2. Kapitel, Vers 1

Deutsche Übersetzung:

Wenn Stabilität in der physischen Praxis (Asana) erreicht ist, der Yogi Selbstkontrolle erlangt hat und die Ernährung passend und maßvoll ist, | dann sollen in direktem Unterricht durch den Lehrer die Atemtechniken (Pranayama) geübt werden.

Sanskrit Text:

  • athāsane dṛḍhe yogī vaśī hita-mitāśanaḥ |
    gurūpadiṣṭa-mārgeṇa prāṇāyāmān samabhyaset ||1||
  • अथासने दृढे योगी वशी हितमिताशनः ।
    गुरूपदिष्टमार्गेण प्राणायामान्समभ्यसेत् ॥१॥
  • athasane dridhe yogi vashi hita mitashanah |
    gurupadishta margena pranayaman samabhyaset ||1||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • atha : nun (Atha)
  • āsane : (wenn die) Körperstellung(en, „Sitzhaltungen“, Asana)
  • dṛḍhe : fest, gefestigt, stabil (sind, Dridha)
  • yogī : (ein) Yogi
  • vaśī : (der) sich selbst (geistig und körperlich) beherrscht (Vashin)
  • hita : heilsam, gut (Hita)
  • mita : (und ) maßvoll  (ist, Mita)
  • aśanaḥ : (dessen) Nahrung (Ashana)
  • guru : (von seinem) Lehrer, Meister (Guru)
  • upadiṣṭa : (die) gelehrt wurde (Upadishta)
  • mārgeṇa : gemäß der Methode („des Weges“, Marga)
  • prāṇāyāmān : (die verschiedenen Arten der) Atemzügelung (Pranayama)
  • samabhyaset : soll üben, praktizieren (sam + abhi + as)     ||1||

Anmerkung: Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 27 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Nachdem sich der Yogi in den Asanas vervollkommnet hat, sollte er in Übereinstimmung mit den von seinem Guru dargelegten Anweisungen Pranayama praktizieren, seine Sinne unter Kontrolle halten, und dabei durchwegs eine zuträgliche und maßvolle Ernährung einhalten.

Sukadev

1. Nachdem sich der Yogi in den Asanas vervollkommnet hat, sollte er in Übereinstimmung mit den von seinem Guru dargelegten Anweisungen Pranayama praktizieren, seine Sinne unter Kontrolle halten, und dabei durchwegs eine zuträgliche und maßvolle Ernährung einhalten.

Hier beschreibt er die verschiedenen Grundlagen des Pranayama. Vervollkommnen heißt jetzt nicht, dass man in den Asanas beide Füße hinter den Kopf bekommt, von vorne, von der Seite und von hinten, sondern dass man die Asanas regelmäßig macht, dass man die Asanas bewusst machen kann – man hat den falschen Ehrgeiz überwunden. Und dann kann man in fortgeschrittene Pranayamas gehen. Auch natürlich die vorbereitenden Übungen, einfachesKapalabhati und einfache Wechselatmung kann man schon nach ein paar Wochen lernen. Aber die fortgeschrittenen Übungen, da gehört dazu, dass man die Asanas schon eine Weile geübt hat. Zweitens gehört dazu, dass man die sattvige Ernährung pflegt. Drittens gehört dazu, dass man sonst in seinem Leben nicht zu sehr über die Stränge schlägt, sondern seine Sinne unter Kontrolle hält. Und dann sollte man so praktizieren, wie man es von seinem Lehrer gelernt hat. Pranayama kann man nicht wirklich von Büchern lernen, obgleich manchmal Bücher einem Tipps geben können, um vielleicht mal eine kleine Variation einzubauen, oder mal Konzentrationshilfen und Details kennenzulernen. Aber man kann nicht wirklich Pranayama machen durch ein Buch. Auch die Hatha Yoga Pradipika ist nicht so geschrieben, dass man dadurch wirklich üben könnte.

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2. Kapitel, Vers 2

Deutsche Übersetzung:

Solange sich der Atem bewegt, so lange ist auch alles wandelbare des Menschen (Chitta) unstet. Ruht das eine, kommt auch das andere zur Ruhe | und der Yogi findet innere Harmonie. Daher soll der Yogi den Atem anhalten.

Sanskrit Text:

  • cale vāte calaṁ cittaṁ niścale niścalaṁ bhavet |
    yogī sthāṇutvam āpnoti tato vāyuṁ nirodhayet ||2||
  • चले वाते चलं चित्तं निश्चले निश्चलं भवेत् ।
    योगी स्थाणुत्वमाप्नोति ततो वायुं निरोधयेत् ॥२॥
  • chale vate chalam chittam nishchale nishchalam bhavet |
    yogi sthanutvam apnoti tato vayum nirodhayet ||2||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • cale : unstet, beweglich (Chala)
  • vāte : (ist der) Atem, Prana  („Wind“, Vata)
  • calaṁ : unstet, beweglich
  • cittaṁ : (ist auch der) Geist (Chitta)
  • niścale : (der Atem) unbeweglich (Nishchala)
  • niścalaṁ : (auch der Geist) unbeweglich
  • bhavet : ist, wird (bhū)
  • yogī : (ein) Yogi
  • sthāṇu-tvam : Bewegungslosigkeit (das „wie-ein-Pfosten-Sein“, Sthanutva)
  • āpnoti : erreicht (āp)
  • tataḥ : daher, deshalb (Tatas)
  • vāyuṁ : (den) Atem, Prana („Wind“, Vayu)
  • nirodhayet : man soll anhalten („einsperren“, ni + rudh)        ||2||

Anmerkung: Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 32 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Wenn der Atem wandert, d.h. unregelmäßig ist, ist auch der Geist unruhig. Aber wenn der Atem ruhig ist, so ist es auch der Geist und der Yogi lebt lange. Daher sollte man den Atem zurückhalten.

Wie kann der Atem wandern? Wir können diesen Vers nur verstehen, wenn wir uns vor Augen halten, dass es nicht der körperliche Atem ist, der hier gemeint ist, sondern Prana. Diese Verwirrung kommt durch Übersetzungsprobleme. Das ursprüngliche Sanskrit „Prana Vayu“ ist hier als Atem übersetzt, weil es im Englischen kein Wort für Prana gibt. Manchmal ist es als Luft übersetzt, andere Male wieder als Atem. Wegen der Möglichkeit von Verwirrungen wie dieser ist ein Guru notwendig.
Der Geist ist wie ein Baum und der Atem ist wie der Wind. Wir können den Wind nicht sehen, aber wenn wir die Bewegung des Baumes sehen, wissen wir, dass die Luft in Unruhe ist. Es ist dasselbe mit dem Denken. Wenn Prana in Unruhe oder unbeständig ist, ist euer Geist so sehr in Unruhe, dass ihr nicht still auf einem Fleck sitzen könnt. Im extremen Fall eines Wahnsinnigen ist Prana so sehr in Unruhe, dass es nicht angemessen kanalisiert wird (weder ankommende, noch ausgehende Wellen bewegen sich in Ordnung, und der Motor oder die sensorischen Nerven sind außer Kontrolle). Dann sind Denken und Körpertätigkeit vollständig außer Kontrolle und einer redet, bewegt sich und lacht vollständig unangepasst. Das passiert auch uns in unterschiedlichem Grad, wann immer unser Geist nicht vollständig gefestigt ist – wenn „der Atem wandert“. Das Wesentliche ist, dass wir den Zusammenhang zwischen Prana und Geist verstehen.
Die Pradipika sagt, dass „man den Atem zurückhalten“ soll, aber ihr alles wisst, dass ihr nicht mehr lange lebt, wenn ihr das wörtlich nehmt. Wieder sehen wir, dass wir Atem mit Prana übersetzen müssen. Wenn dieses Prana so geregelt ist, dass es rhythmisch wird, dann wird auch der Atem rhythmisch. Wir können den körperlichen Atem beobachten, um zu erfahren, wie sich Prana bewegt. Vom Beobachten der Blätter auf einem Baum wissen wir, ob der Wind vom Norden kommt oder vom Süden, ob seine Geschwindigkeit acht Knoten ist oder ob es stürmisch ist. Auf ähnliche Weise können wir durch das Beobachten des körperlichen Atems einer Person sagen, wie deren geistige Verfassung ist. Das ist eines der Prinzipien, nach denen Lügen-Detektor-Apparate funktionieren.
Wenn ihr Pranayama macht, dann regelt ihr den Impuls, der zum Zwerchfell kommt in einem bestimmten Verhältnis (1:4:2). Impulse gehen immer vom Gehirn zum Rest des Körpers, zum Beispiel, wenn ich meinen Arm bewege. Ihr könnt den Impuls nicht sehen, aber ihr könnt die Bewegung sehen. Der Muskel wird vom Geist kontrolliert, der die Impulse durch das Nervensystem zu den Muskeln schickt. Es hängt alles vom Denken ab, wie es auch das Denken ist, das die Impulse kontrolliert.
Indem ihr den körperlichen Atem gebraucht, reguliert ihr die Impulse von Prana (und ebenso von Apana). Dann, mit der Zusammenziehung des Mula Bandhas versucht ihr die Impulse davon abzuhalten, zu den geschlechtlichen und niederen Organen zu gelangen; ihr bringt Energie hoch. Ihr schließt Prana ab, indem ihr nicht nur den Atem anhaltet, sondern auch mit dem Kinn die Brust berührt. Indem ihr auf verschiedene Nerven Druck ausübt, kontrolliert ihr das Kreislaufsystem – Herzfrequenz und Atemfrequenz werden kontrolliert. Wenn ihr Druck auf das Muladhara Chakra ausübt, indem ihr den Afterschließmuskel mit der Ferse drückt und über dieser Gegend sitzt, übt ihr Druck auf das Kanda aus, den Ort, wo alle Nerven zusammenmünden. Dies drückt auf Apana und treibt es aufwärts. Prana wird durch die Kinn-Sperre abwärts getrieben. Auf diesem Weg werden diese zwei Impulse miteinander verbunden. Das wird Hatha Yoga genannt: die Vereinigung von „Ha“ und „Tha“. Wir brauchen die Anwendung körperlichen Druckes ebenso wie die Verwendung des Geistes und des Atems. Atem, Denken und Körper sind alle beteiligt – so bekommt ihr dann mit allen dreien gemeinsam volle Kontrolle.
Es wird gesagt, dass ihr durch diesen Vorgang nicht hindurch müsst, wenn ihr im Raja Yoga schon sehr weit gekommen seid. Ein weit fortgeschrittener Raja Yogi ist einer, der sein Denken kontrollieren kann, und wenn ihr das einmal könnt, könnt ihr alles kontrollieren: Prana und den Körper. Aber so jemand ist sehr selten. Ein fortgeschrittener Yogi hat volle Kontrolle über seine Gefühle: Lust, Ärger, Gier, Hass, Eifersucht, Neid, Furcht. Aber die meisten von uns müssen Hatha Yoga praktizieren, um zum Raja Yoga zu gelangen.
Vom Yogi sagt man, dass er „lange lebt“, weil er die ankommenden Impulse so regelt, dass sich der Atem verlangsamt. In dem Verhältnis, in dem sich der Atem verlangsamt, wird das Leben verlängert, weil die Energie dann langsamer verbrannt wird. Aufbauende und abbauende Tätigkeit nehmen beide ab, man ist ausgeglichen, und so wird die Jugend für lange Zeit bewahrt.

Sukadev

2. Wenn der Atem wandert, d.h. unregelmäßig ist, ist auch der Geist unruhig. Aber wenn der Atem ruhig ist, so ist es auch der Geist und der Yogi lebt lange. Daher sollte man den Atem zurückhalten.

