3. Kapitel, Vers 11

Deutsche Übersetzung:

Das Hals-Bandha wird platziert, der Yogi soll dann den Atem anhalten und die Energie (Vayu) nach oben lenken. | Wie eine mit dem Stock geschlagene Schlange die Form eines Stabes einnimmt.

Sanskrit Text:

  • kaṇṭhe bandhaṁ samāropya dhārayed vāyum ūrdhvataḥ |
    yathā daṇḍa-hataḥ sarpo daṇḍākāraḥ prajāyate ||11||
  • कण्ठे बन्धं समारोप्य धारयेद् वायुम् ऊर्ध्वतः ।
    यथा दण्डहतः सर्पो दण्डाकारः प्रजायते ॥११॥
  • kanthe bandham samaropya dharayed vayum urdhvatah |
    yatha danda hatah sarpo dandakarah prajayate ||11||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • kaṇṭhe : in der Kehle (Kantha)
  • bandhaṁ : (den) Verschluss (Bandha, d.h. Jalandhara Bandha)
  • samāropya : setzend (sam + ā + ruh)
  • dhārayet : er halte (den Atem an und leite, dhṛi)
  • vāyum : (den Lebens-)Hauch, Prana („Wind“, Vayu)
  • ūrdhva-tas : (durch das Setzen von Mula Bandha) nach oben (Urdhva)
  • yathā : (so) wie (Yatha)
  • daṇḍa : (die mit einem) Stock (Danda)
  • hataḥ : geschlagen wird („wurde“, Hata)
  • sarpaḥ : (eine) Schlange (Sarpa)
  • daṇḍa : (eines) Stocks
  • ākāraḥ : (die) Gestalt, Form (Akara)
  • prajāyate : annimmt („wird“, Fortsetzung in Vers 12, pra + jan)        ||11||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass der Ausdruck dhārayed vāyum ūrdhvataḥ „man ziehe den Lebenshauch (Vayu) nach oben“ bedeutet, diesen durch das Setzen von Mula Bandha in die Sushumna zu ziehen: vāyuṃ … suṣumnāyāṃ dhārayet. anena mūla-bandhaḥ sūcitaḥ.

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

./.

Vishnu-devananda

./.

Sukadev

11. Dann übe Jalandhara Bandha

und jetzt ist es wichtig

– und ziehe den Atem durch die Sushumna.

Alles andere ist einfach. Das Prana durch die Sushumna zu ziehen, ist nicht ganz so einfach. Aber man kann üben.

Audio

./.

Video

./.

3. Kapitel, Vers 12

Deutsche Übersetzung:

So richtet sich sofort die Kundalini-Kraft auf, | dann entsteht der Zustand der Leblosigkeit in den beiden Energiekanälen.

Sanskrit Text:

  • ṛjvī-bhūtā tathā śaktiḥ kuṇḍalī sahasā bhavet |
    tadā sā maraṇāvasthā jāyate dvi-puṭāśrayā ||12||
  • ऋज्वीभूता तथा शक्तिः कुण्डली सहसा भवेत् ।
    तदा सा मरणावस्था जायते द्विपुटाश्रया ॥१२॥
  • rijvi bhuta tatha shaktih kundali sahasa bhavet |
    tada sa maranavastha jayate dvi putashraya ||12||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • ṛjvī-bhūtā : gerade („gerade-geworden“, RijuBhuta)
  • tathā : (genau) so, ebenso (Tatha)
  • śaktiḥ : Energie, Kraft (Shakti)
  • kuṇḍalī : (die) Kundali(ni) („Geringelte“)
  • sahasā : sofort, sogleich, plötzlich (Sahasa)
  • bhavet : wird (bhū)
  • tadā : dann (Tada)
  • sā : der (Tad)
  • maraṇa : (des) Todes (Marana)
  • avasthā : Zustand (Avastha)
  • jāyate : entsteht (jan)
  • dvi : (der) zwei (Dvi)
  • puṭa : (feinstofflichen Energie-)Kanäle („Röhren“, Puta)
  • āśrayā : in Bezug auf, hinsichtlich (Ashraya)        ||12||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass beim Erwachen (Bodha) der Kundali(ni) die Lebensenergie Prana in die Sushumna eintritt (praviṣṭe) und dadurch die beiden (dvayoḥ) Kanäle (Puta, nämlich Ida und Pingala) von Prana getrennt (Viyoga) werden: kuṇḍalī-bodhe sati suṣumnāyāṃ praviṣṭe prāṇe dvayoḥ puṭayoḥ prāṇa-viyogāt.

