeit), Advaita (nicht-dualistisch), Niralamba (ohne Stütze), Niranjana (rein), Jivanmukti (befreiter Zustand), Sahajavastha (natürlicher Zustand) und Turiya – alle diese Ausdrücke bedeuten dasselbe.

Samadhi hat verschiedene Namen – alle die soeben genannten. Von Raja Yoga spricht man, wenn der Geist ruhig ist, ohne jede Welle. Samadhi ist der Zustand, in welchem der Geist jede Tätigkeit einstellt und ihr euer Selbst (Atman) klar sehen könnt bzw. wenn ihr eins sein mit Brahman. Unmani ist Hatha-Yoga Samadhi und weist auf den Zustand hin, in dem sich das Prana und das Apana vereinigen und zu den höheren Chakras gelangen. Manomani bedeutet wörtlich übersetzt: „Das, was dem Geist Freude bereitet“ – und das einzige, das dem Geist wahre Freude bereitet, ist das Selbst, Atman. Unsterblichkeit bezieht sich auf die Identifikation mit Atman, was durch Transzendierung des Körpers erreicht wird. Konzentration ist jene auf Atman gerichtete. „Ich bin Brahman.“ Shunyashunya bedeutet Leere und Nicht-Leere, weil in diesem Zustand Zeit, Raum und Ursächlichkeit nicht existieren, man aber trotzdem reines Bewusstsein und Achtsamkeit besitzt und vollkommene Wonne und Glückseligkeit empfindet. Paramapada bedeutet „der höchste Zustand“. Amanaska kommt von „Manas“, was Geist bedeutet; das „A“ bedeutet „nicht“. Wenn es keinen Geist gibt, gibt es auch keine Zeit, keinen Raum, keine Kausalität. Advaita, der nicht-dualistische Zustand, wird auch Asamprajnata Samadhi genannt. Niralamba: In diesem Zustand durchdringt Atman oder Brahman alles, es ist überall, es trägt alles. Niranjana: Reines Bewusstsein. Jivanmukti ist der befreite Zustand. Sahajavastha ist der natürliche Zustand: Sat-Chit-Ananda. Turiya ist der überbewusste Zustand. All diese Begriffe beziehen sich auf dasselbe.

Sukadev

3. + 4. Raja Yoga, Samadhi, Unmani, Manomani, Unsterblichkeit, Konzentration, Shunyashunya (Leere und doch Nicht-Leere), Paramapda (der allerhöchste Zustand), Amanaska (nicht-dualistisch), Niralamba (ohne Stütze), Niranjana (rein), Jivanmukti (befreiter Zustand), Sahajavastha (natürlicher Zustand) und Turiya – alle diese Ausdrücke bedeuten dasselbe.

Vielleicht hat der eine oder andere den Ausdruck dort gekannt. Yogis haben sehr viele Ausdrücke für die Selbstverwirklichung. Warum eigentlich? Nein, Samadhi ist nicht individuell. Nirvikalpa Samadhi ist universell. Für alle Menschen gleich. Warum gibt’s so viele Namen? Weil es ganz viele Gurus gibt und Traditionen. Ich find aber noch eine andere, schönere Erklärung: Das, was einem sehr wertvoll ist, dafür findet man viele Namen. Entweder keine Worte oder viele Namen.

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4. Kapitel, Vers 4

Deutsche Übersetzung:

… der geistlose Zustand (Amanaska), Nichtzweiheit/Nichtdualität (Advaita), der Zustand ohne Stütze (Niralamba), der reine/unbefleckte Zustand (Niranjana), Erlösung zu Lebzeiten (Jivanmukti), der natürliche/angeborene Zustand (Sahaja), und der vierte Zustand (Turya) – so (lauten die Begriffe, die alle) ein und dasselbe bedeuten.

Sanskrit Text:

  • amanaskaṁ tathādvaitaṁ nirālambaṁ nirañjanam |
    jīvan-muktiś ca sahajā turyā cety eka-vācakāḥ ||4||
  • अमनस्कं तथाद्वैतं निरालम्बं निरञ्जनम् ।
    जीवन्मुक्तिश्च सहजा तुर्या चेत्येकवाचकाः ॥४॥
  • amanaskam tathadvaitam niralambam niranjanam |
    jivan muktish cha sahaja turya chety eka vachakah ||4||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • amanaskaṁ : (der) geistlose (Zustand, Amanaska)
  • tathā : und, ebenso (Tatha)
  • advaitaṁ : Nichtzweiheit, Nichtdualität (Advaita)
  • nir-ālambaṁ : (der Zustand) ohne Stütze (Niralamba)
  • nir-añjanam : (der) reine, unbefleckte (Zustand, Niranjana)
  • jīvan-mukti : Lebenderlösung, Erlösung zu Lebzeiten (Jivanmukti)
  • ca : und (Cha)
  • saha-jā : (der) natürliche, angeborene (Zustand, Sahaja)
  • turyā : (der) vierte (Zustand, Turya)
  • ca : und
  • iti : so (lauten, Iti)
  • eka : (die Begriffe, die alle) ein (Eka) und dasselbe
  • vācakāḥ : bedeuten („zum Ausdruck bringen“, Vachaka)         ||4||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

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4. Kapitel, Vers 5

Deutsche Übersetzung:

So wie sich Salz, gleichmäßig verteilt, in Wasser auflöst, | so ist die die Einheit von Geist (manas) und unveränderlichem Selbst (atman). Diese wird Erleuchtung (samadhi) genannt.

Sanskrit Text:

  • salile saindhavaṁ yadvat sāmyaṁ bhajati yogataḥ |
    tathātma-manasor aikyaṁ samādhir abhidhīyate ||5||
  • सलिले सैन्धवं यद्वत्साम्यं भजति योगतः ।
    तथात्ममनसोरैक्यं समाधिरभिधीयते ॥५॥
  • salile saindhavam yad vat samyam bhajati yogatah |
    tathatma manasor aikyam samadhir abhidhiyate ||5||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • salile : im Wasser (Salila)
  • saindhavaṁ : Salz (Saindhava)
  • yad-vat : (so) wie (Yadvat)
  • sāmyaṁ : Einheit („Gleichheit“ mit dem Wasser, Samya)
  • bhajati : erlangt („teilt“, bhaj)
  • yogataḥ : aufgrund der Vereinigung (mit diesem, Yoga)
  • tathā : (genau) so (Tatha)
  • ātma : (von) Seele (Atman)
  • manasoḥ : und Geist (Manas)
  • aikyaṁ : (entsteht die) Einheit (Aikya)
  • samādhiḥ : Samadhi („Verbindung, Versenkung“)
  • abhidhīyate : (diese) wird genannt (abhi + dhā)         ||5||

Anmerkung: Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 38 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Ebenso wie ein ins Wasser gestreutes Salzkorn sich mit dem Wasser vermengt und eins wird mit diesem, ist die Vereinigung von Geist und Atman im Samadhi.

Hier ist noch eine weitere Definition von Samadhi: Gibt man Salz ins Wasser, wird es eins mit dem Wasser. In der gleichen Weise verbinden sich Geist und Seele, so dass dann nur eine Einheit bestehen bleibt – Samadhi.

Sukadev

5. Ebenso wie ein ins Wasser gestreutes Salzkorn sich mit dem Wasser vermengt und eins wird mit diesem, ist die Vereinigung von Geist und Atman im Samadhi.

Atman, das Selbst. Im Sanskrit steht dort Chitta. Chitta, das individuelle Denkprinzip, die Psyche, und Atman werden Eins.

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4. Kapitel, Vers 6

Deutsche Übersetzung:

Wenn der Atem (prana) völlig verschwindet und der Geist sich vollständig auflöst, | dann wird die (daraus resultierende) Einheit Versenkung (samadhi) genannt.

Sanskrit Text:

  • yadā saṅkṣīyate prāṇo mānasaṁ ca pralīyate |
    tadā sama-rasatvaṁ ca samādhir abhidhīyate ||6||
  • यदा सङ्क्षीयते प्राणो मानसं च प्रलीयते ।
    तदा समरसत्वं च समाधिरभिधीयते ॥६॥
  • yada sankshiyate prano manasam cha praliyate |
    tada sama rasatvam cha samadhir abhidhiyate ||6||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • yadā : wenn (Yada)
  • saṅkṣīyate : (in der Atemverhaltung) völlig verschwindet (sam + kṣi)
  • prāṇaḥ : (der Lebens-)Atem (Prana)
  • mānasam : (der) Geist (das „Geistige“, Manasa)
  • ca : und, auch (Cha)
  • pralīyate : sich auflöst (pra + li)
  • tadā : dann (Tada)
  • sama-rasa-tvam* : (die daraus resultierende) Einheit („Geschmacks-Gleichheit“, Samarasatva)
  • ca : und, aber
  • samādhiḥ** : Samadhi („Verbindung, Versenkung“)
  • abhidhīyate : wird genannt (abhi + dhā)       ||6||

*Anmerkung: Der Ausdruck SamaRasa-tva („Geschmacks-Gleichheit“) zielt noch einmal auf den in Vers 5 gegebenen Vergleich ab: Salz löst sich im Wasser auf, daher hat beides, Salz und Wasser, den gleichen (Sama) salzigen Geschmack (Rasa). Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass der völlig auf das Selbst (Atman) konzentrierte (Sthita) Geist (Manas) mit diesem identisch wird bzw. ein und (Eka) dieselbe Form (Akara) wie das Selbst annimmt (EkaAkara-tva): sama-rasa-tvam ekākāra-tvaṃ manasaś cātmani sthitasya.