‚Zurückhalten’ steht hier; ’steuern’ wäre der korrektere Ausdruck. Ist der Atem unruhig, ist der Geist unruhig. Die einfachste Anwendung gegen Lampenfieber ist, gleichmäßig einatmen, gleichmäßig ausatmen in den Bauch, dann wird diese Angstenergie umgewandelt in gleichmäßige positive Energie. Oder wenn man ärgerlich ist, dann kann man einatmen und doppelt so lange ausatmen, wie man eingeatmet hat. Natürlich kontrollieren wir über die Kontrolle des Atems nicht nur den Atem, sondern auch das Prana, und über Prana den Geist. Und dann sagt Swatmarama hier: Der Yogi lebt lange. Das lange Leben kann man jetzt wörtlich nehmen oder auch im übertragenen Sinne. Es gibt tatsächlich so Legenden, dass die großen Hatha Yoga Meister mehrere hundert Jahre alt werden. Der Swami Vishnu ist nicht so alt geworden, der Swami Sivananda auch nicht, aber sie waren auch keinen reinen Hatha-Yoga-Meister. Ich kenne einen, der behauptet hat, er hätte mal einen Lehrer gehabt, der sei 980 Jahre alt geworden. Der hätte sich noch erinnern können an Dinge, die vor 500 und 800 Jahren waren. Ich selbst bin immer zunächst skeptisch, wenn ich so was höre, denn behaupten kann man ja Vieles. Aber ich halt’s auch nicht für ausgeschlossen. Ich habe schon so viele Dinge gesehen, die man nicht mit Schulbuchweisheit erklären kann, und die den Konzepten der modernen Biologie nicht entsprechen; trotzdem, man sollte nicht alles glauben, wenn jemand so was behauptet. Aber es heißt durchaus, wenn man vielAsanas macht, sehr viel Pranayama macht, dann soll sich durchaus auch das physische Leben verlängern. Und jetzt die reinen Hatha Yogis, die wirklich stundenlang, 3 drei bis fünf Stunden am Tag Asanas und Pranayama üben, die sind tatsächlich auch mit achtzig oder neunzig Jahren noch sehr flexibel und gesund. Die bringen das Prana in die Sushumna, aber sie haben auch viel Lebensenergie, Prana, und wer viel Lebensenergie hat, ist eher lebendig, und dadurch lebt er lange. Erst dann, wenn die Lebensenergie verschwunden ist, stirbt auch der Körper. Und die zwote Bedeutung gilt sicherlich für jeden Menschen. Wenn man Pranayama macht, dann ist tatsächlich mehr Lebenskraft da und ist auch lebendiger. Und das ist am deutlichsten, wenn Menschen im fortgeschrittenen Alter Pranayama üben, dann kann man merken, wie deren Gesichtsausdruck sich ändert, das ist das deutlich sichtbarste.

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2. Kapitel, Vers 3

Deutsche Übersetzung:

So lange der Atem im Körper bleibt, so lange wird es Leben genannt | Tod ist das Verlassen von diesem. Daher soll der Atem angehalten werden.

Sanskrit Text:

  • yāvad vāyuḥ sthito dehe tāvaj jīvanam ucyate |
    maraṇaṁ tasya niṣkrāntis tato vāyuṁ nirodhayet ||3||
  • यावद्वायुः स्थितो देहे तावज्जीवनमुच्यते ।
    मरणं तस्य निष्क्रान्तिस्ततो वायुं निरोधयेत् ॥३॥
  • yavad vayuh sthito dehe tavaj jivanam uchyate |
    maranam tasya nishkrantis tato vayum nirodhayet ||3||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • yāvat : solange wie (Yavat)
  • vāyuḥ : (der Lebens-)Atem, Prana (“Wind”, Vayu)
  • sthitaḥ : sich befindet (Sthita)
  • dehe : im Körper (Deha)
  • tāvat : solange (Tavat)
  • jīvanam* : Leben (Jivana)
  • ucyate : (das) wird genannt (vac)
  • maraṇaṁ : Sterben, Tod (Marana)
  • tasya : dieses (Lebensatems, Tad)
  • niṣkrāntiḥ : (das) Hinausgehen, Weichen, Verschwinden (Nishkranti)
  • tataḥ : daher, deshalb (Tatas)
  • vāyuṁ : (den) Atem („Wind“)
  • nirodhayet : man soll anhalten (“einsperren”, ni + rudh)        ||3||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda definiert das „Leben“ (Jivana) als die Verbindung (Samyoga) von Körper (Deha) und Lebensatem (Prana): deha-prāṇa-saṃyogasya. Das Hinausgehen (Nishkranti) von Prana aus dem Körper, also die Trennung (Viyoga) dieser beiden, wird „Sterben“ (Marana) genannt (ucyate): tasya prāṇasya niṣkrāntir dehād viyogo maraṇam ucyate.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Man sagt von einem Menschen, dass er nur so lange lebt, als er Atem in seinem Körper hat. Wenn der Atem ausgeht, sagt man, dass er tot ist. Daher sollte man Pranayama praktizieren.

Wieder spricht er nicht über den körperlichen Atem, sondern über Prana.

Sukadev

3. Man sagt von einem Menschen, dass er nur so lange lebt, als er Atem in seinem Körper hat. Wenn der Atem ausgeht, sagt man, dass er tot ist. Daher sollte man Pranayama praktizieren.

Eine ausgezeichnete Begründung. Der Swami Vishnu hat da gerne ’nen Witz gebracht: Wenn jemand tot ist und noch atmet, den müsst ihr mir zeigen. Das beste Rezept gegen Sterben ist, niemals aufhören zu atmen. Es ist natürlich auch wieder auf einer anderen Ebene gemeint. Es gibt viele Menschen, die sind lebendige Tote. Das Herz schlägt noch irgendwie, ihre Füße bewegen sie auch noch, aber es ist kein Prana dahinter. Aber sowohl für die Langlebigkeit wie für die Lebendigkeit ist Pranayama gut.

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2. Kapitel, Vers 4

Deutsche Übersetzung:

Wenn die Energiekanäle verunreinigt sind kann die Lebensenergie (Prana) nicht durch den Haupt-Kanal (Sushumna) strömen. | Wie wird der Zustand der Erleuchtung (Unmani) sich einstellen, und wie stellen sich übernatürliche Kräfte (Siddhi) ein?

Sanskrit Text:

  • malākulāsu nāḍīṣu māruto naiva madhya-gaḥ |
    kathaṁ syād unmanī-bhāvaḥ kārya-siddhiḥ kathaṁ bhavet ||4||
  • मलाकुलासु नाडीषु मारुतो नैव मध्यगः ।
    कथं स्यादुन्मनीभावः कार्यसिद्धिः कथं भवेत् ॥४॥
  • malakulasu nadishu maruto naiva madhyagah |
    katham syad unmani bhavah karya siddhih katham bhavet ||4||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • mala : (mit) Verunreinigungen (Mala)
  • ākulāsu : angefüllt sind (Akula)
  • nāḍīṣu : (wenn die feinstofflichen Energie-)Kanäle (Nadi)
  • mārutaḥ : (der Lebens-)Atem, Prana (“Wind”, Maruta)
  • na : nicht (Na)
  • eva : gewiss (Eva)
  • madhya-gaḥ* : geht (durch den) mittleren (Kanal, Madhya Ga)
  • kathaṁ : wie (Katham)
  • syāt : sollte (dann möglich) sein (as)
  • unmanī-bhāvaḥ : (der) Zustand (Bhava) jenseits des Geistes (Unmani)
  • kārya : (der) Absicht, (des) Zwecks (Karya)
  • siddhiḥ** : (der) Erfolg, (das) Gelingen, Erreichen (Siddhi)
  • kathaṁ : wie
  • bhavet : sollte (dann möglich) sein (bhū)     ||4||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass Prana „durch die Mitte geht“ (Madhya-ga), wenn er durch den Sushumna genannten Kanal („Weg“, Marga) fließt (vāhī): prāṇo madhya-gaḥ suṣumnā-mārga-vāhī.

**Anmerkung: Der letzte Zweck (Karya) des Hatha Yoga besteht laut Brahmananda „in Form“ (Rupa) der absoluten Freiheit (Kaivalya), dessen Erfolg (Siddhi) besteht in deren Vervollkommnung (Nishpatti): kāryasya kaivalya-rūpasya siddhir niṣpattiḥ.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 115 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Wenn die Nadis voll von Verunreinigungen sind, dann geht der Atem nicht in die mittlere Nadi, die Sushumna. Dann gibt es kein Erlangen des Gegenstandes und kein Erreichen von Unmani Avastha.

Moderne Leute, die solche Sachen lesen, mögen denken, dass der Autor eine lächerliche Behauptung aufstellt, dass er nichts über Physiologie oder Anatomie weiß. Wie ist es möglich, dass der Atem in ein Nadi geht, wo doch jeder weiß, dass er nur in die Lungen geht! Aber wenn ihr wieder Atem mit Prana übersetzt, wie ich erklärt habe, dann werdet ihr solche Dinge richtig verstehen.
Was sind die oben erwähnten „Unreinheiten“? Wenn ihr die falsche Nahrung esst, wenn ihr trinkt oder raucht, dann ist das Nervensystem überladen mit Unreinheiten, die Widerstand erzeugen. Wenn ihr dann Pranayama macht, wird Prana nicht in die Sushumna gehen. Wenn der Atem nicht in die Sushumna-Nadi geht, dann gibt es „kein Erlangen des Gegenstandes“. Was ist damit gemeint? „Der Gegenstand“ ist die Vereinigung von „Ha“ und „tha“, die zur Ruhe des Geistes führt. Wenn der Geist ruhig ist, sagen Raja-Yogis, dass der Sehende sein Selbst sieht. Er sieht sich als „Ich bin“.
Unmani Avastha ist Hatha Yoga Samadhi durch die Kontrolle von Prana. Im Raja Yoga wird derselbe Zustand Asamprajnata Samadhi genannt. In Jnana Yoga wird er Nirvikalpa Samadhi oder Turiya genannt. Im Bhakti Yoga wird er Bhava Samadhi oder Selbst-Aufgabe genannt. Alle sind derselbe Zustand.
Während Unmani Avastha bleibt der Atem stehen und der Geist wird so still, dass ihr das Selbst seht. Avastha bezieht sich auf einen Zustand des Geistes. In diesem Zustand gibt es keine Wellen (Vrittis) mehr auf dem Geist, weil das Prana nicht mehr durch Ida und Pingala arbeitet. Solange Prana durch diese Nadis wirksam wird, gibt es körperliches Atmen und Lebenskraft, Gefühle und Gedanken. Gewöhnlich können wir das nicht aufhalten; es kommt nur zum Stillstand, wenn Prana in die Sushumna fließt, so dass Ida und Pingala tot sind. Dann sind sie wie ein Kabel ohne Strom.

Sukadev

4. Wenn die Nadis voll von Verunreinigungen sind, dann geht der Atem nicht in die mittlere Nadi, die Sushumna. Dann gibt es kein Erlangen des Gegenstandes und kein Erreichen von Unmani Avastha.

Das ist jetzt eine dumme Übersetzung. Auf englisch heißt object nicht nur Gegenstand, sondern auch Ziel. Also so lange das Prana nicht in der Sushumna ist, erreichen wir nicht das Ziel des Lebens, und es gibt auch kein Erreichen von Unmani Avastha. Unmani Avasta. Avastha heißt Zustand. Für Unmani gibt’s zwei Übersetzungen. Zum Einen heißt es großartiger Juwel, der Zustand des großartigen Juwels. Von einem anderen Stamm aus, Manas heißt Geist, Unmani heißt jenseits des Geistes, Samadhi. Unmani Avastha ist ein Name für Samadhi im Hatha Yoga.

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2. Kapitel, Vers 5

Deutsche Übersetzung:

Wenn Reinigung der verschmutzten Energie-Kanäle (Nadi) und -Zentren (Chakra) erreicht ist, | erst dann erringt der Yogi die Fähigkeit die Lebensenergie (Prana) zu bewahren.

Sanskrit Text:

  • śuddhim eti yadā sarvaṁ nāḍī-cakraṁ malākulam |
    tadaiva jāyate yogī prāṇa-saṅgrahaṇe kṣamaḥ ||5||
  • शुद्धिमेति यदा सर्वं नाडीचक्रं मलाकुलम् ।
    तदैव जायते योगी प्राणसङ्ग्रहणे क्षमः ॥५॥
  • shuddhim eti yada sarvam nadi chakram malakulam |
    tadaiva jayate yogi prana sangrahane kshamah ||5||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • śuddhim : Reinheit, Reinigung (Shuddhi)
  • eti : erreicht („geht“, i)
  • yadā : wenn (Yada)
  • sarvaṁ : (die) ganze, vollständige (Sarva)
  • nāḍī : (der feinstofflichen Energie-)Kanäle (Nadi)
  • cakraṁ* : Menge, Gesamtheit („Kreis“, Chakra)
  • mala : (mit) Verunreinigungen (Mala)
  • ākulam : (die) angefüllt ist (Akula)
  • tadā : dann (Tada)
  • eva : erst, nur (Eva)
  • jāyate : wird (jan)
  • yogī : (der) Yogi
  • prāṇa : (der) Lebensenergie, (des) Prana
  • sagrahaṇe : zum Ansammeln, Beisichhalten, Lenken (Sangrahana)
  • kṣamaḥ : befähigt, geeignet (Kshama)       ||5||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass Chakra („Kreis“) hier die Gesamtheit (Samuha) der Nadis meint: nāḍīnāṃ cakraṃ samūhaḥ.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 86 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Nur wenn alle Nadis, die jetzt voll von Unreinheiten sind, gereinigt werden, kann der Yogi erfolgreich Pranayama ausführen.

„Erfolgreich“ bedeutet, dass Prana in die Sushumna eintritt. Wenn die Nadis unrein sind, wird Prana nicht in die Sushumna eintreten, so dass wir damit anfangen müssen, Pranayama zu machen, um die Nadis zu reinigen. Je mehr wir uns anstrengen, desto mehr reinigen wir uns, der Rest kommt automatisch. Tatsächlich wenden wir die meiste Zeit für die Läuterung auf.