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

./.

Vishnu-devananda

./.

Sukadev

12. Dann streckt sich die Kundalini, genauso wie sich eine zusammengerollte Schlange wie ein Stab aufrichtet, wenn man sie mit einem Stock berührt. Dann werden die zwei anderen Nadis tot, weil der Atem aus ihnen heraustritt.

Also normalerweise geht ja das Prana hauptsächlich durch Ida und Pingala. Pingala, ein Sonnenenergienadi, und Ida, ein Mondenergienadi. Und so sind wir mal aktiv, mal passiv, mal fröhlich, mal nicht fröhlich. Wir sehen Dualität, Ich und Du, wir nehmen die Welt in diesen Dualitäten wahr. Fließt das Prana nicht mehr durch Ida und Pingala, sondern durch Sushumna, verschwindet jede Form von Dualität. Dann kommt die Erfahrung der Einheit, wenn das Prana in der Sushumna ist. Da seht ihr, der Zweck von Mahamudra ist Erweckung der Kundalini, und dann sagt er:

Audio

./.

Video

./.

3. Kapitel, Vers 13

Deutsche Übersetzung:

Dann soll der Yogi, sehr langsam und nicht schnell ausatmen. | Maha Mudra wird auf diese Weise von den höchst Weisen beschrieben.

Sanskrit Text:

  • tataḥ śanaiḥ śanair eva recayen naiva vegataḥ |
    iyaṁ khalu mahā-mudrā mahā-siddhaiḥ pradarśitā ||13||
  • ततः शनैः शनैर् एव रेचयेन् नैव वेगतः ।
    इयं खलु महामुद्रा महासिद्धैः प्रदर्शिता ॥१३॥
  • tatah shanaih shanair eva rechayen naiva vegatah |
    iyam khalu maha mudra maha siddhaih pradarshita ||13||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • tataḥ : dann, daraufhin (Tatas)
  • śanaiḥ śanais : ganz langsam, gleichmäßig (Shanais)
  • eva : nur (Eva)
  • recayet : man atme aus (Recha)
  • na : nicht (Na)
  • eva : gewiss
  • vegataḥ : schnell, ruckartig („mit Geschwindigkeit, Ungestüm“, Vega)
  • iyaṁ : dies (Iyam)
  • khalu : nun, bekanntlich (Khalu)
  • mahā-mudrā : (als) Maha Mudra (das “große Siegel”)
  • mahā-siddhaiḥ : von den großen (Maha) Vollkommenen (Siddha)
  • pradarśitā : wurde gelehrt, bezeichnet  (Pradarshita)       ||13||

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

./.

Vishnu-devananda

./.

Sukadev

13. Dann atme sehr langsam und niemals schnell aus. So wurde mir Maha Mudra von den großen Siddhas erklärt.

Siddhas sind die Vollkommenen.

Audio

./.

Video

./.

3. Kapitel, Vers 14

Deutsche Übersetzung:

Dieses Mahamudra wurde wahrlich von den vervollkomneten Meistern (Siddhas) aufgezeigt. | Es zerstört die großen Bürden (Klesha) und so weiter, Imbalancen (Dosha), der Tod und so weiter. | – Und aus diesem Grund nennen es die besten der vervollkomneten Meister wahrlich das großartige Siegel, Maha Mudra.

Sanskrit Text:

  • mahā-kleśādayo doṣāḥ kṣīyante maraṇādayaḥ |
    mahā-mudrāṁ ca tenaiva vadanti vibudhottamāḥ ||14||
  • महाक्लेशादयो दोषाः क्षीयन्ते मरणादयः ।
    महामुद्रां च तेनैव वदन्ति विबुधोत्तमाः ॥१४॥
  • maha kleshadayo doshah kshiyante maranadayah |
    maha mudram cha tenaiva vadanti vibudhottamah ||14||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • mahā-kleśa* : (wie die fünf) großen (Maha) Leiden (Klesha)
  • ādayaḥ : und andere, usw. (Adi)
  • doṣāḥ : Übelstände (Dosha)
  • kṣīyante : hören auf, werden Zunichte (kṣi)
  • maraṇa : (der) Tod (Marana)
  • ādayaḥ : und andere, usw.
  • mahā-mudrāṁ : Maha Mudra  (das “große Siegel”, da es alle Leiden „besiegelt“)
  • ca : und (Cha)
  • tena : aus diesem (Grunde, Tad)
  • eva : genau (Eva)
  • vadanti : nennen (es, vad)
  • vibudha : (der) Weisen (Vibudha)
  • uttamāḥ : (die) Besten (Uttama)         ||14||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda zählt die fünf Kleshas auf (vgl. Yogasutra 2.3): Avidya, Asmita, Raga, Dvesha und Abhinivesha.