** Anmerkung: Brahmananda fügt hinzu, dass der in diesen beiden Versen (Shloka 5 und 6) beschriebene (Ukta) Einheitszustand des Geistes dem Samprajnata Samadhi entspricht, der in Patanjalis Yogasutra definiert wird: uktābhyāṃ dvābhyāṃ ślokābhyāṃ samprajñātaḥ samādhir uktaḥ.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 100 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Wenn Prana und Geist (Manas) ausgelöscht sind (absorbiert), nennt man den harmonischen Zustand, der daraus hervorgeht, Samadhi.

Werden das Prana, welches die Ein- und Ausatmung bewirkt, und das Apana, welches zu den Geschlechtsorganen gelangt und Gedanken verursacht, gestoppt, ist der verbleibende Zustand das Selbst „Ich bin“. Auch dies wird Samadhi genannt.

Sukadev

6. Wenn Prana und Geist (Manas) ausgelöscht sind (absorbiert),

Manas, wieder das Denkprinzip

– nennt man den harmonischen Zustand, der daraus hervorgeht, Samadhi.

Sobald wir unsere Gedanken zur Ruhe gebracht haben, ist das, was übrig bleibt, unser wahres Wesen, Samadhi. Und wie bringen wir unsere Gedanken zur Ruhe? Durch Pranayama. Er sagt: „Das ganze Konzept des Hatha Yoga ist ja, dass wir über Übungen wir das Prana, die feinstoffliche Lebensenergie zur Ruhe und zur Harmonie. Über die feinstoffliche Lebensenergie bringen wir unseren Geist zur Harmonie. Und wenn wir unseren Geist zur Ruhe gebracht haben, kommt das zum Vorschein, was wir wirklich sind. Und das ist Samadhi, Atman, unseres wahres Selbst. Dieser Zustand nennt sich dann Samadhi.

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4. Kapitel, Vers 7

Deutsche Übersetzung:

Und genauso wird dieses als Vereinigung von zweien, individueller Seele (jivatman) und universeller Seele (paramatman), | Erleuchtung (samadhi) genannt. Dann sind alle mentalen Konstruktionen (sankalpa) aufgelöst.

Sanskrit Text:

  • tat-samaṁ ca dvayor aikyaṁ jīvātma-paramātmanoḥ |
    pranaṣṭa-sarva-saṅkalpaḥ samādhiḥ so’bhidhīyate ||7||
  • तत्समं च द्वयोरैक्यं जीवात्मपरमात्मनोः ।
    प्रनष्टसर्वसङ्कल्पः समाधिः सोऽभिधीयते ॥७॥
  • tat samam cha dvayor aikyam jivatma paramatmanoh |
    pranashta sarva sankalpah samadhih so’bhidhiyate ||7||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • tad* : diesem (Tad)
  • samaṁ* : gleich, vergleichbar (Sama)
  • ca : und (Cha)
  • dvayoḥ : dieser zwei (Dvi)
  • aikyaṁ : (ist die) Einheit (Aikya)
  • jīva-ātma : (der) Individualseele (Jivatman)
  • parama-ātmanoḥ : und der Universalseele (Paramatman)
  • pranaṣṭa : verschwunden sind (Nashta)
  • sarva : (in dem) alle (Sarva)
  • saṅkalpaḥ : Vorstellungen, Ideen, Wünsche (Sankalpa)
  • samādhiḥ : Samadhi (“Verbindung, Versenkung”)
  • saḥ : dies (Tad)
  • abhidhīyate : wird genannt (Abhidhana)       ||7||

*Anmerkung: „Diesem vergleichbar“ (TadSama) nimmt auf den vorangehenden Vers Bezug: so wie der völlig auf das Selbst (Atman) konzentrierte Geist (Manas) mit diesem identisch wird, genau so wird im hier beschriebenen Asamprajnata Samadhi die Individualseele (Jivatman) eins mit der Universalseele (Paramatman).

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Dieser Zustand des Gleichgewichtes wird durch die Vereinigung von Jivatman und Paramatman sowie durch die Auflösung aller Gedanken herbeigeführt.

Jivatman ist die individuelle Seele. Es vereinigt sich mit dem höchsten Brahman oder Paramatman oder Gott. Findet diese Vereinigung statt, können wir wirklich behaupten, dass „Ich und mein Vater eins sind“. „Ich“ ist das Individuelle, Vater ist das Allerhöchste. Diese Vereinigung wird Samadhi genannt.

Sukadev

7. Dieser Zustand des Gleichgewichtes wird durch die Vereinigung von Jivatman und Paratman sowie durch die Auflösung aller Gedanken herbeigeführt.

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4. Kapitel, Vers 8

Deutsche Übersetzung:

Wahrlich, wer kennt die wahre Essenz des großartigen Zustands der Erleuchtung (raja yoga)? Wissen (jnana), Befreiung (mukti), Stabilität (sthiti) und Meisterschaft (siddhi) werden durch den Unterricht des Lehrers (guru) erlangt.

Sanskrit Text:

  • rāja-yogasya māhātmyaṁ ko vā jānāti tattvataḥ |
    jñānaṁ muktiḥ sthitiḥ siddhir guru-vākyena labhyate || 8 ||
  • राजयोगस्य माहात्म्यं को वा जानाति तत्त्वतः ।
    जञानं मुक्तिः सथितिः सिद्धिर्गुरुवाक्येन लभ्यते ॥ ८ ॥
  • raja yogasya mahatmyam ko va janati tattvatah |
    jnanam muktih sthitih siddhir guru vakyena labhyate || 8 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • rāja-yogasya : des königlichen Yoga (Rajayoga)
  • māhātmyaṁ : (die) Größe, Macht (Mahatmya)
  • kaḥ : wer (Ka)
  • vā : wohl („oder“, Va)
  • jānāti : kennt (jñā)
  • tattva-taḥ : wahrheitsgemäß (Tattva)
  • jñānaṁ : Wissen, Erkenntnis (des eigenen Wesens, Jnana)
  • muktiḥ* : Befreiung, Erlösung (Mukti)
  • sthitiḥ** : Beständigkeit, (innerliches) Verweilen (Sthiti)
  • siddhiḥ : Erfolg, Vollkommenheit, übernatürliche Fähigkeit (Siddhi)
  • guru : (des) Lehrers, Meisters (Guru)
  • vākyena : durch das Wort (Vakya)
  • labhyate : wird erlangt (labh)        || 8 ||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda merkt an, dass mit Mukti („Erlösung“) hier die „körperlose (Videha) Erlösung (Mukti)“, also die Erlösung mit bzw. nach dem Tode (Videhamukti) gemeint sei: muktir videha-muktiḥ.

**Anmerkung: Mit dem Begriff Sthiti („Beständigkeit“) wird laut Brahmanandas Kommentar auf die „Erlösung (Mukti) bei lebendigem (jīvat) Leibe“ (Jivanmukti) verwiesen: sthitir … jīvan-muktiḥ.

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Brahmananda

Jnana ist die direkte Erkenntnis des eigenen Atman als Parabrahman; Mukti ist Vedeha Mukti, Sthiti ist Jivanmukti und Siddhis sind Anima usw.

Vishnu-devananda

Derjenige, der die Großartigkeit von Raja Yoga kennt, erlangt mit der Gunst des Gurus: Jnana, Mukti, Sthiti und Siddhis.

Erlangen die Raja-Yogis volle Geisteskontrolle, erreichen sie den unsterblichen Zustand.

Sukadev

8. Derjenige, der die Großartigkeit von Raja Yoga kennt, erlangt mit der Gunst desGuru: Jnana, Mukti, Stithi und Siddhis.

Jnana heißt Wissen, Mukti heißt Befreiung, Stithi heißt Festigkeit, Siddhi heißt Vollkommenheit.

Audio

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4. Kapitel, Vers 9

Deutsche Übersetzung:

Schwer ist das Entsagen von den Sinnesobjekten (vishaya) zu erreichen, schwer ist eine Schau (darshana) der Wirklichkeit (tattva), | schwer ist die Erleuchtung (sahajavastha), ohne die Hilfe (maitri) eines wahren (sat) Lehrers (guru).