Sukadev

5. Nur wenn alle Nadis, die jetzt voll von Unreinheiten sind, gereinigt werden, kann der Yogi erfolgreich Pranayama ausführen.

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2. Kapitel, Vers 6

Deutsche Übersetzung:

Deshalb soll man Atemübungen (Pranayama) immer mit reinen Gedanken praktizieren | so dass die im Haupt-Energiekanal (Sushumna-Nadi) befindlichen Unreinheiten Reinigung erreichen.

Sanskrit Text:

  • prāṇāyāmaṁ tataḥ kuryān nityaṁ sāttvikayā dhiyā |
    yathā suṣumṇā-nāḍī-sthā malāḥ śuddhiṁ prayānti ca ||6||
  • प्राणायामं ततः कुर्यान् नित्यं सात्त्विकया धिया ।
    यथा सुषुम्णानाडीस्था मलाः शुद्धिं प्रयान्ति च ॥६॥
  • pranayamam tatah kuryan nityam sattvikaya dhiya |
    yatha sushumna nadistha malah shuddhim prayanti cha ||6||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • prāṇa-āyāmaṁ : Atemzügelung (Pranayama)
  • tataḥ : daher, deshalb (Tatas)
  • kuryāt : man soll praktizieren (kṛ)
  • nityaṁ : stets (Nitya)
  • sāttvikayā* : mit reinem („von der Qualität Sattva beherrschtem“, Sattvika)
  • dhiyā* : Geist, Denken, Sinn (Dhi)
  • yathā : damit, sodass (Yatha)
  • suṣumṇā : (der) Sushumna (genannt wird)
  • nāḍī-sthā : (die) sich befinden (in dem Energie-)Kanal (Nadi)
  • malāḥ : (die) Verunreinigungen (Mala)
  • śuddhiṁ : (in die) Reinheit (Shuddhi)
  • prayānti : verschwinden (pra + )
  • ca : und (Cha)      ||6||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda definiert einen „sattvischen Geist“ (sāttvikayā dhiyā) als einen, der den Charakter (Shila) des Lichts (Prakasha) und der ungetrübten Reinheit (Prasada) besitzt: sāttvikayā prakāśa-prasāda-śīlayā dhiyā.

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Brahmananda

Atem“ bedeutet nicht die Luft, die eingesogen wird und wieder ausströmt, sondern Prana, d. h. die magnetische Strömung des Atems. Es wäre absurd, wenn wir sagten, dass der Atem dazu gebracht werden soll, zur rechten Zehe etc. zu gehen. In dem vorangegangenen Vers bedeutet „Sattvica Buddhi“ ein Geist, in dem die rajasige Elemente wie Unbeständigkeit, Faulheit etc. durch die Verehrung Ishwaras und durch Beharrlichkeit überwunden worden sind.

Vishnu-devananda

Daher sollte man Pranayama mit einem Geist praktizieren, in dem das sattvige Element maßgebend ist.

Das „sattvige Element“ ist maßgebend, wenn ihr euer Selbst erreichen wollt, oder Gott, und ihr Pranayama nicht deshalb ausführt, um Siddhis oder Macht zu bekommen. Wenn das euer Ziel wäre, dann würde es die Raja-Guna (das rajasige Element) sein, die vorherrscht. Aber das wäre, wie wenn die linke Hand versuchen würde, der rechten überlegen zu sein, obwohl es tatsächlich nur ein Selbst gibt. Daher ist es nur Illusion, Unwissenheit, wenn ich zeigen wollte, dass ich mehr bin als ihr, das ist keine Macht. Wir sollten dieses Sadhana durchführen, um das Selbst zu erreichen.

(fortgesetzt) bis die SushumnaNadi von den Unreinheiten befreit ist.

Das kann ein Leben dauern, zehn Leben, zehn Millionen Leben, oder nur zehn Sekunden – auch das ist möglich. Wie werdet ihr euch der Reinigung bewusst? Das erste Zeichen ist Zufriedenheit. Wisst ihr, was Zufriedenheit ist? Wenn ihr diese Praktik begonnen habt, weil ihr hofft zu einem Nerzmantel zu kommen, dann braucht oder wollt ihr gar keinen Nerzmantel mehr, wenn ihr damit fertig seid. Ihr wollt nichts mehr. Ihr habt, wonach ihr in Wirklichkeit gesucht habt: Frieden und Selbstgenügsamkeit. Wenn eine Person das erreicht, dann braucht sie nicht mehr in eine Bar oder eine Discothek oder ein Konzert gehen. Sie ist zufrieden bloß auf einen Baum zu schauen oder in einem kahlen Raum zu sitzen. Sie ist zufrieden, unter welchen Bedingungen auch immer sie sich befindet. Wenn es keine Elektrizität gibt, ist es okay. Wenn es kein heißes Wasser gibt, ist es auch recht. Heute keine Sonne, okay. Aber wenn morgen plötzlich ein herrliches Essen, auf wunderbaren Platten angerichtet, gebracht würde, so würde auch das okay sein. Das wird Zufriedenheit genannt.
Wenn ihr zufrieden seid, dann sucht ihr nicht nach irgendetwas oder erwartet Glück nur, wenn ihr dieses und jenes Ding habt. Zum Beispiel: Nur wenn das Wetter gut ist, könnt ihr glücklich sein; nur wenn euch Swami Vishnu alles lehrt, könnt ihr glücklich sein; nur wenn euch euer Gatte einen Nerzmantel kauft, könnt ihr glücklich sein; nur wenn euch eure Gattin eine fabelhafte Mahlzeit kocht, könnt ihr glücklich sein.
Werdet ihr auf diese Weise jemals Glück finden? Nein, denn wenn ihr von jemand anderen abhängig seid, können die Dinge immer schief gehen, und sie tun das auch. Ihr könnt nicht erwarten, dass die Sonne herauskommt, nur weil ihr ohne sie nicht glücklich seid. Aber ihr könnt in eurem Selbst glücklich sein, ihr könnt auch im Regen lächeln. Das nennt man Zufriedenheit.
Wenn die Nadis gereinigt sind, geht euer Denken nicht mehr länger vom rechten zum linken Hirn, und vom linken Hirn zum rechten Hirn. Dann gibt es Ausgeglichenheit, es gibt kein Auf und Ab mehr. Gewöhnlich schwingt unser Leben wie ein Pendel: einen Tag geht es in diese Richtung (glücklich, springend und freudig), am nächsten Tag geht es in die andere. Wie ein Yo-Yo, zurück und vorwärts und zurück und vorwärts. Aber Yoga ist ein ausgeglichener Geisteszustand. Dann sind heiß und kalt dasselbe; Sieg und Niederlage dasselbe, Lob und Tadel dasselbe; Gewinn und Verlust dasselbe. Das nennt man Zufriedenheit.
Wenn Prana in die Sushumna geht, so ist das erste Anzeichen Zufriedenheit. Ihr könnt alleine in einer Höhle sein, so wie ich es war, oder wenn ihr gehen und mit Leuten arbeiten müsst, so ist das auch recht. Einen Tag war ich in einer Höhle in den Himalayas und war zufriedengestellt. Am nächsten Tag war ich in einem Fünf-Sterne-Hotel in London. Ein Fünf-Sterne-Hotel ist auch nicht übel, aber dieses Hotel war nur ein vorübergehender Aufenthaltsort und nicht die Quelle meiner Zufriedenheit. In der Höhle gab es weder heißes, noch nicht einmal kaltes Wasser. Um Wasser zu bekommen, musste ich Schnee schmelzen. Jeden Tag musste ich mit dem Brennholz sorgfältig umgehen, weil es schwer zu finden und überaus teuer zu kaufen war. Aber es war okay – so wollte es Gott haben. Und sogar obwohl alle gegangen waren und ich alleine war, war ich zufrieden, weil ich wusste, dass ich eine unabhängige Person war und ich mit mir selbst glücklich sein konnte.
Das kommt ganz wie von selbst, wenn die Läuterung stattfindet und die Kundalini sich langsam in die Richtung nach oben bewegt. In der Richtung nach unten ist ein Yo-Yo. Daran werdet ihr es erkennen. Zum Beispiel, nehmt an, nach dem Verspeisen einer reichlichen Mahlzeit wird euch noch mehr Essen gebracht, was würdet ihr tun? Ihr würdet euch nicht darum kümmern, weil der Wunsch nach Nahrung vergangen ist. Dasselbe ist es mit der Reinigung der Nadis. Es kommt automatisch. Wenn Frieden und Zufriedenheit zu euch kommen, so bedeutet das, dass Kundalini geweckt ist oder Shakti geöffnet ist. Dann strahlt ihr diesen Frieden aus. Eure Freunde und eure Familie werden etwas Neues in euch sehen: ein friedliches und sanftes Gesicht. Sie werden eine neue Atmosphäre empfinden. Sie werden sich fühlen wie eine Person, der kalt ist und die von draußen kommt und sich an einer Feuerstelle wärmt. Wenn ihr diese Zufriedenheit fühlt, werden auch andere sie fühlen. Aber auch wenn andere sie nicht fühlen, seid ihr nicht unglücklich darüber, weil nicht jeder euch hochschätzen wird. Einige Leute werden euch soundso kritisieren. So und nicht anders ist die Welt – die Welt der Dualität. Niemand wird jemals in dieser Welt von jedem geschätzt. Könnt ihr mir eine Person nennen, die von jedem geschätzt wurde? Wurde Moses von jedem geschätzt? Sogar nach vierzig Jahren waren unter seinem eigenen Volk viele, die sich gegen ihn auflehnten. Hat Jesus jeder geschätzt? Sie haben ihn sogar gekreuzigt, obwohl er über Frieden und Liebe sprach. Ähnlich wurden Krishna, Rama, Buddha und Sokrates kritisiert. Swami Sivananda wurde von seinen Schülern kritisiert; jemand erhob sogar einmal eine Axt gegen ihn.
Euer Glück sollte nicht von äußeren Einflüssen abhängen. Es ist nicht das Ego, wenn ihr Vertrauen in euer eigenes Selbst habt. Vertrauen in das Selbst bedeutet, dass ihr seht, dass man Selbst in allem ist, sowie alle eines sind. Dann wisst ihr, dass es nichts gibt, dem man gefallen muss. In dem Augenblick, wo ihr wirkliche Genugtuung über euer Leben empfindet, bedeutet das, dass eure Kundalini erwacht ist und eure Sushumna gereinigt.

Sukadev

6. Daher sollte man Pranayama mit einem Geist praktizieren, in dem das sattvige Element maßgebend ist, bis die Sushumna-Nadi von den Unreinheiten befreit ist.

Also fortgeschrittenes Pranayama wirkt nur, wenn die Nadis gereinigt sind. Und so sollte man eben erstmal die Nadis reinigen. Und praktizieren mit einem Geist, in dem das sattvige Element maßgebend ist. Es gibt verschiedene Formen der Konzentration. Man kann’s mit Mantras verbinden, mit der Visualisierung von Licht, mit Gebeten, mit der Elementen-Konzentration und viele andere Möglichkeiten. Oder einfach den Atem nur spüren, all das ist sattvig. Wenn wir Pranayama praktizieren und gleichzeitig die Tagesschau anschauen, dann praktizieren wir das nicht mit einem sattvigen Geist, und dann ist das nicht so wirkungsvoll.

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2. Kapitel, Vers 7

Deutsche Übersetzung:

Der Yogi, der den Lotussitz (Padmasana) eingenommen hat, soll durch das linke Nasenloch (Chandra) die Lebensenergie (Prana) einatmen, | und nach dem Anhalten entsprechend der eigenen Kraft, soll der Yogi durch das rechte Nasenloch (Surya) wieder ausatmen.

Sanskrit Text:

  • baddha-padmāsano yogī prāṇaṁ candreṇa pūrayet |
    dhārayitvā yathā-śakti bhūyaḥ sūryeṇa recayet ||7||
  • बद्धपद्मासनो योगी प्राणं चन्द्रेण पूरयेत् ।
    धारयित्वा यथाशक्ति भूयः सूर्येण रेचयेत् ॥७॥
  • baddha padmasano yogi pranam chandrena purayet |
    dharayitva yatha shakti bhuyah suryena rechayet ||7||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • baddha* : (der) eingenommen („gebunden“) hat (Baddha)
  • padma-āsanaḥ : (den) Lotussitz (Padmasana)
  • yogī : (der) Yogi
  • prāṇaṁ : (den) Atem, (die) Lebensenergie Prana
  • candreṇa : durch den Mond(kanal, das linke Nasenloch, Chandra)
  • pūrayet : soll einatmen (pṝ)
  • dhārayitvā : nachdem er (den Atem) angehalten hat (dhṛ)
  • yathā-śakti : nach Vermögen („wie es in seiner Macht steht“, Yathashakti)
  • bhūyaḥ : wieder (Bhuyas)
  • sūryeṇa : durch den Sonne(nkanal, das rechte Nasenloch, Surya)
  • recayet : soll ausatmen (ric)      ||7||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda analysiert das adjektivische Kompositum (Bahuvrihi) baddha-padmāsanaḥ mit baddhaṁ padmāsanaṁ yena, d.h. „von dem (yena) der Lotussitz (Padmasana) eingenommen wurde (Baddha)“. Es handelt sich hierbei nicht um den sogenannten „gebundenen Lotussitz“ (Baddha Padmasana), in dem die hinter dem Rücken gekreuzten Arme bzw. Hände die großen Zehen festhalten.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 30 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Nachdem der Yogi die Padmasana Stellung eingenommen hat, sollte er Prana durch Ida oder das linke Nasenloch einziehen, und, nachdem er es so lange als möglich gehalten hat, durch Pingala oder das rechte Nasenloch ausatmen.