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

14. Dieses Maha Mudra besiegt den Tod und so schmerzvolle Faktoren wie die großen Kleshas. Wie es schon von den großen Siddhas überliefert wurde, wird es wegen seiner großartigen Wirkung Maha Mudra oder das große Mudra genannt.

Die Kleshas sind fünf an der Zahl, nämlich Avidya (Unwissenheit), Asmita (Egoismus), Raga (Anziehung), Dvesha (Abstoßung) und Abhinivesa (Anklammern an das Leben). Das Maha Mudra wird deshalb so genannt, weil es alle Schmerzen besiegelt (Mudra).

Vishnu-devananda

./.

Sukadev

14. Dieses Maha Mudra besiegt den Tod und so schmerzvolle Faktoren wie die großen Kleshas. Wie es schon von den großen Siddhas überliefert wurde, wird es wegen seiner großartigen Wirkung Maha Mudra oder das große Mudra genannt.

Kleshas, die Ursachen des Leidens, die Patanjali im zwoten Kapitel des Yoga-Sutra erklärt. Das sind Avidya – Unwissenheit, Asmita – Ego, Raga heißt Mögen, Dvesha heißt Nichtmögen, Abinivesha heißt Furcht. Das heißt im engeren Sinne Furcht vor dem Tod, im weiteren Sinne Furcht vor egal was. Und das Mahamudra will also alle Schmerzen beseitigen. Man kann den Erfolg der Hatha-Yoga-Praxis daran messen, wie sehr man von den Kleshas befreit ist. Wenn jemand sehr viele Ängste und Fürchte hat, dann ist das ein Zeichen, dass man noch viel weiter üben muss. Wenn man viel Raga und Dvesha hat, ist das ein Zeichen, man muss noch viel üben. Raga heißt Mögen, Dvesha heißt Nichtmögen. Und Menschen mögen Einiges und mögen Einiges nicht. Mache mögen, dass die Sonne scheint und mögen nicht, dass es regnet. Und wenn die Sonne eine Weile scheint, mag man nicht mehr, dass die Sonne scheint, sondern will Regen. So ist der menschliche Geist: Er mag meistens das, was er nicht hat. Denn das Gras auf Nachbars Weide ist immer grüner. Das ist auch schon bei den Pferden so, nicht nur bei den Menschen. Das ist tatsächlich so: Wenn’s eine Weide gibt, vor der Erfindung des Elektrozauns, die Pferde haben zuerst versucht, die Köpfe durch den Weidenzaun hindurch zu winden, um auf der Weide nebendran zu grasen. Heute geht das nimmer, weil der Elektrozaun, das ist den Pferden ungeheuerlich, das wollen sie nicht, aber bei Holzzäunen wird als erstes neben dem Holzzaun gegrast. Das ist also eine uralte Sache. Gut. Und mache mögen viel Pranayama, und manche mögen etwas weniger Pranayama. Die Einen finden, dass der Yogalehrer immer nur eine ruhige Stimme haben soll, die anderen finden, der soll ’n bisschen fordernd sein. Die einen finden, dass das Essen so sein soll, die anderen finden, das Essen soll so sein. Und wenn das Essen immer so ist, wie man’s gern hätte, dann wird’s langweilig. So ist der Mensch. Und Raga / Dvesha heißt, die kleinen Wechselfälle des Lebens sind uns eigentlich relativ egal. Das heißt, von Raga / Dvesha frei zu werden. Das ist ein Zeichen, dass wir auf dem spirituellen Weg Fortschritte machen.