Sanskrit Text:

  • durlabho viṣaya-tyāgo durlabhaṁ tattva-darśanam |
    durlabhā sahajāvasthā sad-guroḥ karuṇāṁ vinā ||9||
  • दुर्लभो विषयत्यागो दुर्लभं तत्त्वदर्शनम् ।
    दुर्लभा सहजावस्था सद्-गुरोः करुणां विना ॥९॥
  • durlabho vishaya tyago durlabham tattva darshanam |
    durlabha sahajavastha sad guroh karunam vina ||9||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • dur-labhaḥ : schwer zu erlangen (Durlabha)
  • viṣaya* : (der) Sinnesobjekte (Vishaya)
  • tyāgaḥ* : (ist die) Entsagung (Tyaga)
  • dur-labhaṁ : schwer zu erlangen
  • tattva** : (der) Wahrheit („So-sein“, Tattva)
  • darśanam** : (ist die unmittelbare) Erkenntnis („Schauen“, Darshana)
  • dur-labhā : schwer zu erlangen
  • sahaja : (ist der) natürliche (Sahaja)
  • avasthā : Zustand (Avastha)
  • sat : (eines) wahrhaftigen (Sat)
  • guroḥ : Meisters, Lehrers (Guru)
  • karuṇāṁ : (das) Mitgefühl, die mitfühlende Gnade (Karuna)
  • vinā : ohne (Vina)      ||9||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt „Entsagung der Sinnesobjekte“ (VishayaTyaga) als die Abwesenheit (Abhava) des Wunsches (Ichchha) nach Genuss bzw. Erfahrung (Bhoga): bhogecchābhāvaḥ 

** Anmerkung: Brahmananda verdeutlicht, dass das „Erschauen der Wahrheit“ (TattvaDarshana) die unmittelbare (Aparoksha) Erfahrung (Anubhava) des Selbst (Atman) meint: tattva-darśanam ātmāparokṣānubhavaḥ.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 66 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Ohne die gütige Gnade des Gurus und ohne Gleichgültigkeit gegenüber weltlichen Vergnügungen sind die wirkliche Erkenntnis der Wahrheit und der Zustand von Samadhi ganz und gar unmöglich.

Um die Gunst des Gurus zu erlangen, sollte man Hingabe üben. Ohne Hingabe werden eure Bemühungen im Pranayama usw. aufgrund der vielen Hindernisse keinen Erfolg bringen. Deshalb ist die Gnade Gottes und die des Gurus sehr wichtig.

Gleichgültigkeit gegenüber weltlichen Vergnügungen bezeichnet man als Vairagya (Leidenschaftslosigkeit). Diese Welt ist nichts als eine Illusion. Da es kein wahres Glück gibt, möchtet ihr das ewige Glück finden, welches in euch selbst ist (ihr seid dieses Glück). Solange ihr diese Leidenschaftslosigkeit nicht besitzt, wird es euch auch nicht möglich sein, eure volle Kraft in die Yoga-Übungen zu investieren, so dass schließlich eure Leidenschaftslosigkeit schwindet, was bewirkt, dass ihr zu euren alten Gewohnheiten zurückkehrt: Trinken, Rauchen usw. Deshalb müsst ihr euch immer bewusst sein, dass dieses Trinken und Rauchen euch Schmerz und Leid bereitet und ihr müsst euch wünschen, euch davon zu befreien. Wenn ihr euch bewusst macht, dass ihr reinkarniert werden müsst, um immer und immer wieder zurückzukommen, um den gleichen Lernprozess zu durchlaufen, werdet ihr euch wünschen, aus diesem Kreislauf auszubrechen. Dann werdet ihr Yoga ernstnehmen und die Energie aufbringen, diesen Weg zu gehen.

Sukadev

9. Ohne die gütige Gnade des Gurus und ohne Gleichgültigkeit gegen über weltlichen Vergnügungen sind die wirkliche Erkenntnis der Wahrheit und der Zustand von Samadhi ganz und gar unmöglich.

Hier sagt er zwei Dinge: Gütige Gnade des Gurus. Die Gnade – gut, er sagt vorher, Gott ist der Guru. Man kann aber auch einen persönlichen Guru haben, es spielt letztlich keine Rolle. Eine gewisse Demutshaltung ist dabei nötig. Heutzutage erwarten Aspiranten gerne, das ein Lehrer was macht? Erstens, dass er hinter ihnen her läuft. Zweitens, ihm was beibringt. Drittens, wenn man Probleme hat, ist es wessen Fehler? Der des Lehrers, logischerweise. Der Lehrer hat nicht richtig unterrichtet, der Lehrer ist an allem Schuld. Wir müssen wissen, das klassische Yoga ist anders. Der Lehrer stellt die Schüler auf die Probe. Und die Aufgabe des Schülers ist es, die Prüfungen zu bestehen. Gut, ganz am Anfang kann man den Lehrer mal auf die Probe stellen. Man kann gerne den Lehrer auf die Probe stellen. Dem Lehrer macht das nicht aus, ob er auf die Probe gestellt wird, oder nicht, der hat da nichts von. Wer will was haben? Der Lehrer oder der Schüler? Ich glaube, ihr wisst noch nicht, was ein richtiger Lehrer ist. Der Lehrer hat seine Schüler nicht nötig. Ein Lehrer hat seine Schüler nicht nötig, ein großer Lehrer, ein Weisheitslehrer. Nicht ein einfacher Yogalehrer, der ein paarAsanas unterrichtet. Der Lehrer hat seinen spirituellen Weg, der kann ihn gehen, er könnte auch allein sein, er braucht nicht viel. Der Schüler will etwas vom Lehrer. Eine solche Demutshaltung ist notwendig. Und der Schüler muss sich auf den Lehrer einstimmen und muss die Prüfungen bestehen. Und das ist gar nicht so einfach. Wie schauen die Prüfungen aus? Immer dann, wenn’s schwierig wird im Leben, ist eine Prüfung da. Immer, wenn man Zweifel hat, ist eine Prüfung da. Und immer dann, wenn man mit dem Lehrer nicht einverstanden ist, ist irgendwo eine Prüfung da. Gut. Aber die Gnade ist nötig und so brauchen wir die Demut, aber auch einen inneren Wunsch zur Befreiung, und die Bereitschaft, Dinge zu tun, die und befreien werden. Das ist dabei nötig. Ob das jetzt ein physischer Guru ist, oder ob es ein spiritueller Lehrer, der im Körper ist, vollkommen oder nicht vollkommen, ob das jetzt Gott selbst ist, spielt nicht so die ganz große Rolle. Aber es ist unsere Aufgabe, uns einzustimmen, und dieses Gnadenelement wird da sein. Hatha Yoga ist natürlich eine Sache, wo wir viel selbst praktizieren. Aber nicht nur das. Es ist nicht nur, was wir selbst tun. Es ist diese Herzensöffnung, die so notwendig und so wichtig ist.

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4. Kapitel, Vers 10

Deutsche Übersetzung:

Durch das Praktizieren der verschiedenen Körperhaltungen (asana) und der vielfältigen Atemübungen (kumbha) und besonders | das vollständige Aufwecken der große Kraft (shakti), geht die Lebensenergie (prana) den Sushumna-Energiekanal (shunya) ein.

Sanskrit Text:

  • vividhair āsanaiḥ kumbhair vicitraiḥ karaṇair api |
    prabuddhāyāṁ mahā-śaktau prāṇaḥ śūnye pralīyate ||10||
  • विविधैर् आसनैः कुभैर् विचित्रैः करणैर् अपि ।
    प्रबुद्धायां महाशक्तौ प्राणः शून्ये प्रलीयते ॥१०॥
  • vividhair asanaih kumbhair vichitraih karanair api |
    prabuddhayam maha shaktau pranah shunye praliyate ||10||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • vividhaiḥ : durch (die) verschiedenartigen (Vividha)
  • āsanaiḥ : Körperstellungen (Asanas)
  • kumbhaiḥ : Atemverhaltungen (Kumbhakas)
  • vicitraiḥ : durch (die) verschiedenen (Vichitra)
  • karaṇaiḥ : Gesten (Karana, d.h. Mudras)
  • api : und („auch“, Api)
  • prabuddhāyāṁ : (wenn) erwacht ist (Prabuddha)
  • mahā : (die) große (Maha)
  • śaktau : Kraft, Energie (Shakti, d.h. Kundalini)
  • prāṇaḥ : (der) Lebenshauch (Prana)
  • śūnye* : in der Leere (Shunya, d.h. in der Sushumna)
  • pralīyate : (dann) löst sich auf (pra + li)        ||10||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt śūnye („in der Leere“) mit brahma-randhre („im Brahmarandhra“), was nach Vers 3.4 neben Shunyapadavi („Weg der Leere“) ein Synonym für die Sushumna ist: śūnye brahma-randhre.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Wenn Kundalini sich durch die verschiedenen Asanas, Khumbhakas und Mudras erhoben hat, wird das Prana in Shunya (Brahmarandhra) absorbiert.