Sukadev

7. Nachdem der Yogi die Padmasana-Stellung eingenommen hat, sollte er Prana durch Ida oder das linke Nasenloch einziehen, und, nachdem er es so lange als möglich gehalten hat, durch Pingala oder das rechte Nasenloch ausatmen.

Padmasana ist der Lotussitz.

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2. Kapitel, Vers 8

Deutsche Übersetzung:

Und wenn die (Prana) das rechte Nasenloch wieder hineingezogen ist, soll der Yogi langsam den Bauch füllen. | Nachdem der Atem lange angehalten wurde (Kumbhaka), soll durch das linke Nasenloch (Chandra) wieder ausgeatmet werden.

Sanskrit Text:

  • prāṇaṁ sūryeṇa cākṛṣya pūrayed udaraṁ śanaiḥ |
    vidhi-vat kumbhakaṁ kṛtvā punaś candreṇa recayet ||8||
  • प्राणं सूर्येण चाकृष्य पूरयेदुदरं शनैः ।
    विधिवत्कुम्भकं कृत्वा पुनश्चन्द्रेण रेचयेत् ॥८॥
  • pranam suryena chakrishya purayed udaram shanaih |
    vidhi vat kumbhakam kritva punash chandrena rechayet ||8||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • prāṇaṁ : (den) Atem, (die) Lebensenergie Prana
  • sūryeṇa : durch den Sonne(nkanal, das rechte Nasenloch, Surya)
  • ca : und (Cha)
  • ākṛṣya : ziehend (ā + kṛṣ)
  • pūrayet : (er) soll anfüllen (pṝ)
  • udaraṁ : (den) Bauch (Udara)
  • śanaiḥ : langsam, allmählich (Shanais)
  • vidhi-vat : vorschriftsgemäß, der Anweisung entsprechend (Vidhi-vat)
  • kumbhakaṁ : die Atemverhaltung (Kumbhaka)
  • kṛtvā : nachdem er ausgeführt hat (kṛ)
  • punar : wieder (Punar)
  • candreṇa : durch den Mond(kanal, das linke Nasenloch, Chandra)
  • recayet : (er) soll ausatmen (ric)        ||8||

Anmerkung: Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 40 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Nachdem er Prana wieder durch Pingala eingeatmet hat, sollte er Kumbhaka (Anhalten) ausführen wie es in den Büchern dargelegt ist, und sollte es wieder langsam durch Ida ausatmen.

Sukadev

8. Nachdem er Prana wieder durch Pingala eingeatmet hat, sollte er Kumbhaka (anhalten) ausführen, wie es in den Büchern dargelegt ist, und sollte es wieder langsam durch Ida ausatmen.

Welche Übung ist das? Wechselatmung.

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2. Kapitel, Vers 9

Deutsche Übersetzung:

Nachdem der Yogi eingeatmet hat durch das selbe Nasenoch durch das eingeatmet wurde, soll er den Atem maximal lang anhalten. | Und dann soll der Yogi durch das andere Nasenloch sehr langsam und nicht unkontrolliert ausatmen.

Sanskrit Text:

  • yena tyajet tena pītvā dhārayed atirodhataḥ |
    recayec ca tato’nyena śanair eva na vegataḥ ||9||
  • येन त्यजेत् तेन पीत्वा धारयेद् अतिरोधतः ।
    रेचयेच् च ततोऽन्येन शनैर् एव न वेगतः ॥९॥
  • yena tyajet tena pitva dharayed atirodhatah |
    rechayech cha tato’nyena shanair eva na vegatah ||9||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • yena : durch welches (Nasenloch, Yad)
  • tyajet : (er den Atem) entlässt (tyaj)
  • tena : durch das(selbe, Tad)
  • pītvā : eingeatmet habend (den Atem „eingesaugt habend“, )
  • dhārayet : halte (er den Atem) an (dhṛ)
  • ati-rodhataḥ : solange wie möglich („bis zum äußersten Grad des Anhaltens“, Rodha)
  • recayet : (er) soll ausatmen (ric)
  • ca : und (Cha)
  • tataḥ : danach (Tatas)
  • anyena : durch das andere (Nasenloch, Anya)
  • śanais : langsam, allmählich (Shanais)
  • eva : nur, ganz (Eva)
  • na : nicht (Na)
  • vegataḥ : ruckartig (Vega)       ||9||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Er sollte Puraka (Einatmung) durch das gleiche Nasenloch ausführen, mit dem er Rechaka (Ausatmung) ausführt, und nachdem er den Atem bis aufs Äußerste angehalten hat, bis er mit Schweiß bedeckt ist oder bis sein Körper zittert, sollte er es langsam ausatmen und niemals schnell, da das die Energie des Körpers verringern würde.

Sukadev

9. Er sollte Puraka (Einatmung) durch das gleiche Nasenloch ausführen, mit dem er Rechaka (Austamung) ausführt, und nachdem er bis auf’s Äußerste angehalten hat, bis er mit Schweiß bedeckt ist oder sein Körper zittert, sollte er es langsam ausatmen und niemals schnell, da das die Energie des Körpers verringern würde.

Das dürft ihr jetzt nicht falsch verstehen. Er sagt ein paar Verse weiter im 15. Vers, nachher komme ich noch mal zurück.

15. So wie wir Löwen, Elefanten und Tiger Schritt für Schritt zähmen, so sollte auch Prana unter Kontrolle gebracht werden. Ansonsten wird es den Praktizierenden umbringen.

Mir ist jetzt noch keiner bekannt, der vom Pranayama umgekommen ist, sogar nicht, wenn er es falsch gemacht hat. Trotzdem, man sollte Pranayama vom Lehrer lernen.

16. Durch das Praktizieren von Pranayama wird man von allen Beschwerden befreit.

Der Boris Sacharow übersetzt das, was im Sanskrit als ‚allen’ steht mit ‚allerlei’, weil er meinte, das wäre die beste Übersetzung, also von allerlei Beschwerden befreit.

– Durch einen missverstandenen Yoga-Lehrgang zieht der Yogi alle Beschwerden an sich.

Da solltet ihr jetzt aufpassen und euch keinerlei Ängste einjagen. Ihr habt das hier richtig gelernt. Ihr macht es richtig, und wenn ihr euch an die Anweisungen haltet, werdet ihr hier keine Schwierigkeiten bekommen. Und was er vorher sagt, bis er mit Schweiß bedeckt ist und bis sein Körper zittert, das heißt jetzt natürlich nicht, dass wir die Luft anhalten, bis wir in Ohnmacht fallen oder so was, sondern man macht das regelmäßig, und dann gibt es verschiedene Stufen der Reinigung, und eine Stufe der Reinigung kann sein, dass dort Schweiß ausbricht, dass einem heiß wird und dass der Körper anfängt zu zittern. Und dabei muss man aber so vorgehen, dass man immer noch ruhig ausatmen kann.

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2. Kapitel, Vers 10

Deutsche Übersetzung:

Wenn der Yogi die Lebensenergie (Prana) durch den linken Energiekanal (Ida-Nadi) aufgenommen hat, angehalten hat, soll durch er durch den anderen wieder ausgeatmen. Hat der Yogi durch den rechten Energiekanal (Pingala-Nadi) eingeatmet, den Atem angehalten, soll der durch den linken loslassen. | Der Yogi soll auf diese Weise mit Sonne und Mond seine Praxis fortsetzen. Die Energiekanäle (Nadi) des Yogi werden so nach drei Monaten gereinigt.

Sanskrit Text:

  • prāṇaṁ ced iḍayā piben niyamitaṁ bhūyo’nyayā recayet
    pītvā piṅgalayā samīraṇam atho baddhvā tyajed vāmayā |
    sūrya-candramasor anena vidhinābhyāsaṁ sadā tanvatāṁ
    śuddhā nāḍi-gaṇā bhavanti yamināṁ māsa-trayād ūrdhvataḥ ||10||
  • प्राणं चेदिडया पिबेन्नियमितं भूयोऽन्यथा रेचयेत्
    पीत्वा पिङ्गलया समीरणमथो बद्ध्वा त्यजेद्वामया ।
    सूर्यचन्द्रमसोरनेन विधिनाभ्यासं सदा तन्वतां
    शुद्धा नाडिगणा भवन्ति यमिनां मासत्रयादूर्ध्वतः ॥१०॥
  • pranam ched idaya piben niyamitam bhuyo’nyaya rechayet
    pitva pingalaya samiranam atho baddhva tyajed vamaya |
    surya chandramasor anena vidhinabhyasam sada tanvatam
    shuddha nadi gana bhavanti yaminam masa trayad urdhvatah ||10||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • prāṇaṁ : (den) Atem, (die) Lebensenergie Prana
  • ced : wenn (Ched)
  • iḍayā : durch Ida (den Mondkanal, das linke Nasenloch)
  • pibet : man einatmet (den Atem “einsaugt”, )
  • niyamitaṁ : den (bei gefüllter Lunge) angehaltenen (Atem, ni + yam)
  • bhūyas : wieder (Bhuyas)
  • anyayā : durch den anderen (Kanal, das andere Nasenloch, Anya)
  • recayet : man soll ausatmen (ric)
  • pītvā : nachdem man eingeatmet hat (“eingesaugt” hat, )
  • piṅgalayā : durch Pingala (den Sonnenkanal, das rechte Nasenloch)
  • samīraṇam : (den) Atem („Wind“, Samirana)
  • atha u : nun, dann (Atha U)
  • baddhvā : nachdem man angehalten hat (bandh)
  • tyajet : man entlasse (ihn, tyaj)
  • vāmayā : durch den linken (Kanal, das linke Nasenloch, Vama)
  • sūrya : (durch den) Sonnen- (Surya)
  • candramasoḥ : (und) Mond(kanal, Chandramas)
  • anena : auf diese (Idam)
  • vidhinā : Art (und Weise, Vidhi)
  • abhyāsaṁ : (diese) Übung(spraxis, Abhyasa)
  • sadā : stets, immer (Sada)
  • tanvatāṁ : ausführenden („ausbreitenden“, tan)
  • śuddhāḥ : rein (Shuddha)
  • nāḍi : (der feinstofflichen Energie-)Kanäle, Nadis
  • gaṇāḥ : (die) Scharen (Gana)
  • bhavanti : werden (bhū)
  • yamināṁ: der sich zügelnden (Yogis, Yamin)
  • māsa : Monat(en, Masa)
  • trayāt : drei („einer Dreiheit von“, Traya)
  • ūrdhvataḥ : nach (Urdhva)      ||10||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Ziehe das Prana durch Ida ein und atme es durch Pingala aus. Nochmals, ziehe es durch Pingala ein und nachdem du es solange du kannst angehalten hast, atme es durch Ida aus. Der Yogi, der sich vervollkommnet hat durch das Praktizieren von Pranayama durch rechts und links, bekommt seine Nadis in nicht weniger als drei Monaten gereinigt.

Das ist Anuloma Viloma (Wechselatmung). In drei Monaten könnt ihr einen bestimmten Grad von Reinigung erlangen. All das wird eintreten, vorausgesetzt diese Bedingung wird erfüllt: Beachtung von Yamas und Niyamas. Bloßes Praktizieren von rechts und links alleine ist unzureichend.
Was sind Niyamas? Es sind folgende Verhaltensregeln:

  1. Saucha – Reinheit, sowohl äußerlich, als auch innerlich: innerliche Reinigung durch Neti und Dhauti, und eine sattvige, rein vegetarische Kost.
  2. Santosha – Zufriedenheit (zuvor besprochen), wo ihr zufriedengestellt seid, in welcher Situation auch immer ihr seid. Eine Person mag in einem großen Palast geboren sein und eine andere mag im Slum geboren sein. Welche Ursache liegt dahinter? Karma. Es sind unsere eigenen Handlungen in der Vergangenheit, welche Reaktionen hervorrufen. Also solltet ihr zufrieden sein, gleichgültig in welche Lebensbedingungen ihr gestellt seid.
  3. Tapas – Buße (Fasten, Gelübde auf sich nehmen wie z. B. die Durchführung einer bestimmten Anzahl von Asanas, Pranayamas oder nur eine bestimmte Art von Speise zu essen). Keine närrischen Gelübde wie zehn Stunden lang im kalten Wasser stehen oder in der heißen Sonne nahe beim brennenden Feuer sitzen. Manche närrischen Leute machen diese Sachen, aber das ist Folter und es ist gegen Yoga. Wahre Yogis würden diese Art von Tapas nicht machen. Den Körper im Namen Gottes zu foltern ist nicht erlaubt. Noch soll man den Körper mit zu viel Luxus umgeben. Folgt dem mittleren Pfad: nicht zu viel Luxus und nicht zu viel Leiden.
  4. Swadyaya – Studium der Schriften.
  5. Ishwarapranidana – Unterwerfung unter den Willen Gottes oder Unterwerfung des Egos.