Es gibt, wie ich gerne erwähne, bei vielen Menschen, und wahrscheinlich insbesondere bei Frauen, so ein bestimmtes Phänomen: Sie haben sich Jahre um die Familie gekümmert, alles zurückgestellt. Jetzt machen sie Yoga und plötzlich fangen sie an, jede Menge von Raga und Dvesha zu haben. Vorher haben sie sich um Mögen und Nichtmögen gar nicht gekümmert, waren immer freundlich und liebevoll zu allen. Mindestens waren sie der Meinung, dass sie das waren. Und dann kommt Yoga. Ich kann nur davon sprechen, was Frauen mir erzählen. Ich bin, ich geh ja nicht in die Familien, um dann festzustellen: War das so? Sondern die sagen’s mir. Und dann sagen sie: „Jetzt bin ich dran.“ Jetzt machen sie Yoga, kriegen mehr Selbstbewusstsein, erfahren mehr ihre Wünsche, und das ist ein natürlicher Entwicklungsschritt. Dass man aus dem reinen Aufopfern für die Familie erst mal mehr lernt, seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, und das ist ein Zwischenschritt. Und dann kommt der nächste Schritt. Dann lernt man, was die tieferen Bedürfnisse sind, die der Swarupa entsprechen, und hört auf, auf seine eigenen, kleinen Mögen und Nichtmögen zu hören. Aber es gibt oft den Zwischenschritt, dass man erst die eigenen Bedürfnisse kennenlernt, um sie überhaupt dann transzendieren zu können. Oder es gibt Menschen, die haben sich überhaupt nie getraut, ihre Bedürfnisse zu leben, und dann ertränken sie sie mit Alkohol oder betäuben sie mit Marihuana und Haschisch und so weiter, oder mit Schokolade, oder mit was auch immer es sein mag. So ist es durchaus ein gewisser Schritt, dass man erstmal sein Raga / Dvesha kennenlernt. Für manche Menschen, nicht für alle. Es gibt Menschen, die haben von Geburt an wenig Mögen / Nichtmögen: Ob’s jetzt warm oder kalt ist, ob die Kleidung grün oder rot ist, ob das Bett weich oder hart ist, ob das Zimmer kleiner oder größer ist, ob die Menschen einen beachten oder weniger beachten, ist reichlich witzlos. Also wenn ihr schon diese Erfahrung habt – manche denken dann, sie müssten mal zum Psychologen gehen, weil sie denken, dass das unnormal ist – dann freut euch. Raga / Dvesha habt ihr dann schon überwunden. Jetzt müsst ihr nur noch aufpassen, dass ihr euch nichts drauf einbildet. Denn dann kommt das Ego und sagt: „Ich bin jenseits von Raga / Dvesha, deshalb ich bin besser als alle anderen. Mindestens zwei Bhumikas weiter.“ Und dann stellt man fest: Plötzlich gibt’s doch irgendwelches Raga / Dvesha. Gut.

Also wir können parallel daran arbeiten, frei zu werden von Raga / Dvesha. Dafür gibt’s ja den wunderschönen Ausdruck Tapas, jetzt im Sinne von Askese: Bewusst Dinge tun, die man nicht mag, und Santhosha, Zufriedenheit: Nicht Dingen nachzulaufen, die man mag. Dann lernt man, kein Sklave mehr zu sein von Raga / Dvesha, und dann kann man spielerisch damit umgehen. Ein gewisses Raga / Dvesha haben dann doch die meisten Menschen. Fast jeder Meister, den ich kannte, hat irgend eine Lieblingsspeise gehabt. Aber die hängen dann auch nicht so dran. Ich kann mich an einmal erinnern, der Swami Vishnu kam nach Paris, und seine Sekretärin hat uns eine, hat uns angerufen und hat gesagt: „Swamiji would like to have Vadas, Idlis and Samba.“ Gut, der Mitarbeiter am Telefon hat das auch aufgeschrieben, und dann kam er dann zu mir und sagte: „Swamiji wants like to have Vadas, Idlis and Samba.“ Was würdet ihr sagen, wenn jemand kommt und will Vadas, Idlis and Samba? Mir ging’s genauso. Ich wusste weder was Vada ist, noch was Idli ist noch was Samba ist, ich hatte nicht die geringste Ahnung. Also habe ich jemand angerufen, der sich mit indischer Küche auskennt, und der hat gesagt: Hab ich noch nie gehört. Der hat nämlich nordindische Küche gelernt, Bengali. Aus der Hare-Krishna-Bewegung war der gewesen. Der hatte davon nichts gehört. Dann hab ich die indischen Restaurants durchtelefoniert. Und irgendwie ist es uns gelungen, Idlis und Samba aufzutreiben – ist kaum zu erklären. Idlis bestehen aus Reismehl, dann irgendwie über Nacht eingeweicht, dann in kochendem Wasser gekocht, und das Vada ist irgendwie frittiert, und Samba ist irgendwie so wie Dal, nur flüssiger, nur schärfer. Und da jetzt keiner wusste, wie man dass macht, und sie hat gesagt: Das kann man auch nicht einfach so machen, dazu braucht man spezielle Gerätschaften.“ Da haben wir es im Restaurant bestellt, und dann kam es an und da hatte es Zwiebeln gehabt. Gut, jedenfalls haben wir den Swami Vishnu abgeholt. Wir haben noch nicht gewusst, dass da Zwiebeln dran sind. W sind also dorthin gegangen, haben ihm das stolz gezeigt, und haben nicht so genau hingeschaut. Und dann hat Swami Vishnu das angeguckt und hat gesagt: „I think, there is onions.“ Und dann hat er gesagt: “Never mind, just give me anything to eat.” Er sagte: „Spielt keine Rolle, gebt mir irgendwas zu essen.“ Dann haben wir ihm halt ein Käse-Sandwich gekauft, und es hat dann auch sehr gut geschmeckt. Also er hat anscheinend den Wunsch geäußert, dass er das will, aber ob er ’s jetzt kriegt, war ihm ziemlich egal. Und es galt nicht nur bei diesen Dingen.