Durch die Asanas wird das Prana reguliert. Die Asanas bewirken, dass das Prana von einem Bereich zum anderen geleitet wird; sie erhöhen oder reduzieren die Schwingungsebene oder laden einen speziellen Bereich auf. Asanas, die auf den Solarplexus Druck ausüben, erhöhen die Schwingungseben. Im Lendenbereich (unterer Rücken) befindet sich die Kundalini Shakti. Lockern wir diese Wirbel auf, so dass die Zwischenwirbelscheiben nicht mehr zusammengedrückt werden, reduzieren wir den Druck auf die physischen Nerven, was sich wiederum auf die Astralnerven auswirkt. Asanas sind nicht nur physische Übungen. Zweck aller Asanas ist es, diese blockierte Energie abzubauen. Zusammen mit Pranayama, Bandhas und Mudras versucht ihr die Kundalini zu erwecken. Gelangt das Prana in die Sushumna, wird dieser Zustand Shunya genannt oder Vakuum. Es handelt sich dabei um kein physikalisches Vakuum, sondern bedeutet, dass kein Zeit– oder Raumbewusstsein vorhanden ist.

Sukadev

10. Wenn Kundalini sich durch die verschiedenen Asanas, Khumbakas und Mudras erhoben hat,

Kumbhakas sind fortgeschrittene Atemübungen, Mudras sind fortgeschrittene Energieerweckungsübungen. Im Hatha Yoga sind Mudras noch mal was anderes. Es gibt auch die Handmudras. Diese tausend verschiedenen Handmudras, die es im indischen Tanz gibt. Aber die Hatha Yoga Mudras sind die Ganzkörpermudras, verbunden mit Atemübungen und Konzentration und Visualisierung und Mantra und so weiter, und all die helfen, Kundalini zu erheben.

– wird das Prana in Shunya (Brahmarandhra) absorbiert.

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4. Kapitel, Vers 11

Deutsche Übersetzung:

Durch das Aufsteigen der erwachten Kraft (shakti) und das völlige Entsagen von Handlungen (karman), | entsteht Erleuchtung (sahajavastha) für den Yogi wahrlich von alleine.

Sanskrit Text:

  • utpanna-śakti-bodhasya tyakta-niḥśeṣa-karmaṇaḥ |
    yoginaḥ sahajāvasthā svayam eva prajāyate ||11||
  • उत्पन्नशक्तिबोधस्य त्यक्तनिःशेषकर्मणः ।
    योगिनः सहजावस्था स्वयम् एव प्रजायते ॥११॥
  • utpanna shakti bodhasya tyakta nihshesha karmanah |
    yoginah sahajavastha svayam eva prajayate ||11||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • utpanna : (für den) statt gefunden hat (Utpanna)
  • śakti : (der) Energie (Shakti)
  • bodhasya : (das) Erwachen (Bodha)
  • tyakta : (der) aufgegeben hat (Tyakta)
  • niḥśeṣa : sämtliches (Nihshesha)
  • karmaṇaḥ : Handeln (Karman)
  • yoginaḥ : eines Yogis
  • sahaja : (der) natürliche (Sahaja)
  • avasthā* : Zustand (Avastha)
  • svayam : von selbst (Svayam)
  • eva : ganz (Eva)
  • prajāyate : entsteht (pra + Jan)        ||11||

*Anmerkung: Der „natürliche Zustand“ (SahajaAvastha) ist laut dem Kommentator Brahmananda der „vierte“ (Turya) Bewusstseinszustand (Avastha) bzw. die „Erlösung (Mukti) bei lebendigem (jīvat) Leibe“ (Jivanmukti): sahajāvasthā turyāvasthā jīvan-muktiḥ.

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Brahmananda

Durch Asanas werden alle physischen Handlungen beendet und die Tätigkeiten beschränken sich auf Prana, die Sinnesorgane. Durch Pratyahara, Dharana, Dhyana und Samprajnata Samadhi wird die geistige Aktivität eingestellt und die Handlungen werden nur auf Buddhi beschränkt. Durch starke Entwicklung von Vairagya und langer Praxis von Samprajnata-Samadhi werden die Aktivitäten des Buddhi aufgegeben und der Yogi erreicht seinen ursprünglichen unveränderlichen Zustand.

Vishnu-devananda

Der Yogi, dessen Kundalini Shakti sich erhoben hat und der frei wird von allen Affinitäten des Karmas, erlangt den Samadhi-Zustand auf natürlichem Wege.

Zweck ist es nicht, irgendetwas zu forcieren; es handelt sich um einen natürlichen Vorgang. Durch das Gießen von Pflanzen werdet ihr schließlich Blumen und Früchte ernten. Auf die gleiche Weise wird durch regelmäßiges Üben von Asanas, Pranayama, Japa usw., das Schritt für Schritt gesteigert wird, Kundalini automatisch erweckt. Es gibt keine schnelle oder leichte Methode; jedes Individuum muss seinen eigenen Weg zur Entwicklung finden. Jeder Fluss hat seinen eigenen Wasserspiegel. Ist dieser zu hoch, wird der Fluss überlaufen bzw. ist er zu niedrig, wird der Fluss austrocknen, noch bevor er den Ozean erreicht hat. Auf die gleiche Weise sollt ihr regelmäßig üben und zu viel Enthusiasmus am Beginn vermeiden. Versucht den Mittelweg zu finden; dann werdet ihr schließlich diesen Zustand erreichen.

Sukadev

11. Der Yogi, dessen Kundalini Shakti sich erhoben hat und der frei wird von allen Affinitäten des Karmas, erlangt den Samadhi-Zustand auf natürlichem Wege.

Also er sagt hier, dass es etwas ganz Natürliches ist. Warum ist es ganz natürlich? Weil es unsere wahre Natur ist, zur Selbstverwirklichung zu kommen. Unsere wahre Natur ist schon Sein, Wissen, Glückseligkeit, jetzt in diesem Moment, ist also etwas ganz Natürliches, es auch zu erfahren. Frage: Was muss ich machen, um hier auf der Bühne zu sitzen? Was muss Ich machen, um auf der Bühne zu sitzen? Nichts. Ich sitze auf der Bühne. Was muss ich machen, um ein gelbes Hemd, ein gelbes T-Shirt anzuhaben? Nichts, ich hab es schon an. Was muss ich machen, um Satchidananda zu sein, Sein, Wissen, Glückseligkeit? Nichts, ich bin es schon. Aber andererseits, ich muss es verwirklichen. Was muss ich tun, um zu verwirklichen, dass ich ein gelbes T-Shirt anhabe? Ich muss es wahrnehmen. Wie nehme ich es wahr? So. Ich muss hingucken. Wie nehme ich wahr, wer ich wirklich bin? Ich muss hingucken. Wie gucke ich da hin? Das nennt sich jetzt Meditation. Aber angenommen, ich guck jetzt ständig euch an, seh’ ich dann, welche Farbe mein Hemd hat? Nein. Solange unser Geist ständig nach außen geht und einen Wunsch nach dem anderen verfolgt und immer überlegt: Mag der mich oder mag der mich nicht, oder was denkt er oder sie über mich, oder mache ich’s ausreichend gut, und wie werde ich’s morgen machen, und wie kann ich’s so machen, dass kein Mensch was gegen mich hat, und wie kann ich’s vollkommen machen? Wenn wir das ständig denken, kommen wir nie dazu, das zu denken, was wirklich zählt, und das ist unsere wahre Natur. Diese zu verwirklichen, ist etwas ganz Natürliches.

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4. Kapitel, Vers 12

Deutsche Übersetzung:

Wenn die Energie (prana) in den Haupt-Energiekanal (sushuma vahini) und der Geist (manas) in die Leere (shunye) eingetreten ist, | Dann (tada) sind für de Kenner des Yoga (yogavit) alle (sarva) Handlungen (karma) ohne Basis (nirmulayati).