Das sind die Yamas, oder Einschränkungen:

  1. Satyam – die Wahrheit sagen
  2. Ahimsa – Gewaltlosigkeit
  3. Brahmacharya – Keuschheit
  4. Asteya – keine Habsucht
  5. Aparigraha – keine Annahme von Geschenken

Wenn einmal Yamas und Niyamas ihren festen Platz haben, dann führt Pranayama durch. Unter diesen Umständen werdet ihr innerhalb von drei Monaten Reinigung erlangen. Jeder kann Pranayama praktizieren, aber wenn Yama und Niyama nicht da sind, wird der Erfolg nicht gleich kommen, weil der Geist nicht in die rechte Richtung gehen wird. Aber wenn diese Voraussetzungen da sind, könnt ihr schon jetzt Nutzen davon tragen; ein erschütterndes inneres Erwachen mag jederzeit kommen.

Sukadev

10. Ziehe das Prana durch Ida ein und atme es durch Pingala aus. Nochmals, ziehe es durch Pingala ein, nachdem du es so lange du kannst angehalten hast, atme es durch Ida aus. Der Yogi, der sich vervollkommnet hat durch das Praktizieren von Pranayama durch rechts und links, bekommt seine Nadis in nicht weniger als drei Monaten gereinigt.

Er sagt jetzt nicht, wie lange es dauert, aber er sagt, nicht weniger als in drei Monaten. Ich muss hier dazu sagen, die Zeitangaben, die er hier öfters bringt, sind nicht so wörtlich zu nehmen. Aber das ist so eine Sache, wenn man sechs Monate lang jeden Tag zwanzig Minuten die Wechselatmung geübt hat, plus Kapalabhati plus Asanas plus Meditation, dann erreicht man einen bestimmten Grad der Reinheit, bei sattviger Ernährung. Das kann man Menschen durchaus bis zu einem gewissen Grad ansehen, ob sie so praktizieren oder nicht. Das ist so eine reine Ausstrahlung, die so entsteht. In dem Moment, wo man denkt, man hat was erreicht, dann ist es nicht so gut. Trotzdem wird man irgendwas merken. Irgendwas tut sich schon. Ich vermute, ihr habt alle schon etwas gemerkt, dass etwas sich tut. Wobei ich jetzt nicht weiß, ob ihr alle so viel Pranayama macht, zwanzig Minuten Wechselatmung am Tag, das ist aber etwas sehr Großartiges. Das Verhältnis ist 1:4:2, aber die meisten Menschen werden bis 10:40:20 gehen in Sekunden, wenn sie viel Pranayama machen, aber nicht alle. Man geht immer so weit, wie gerade noch angenehm. Es mag solche geben, die bei 5:20:10 nicht mehr weiterkommen. Wenn man soviel übt, wie ihr es in dem nächsten Vers findet, kommt man bis 10:40:20. Das heißt dann natürlich, das eine Runde Wechselatmung zweieinhalb bis drei Minuten dauert.

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2. Kapitel, Vers 11

Deutsche Übersetzung:

Morgends, Mittags, Abends und zur Mitternacht, soll der Yogi diese Atemübung (Kumbhaka) praktizieren, vier mal langsam steigernd bis zu 80 runden.

Sanskrit Text:

  • prātar madhyan-dine sāyam ardha-rātre ca kumbhakān |
    śanair aśīti-paryantaṁ caturvāraṁ samabhyaset ||11||
  • प्रातर् मध्यन्दिने सायम् अर्धरात्रे च कुम्भकान् ।
    शनैर् अशीतिपर्यन्तं चतुर् वारं समभ्यसेत् ॥११॥
  • pratar madhyan dine sayam ardha ratre cha kumbhakan |
    shanair ashiti paryantam chatur varam samabhyaset ||11||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • prātar* : morgens (Pratar)
  • madhyan-dine : am Mittag (Madhyandina)
  • sāyam* : abends (Sayam)
  • ardha-rātre : zur Mitternacht (Ardharatra)
  • ca : und (Cha)
  • kumbhakān : Atemverhaltungen (Kumbhaka)
  • śanais : langsam, allmählich (steigernd, Shanais)
  • aśīti : 80 (Kumbhakas pro Sitzung, Ashiti)
  • paryantaṁ : bis auf (Paryanta)
  • catur : vier (Chatur)
  • vāraṁ : mal (Vara)
  • samabhyaset : man soll üben, praktizieren (sam + abhi + as)        ||11||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass es sich jeweils um die Morgen- bzw. Abenddämmerung (Sandhya) handelt, also die Zeit vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang.

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Brahmananda

Das ergibt 320 Kumbhakas täglich. Aber weil es ungelegen sein mag, um Mitternacht zu praktizieren, mag es nur zu 240 Kumbhakas kommen.

Vishnu-devananda

Er soll Kumbhakas (Atem-Anhalten) viermal täglich ausführen; am frühen Morgen, mittags, abends und zu Mitternacht …

Das bedeutet, dass man zu diesen vier Zeiten während eines Tages diese Einatmung, Anhaltung, Ausatmung praktizieren sollte, bis der Schweiß ausbricht. Wenn das Verhältnis vergrößert wird, werdet ihr den Schweißausbruch kommen fühlen.

(fortgesetzt) …bis er die Anzahl auf achtzig steigert.

Das sind vierzig Runden, wobei eine Runde zwei Anhaltungen beinhaltet. Vierzig Runden ergeben achtzig Anhaltungen. Einatmen, Anhalten, Ausatmen macht die Runde voll. Vierzig Runden am Morgen, vierzig mittags, vierzig abends und vierzig zu Mitternacht. Ein Anfänger wird mit zehn bis fünfzehn Runden beginnen und dann weitermachen, bis er vierzig Runden erreicht.

Während dieses Zeitraumes solltet ihr salzige Dinge sowie jene mit stechendem Geschmack vermeiden und hauptsächlich sattvige Speisen zu euch nehmen wie Milch, Milchreis, Ghee etc. Diese sattvige Nahrung, die Praxis von Yama und Niyama, zusammen mit der rechten Einstellung, wird euch die Reinigung der Nadis innerhalb weniger Monate bringen. Dann werdet ihr leuchten wie ein strahlender Lotus.

Zusätzlich zum Pranayama müsst ihr auch den Morgen Asanas, Abend-Asanas, der Morgen- und Abend-Meditation Zeit widmen. Dann müsst ihr Zeit haben für Bandhas und Mudras, Studium der Schriften und für das Kirtan Singen. Weil ihr auch Zeit für eure natürlichen Angelegenheiten erübrigen müsst, werdet ihr euch fragen, wo die Zeit fürs Schlafen bleibt? Wenn ihr dieser Praktik folgt, wird euer Schlaf automatisch kommen und ihr werdet nicht viel Schlaf brauchen, weil euch nur ein oder zwei Stunden Schlaf vollkommene Rast geben werden. Der Schlaf wird dann sehr tief und ungestört sein.

Doch ich empfehle nicht, dass ihr so schnell vorgeht. Wenn ihr das jetzt, in eurer gegenwärtigen Verfassung macht, wird der Rückschlag gewaltig sein. Ihr werdet verärgert sein: „Ach, ich habe nichts von dem bekommen, was dieser Swami da erzählt hat.“ Beginnt langsam und baut auf.

Ich empfehle, dass ihr nur dreimal täglich praktiziert und das Mitternachts-Praktizieren weglasst. Ihr werdet fast denselben Nutzen daraus ziehen, ohne in dieses Extrem zu gehen. Wirklich, das ist der maßgebende Yogaweg. Wenn wir in Klausur gehen, ist das die Weise, in der wir praktizieren.

Wenn ihr in einem heißen Klima wie Israel lebt, sollt ihr mittags das Praktizieren weglassen. Zu viel Schweißaustreiben. Ich lege euch nahe, dass ihr extrem kalte Klimazonen meidet. Einige Extremisten haben sogar im Schnee sitzend praktiziert, doch übt diese Art von Pranayama nicht aus, sonst werdet ihr einen vollständigen Zusammenbruch eures Nervensystems haben. Alles sollte maßvoll sein: nicht zu kalt und nicht zu heiß. Mäßigung ist sehr wichtig.

Sukadev

11. Er soll Kumbhakas (Atemanhalten) viermal täglich ausführen, am frühen Morgen, mittags, abends und zu Mitternacht, bis er die Anzahl auf 80 steigert.

Also vierzig Runden pro Sitzung. Bei vierzig Runden, da geht’s auf drei Minuten pro Runde, dann ist man also zwei Stunden pro Sitzung mit der Wechselatmung beschäftigt.

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2. Kapitel, Vers 12

Deutsche Übersetzung:

Im Anfangsstadium schwitzt der Yogi. Im Mittelstadium tritt Zittern auf. | Im höchsten Stadium erreicht man den (höchsten) Ort. Daher soll der Yogi den Atem anhalten.

Sanskrit Text:

  • kanīyasi bhavet svedaḥ kampo bhavati madhyame |
    uttame sthānam āpnoti tato vāyuṁ nibandhayet ||12||
  • कनीयसि भवेत्स्वेदः कम्पो भवति मध्यमे ।
    उत्तमे स्थानमाप्नोति ततो वायुं निबन्धयेत् ॥१२॥
  • kaniyasi bhavet svedah kampo bhavati madhyame |
    uttame sthanam apnoti tato vayum nibandhayet ||12||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • kanīyasi : im niedrigsten („geringsten“ Stadium, Kaniyas)
  • bhavet : es gibt (bhū)
  • svedaḥ : Schweiß (Sveda)
  • kampaḥ : Zittern (Kampa)
  • bhavati : es gibt (bhū)
  • madhyame : im mittleren (Stadium, Madhyama)
  • uttame : im höchsten (Stadium, Uttama)
  • sthānam* : (den höchsten) Ort (Sthana, das Brahmarandhra)
  • āpnoti : man erreicht (āp)
  • tataḥ : daher, deshalb (Tatas)
  • vāyuṁ : (den) Atem, Prana („Wind“, Vayu)
  • nibandhayet : man soll anhalten (ni + bandh)      ||12||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass man im höchsten (Uttama) Stadium der in den Strophen 7 bis 10 beschriebenen Form des Pranayama das Brahmarandhra, den „Öffnung Brahmas“ genannten Ort (Sthana), erreicht (āpnoti): uttame prāṇāyāme sthānam brahma-randhram āpnoti. Eine weitere Bedeutng von sthānam ist „vollkommene Ruhe“, der „Stillstand“ des Geistes.

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Brahmananda

Auf der ersten Stufe wird Prana für zwölf Matras angehalten.

Auf der zweiten (Stufe) vierundzwanzig Matras und auf der dritten sechsunddreißig Matras. Ein Matra wird als die Zeit definiert, die man braucht, um ein Mal mit der Hand um das Knie zu kreisen oder drei Mal mit den Fingern zu schnippen.

Andere sagen, ein Matra ist die Zeit, die man braucht, drei Mal in die Hände zu klatschen. Eine dritte Bedeutung ist: die Zeit, die der Atem bei einem Menschen in gesundem Schlaf braucht, um reinzugehen und rauszukommen. Sie gebrauchen verschiedene Definitionen.

Die erste Stufe des Pranayama hat eine Zeitspanne von zwölfeinhalb Atemzügen. Atemzüge werden „Pala“ genannt. Die anderen Stufen von Yoga: Pratyahara, Dharana, Dhyana und Samadhi, sind nur Fortschritte im Pranayama.

Vishnu-devananda

Auf der ersten Stufe gerät der Körper in Schweiß.

Es gibt drei Stufen der Reinigung. Die erste Stufe ist intensiver Schweißausbruch. Wenn der Schweiß ausbricht, dann wischt ihn nicht mit eurer Kleidung ab. Stattdessen verreibt den Schweiß mit eurer Hand auf dem Körper. Dieser Schweiß ist magnetisch geladen wegen des Pranas.