Also, wir müssen lernen, über unsere Raga / Dvesha hinauszugehen. Und unsere Asanapraxis wird uns zunächst mal unsere Bedürfnisse klarer zeigen, wird uns sensibler machen gegenüber unseren eigenen Bedürfnissen, wird uns auch Mut geben, sie durchzusetzen. Aber dann der nächste Schritt muss dahin gehen, dass wir von oberflächlichem Mögen / Nichtmögen frei werden, vom Ego frei werden und von Avidya. Und das ist auch so was wie der Lakmus-Test. Wisst ihr, was Lakmus ist? Lakmus-Papier, das legt man in eine Flüssigkeit, und wenn sie sich rot färbt, ist es eine Säure, und wenn sie sich blau färbt, ist es basisch. Und so ähnlich ist es, wenn wir mal was nicht bekommen, was wir wollen, und unser Gesicht sich rot färbt, dann ist das ein Zeichen, dass wir sauer sind, und wenn unser Gesicht sich blau färbt und wir deprimiert bleiben, ist es auch nicht richtig. Raga- / Dvesha – frei ist es, wenn’s neutral bleibt. Wenn man ärgerlich wird, weil man nicht bekommen hat, was man so will, weil seine kleinen Wünschlein nicht erfüllt worden sind, ist das ein Zeichen für geistige Schwäche. Manchmal wird man rot, wenn man kriegt, was man will. Gut.

Audio

./.

Video

./.

3. Kapitel, Vers 15

Deutsche Übersetzung:

Nachdem auf der linken Körperseite geübt wurde, soll der Yogi auf der rechten Seite üben. | Sobald die Anzahl der Runden auf beiden Seiten gleich wird, soll der Yogi das Mudra lösen.

Sanskrit Text:

  • candrāṅge tu samabhyasya sūryāṅge punar abhyaset |
    yāvat tulyā bhavet saṅkhyā tato mudrāṁ visarjayet ||15||
  • चन्द्राङ्गे तु समभ्यस्य सूर्याङ्गे पुनरभ्यसेत् ।
    यावत्तुल्या भवेत्सङ्ख्या ततो मुद्रां विसर्जयेत् ॥१५॥
  • chandrange tu samabhyasya suryange punar abhyaset |
    yavat tulya bhavet sankhya tato mudram visarjayet ||15||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • candra : (des) Mondes (Chandra, d.h. links, wo Ida verläuft)
  • aṅge : auf der Seite (Anga)
  • tu : aber (Tu)
  • samabhyasya : nachdem man praktiziert hat (sam + abhi + as)
  • sūrya : (der) Sonne (Surya, d.h. rechts, wo Pingala verläuft)
  • aṅge : auf der Seite
  • punar : wieder, noch einmal (Punar)
  • abhyaset : soll man üben (abhi + as)
  • yāvat : sobald (Yavat)
  • tulyā : gleich (Tulya)
  • bhavet : ist („sei“, bhū)
  • saṅkhyā : (die) Anzahl (der auf beiden Seiten praktizierten Atemverhaltungen, Sankhya)
  • tataḥ : dann (Tatas)
  • mudrāṁ : (das) Siegel (Mudra, d.h. Maha Mudra)
  • visarjayet : löse man (vi + sṛj)        ||15||

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

./.

Vishnu-devananda

./.

Sukadev

15. Man sollte die Übung abwechselnd nach der linken und der rechten Seite praktizieren, bis beide Seiten eine gerade Anzahl ergeben.