Sanskrit Text:

  • suṣumṇā-vāhini prāṇe śūnye viśati mānase |
    tadā sarvāṇi karmāṇi nirmūlayati yogavit ||12||
  • सुषुम्णावाहिनि प्राणे शून्ये विशति मानसे ।
    तदा सर्वाणि कर्माणि निर्मूलयति योगवित् ॥१२॥
  • sushumna vahini prane shunye vishati manase |
    tada sarvani karmani nirmulayati yogavit ||12||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • suṣumṇā : (in der) Sushumna
  • vāhini : fließt (Vahin)
  • prāṇe : (wenn der) Lebenshauch (Prana)
  • śūnye* : in die Leere (Shunya)
  • viśati : eintritt (Vish)
  • mānase : (und wenn der) Geist (das „Geistige“, Manasa)
  • tadā : dann (Tada)
  • sarvāṇi : alle (Sarva)
  • karmāṇi : Handlungen (Karman)
  • nir-mūlayati : vernichtet („entwurzelt“, nir + mūl)
  • yoga-vid : (der) Yogakundige (Yogavid)     ||12||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass mit „Leere“ (Shunya) das Brahman gemeint ist, das frei (Hina) von allen Unterscheidungen (Parichchheda) hinsichtlich Ort (Desha) bzw. Raum, Zeit (Kala) und Substanz (Vastu) ist: śūnye deśa-kāla-vastu-pariccheda-hīne brahmaṇi.

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Brahmananda

Wenn das Prana in die Sushumna steigt und der Geist in Shunya (Leere) absorbiert ist, vernichtet der intelligente Yogi Karma.

„Leere“ bedeutet Brahman, unbeeinflusst von Zeit, Raum oder Umstand.

Vishnu-devananda

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Sukadev

12. Wenn das Prana in die Sushumna steigt und der Geist in Shunya absorbiert ist, vernichtet der intelligente Yogi Karma.

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4. Kapitel, Vers 13

Deutsche Übersetzung:

Ehrfurchtsvoller Gruß (namas) Dir (tubhyam) Unsterblichen (amaraya). Es ist (sah) selbst (api) die Zeit (kala) besiegt (jita) bei Dir (tvaya). | In deren (yasya) Mund (vadane) alle Wesen dieser Welt (jagad), bewegt (cara) oder unbewegt (acara), fallen (patitam).

Sanskrit Text:

  • amarāya namas tubhyaṁ so’pi kālas tvayā jitaḥ |
    patitaṁ vadane yasya jagad etac carācaram ||13||
  • अमराय नमस् तुभ्यं सोऽपि कालस् त्वया जितः ।
    पतितं वदने यस्य जगद् एतच् चराचरम् ॥१३॥
  • amaraya namas tubhyam so’pi kalas tvaya jitah |
    patitam vadane yasya jagad etach characharam ||13||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • amarāya : dem unsterblichen (Yogi, Amara)
  • namas : Verehrung, Verneigung (Namas)
  • tubhyaṁ : (sei) dir (Tvad)
  • saḥ : der (Tad)
  • api : sogar, selbst (Api)
  • kālaḥ : Tod („Zeit“, Kala)
  • tvayā : von dir („durch dich“, Tvad)
  • jitaḥ : ist besiegt worden (Jita)
  • patitaṁ : gefallen ist (Patita)
  • vadane : Rachen (Vadana)
  • yasya : in dessen (Yad)
  • jagat : Welt (Jagat)
  • etad : diese (Etad)
  • cara : bewegliche (Chara)
  • acaram : (und) unbewegliche (Achara)         ||13||

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Brahmananda

Hier spricht er die Siddhas an.

Vishnu-devananda

Gegrüßt seid ihr Amaras (Unsterbliche), durch die die Zeit, in deren Mund das Universum (beweglich und unbeweglich) fällt, besiegt worden ist.

Swatmarama nennt diese Yogis, die die Zeit beseigt haben, indem sie Kundalini Shakti in die Sushumna gebracht haben, „Amaras“ – Unsterbliche. Ihr seid alle unsterblich; jedoch ist es notwendig, diese Kenntnis zu erlangen, damit man nicht länger an Zeit, Raum, Ursache, Geburt, Tod und Wandel gebunden ist. Dies ist das Dankgebet des Autors, nicht an den Körper gerichtet, sondern an das nun verwirklichte Höhere Selbst.

Sukadev

13. Gegrüßt seid ihr Aramas (Unsterbliche), durch die Zeit, in deren Mund das Universum (beweglich und unbeweglich) fällt, besiegt worden ist.

Hier gibt’s jetzt ne ganze Reihe von anderen Versen, knapp 100 weitere. Aber ich glaube, so weit will ich’s jetzt erstmal belassen. Also noch mal: Die hohen Ziele – und es ist gut, sich wieder die Ziele öfters vor Augen zu führen. Antoine de Saint-Exupéry hat mal gesagt: „Wenn du jemandem beibringen willst, wie er Boot fährt, dann lehre ihn nicht nur, wie man ein Schiff baut und wie man Segel setzt und so weiter, sondern schwärme ihm über das Meer vor. Das wird dazu führen, dass er all das finden wird, suchen wird, und sich beibringen wird, was notwendig ist, um auf dem Meer zu segeln.“ Und so sollten wir öfters mal so was lesen über die hohen Dinge, über die Selbstverwirklichung, über unsere wahre Natur. Einige haben das schon zehn Mal, hundert Mal, tausend Mal gehört. Nichts desto trotz, wir müssen uns immer wieder damit beschäftigen? Das ist so. Warum gibt’s heutzutage noch Cocacola-Werbung? Wer von euch kennt Cocacola nicht? Wozu machen die noch Werbung? Die Werbung ist da, damit der Geist dran denkt. Und unser Geist ist so beschaffen, dass wir zu dem, was wir öfters hören, hinkommen wollen. Und so müssen wir aufpassen, in der normalen Welt in Anführungszeichen, und normal auch in Anführungszeichen, wie oft werden wir dazu aufgefordert, uns selbst zu verwirklichen? Wie oft wird uns gesagt, deine wahre Natur ist Sein, Wissen, Glückseligkeit? Wie oft wird uns gesagt, um glücklich zu sein – es gibt das Lied: Froh zu sein bedarf es wenig, und wer froh ist, ist ein König. Übrigens: Was heißt König auf Sanskrit? Raja. Und Raja Yoga ist der königliche Yoga der Geisteskontrolle und des Glücklichseins. Daher ist das ein hochspirituelles Lied, könnt fast eine Übersetzung von einem Sanskritvers sein. Was man dort so als Kinderlied gerne singt. Aber wie oft wird einem das wirklich gesagt und suggeriert? Selten. Wir müssen es uns selbst immer wieder sagen. Oder ihr könnt selbst Bücher lesen. Zwar ist es noch Geschwätz, solange man es nicht selbst erfahren hat, aber selbst etwas Geschwätz kann auch schon hilfreich sein.

O.k., jetzt gäb’s noch die Möglichkeit für eine Frage oder zwei oder drei, wenn ihr welche habt.

Wenn man über persönliche Beziehungen spricht, ist das nicht immer so einfach in Worte zu fassen. Es ist nichts Philosophisches, es ist ne Herzensbeziehung. Es ist über mehrere Schritte geschehen. Der erste Schritt war eigentlich, als ich mal so beiläufig das zwote Mal im Yogazentrum gewesen bin, da habe ich das Buch vom Swami Vishnu gesehen ‚Meditation und Mantras’, auf englisch, und da gab’s so ein Foto von ihm, das ähnlich ist wie hier, das habe ich angeguckt. Und irgendwie habe ich dieses Foto die ganzen nächsten Tage, die ganze nächste Woche immer wieder vor meinem dritten Auge gehabt, sowie ich die Augen zugemacht hab. Dann hat mich etwas ganz besonders angezogen. Seine Bücher sind sehr klar, prägnant, kurz und auch sehr logisch. Da habe ich also gedacht, das liegt meiner Natur. Ich hatte vorher schon viele hundert Bücher über Yoga und andere Sachen gelesen, und fand, in den beiden Büchern, Das ‚Große illustrierte Yogabuch’ und ‚Meditation und Mantras’, da steckt alles drin. Also von der Ebene war noch etwas. Dann, als ich ihn das erste Mal gesehen hatte, hat’s ein paar Tage gedauert, und am Ende des Seminars hab ich gespürt, da ist eine Herzensbeziehung da. Aber so ganz sicher war ich mir noch nicht. Da bin ich so, ich bin dann noch zu anderen Lehrern gegangen und hab geschaut, ist da auch so ne Herzensbeziehung? Und als ich dann 1982 die fortgeschrittene Yogalehrerausbildung gemacht habe, eine vierwöchige intensive Weiterbildung, und dort gewesen bin, da kann ich jetzt kein einzelnes Ereignis festmachen. Aber für mich war es so die ganze Zeit dort, dass ich hab gemerkt habe: Da ist eine Energieverbindung. Ich konnte ihm stundenlang zuhören, ohne auch nur einen Augenblick wegzutreten. Und es waren nicht immer Worte, es war einfach so eine Energieverbindung, die da war. Die auch nicht immer zu jedem Zeitpunkt in seiner physischen Gegenwart so war, aber dort war sie eben so, und da wusste ich, er ist mein Guru. Und von da an war eine gewisse, und ist bis heute, eine gewisse telepathische Beziehung da. Ich weiß, er führt mich, ich weiß, mein Herz ist mit ihm verbunden, und so ähnlich sind er und Sivananda stark verbunden. Manchmal sehe ich Swami Vishnu vorne, Sivananda hinten. Manchmal sehe ich Swami Sivananda, und Swami Vishnu steht irgendwo daneben oder dahinter – es ist einfach eine lebendige Verbindung da.