(fortgesetzt) Auf der zweiten (Stufe) ist ein Zittern durch den Körper hindurch zu fühlen.

Die Reinigung geht weiter, und nach drei oder vier Monaten Wechselatmung, Ujjayi etc. beginnt ihr mit Bhastrika. Dann wird der Körper mit verschiedenen Zeichen zeigen, dass die zweite Stufe der Reinwerdung erreicht worden ist. Die Zeichen werden von Person zu Person verschieden sein. Der Körper mag sich so heftig auf und ab bewegen, dass ihr unfähig seid, es zu kontrollieren, was zeigt, dass Prana sich bewegt. Manche Leute mögen ein gewaltiges Beben der Gefühle erfahren, andere werden mehr in einem stillen Zustand sein, einige mögen in eine Art Ohnmacht fallen, einen halbbewussten oder sogar einen bewusstlosen Zustand. Jeder von diesen zeigt an, dass die zweite Stufe des Pranayama von dem Yogi erreicht worden ist, der Yama, Niyama und die rechte Ernährung praktiziert.

Nur dann, wenn ihr auf diese Stufe gelangt, ist das gut. Aber wenn ihr soweit kommen wollt ohne Yama, Niyama, rechte Ernährung etc., könnt ihr versichert sein, dass viele Reaktionen kommen werden, die ihr nicht kontrollieren könnt und niemand wird imstande sein, euch zu helfen… Ärzte werden es nicht verstehen. Vom falschen Praktizieren könnt ihr manchmal gewaltige Hitze über dem ganzen Körper spüren, die ein Thermometer nicht registrieren wird. Dennoch fühlt ihr euch, als ob ihr in Flammen wärt. Einmal kam in Indien ein Schüler zu mir und sagte: „Swamiji, hilf mir, der Körper ist in Flammen.“ Das war, weil er bestimmte Dinge nicht richtig durchführte, was diese unguten Reaktionen hervorgerufen hatte.

Doch wenn das Beben sich ausbreitet, und es ist die eigentliche Sache, dann fühlt ihr inneren Frieden und Kraft. Der Körper mag sich heftig bewegen, aber innerlich seid ihr voll Frieden. Die allgemeine Reaktion ist immer ein wonniglicher innerer Zustand. Ihr werdet euch an diesem inneren Zustand freuen wollen, in diesem Zustand bleiben wollen. Wenn ihr diese friedvolle Erfahrung macht, braucht ihr euch keine Sorgen mehr zu machen. Aber wenn das innere Gefühl schmerzhaft ist, oder wenn es ein unguter Zustand ist, dann ist etwas falsch. Das ist der sicherste Weg, um herauszufinden, ob ihr Fortschritte macht, oder ob ihr in die falsche Richtung geht.

(fortgesetzt) Im höchsten Zustand geht Prana zum Brahmarandhra. So sollte man Pranayama durchführen.

„Randhra“ bedeutet „Kanal“, daher ist Brahmarandhra „Brahmas Kanal“. Wo ist Brahmas Kanal? Die Sushumna. Mit dieser dritten und höchsten Stufe der Reinwerdung wird das Beben aufhören und der Schweiß nicht mehr austreten, obwohl eure Energie sehr hoch ist. Ihr fühlt nichts mehr außer der Stille des Geistes und jener inneren Freude und Glückseligkeit und Frieden.

Zusätzliche Erfahrungen werden von Person zu Person verschieden sein. Manche Leute mögen Lichter oder Farben sehen; manche mögen mehr Schwingungen im Rückenmark bekommen; andere mögen nirgends Schwingungen oder Licht fühlen. Wenn euch also das passiert, glaubt nicht, dass ihr keine Fortschritte macht. Das sind nur individuelle Reaktionen, die von Unterschieden der geistigen Zustände von Person zu Person abhängen. Wenn die Kundalini erweckt ist, werden sich die äußerlichen Erfahrungen unterscheiden. Diese Dinge sich nicht wichtig. Das Wichtige ist: Bist du friedvoll? Bist du mit deinem Leben zufrieden? Weißt du, dass du ein freier Mensch bist? Hast du die Freiheit zu tun, was du jetzt möchtest? Sind deine Sinne unter Kontrolle? Drängt dich dein Geist nicht länger in die Pizzeria zu gehen, um Glückseligkeit zu finden? Das sind die Fragen, die ihr stellen sollt. Es ist die innere Erfahrung, um die ihr euch kümmern sollt, nicht die äußerliche.

Gelegentlich treten Blockaden in den Nadis als Folge davon auf, dass man Drogen, Fleisch, Alkohol und so weiter zu sich nimmt, während man dieser Praktik folgt. Das Blockieren kann nicht nur in der Sushumna auftreten, sondern auch in Ida und Pingala (den normalen Kanälen), in jeder der vierzehn großen Nadis, oder auch in jeder der übrigen 72 000 Nadis. Während einer Blockade bewegt sich Prana wie ein Wilder, der in alle Winkel und Ecken fließt, in jede Richtung außer Kontrolle geratend. Zu dieser Zeit ist sehr schwierig solchen Leuten zu helfen. Sie folgen niemals Anweisungen und bestehen darauf, Bandhas, Mudras etc. ohne angemessene Vorbereitung zu praktizieren. Sie müssen zuerst wieder zum Normalzustand zurückkehren, indem sie ihre Ernährung und andere schlechte Praktiken ändern, und nur dann können sie neu mit einfachen Übungen wie tiefem Atmen beginnen. Sie sollten anfangs nicht Atemanhalten praktizieren. Danach langsam, langsam, wenn der Körper normal wird, reinigen sich die Kanäle, und dann vielleicht nach etlichen Monaten können sie Wechselatmung mit Atemanhalten wieder einführen. Aber es ist sehr schwierig, Leuten mit solchen Problemen zu helfen, außer sie kommen zu einem Lehrer, der mit diesen Dingen Erfahrungen hat und beim Anblick der Person sofort versteht und weiß, was zu tun ist.

Hier sprechen sie nicht über körperliches Atmen, sondern über das Prana, das in der Sushumna ist. Wenn Prana für eineinhalb Minuten in der Sushumna bleibt, wird das „eine Atmung“ oder „ein Pala“ genannt. Wenn Prana in der Sushumna mehr als zwölfeinhalb Atemzüge bleibt, so ist das nicht mehr länger Pranayama, sondern Pratyahara.

Es gibt drei Stufen in der Reinigung der Nadis. In der ersten tritt Schweiß aus. Zu dieser Zeit wird Prana für zwölf Matras (ungefähr 30 Sekunden) gehalten. Beachtet, dass Prana gehalten wird, nicht Atem. Ihr haltet Prana für dreißig Sekunden in der Sushumna. Prana wird nicht länger als eine gewisse Zeit bleiben, weil es dort einen gewaltigen Widerstand gibt. Es ist, als ob man die gleichen Pole von zwei Magneten zusammenbrächte: sie werden einander abstoßen. Ebenso kommen die positive Kraft der Sushumna und die nicht so gereinigte Energie von Ida und Pingala (Apana genannt) und drängen gegeneinander. Für eine sehr kurze Zeit gibt es eine Aufhebung. Das wird die erste Stufe genannt. Ihr erinnert euch bestimmt daran, dass „dreißig Sekunden“ nicht bedeuten, dass wir den körperlichen Atem anhalten. Das ist mit „den Atem in der Sushumna halten“ gemeint.

Die zweite Stufe wird für vierundzwanzig Matras gehalten. In der dritten Stufe bleibt Prana für sechsunddreißig Matras (um eineinhalb Minuten) in der Sushumna, aber das wahre innere Gefühl für diese Zeitspanne erscheint als eine Ewigkeit. Dann gibt es keine Zeit mehr; es ist euch nicht einmal mehr bewusst, dass die Welt irgendeine Bedeutung hat. Wenn ihr aus diesem Zustand herauskommt, dann wisst ihr, dass die Welt wie eine Fata Morgana ist. Glaubt nicht, dass diese Erfahrung nur in der Sushumna stattfindet. Tatsächlich fühlt ihr diese Strahlung durchwegs im ganzen Körper und nicht in einer speziellen Örtlichkeit. Die Örtlichkeit wird nur angegeben, damit euer Geist sich konzentrieren kann. Es ist dasselbe, wenn ihr euch auf die Chakras konzentriert, damit ihr mehr Konzentrationskraft bekommt. Das hilft der Energie in den richtigen Kanal zu fließen, was das wichtigste ist, um den Frieden zu bringen. Das ist es, was mit „Prana halten“ in den verschiedenen Stufen gemeint ist.

Ein Wort der Warnung: nehmt in Yoga niemals etwas wörtlich. Zum Beispiel ist das Symbol Shivas der tanzende Nataraja, Schöpfung und Zerstörung darstellend, der Tanz der Materie. Materie ändert sich alle Augenblicke: wenn ein Teilchen Materie stirbt, wird es neue Materie für etwas anderes. Das nennt man den „Tanz Shivas“. Die Blumenblätter auf den Chakras sind ebenso Symbole, auf Energie-Strahlungsmuster hinweisend. So etwas wird genommen, damit der Geist es sich bildlich vorstellen kann; es sind nur Hilfsmittel, um eure Konzentration auf einen Punkt zu sammeln. Bleibt also nicht stecken; verwendet die bildliche Vorstellung, um in die Wirklichkeit zu kommen. In Wirklichkeit seht ihr nie Blumenblätter in den Chakras. Was ihr seht, sind die Wechsel der Energiemuster, die Wechsel der Wellenlängen, denn auf diesen höheren Stufen des Praktizierens habt ihr eine andere Art der Wahrnehmung. Diese Symbole sind nur Hilfsmittel, um eure Konzentration auf einen Punkt zu sammeln. Viele Yogaschüler machen den Fehler, diese Symbole wörtlich zu nehmen, und wenn sie diese Erfahrungen nicht machen, glauben sie, dass die Lehren falsch sind. Aber das ist, weil sie nie an ihren Lehrer herangetreten sind, um ein entsprechendes Verständnis davon zu bekommen.

In der dritten Stufe, wenn bestimmte Energien beginnen, sich zu entwickeln, mögt ihr beginnen, Dichtung zu schreiben. Sowie sich die Chakren entwickeln, mögt ihr hellsichtig wahrnehmen oder verschiedene Kräfte entwickeln, oder ihr mögt nur den inneren Frieden haben, euch nicht bewegen wollen, euch von jedem abwenden. Die Reaktionen werden unterschiedlich sein, aber die innere Erfahrung bleibt immer dieselbe: alle werden die Erfahrung von Frieden und Freude haben.

Wenn Prana für eine Zeitspanne von 125 Palas angehalten wird, dann geht es in Brahmarandhra über. Wenn das Prana in Brahmarandhra für ungefähr fünfundzwanzig Palas bleibt, das ist Pratyahara. Wenn es dort für fünf Ghatikas (zwei Stunden) bleibt, ist es Dharana. Wenn es für sechzig Ghatikas (zweieinhalb Tage) bleibt, ist es Dhyana. Wenn es für zwölf Tage angehalten wird, ist es Samadhi.

Ich möchte noch einmal betonen, dass wir nicht über das körperliche Atmen sprechen, sondern darüber, wie lange Prana in der Sushumna bleibt. Mit zwölfeinhalb Palas bleibt Prana nur in den unteren Chakras, und dann, um zwanzig oder dreißig Palas, geht es zu den höheren Chakras. Mit ungefähr 120 Palas erreicht es die Krone. Das bedeutet, dass ein Fortschritt in der Zeit des Anhaltens das Prana dazu bringen wird, höher und höher zu gehen.

Erwartet nicht, dass dies in ein oder zwei Kursen oder einem Brieflehrgang geschieht, obwohl das tatsächlich euer natürlicher Zustand ist. Es mag heute geschehen, morgen, oder der Fortschritt mag steckenbleiben, wenn ihr sorglos seid. Im Augenblick kann Begeisterung da sein, aber in dem Moment, wo ihr diesen intensiven Lehrgang beendet, werdet ihr von Eiscreme, Pizza, Burschen und Mädchen, Tanz und Musik und sinnlichen Vergnügungen versucht werden. Dann ist es aus für euch – die Vairagya (Leidenschaftslosigkeit) wird weg sein. Die Dinge, die ihr von eurem Praktizieren lernt, steigern eure Schwingungsebene, bringen ein Feuer hervor. Aber dann ist es, wie wenn man ein Glas Wasser nimmt, es über das Feuer gießt und es auslöscht.