Wobei der Guru dann auch immer das Vertrauen des Schülers auf die Probe stellt. Es gab da so verschiedene Sachen. Eine ganze Weile später habe ich mal dem Swami Vishnu einen langen Brief geschrieben, was alles so nicht richtig ist in den ganzen Sivananda Yoga Zentren, was da alles falsch läuft und schief läuft, und warum das nicht richtig ist, und wie man das alles besser machen könnte. Und warum es auch mir schlecht geht und was in mir alles los geht – ein langer Brief. Gut, dann hat der Swami Vishnu sich zu mir gerufen. Und dann hat er mir nur eines gesagt: „You just lack devotion. That’s all. Develop Devotion and all problems will disappear.“ „Dir mangelt es nur an Hingabe und Liebe. Entwickle Hingabe und Liebe, und alle Probleme werden verschwinden.“ Ich habe mich da erst drüber geärgert. Ich habe mich verschaukelt gefühlt. Ich habe dann auch gehört, er hat den Brief noch nicht mal angeguckt. Doch, angeguckt hat er ihn, aber gelesen erst recht nicht. Gut, aber es hat dann gestimmt. Dann hat er mich halt angeleitet, Bhakti-Praktiken zu machen, um mein Herz zu öffnen. Und dann war alles anders. Aber ein spiritueller Lehrer, egal ob er verkörpert ist oder nicht, ist kein Psychotherapeut. Obgleich manche Lehrer auch mehr Gespräche führen als andere. Der Swami Vishnu war keiner, der lange Gespräche geführt hat. Ich glaube, über persönliche Sachen habe ich nie mehr als drei oder vier Minuten am Stück gesprochen. Das mag erschreckend klingen, oder? Der Mensch, mit dem ich zwölf Jahre zusammen war, bei dem ich auch persönlicher Assistent gewesen bin, mehrere Monate, einer seiner Nachfolger gewesen bin, oder wenigstens dazu bestellt zum Nachfolger, ich hatte nie lange Zeit mit ihm gesprochen. Weshalb man auch nicht einen verkörperten Meister braucht, denn das, was notwendig ist, kann der einem auch von innen heraus führen. Aber ich wusste immer, er weiß, was mit mir los ist. Auch in seinen Prüfungen. Es gab noch härtere, die ich jetzt nicht darstellen werde. Und es braucht nicht so viel, es ist ein intuitives Verständnis.

Wie bin ich zu Yoga gekommen? Jetzt gebe ich die Kurzform. Also eigentlich schon mit zwölf oder dreizehn habe ich mir die Frage gestellt: Was soll das Ganze im Leben? Da muss etwas Größeres im Leben sein. Ich hatte durchaus Eltern, die wohlhabend waren, und ich habe festgestellt: Die sind nicht glücklich. Und diese Illusion war mir gleich weggenommen von Anfang an. Meine Eltern hatten eigentlich recht bescheiden gelebt, obgleich sie sich mehr hätten leisten können, aber ab und zu dann haben meine Eltern uns Kinder auf Geschäftsreisen mitgenommen, wo wir dann in sehr luxuriösen Häuser waren, alles erfolgreiche Leute – die waren auch nicht glücklich. Und dann war die Frage da: Was macht glücklich? Wie kann man glücklich werden? Die habe ich recht früh gehabt. Ich habe dann auch irgendwie eine Weile verzweifelt, habe gedacht, dass alle Menschen hinter etwas herrennen, und niemand kriegt’s. Aber die Menschen merken’s nicht, und irgendwie beschäftigen sie sich. Und ich bin auf dem falschen Planeten geboren. Dann irgendwann mit fuffzehn habe ich gedacht, dass irgendjemand ja auch schon mal so Gedanken gehabt haben muss, und da habe ich dann sehr viel gelesen. Ich bin über Hermann Hesse – der Steppenwolf, über die Beschäftigung mit Nietzsche und C.G. Jung zum Buddhismus gekommen, und dann über Thorwald Dethlefsen zur Beschäftigung mit Reinkarnation und Karma. Und dann irgendwann wollte ich auch praktizieren. Da habe ich gedacht: Der Theorie ist genug. Und ich wollte auch eine Praxis haben, wo es einen Meister gibt, der das verwirklicht hat. Ich habe nämlich durchaus bald erkannt: Alle Religionen sprechen über das Gleiche. Die authentischen, mystischen Meister sagen alle das Gleiche. Ob Meister Eckhardt, Zenmeister, Buddhisten oder Yogis oder wo auch immer. Letztlich ist es das Gleiche. Und dann wollte ich gucken, da muss jemand sein, dahinter, der auch etwas verwirklicht hat. Und so habe ich dann verschiedenes ausprobiert. Und irgendwann mal war ich in einem Vortrag bei einem Yogameister, und da wusste ich: Aha, Yoga, das wird’s für mich sein. Dieser Meister hat aber kein Zentrum gehabt, der war nur auf Reisen. Da hab ich halt geguckt nach einem Zentrum, und so fing ich dann an, regelmäßig zu praktizieren. Erst wollt ich gar keine Asanas gemacht. Ich hab mein Yoga-Zentrum ausgesucht durch die gelben Seiten. Ich habe telefoniert und gefragt: „Unterrichten Sie Hatha Yoga?“ Und wenn die „Ja“ gesagt haben, habe ich gesagt, „Ich bin nicht interessiert und habe aufgelegt. Und da gab’s eben ein Zentrum, die haben gesagt: Ja, aber wir unterrichten auchRaja Yoga, Bhakti Yoga,Jnana Yoga, Kundalini,Mantra Yoga. Zwei Tage später war ich da. Gut, das war in München, Sivananda Yogazentrum. Und dann, weil ich Probleme hatte, zu sitzen, bin ich zu Asanas zu kommen, weil ich Probleme hatte, meinen Geist zu konzentrieren, bin ich zuPranayama gekommen, und so bin ich zum ganzheitlichen Weg gebracht worden. Hari OM Tat Sat.

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4. Kapitel, Vers 14

Deutsche Übersetzung:

Wenn der Geist (chitta) seine Balance (samatvam) erlangt hat (apane) und die Energie (vayu) in der Mitte (madhyame) zirkuliert (vrajati) | Dann (tada) entsteht (prayatyate) Amaroli (amaroli), Vajroli (vajroli) und Sahajoli (sahajoli).

Sanskrit Text:

  • citte samatvam āpanne vāyau vrajati madhyame |
    tadāmarolī vajrolī sahajolī prajāyate ||14||
  • चित्ते समत्वम् आपन्ने वायौ व्रजति मध्यमे ।
    तदामरोली वज्रोली सहजोली प्रजायते ॥१४॥
  • chitte samatvam apanne vayau vrajati madhyame |
    tadamaroli vajroli sahajoli prajayate ||14||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt Samatva („Gleichförmigkeit“) des Geistes (Chitta) als den Zustand des ruhigen Dahinfließens (Pravaha) der geistigen Funktion (Vritti) in Gestalt (Akara) des (verinnerlichten) Meditationsobjektes (Dhyeya): samatvaṃ dhyeya-ākāra-vṛtti-pravāha-vat-tvam.

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Brahmananda

Dieser Vers zeigt, dass diese Prozesse nicht buchstäblich physikalisch sind.

Vishnu-devananda

Ist der Geist in einen Gleichgewichtszustand gebracht worden, (oder wenn er sich mit Atman vereint) und fließt das Prana in die Sushumna, erreicht man Amaroli, Vajroli und Sahajoli.

Zur rechten Zeit stellen sich die verschiedenen Mudras und Bandhas automatisch ein.

Sukadev

14. Ist der Geist in einen Gleichgewichtszustand gebracht worden, (oder wenn er sich mit Atman vereint) und fließt Prana in die Sushumna, erreicht man Amaroli, Vajroli und Sahajoli.

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4. Kapitel, Vers 15

Deutsche Übersetzung:

Woher (kutas) kann im Verstand (manas) Weisheit (jnana) entstehen (sambhavati) solange (tavat) die Energie (prana) lebt (jivati) und der Verstand (manas) nicht gestorben ist (mriyate)? Derjenige (sa), der beide (dvayam) die Energie (prana) und den Verstand (manas) zur Auflösung (vilaya) gebracht hat (nayet), der (yah) ist in die Befreiung (moksha) gegangen (gachchhati). Ein anderer (anya) Mensch (nara) niemals (na kathancit).