Ihr müsst wieder von vorne anfangen. Schubweise und halbherzig werdet ihr nicht sehr viel Fortschritte machen. Was ihr braucht, ist ununterbrochene Übung – nicht zu schnell, etwa drei Monate lang morgens, mittags, abends und zu Mitternacht, und dann für drei Jahre nichts. Wenn ihr einen so intensiven Zugang nehmt, wird es eine Reaktion geben. Das ist, wie wenn ein Mann zu viele Gewichte zu schnell hebt – nach fünf Minuten wird er aufhören müssen, wegen Muskelschmerzen, und die Schmerzen werden anhalten, sogar noch wenn er heimkommt, mit dem Ergebnis, dass er Gewichtheben aufgeben wird. Auch mit zu viel Pranayama wird es einen geistigen Rückschlag geben, der geistige Schmerz wird gewaltig sein. Viele Leute sind gezwungen, vom Praktizieren zu lassen, weil sie zu schnell weitergehen und der Schmerz für sie unerträglich wird.

Das ist vielen Schülern geschehen. Sie gehen zu schnell weiter und dann stoßen sie auf eine Straßensperre. Sie halten an und dann gehen sie in ihr altes Gleis zurück und bleiben stehen. Im nächsten Leben werden sie wieder ganz von vorne anfangen müssen, wobei sie wieder sehr schnelle in den Zustand kommen, wo sei abgesprungen sind. Aber wenn sie nicht Viveka und Vairagya entwickelt haben, werden sie noch einmal zurückrutschen. Also, wenn ihr nur zehn Pranayama am Tag durchführt, führt zehn Pranayama durch; wenn ihr für eine halbe Stunde täglich meditiert, macht das weiter. Zu guter Letzt wird es ein Erwachen geben. Wenn ihr folgendermaßen praktiziert: kleinweise jeden Tag, dann wird das zusammengehäufte Ergebnis viel besser sein als die schnelle Arbeit weniger Monate und danach überhaupt keine Arbeit mehr. Fortlaufendes Praktizieren ist am besten.

Sukadev

12. Auf der ersten Stufe gerät der Körper in Schweiß. Auf der zweiten Stufe ist ein Zittern durch den Körper hindurch zu fühlen. Im höchsten Zustand geht Prana zum Brahmarandhra.

Brahmarandhra ist ein anderer Name für Sahasrara-Chakra.

– So sollte man Pranayama durchführen.

Das hängt jetzt natürlich von dem eigenen geistigen Zustand ab. Eine gewisse emotionale Stabilität ist natürlich wichtig, wenn ihr intensives Pranayama machen wollt. Und wenn ihr diese emotionale Stabilität habt, ob jetzt der Körper ein bisschen zittert oder nicht, manche Menschen machen sich da Riesensorgen drum. Und gerade weil sie sich Sorgen machen ist es dann nicht so schön. Es gibt ja auch Bewusstseinsveränderungen usw., das geht ja auch alles mit. Das was er hier beschreibt, ist jetzt noch keine Kundalinierweckung, aber Pranaaktivierung. Aber wenn das so geschieht, braucht man sich keine Sorgen machen.

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2. Kapitel, Vers 13

Deutsche Übersetzung:

Der Yogi soll seinen Körper mit dem durch die Anstrengung (der Pranayamapraxis) entstandenen Schweiß einreiben. | Dadurch entsteht physische Kraft und zugleich Leichtigkeit des Körpers.

Sanskrit Text:

  • jalena śrama-jātena gātra-mardanam ācaret |
    dṛḍhatā laghutā caiva tena gātrasya jāyate ||13||
  • जलेन श्रमजातेन गात्रमर्दनम् आचरेत् ।
    दृढता लघुता चैव तेन गात्रस्य जायते ॥१३॥
  • jalena shrama jatena gatra mardanam acharet |
    dridhata laghuta chaiva tena gatrasya jayate ||13||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • jalena : mit dem Schweiß („Wasser“, Jala)
  • śrama : (durch die) Anstrengung (Shrama)
  • jātena : (der) entstanden ist (Jata)
  • gātra : (des) Körper(s, Gatra)
  • mardanam : (das) Einreiben (Mardana)
  • ācaret : man soll durchführen (Achara)
  • dṛḍhatā : Festigkeit, Kräftigkeit (Dridha)
  • laghutā : Leichtigkeit (Laghuta)
  • ca : und (Cha)
  • eva : gewiss (Eva)
  • tena : dadurch (Tad)
  • gātrasya : des Körpers (Gatra)
  • jāyate : entsteht (jan)       ||13||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Verreibt den ausgetretenen Schweiß gut auf dem Körper. Das macht die gesamte Verfassung stark und leicht.

Auf der ersten Stufe, wenn Schweiß austritt, sollt ihr ihn gut auf dem Körper verreiben – wischt ihn nicht weg. Es ist eine Prana-Massage, wenn ihr das macht.

Sukadev

13. Verreibt den ausgetretenen Schweiß gut auf dem Körper. Das macht die gesamte Verfassung gut und leicht.

Der Schweiß, der entsteht im Pranayama, schmeckt übrigens auch anders, als der Schweiß, der entsteht, wenn ihr Körperübungen macht. Er schmeckt eher süßlich, wenigstens aus meiner Erfahrung. Es heißt, dass dieser Schweiß gut ist für die Haut, das beste Schönheitsmittel, also einfach verreiben, nicht mit dem Handtuch abwischen.

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2. Kapitel, Vers 14

Deutsche Übersetzung:

Zu Beginn der Praxis wird Milch und Ghee als Nahrung empfohlen. | Später, wenn die Praxis gut fundiert ist, muss der Yogi sich nicht an diese Regeln (Niyama) halten.

Sanskrit Text:

  • abhyāsa-kāle prathame śastaṁ kṣīrājya-bhojanam |
    tato’bhyāse dṛḍhī-bhūte na tādṛṅ-niyama-grahaḥ ||14||
  • अभ्यासकाले प्रथमे शस्तं क्षीराज्यभोजनम् ।
    ततोऽभ्यासे दृढीभूते न तादृङ्नियमग्रहः ॥१४॥
  • abhyasa kale prathame shastam kshirajya bhojanam |
    tato’bhyase dridhi bhute na tadrin niyama grahah ||14||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • abhyāsa : (des) Praktizierens (Abhyasa)
  • kāle : Zeit (Kala)
  • prathame : in der ersten (Prathama)
  • śastaṁ : wird empfohlen (Shasta)
  • kṣīra : Milch (Kshira)
  • ājya : (und) geklärte(r) Butter (Ghee, Ajya)
  • bhojanam : Nahrung (Bhojana, insbesondere Reis vermischt mit)
  • tataḥ : dann, danach (Tatas)
  • abhyāse : (wenn die) Übungspraxis
  • dṛḍhī-bhūte : sich gefestigt hat (Dridha-Bhuta)
  • na : nicht (ist erforderlich, Na)
  • tādṛś : (an einer) solchen, derartigen (Tadrish)
  • niyama : Beschränkung (Niyama)
  • grahaḥ : (das) Festhalten (Graha)        ||14||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

In den ersten Stufen der Praktik sollte er Nahrung zu sich nehmen, die mit Milch und Ghee gemischt ist. Aber wenn er fortgeschritten ist, braucht er solche Einschränkungen nicht zu beachten.

In den ersten Stufen, wenn ihr euch reinigt, dürft ihr nur mit Reis und Ghee vermischte Nahrung zu euch nehmen. Solche Dinge wie Salz oder Gewürze müsst ihr vermeiden. Das solltet ihr sehr genau nehmen.

Sukadev

14. In den ersten Stufen der Praktik sollte er Nahrung zu sich nehmen, die mit Milch und Ghee gemischt ist.

Milch und Ghee gelten als Nahrung, welche das Prana stabilisieren. Milch ist schleimfördernd. Wenn also das Feuer sehr stark ist, mit Schweiß und Zittern, dann ist es ganz gut, wenn man etwas dazu tut, was das Ganze dämpft. Und Milch ist gut, das harmonisiert, ohne dass es deshalb grobstofflich wird. Also wenn man jetzt keine Beschwerden solcher Art hat, braucht man kein Fett zu nehmen.

– Aber wenn er fortgeschritten ist, braucht er solche Einschränkungen nicht zu beachten.

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2. Kapitel, Vers 15

Deutsche Übersetzung:

Ähnlich wie ein Löwe, Elefant oder Tiger sehr langsam gezähmt werden, | genau so gelangt auch der Atem unter Kontrolle. Ansonsten zerstört er den Yogi.

Sanskrit Text:

  • yathā siṁho gajo vyāghro bhaved vaśyaḥ śanaiḥ śanaiḥ |
    tathaiva sevito vāyur anyathā hanti sādhakam ||15||
  • यथा सिंहो गजो व्याघ्रो भवेद्वश्यः शनैः शनैः ।
    तथैव सेवितो वायुरन्यथा हन्ति साधकम् ॥१५॥
  • yatha simho gajo vyaghro bhaved vashyah shanaih shanaih |
    tathaiva sevito vayur anyatha hanti sadhakam ||15||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • yathā : wie (Yatha)
  • siṁhaḥ : (ein) Löwe (Simha)
  • gajaḥ : (ein) Elefant (Gaja)
  • vyāghraḥ : (ein) Tiger (Vyaghra)
  • bhavet : wird (bhū)
  • vaśyaḥ : gehorsam, folgsam (Vashya)
  • śanaiḥ śanaiḥ : ganz langsam, ganz allmählich (Shanais)
  • tathā : so (Tatha)
  • eva : genau (Eva)
  • sevitaḥ : behandelt (Sevita)
  • vāyuḥ : (der) Atem, Prana („Wind“,  Vayu)
  • anyathā : anderenfalls (Anyatha)
  • hanti : er tötet (han)
  • sādhakam : (den) Praktizierenden (Sadhaka)        ||15||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

So wie wir Löwen, Elefanten und Tiger Schritt für Schritt zähmen, so sollte auch Prana unter Kontrolle gebracht werden. Ansonsten wird es den Praktizierenden umbringen.

Habt ihr jemals einen Tiger im Zirkus gesehen? Wie wird er dressiert? Sehr, sehr langsam und sorgfältig, unter Beobachtung jedes Anzeichens der Stimmung der Raubkatze. Und was ist der Zweck des Sessels, der vor den Tiger gehalten wird? Er gehört nicht nur zum Schutz. Wenn der Tiger von seinen Klauen an dem Sessel Gebrauch macht, so reagiert der Sessel nicht, und so wird der Tiger, im Glauben, dass der Sessel ein Teil des Körpers des Menschen ist, zum Narren gehalten, dass er denkt, dass der Mensch stärker ist als er. Obwohl also der Tiger tatsächlich stärker ist, wird er von dem Intellekt des Menschen unterworfen.

Ebenso ist es mit Prana. Ihr müsst versuchen, Prana langsam zu kontrollieren. Ein gewaltsames Vorgehen, ein zu schnelles oder eines ohne entsprechende Ernährung usw. wird Reaktionen hervorrufen. Ebenso wie ein falsch behandelter Löwe oder Tiger, wird es euch anfallen. Diese Strophe ist eine Warnung, mit dem Prana nicht zu spielen, ohne den Regeln und Vorschriften zu folgen.

Sukadev

15. So wie wir Löwen, Elefanten und Tiger Schritt für Schritt zähmen, so sollte auch Prana unter Kontrolle gebracht werden. Ansonsten wird es den Praktizierenden umbringen.

Mir ist jetzt noch keiner bekannt, der vom Pranayama umgekommen ist, sogar nicht, wenn er es falsch gemacht hat. Trotzdem, man sollte Pranayama vom Lehrer lernen.

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2. Kapitel, Vers 16

Deutsche Übersetzung:

Durch geeignete Atemübungen (Pranayama) wird die Zerstörung aller Krankheiten bewirkt. | Ungeeignete Praxis hingegen bewirkt eine Verstärkung.

Sanskrit Text:

  • prāṇāyāmena yuktena sarva-roga-kṣayo bhavet |
    ayuktābhyāsa-yogena sarva-roga-samudgamaḥ ||16||
  • प्राणायामेन युक्तेन सर्वरोगक्षयो भवेत् ।
    अयुक्ताभ्यासयोगेन सर्वरोगसमुद्गमः ॥१६॥
  • pranayamena yuktena sarva roga kshayo bhavet |
    ayuktabhyasa yogena sarva roga samudgamah ||16||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • prāṇa-āyāmena : Atemzügelung (Pranayama)
  • yuktena : durch angemessene, richtige (Yukta)
  • sarva : jeglicher (Sarva)
  • roga : Krankheit (Roga)
  • kṣayaḥ : (die) Vernichtung (Kshaya)
  • bhavet : kommt zustande, wird sein (bhū)
  • ayukta : unangemessen(er, Ayukta)
  • abhyāsa : Übung(spraktiken, Abhyasa)
  • yogena : durch die Anwendung (Yoga)
  • sarva : sämtlicher
  • roga : Krankheiten
  • samudgamaḥ : (das) Entstehen, Erscheinen (Samudgama)      ||16||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Durch das Praktizieren von Pranayama (zusammen mit den rechten Speisen und entsprechenden Bandhas) wird man von Beschwerden befreit. Durch einen missverstandenen Yoga-Lehrgang zieht der Yogi alle Beschwerden an sich.

Also könnt ihr entweder alle eure Beschwerden loswerden oder ihr könnt alle Beschwerden bekommen, je nachdem, wie ihr praktiziert.

Sukadev

16. Durch das Praktizieren von Pranayama wird man von allen Beschwerden befreit.

Der Boris Sacharow übersetzt das, was im Sanskrit als ‚allen’ steht mit ‚allerlei’, weil er meinte, das wäre die beste Übersetzung, also von allerlei Beschwerden befreit.

– Durch einen missverstandenen Yoga-Lehrgang zieht der Yogi alle Beschwerden an sich.

Da solltet ihr jetzt aufpassen und euch keinerlei Ängste einjagen. Ihr habt das hier richtig gelernt. Ihr macht es richtig, und wenn ihr euch an die Anweisungen haltet, werdet ihr hier keine Schwierigkeiten bekommen. Und was er vorher sagt, bis er mit Schweiß bedeckt ist und bis sein Körper zittert, das heißt jetzt natürlich nicht, dass wir die Luft anhalten, bis wir in Ohnmacht fallen oder so was, sondern man macht das regelmäßig, und dann gibt es verschiedene Stufen der Reinigung, und eine Stufe der Reinigung kann sein, dass dort Schweiß ausbricht, dass einem heiß wird und dass der Körper anfängt zu zittern. Und dabei muss man aber so vorgehen, dass man immer noch ruhig ausatmen kann.

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2. Kapitel, Vers 17

Deutsche Übersetzung:

Schluckauf, Asthma und Bronchitis, sowie Kopf-, Ohr- und Augenschmerzen, | Verschiedene Krankheiten entstehen durch ein Ungleichgewicht des Atems.

Sanskrit Text:

  • hikkā śvāsaś ca kāsaś ca śiraḥ-karṇākṣi-vedanāḥ |
    bhavanti vividhāḥ rogāḥ pavanasya prakopataḥ ||17||
  • हिक्का श्वासश्च कासश्च शिरःकर्णाक्षिवेदनाः ।
    भवन्ति विविधाः रोगाः पवनस्य प्रकोपतः ॥१७॥
  • hikka shvasash cha kasash cha shirah karnakshi vedanah |
    bhavanti vividhah rogah pavanasya prakopatah ||17||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • hikkā : Schluckauf (Hikka)
  • śvāsaḥ : Asthma (Shvasa)
  • ca : und (Cha)
  • kāsaḥ : Husten (Kasa)
  • ca : und
  • śiras : Kopf- (Shiras)
  • karṇa : Ohren- (Karna)
  • akṣi : Augen- (Akshi)
  • vedanāḥ : Schmerzen (Vedana)
  • bhavanti : entstehen (bhū)
  • vividhāḥ : (die) verschiedentlichsten (Vividha)
  • rogāḥ : Krankheiten (Roga)
  • pavanasya : des Atems (“Windes”, Pavana, aus ayurvedischer Sicht ist der Dosha Vata gemeint)
  • prakopataḥ : aufgrund einer Reizung, Übererregung (Prakopa)         ||17||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Durch ein falsches Verfahren in Pranayama wird der Atem verschlechtert, und von daher entstehen Husten, Asthma, Schmerzen in Kopf, Augen, Ohren und verschiedene andere Beschwerden.

Asthma ist eine Atmungsschwierigkeit, aber diese Schwierigkeit wird nicht von den Lungen verursacht. Sie entsteht, weil das Prana unregelmäßig und auch in der falschen Richtung zum Atmungssystem kommt. Das Zwerchfell oder andere Muskeln können sich zusammenziehen, statt ausdehnen, oder das Atmen kann zu flach oder sonst wie ungeordnet sein. Dasselbe ist es mit Niesen und Husten – sie sind nichts als Bewegung des Pranas.

Falsch verstandene Praktiken von Pranayama, die Störungen im Prana hervorrufen, werden viele Arten von Krankheit hervorrufen. Deswegen werdet ihr zur Vorsicht ermahnt. Die Absicht ist nicht, euch in Angst zu versetzen, sondern euch zum sorgfältigen Praktizieren zu bringen. Das ist, wie wenn man eine Kettensäge gebraucht; ihr müsst wissen, wie man sie bedient, oder ihr könnt euch böse schneiden.

Sukadev

[15 und 16 s.o., 17 nicht vorgelesen]

Nachdem er gesagt hat, man soll das Ganze systematisch langsam machen, sagt im 18. Vers:

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2. Kapitel, Vers 18

Deutsche Übersetzung:

Der Yogi soll den Atem geübt ausatmen und einatmen, | und er soll geübt den Atem anhalten. So erreicht er wahrlich übernatürliche Fertigkeiten.

Sanskrit Text:

  • yuktaṁ yuktaṁ tyajed vāyuṁ yuktaṁ yuktaṁ ca pūrayet |
    yuktaṁ yuktaṁ ca badhnīyād evaṁ siddhim avāpnuyāt ||18||
  • युक्तं युक्तं त्यजेद्वायुं युक्तं युक्तं च पूरयेत् ।
    युक्तं युक्तं च बध्नीयादेवं सिद्धिमवाप्नुयात् ॥१८॥
  • yuktam yuktam tyajed vayum yuktam yuktam cha purayet |
    yuktam yuktam cha badhniyad evam siddhim avapnuyat ||18||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • yuktaṁ yuktaṁ : ganz angemessen, sehr aufmerksam (Yukta)
  • tyajet : man entlasse (tyaj)
  • vāyuṁ : (den) Atem („Wind“, Vayu)
  • yuktaṁ yuktaṁ : ganz angemessen, sehr aufmerksam
  • ca : und (Cha)
  • pūrayet : man atme ein (pṝ)
  • yuktaṁ yuktaṁ : ganz angemessen, sehr aufmerksam
  • ca : und
  • badhnīyāt* : man halte an („binde fest“, bandh)
  • evaṁ : so, auf diese Weise (Evam)
  • siddhim : Vollkommenheit, Erfolg (Siddhi)
  • avāpnuyāt : man kann erreichen (āp)       ||18||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda ergänzt, dass das „Atem anhalten“ (kumbh)  auch mit dem Setzen von Jalandhara Bandha und den anderen Bandhas verbunden (Yukta) ist: jālandhara-bandhādi-yuktaṃ badhnīyāt kumbhayet.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 111 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Er sollte gemäßigt einatmen und gemäßigt ausatmen; er sollte auch gemäßigt den Atem anhalten.

Nicht über das Leistungsvermögen hinaus.

(fortgesetzt) So geschieht es, dass ein Mensch Siddhis erlangt.

Nur das Praktizieren von Einatmen, Anhalten und Ausatmen im richtigen Verhältnis bekommt ihr Kontrolle über Prana.

Sukadev

18. Er sollte gemäßigt einatmen und gemäßigt ausatmen. Er sollte auch gemäßigt den Atem anhalten.

also nicht übertreiben, nicht jenseits seiner Möglichkeiten.

– So geschieht es, dass ein Mensch Siddhis erlangt.

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2. Kapitel, Vers 19

Deutsche Übersetzung:

Wenn die Reinigung der subtilen Energiekanäle (Nadi) sich einstellt, dann mit diesen äußeren Zeichen: | Schlankheit und Schönheit des physischen Körpers. Dann war der Yogi sicherlich erfolgreich.

Sanskrit Text:

  • yadā tu nāḍī-śuddhiḥ syāt tathā cihnāni bāhyataḥ |
    kāyasya kṛśatā kāntis tadā jāyate niścitam ||19||
  • यदा तु नाडीशुद्धिः स्यात् तथा चिह्नानि बाह्यतः ।
    कायस्य कृशता कान्तिस् तदा जायते निश्चितम् ॥१९॥
  • yada tu nadi shuddhih syat tatha chihnani bahyatah |
    kayasya krishata kantis tada jayate nishchitam ||19||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • yadā : wenn
  • tu : aber
  • nāḍī : (der feinstofflichen Energie-)Kanäle (Nadi)
  • śuddhiḥ : (die) Reinheit (Shuddhi)
  • syāt : besteht
  • tathā : so, in diesem Maße
  • cihnāni : Anzeichen, Zeichen (Chihna)
  • bāhyataḥ : äußerliche („von außen“, Bahya)
  • kāyasya : des Körpers (Kaya)
  • kṛśatā : Schlankheit (Krisha)
  • kāntiḥ : Anmut, Schönheit, Glanz (Kanti)
  • tadā : dann
  • jāyate : entsteht
  • niścitam : gewiss, sicher (Nishchita)        ||19||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Wenn die Nadis gereinigt sind, sind die dadurch bedingten Zeichen wahrnehmbar, d. h. der Körper wird schlank und hell.

Ihr fühlt nicht, dass der Körper schwer ist. Wir reden nicht über physische Schwere. Ihr werdet euch beinahe so fühlen, als ob ihr drauf und dran wärt, die ganze Zeit zu fliegen (ohne Flügel natürlich), leicht und rein. Und es ist eine Ausstrahlung da – die Haut, das Gesicht und die Augen werden völlig strahlen und funkeln. Das zeigt, dass die Nadis gereinigt sind.

Sukadev

19. Wenn die Nadis gereinigt sind, sind die dadurch bedingte Zeichen wahrnehmbar, d.h. der Körper wird schlank und strahlend.

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2. Kapitel, Vers 20

Deutsche Übersetzung:

Willentliches Anhalten des Atems, Beruhigung der Verdauung, | Manifestation des göttlichen Klangs (Nada), Freiheit von Krankheiten entstehen aus der Reinigung der subtilen Energiekanäle (Nadi).

Sanskrit Text:

  • yatheṣṭaṁ dhāraṇaṁ vāyor analasya pradīpanam |
    nādābhivyaktir ārogyaṁ jāyate nāḍi-śodhanāt ||20||
  • यथेष्टं धारणं वायोरनलस्य प्रदीपनम् ।
    नादाभिव्यक्तिरारोग्यं जायते नाडिशोधनात् ॥२०॥
  • yatheshtam dharanam vayor analasya pradipanam |
    nadabhivyaktir arogyam jayate nadi shodhanat ||20||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • yathā-iṣṭaṁ : nach Belieben („wie gewünscht“, Yatha Ishta)
  • dhāraṇaṁ : (das) Anhalten (Dharana)
  • vāyo : des Atems, von Prana („Windes“, Vayu)
  • analasya : des (Verdauungs-)Feuers (Anala)
  • pradīpanam : (das) Auflodern, Entfachen (Pradipana)
  • nāda : (des inneren, „unangeschlagenen“) Klang(es, Nada)
  • abhivyakti : (das) Offenbarwerden, Erscheinen (Abhivyakti)
  • ārogyaṁ : Gesundheit („Nichtkrankheit“, Arogya)
  • jāyate : entsteht (jan)
  • nāḍi : (der feinstofflichen Energie-)Kanäle (Nadi)
  • śodhanāt : aufgrund der Reinigung (Shodhana)       ||20||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Wenn die Nadis gereinigt sind, ist er fähig, seinen Atem länger anzuhalten. Das Magenfeuer wird noch stärker, Nada (die inneren Klänge) sind zu hören und er erfreut sich vollkommener Gesundheit.

Wenn der Atem für längere Zeit angehalten wird (wir reden nicht über den körperlichen Atem), geht das Prana in die Sushumna und dann gibt es ein Gleichgewicht zwischen der rechten und der linken Hälfte des Gehirns. Dann funktionieren auch beide Nadis, Ida und Pingala, abwechselnd. Das ist es, was mit „den Atem anhalten“ gemeint ist.

Wenn das Magenfeuer stärker wird, könnt ihr sogar Gift essen. Manche Leute hören Nada (innere Klänge), andere sehen eher Lichter, während wieder andere eine Art von Frieden, eine Stille, fühlen mögen. Ihr Geist möchte sich nicht bewegen oder irgendetwas hören – er möchte nur in dieser Erfahrung von Frieden und Stille ruhen. Die äußere Erfahrung wird von Person zu Person verschiedene Formen annehmen, aber alle Stufen (ob ihr Farben wahrnehmt, Lichter oder Klänge) haben eines gemeinsam: der Geist ist sehr sanft und friedlich. Das ist der wesentliche Punkt, der anzeigt, dass die Nadis gereinigt sind. Andererseits, wenn es keinen Frieden gibt und der Geist ständig nur wandert, ihr unglücklich oder in niedergeschlagener Stimmung seid, zeigt das, dass das Prana sich nicht richtig bewegt, weil die Nadis unrein sind.

Sukadev

20. Wenn die Nadis gereinigt sind, ist er fähig, seinen Atem länger anzuhalten. Das Magenfeuer wird noch stärker. Nada, die inneren Klänge, sind zu hören und er erfreut sich vollkommener Gesundheit.

Das sind also die Wirkungen von der Wechselatmung.

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