Sanskrit Text:

  • jñānaṁ kuto manasi sambhavatīha tāvat
    prāṇo’pi jīvati mano mriyate na yāvat |
    prāṇo mano dvayam idaṁ vilayaṁ nayed yo
    mokṣaṁ sa gacchati naro na kathañ-cid anyaḥ ||15||
  • ज्ञानं कुतो मनसि सम्भवतीह तावत्
    प्राणोऽपि जीवति मनो म्रियते न यावत् ।
    प्राणो मनो द्वयमिदं विलयं नयेद्यो
    मोक्षं स गच्छति नरो न कथंचिदन्यः ॥१५॥
  • jnanam kuto manasi sambhavatiha tavat
    prano’pi jivati mano mriyate na yavat |
    prano mano dvayam idam vilayam nayed yo
    moksham sa gachchhati naro na kathan chid anyah ||15||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • jñānaṁ* : Erkenntnis (des Selbst, Jnana)
  • kutaḥ : wie („woher“, Kutas)
  • manasi : im Geist (Manas)
  • sambhavati : ist möglich (sam + bhū)
  • iha : in dieser Welt („hier“, Iha)
  • tāvat : solange (Tavat)
  • prāṇaḥ** : (der) Lebenshauch, Atem (Prana)
  • api : sowohl („auch“, Api)
  • jīvati : lebt (jīv)
  • manaḥ*** : (als auch der) Geist (Manas)
  • mriyate : stirbt (mṛ)
  • na : nicht (Na)
  • yāvat : wie (Yavat)
  • prāṇaḥ : Lebenshauch, Atem
  • manaḥ : (und) Geist
  • dvayam : zwei („Paar“, Dvaya)
  • idaṁ : diese(s, Idam)
  • vilayaṁ : (zum) Verschwinden („Auflösung“, Vilaya)
  • nayet : bringt („führt“, )
  • yaḥ : wer (Yad)
  • mokṣaṁ**** : (zur) Befreiung (Moksha)
  • saḥ : der (Tad)
  • gacchati : gelangt („geht“, gam)
  • naraḥ : Mann, Mensch (Nara)
  • na : nicht
  • kathañ-cid : auf irgendeine (andere) Weise („irgendwie“, Kathanchid)
  • anyaḥ : ein anderer (Anya)        ||15||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt „Erkenntnis“ (Jnana) als die unmittelbare (Aparoksha) Erfahrung (Anubhava) des Selbst (Atman): jñānam ātmāparokṣānubhavaḥ.

**Anm.: Brahmananda definiert das „Leben“ (Jivana) des Atems (Prana) als dessen Fließen (Vahana) durch die beiden feinstofflichen Kanäle Ida und Pingala: iḍā-piṅgalābhyāṃ vahanaṃ prāṇasya jīvanam.

***Anm.: Brahmananda definiert das „Leben“ (Jivana) des Geistes (Manas) im Zusammenhang mit dem „Leben“ (d.h. Funktionieren) der Sinne (Indriya) wie folgt: letzteres als das Wahrnehmen bzw. „Ergreifen“ (Grahana) ihrer jeweiligen (Sva) Sinnesobjekte (Vishaya): sva-sva-viṣaya-grahaṇam indriyāṇāṃ jīvanam, und ersteres als das Hervorbringen (Utpadana) geistiger Fluktuationen (Vritti) in Form (Akara) der verschiedenen (Nana) Sinnesobjekte (Vishaya): nānā-viṣayākāra-vṛtty-utpādanaṃ manaso jīvanam.

****Anm.: Brahmananda gibt hierzu die folgende Definition (Lakshana) für das Wort „Erlösung“ (Moksha): mokṣam ātyantika-sva-rūpāvasthāna-lakṣaṇam – „Erlösung wird definiert als das endgültige (Atyantika) Verweilen (Avasthana) in der eigenen Natur (Svarupa)“, vgl. Yogasutra 1.3.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 89 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Wie kann jemand Jnana erreichen, wenn sein Prana lebendig und sein Geist nicht tot ist?

Jnana ist Wissen über Atman (Selbst oder Gott). Ihr könnt nicht Gott- oder Selbstverwirklichung erlangen, solange das Prana nicht in die Sushumna gelangt. Wenn nur Ida und Pingala tätig sind, ist es unmöglich, diesen Zustand zu erreichen. Ida und Pingala zu stoppen und das Prana in die Sushumna zu bringen, ist der Sinn jeden Yogas. Sonst besitzt ihr nur Wissen über den Körper und identifiziert euch mit ihm. Das ist es auch, was der Autor mit seinem Ausspruch „sein Prana ist lebendig“ ausdrücken möchte. Dieser Zustand wird Ajnana (Unkenntnis) genannt – es ist Unwissenheit. „Ich bin der Körper“ ist Unwissenheit. „Ich bin Atman“ ist Wissen.

Derjenige, der Prana und Geist dazu verwendet, sich aufzulösen (in Absorption), erreicht Moksha, und kein anderer.

Wenn Prana und Apana von der linken und rechten Seite abgezogen werden und in die Sushumna eintreten, wird der Geist ausgelöscht, was bedeutet, dass der Geist im gewöhnlichen Sinn nicht länger arbeitet. Gemäß Hatha Yoga wird Moksha nur von denen erreicht, die fähig sind, dies zu praktizieren.

Sukadev

15. Wie kann jemand Jnana erreichen, wenn sein Prana lebendig und sein Geist nicht tot ist?

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4. Kapitel, Vers 16

Deutsche Übersetzung:

Den geöffneten (bhedam) Hauptenergiekanal (sushumna) wahrhaft (sat) kennen (jnatva) und (ca) den Lebenshauch (vayu) in die Mitte (madhya) gehen (gam) lassen (kritva). | Bleibe (sthitva) immer (sada) genau (eva) an einem guten (su) Ort (sthane). In der göttlichen Öffnung (brahmaradre) soll der Yogi sich niederlassen (nirodhayet).

Sanskrit Text:

  • jñātvā suṣumṇā-sad-bhedaṁ kṛtvā vāyuṁ ca madhyagam |
    sthitvā sadaiva susthāne brahma-randhre nirodhayet ||16||
  • ज्ञात्वा सुषुम्णासद्भेदं कृत्वा वायुं च मध्यगम् ।
    स्थित्वा सदैव सुस्थाने ब्रह्मरन्ध्रे निरोधयेत् ॥१६॥
  • jnatva sushumna sad bhedam kritva vayum cha madhyagam |
    sthitva sadaiva susthane brahma randhre nirodhayet ||16||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • jñātvā : (wenn er) erlernt („kennengelernt“) hat (jñā)
  • suṣumṇā : (der) Sushumna
  • sat : (die) richtige („gute“, Sat)
  • bhedaṁ : (Methode zum) Öffnen („Aufbrechen“, Bheda)
  • kṛtvā : veranlasst hat (kṛ)
  • vāyuṁ : (den) Atem, Prana (“Wind”, Vayu)
  • ca : und (Cha)
  • madhya-gam : (im) mittleren (Kanal) zu fließen („gehen“, MadhyaGa)
  • sthitvā : weilend, sich aufhaltend („bleibend“, sthā)
  • sadā : immer, stets (Sada)
  • eva : wahrlich (Eva)
  • su-sthāne* : an einem geeigneten („guten“) Ort (SuSthana)
  • brahma-randhre** : (den Atem, Prana) im Brahmarandhra (der „Öffnung Brahmans“)
  • nirodhayet : er lasse verschwinden („schließe ein“, ni + rudh)        ||16||

*Anmerkung: Vgl. Vers 12 des ersten Kapitels.

**Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda macht deutlich, dass Brahmarandhra hier einen (bestimmten) Raum (Avakasha) im Schädel (Murdhan) meint, und nicht – wie an anderer Stelle – die Sushumna: brahma-randhre mūrdhāvakāśe.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 41 behandelt.

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Brahmananda

Hat der Yogi das Geheimnis gelüftet, d.h. den Weg in die Sushumna gefundne und den Atem in sie hineingezwängt, sollte er dann, an einem „angemessenen Ort“ sitzend, das Prana in Brahmarandhra halten.

Der „angemessene Ort“ wird im Kapitel I beschrieben.

Vishnu-devananda

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Sukadev

16. Hat der Yogi das Geheimnis gelüftet, d.h. den Weg in die Sushumna gefunden und den Atem in sie hineingezwängt, sollte er dann, an einem „angemessenen Ort“ sitzend, das Prana in Brahmarandhra halten.

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4. Kapitel, Vers 17

Deutsche Übersetzung:

Sonne (surya) und Mond (chandramasau) sind die Ursache (dhattah) der Zeit (kala) in der Manifestation (atmakam) von Nacht (ratrim) und Tag (diva). | Der Hauptenergiekanal (sushumna) ist der Zerstörer (bhoktri) der Zeit (kalasya). Dieses (etad) enthüllt (udahritam) das Geheimnis (guhyam).

Sanskrit Text:

  • sūryā-candramasau dhattaḥ kālaṁ rātrin-divātmakam |
    bhoktrī suṣumnā kālasya guhyam etad udāhṛtam ||17||
  • सूर्यचन्द्रमसौ धत्तः कालं रात्रिन्दिवात्मकम् ।
    भोक्त्री सुषुम्ना कालस्य गुह्यम् एतद् उदाहृतम् ॥१७॥
  • surya chandramasau dhattah kalam ratrin divatmakam |
    bhoktri sushumna kalasya guhyam etad udahritam ||17||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • sūryā* : Sonne (Surya)
  • candra-masau* : (und) Mond (der „schimmernde Mond“, Chandramas)
  • dhattaḥ : erschaffen (dhā)
  • kālaṁ : (die) Zeit (Kala)
  • rātrin-diva** : Nacht (und) Tag (Ratrindiva)
  • ātmakam : in Form von („mit dem Wesen von“, Atmaka)
  • bhoktrī : (ist eine) Verzehrerin („Esserin“, Bhoktri)
  • suṣumnā : (die) Sushumna
  • kālasya : der Zeit
  • guhyam : (ein) Geheimnis (Guhya)
  • etad : das, dies (Etad)
  • udāhṛtam : wird genannt (Udahrita)        ||17||

*Anmerkung: Das lange ā in sūryā ergibt sich aus der Bildung dieses Dvandva genannten Kompositums: sūrya („Sonne“) und candramas („Mond“) ergeben sūryā-candramasau „Sonne und Mond“, Nominativ Dual.

**Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass sich „Nacht und Tag“ (Ratrin-diva) auf das abwechselnde Vorherrschen von Mond- und Sonnenkanal (Chandra und Surya bzw. Ida und Pingala) bezieht, von denen jeder jeweils eine Stunde bzw. zweieinhalb Ghatikas durchflossen wird. Diese beiden Phasen werden als „Nacht und Tag“ bezeichnet, so dass es für einen Yogi innerhalb von 24 Stunden 12 mal „Nacht und Tag“ wird.

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Brahmananda

Sonne und Mond, so sagt man, bestimmen Tag und Nacht. Die Sushumna, behauptet man, verschlucke die Zeit. Dies ist ein Geheimnis.

Das Prana fließt in der Ida (Mond) ca. 1 Stunde lang und danach in der Pingala (Sonne). 2 Stunden machen daher einen Tag und eine Nacht. Der gewöhnliche Tag besteht aus zwei solchen Zeiten. Wenn das Prana Ida und Pingala verlässt und in der Sushuman verbleibt, gibt es keine Zeit mehr. Deshalb, sagt man, würde die Sushumna Zeit schlucken. Der Yogi, der im Voraus den Zeitpunkt seines Todes kennt, bringt sein Prana zu Brahmarandhra und widersetzt sich der Zeit (Tod).

Vishnu-devananda

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Sukadev

17. Sonne und Mond, so sagt man, bestimmen Tag und Nacht. Die Sushumna, behauptet man, verschlucke die Zeit. Dies ist ein Geheimnis.

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4. Kapitel, Vers 18

Deutsche Übersetzung:

Im Körper (panjare) gibt es 72.000 (dva-saptati-sahasrani) Pforten (dvarani) zu den Energiekanälen (nadi). | Der Hauptenergiekanal (sushumna) ist die Göttin (shambhavi shakti), alle Anderen (sheshas) sind völlig (tu eva) nutzlos (nirarthakah).

Sanskrit Text:

  • dvā-saptati-sahasrāṇi nāḍī-dvārāṇi pañjare |
    suṣumṇā śāmbhavī śaktiḥ śeṣās tv eva nirarthakāḥ ||18||
  • द्वासप्ततिसहस्राणि नाडीद्वाराणि पञ्जरे ।
    सुषुम्णा शाम्भवी शक्तिः शेषास्त्वेव निरर्थकाः ॥१८॥
  • dva saptati sahasrani nadi dvarani panjare |
    sushumna shambhavi shaktih sheshas tv eva nirarthakah ||18||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • dvā-saptati-sahasrāṇi : (es gibt) 72 000 (Dvasaptatisahasra)
  • nāḍī : (in Form von feinstofflichen Energie-)Kanälen (Nadi)
  • dvārāṇi : Tore (für Prana, Dvara)
  • pañjare : im Körper („Käfig, Gerippe“, Panjara)
  • suṣumṇā : (die) Sushumna
  • śāmbhavī : (ist) die zu Shambhu gehörige (Shambhavi)
  • śaktiḥ : Energie, Kraft (Shakti)
  • śeṣāḥ : (die) übrigen, restlichen (Shesha)
  • tu : aber (Tu)
  • eva : gewiss, wahrlich (Eva)
  • nir-arthakāḥ : (sind so gut wie) nutzlos („ohne Zweck“, Nirarthaka)         ||18||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

18. Es gibt 72000 Nadis in diesem Körper (Käfig). Sushumna ist das mittlere Nadi. Es enthält Shambavi Shakti , welche die Eigenschaft besitzt, den Yogi mit Freude zu erfüllen. Die anderen (Ida, Pingala, usw.) sind nicht von großen Nutzen. Die restlichen sind wertlos.

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4. Kapitel, Vers 19

Deutsche Übersetzung:

Durch das Bewahren (paricita) von dem Wind (yasmat) zusammen mit (saha) dem Aufwecken (bodhayitva) der Schlangenkraft (kundalini) durch das Feuer, | tritt (praviset) der Lebenshauch (vayu) in den Hauptenergiekanal (sushumna) ohne Widerstand (anirudhata) ein.

Sanskrit Text:

  • vāyuḥ paricito yasmād agninā saha kuṇḍalīm |
    bodhayitvā suṣumṇāyāṁ praviśed anirodhataḥ ||19||
  • वायुः परिचितो यस्माद् अग्निना सह कुण्डलीम् ।
    बोधयित्वा सुषुम्णायां प्रविशेद् अनिरोधतः ॥१९॥
  • vayuh parichito yasmad agnina saha kundalim |
    bodhayitva sushumnayam pravished anirodhatah ||19||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • vāyuḥ : (der) Atem („Wind“, Vayu)
  • paricitaḥ : kontrolliert ist („bekannt, vertraut“, Parichita)
  • yasmāt : sobald, wenn („nachdem“, Yad)
  • agninā : (dem Verdauungs-)Feuer (Agni)
  • saha : samt (Saha)
  • kuṇḍalīm : (die) Kundali(ni)
  • bodhayitvā : nachdem (er) erweckt hat (budh)
  • suṣumṇāyāṁ : (in die) Sushumna
  • praviśet : (er) soll eintreten (pra + viś)
  • anirodhataḥ : ungehemmt („ohne Hemmung, Zurückhaltung“, a-Nirodha-tas)          ||19||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

19. Jener, der Meister im Zurückhalten des Atems ist und dessen Feuer im Magen entzündet ist, sollte Kundalini erwecken und in die Sushumna bringen.

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4. Kapitel, Vers 20

Deutsche Übersetzung:

Erfolg (siddhyaty) in Manomani (manomani) wird erreicht im Fluss (vahini) des Lebenshauchs (prana) im Hauptenergiekanal (sushumna). | Ansonsten (anyatha) sind die anderen (itara) Übungen (abhyasah) nur (eva) zur Ermüdung (prayasaya) des Yogi (yoginam).

Sanskrit Text:

  • suṣumṇā-vāhini prāṇe sidhyaty eva manonmanī |
    anyathā tv itarābhyāsāḥ prayāsāyaiva yoginām ||20||
  • सुषुम्णावाहिनि प्राणे सिद्ध्यत्य् एव मनोन्मनी ।
    अन्यथा त्व् इतराभ्यासाः प्रयासायैव योगिनाम् ॥२०॥
  • sushumna vahini prane sidhyaty eva manonmani |
    anyatha tv itarabhyasah prayasayaiva yoginam ||20||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • suṣumṇā : (in der) Sushumna
  • vāhini : fließt (Vahin)
  • prāṇe : (wenn der) Lebenshauch (Prana)
  • sidhyati : erfolgt, hat Erfolg, kommt zustande (sidh)
  • eva : gewiss (Eva)
  • manonmanī : (der Zustand des) Geistes jenseits des Geistes (Manonmani)
  • anyathā : anderenfalls
  • tu : aber (Tu)
  • itara : (alle) anderen (Itara)
  • abhyāsāḥ : Übungen, Praktiken (Abhyasa)
  • prayāsāya : (dienen der) Erschöpfung („Anstrengung“, Prayasa)
  • eva : nur, allein
  • yoginām : der Yogis          ||20||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

20. Gelangt das Prana in die Sushumna, folgt der Manomani-Zustand von selbst. Andere Wege sind bloß nutzlose Bemühungen seitens des Yogi.

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