Audio

./.

Video

./.

3. Kapitel, Vers 16

Deutsche Übersetzung:

Da für einen Yogi, nichts gesund oder ungesund ist, er verzehrt alles ob mit viel Geschmack, oder ohne Geschmack, | Er wird sogar ein schreckliches verzehrtes Gift wie Nektar verdauen.

Sanskrit Text:

  • na hi pathyam apathyaṁ vā rasāḥ sarve’pi nīrasāḥ |
    api bhuktaṁ viṣaṁ ghoraṁ pīyūṣam iva jīryati ||16||
  • न हि पथ्यमपथ्यं वा रसाः सर्वेऽपि नीरसाः ।
    अपि भुक्तं विषं घोरं पीयूषमिव जीर्यति ॥१६॥
  • na hi pathyam apathyam va rasah sarve’pi nirasah |
    api bhuktam visham ghoram piyusham iva jiryati ||16||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • na : nicht(s gibt, Na)
  • hi : weil (es für einen, der Maha Mudra praktiziert)
  • pathyam : (was) heilsam, gesund (Pathya)
  • apathyaṁ : unheilsam, ungesund (ist, Apathya)
  • vā : oder (Va)
  • rasāḥ : Geschmack(srichtungen, Rasa)
  • sarve : alle (Sarva)
  • api : auch, sogar (Api)
  • nīrasāḥ* : (Nahrungsmittel, die) ohne Geschmack, saftlos, ungenießbar (geworden sind, Nirasa)
  • api : auch, sogar
  • bhuktaṁ : gegessenes (Bhukta)
  • viṣaṁ : Gift (Visha)
  • ghoraṁ : schreckliches (Ghora)
  • pīyūṣam : Nektar (Piyusha)
  • iva : wie (Iva)
  • jīryati : (werden bzw.) wird  verdaut (jṝ)         ||16||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass mit „geschmacklosen“ (Nirasa) Nahrungsmitteln solche Dinge (Padartha) gemeint sind, aus denen (yebhaḥ) der Geschmack (Rasa) gewichen (Nirgata) ist, weil sie alt, schal bzw. ungenießbar (Yatayama) geworden sind, die nun aber dennoch verdaut werden (jīryanti) können: nīrasā nirgato raso yebhas te yāta-yāmāḥ padārthā jīryanti.

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

./.

Vishnu-devananda

./.

Sukadev

16. Es gibt nichts, was du essen oder nicht essen kannst. Alle Nahrungsmittel jedweden Geschmacks, auch solche ohne Geschmack werden verdaut. Sogar Gift erscheint dir wie Nektar.

Ich würde es trotzdem nicht ausprobieren, aber im übertragenen Sinne gilt es. Manche Speisen mag man, manche nicht. Manches imLeben mag man, manches nicht. Wenn wir das Prana stark haben, dann verlieren wir dieses Raga/Dvesha, das Mögen/Nichtmögen, und wir können gut mit dem Leben umgehen. Ob Dinge passieren, die wir mögen oder nicht, ob wir überanstrengt sind oder unterfordert, wenn wir unser Prana stark haben, können wir mit allen Situationen gut umgehen. Und sogar Gift, wenn andere einem was Schlechtes antun, erscheint einem das wie Nektar.

[Frage unverständlich] … aber wahrscheinlich hat er an dem Tag kein Maha Mudra gemacht. Also wenn Maha Mudra wirklich erfolgreich ist, Prana durch die Sushumna fließt, dann hat das zum Einen eine sehr große Auswirkung auf den physischen Körper, und es hat große Auswirkungen auf unseren Geist und unsere Emotionen. Auf unseren Geist beschreibt er: Wir werden jenseits der Kleshas gelangen, eben weil wir innere Wonne erfahren. Und wenn man von innen her Wonne erfährt und die größten Sehnsüchte seines Lebens erfüllt sind und man die Einheit mit Gott erfährt, dann sind die kleineren Wünschlein gar nicht so erheblich. Und wenn diese starke Kraft in einem aktiv wird, dann wird sie auch alles verdauen.

Audio

./.

Video

./.

3. Kapitel, Vers 17

Deutsche Übersetzung:

Die körperliche Dysbalance die aus Schwindsucht, Lepra, Verstopfung, Milzbrand oder Magenverstimmung kommt, | wird für den, der Maha Mudra praktiziert zerstört.

Sanskrit Text:

  • kṣaya-kuṣṭha-gudāvarta-gulmājīrṇa-purogamāḥ |
    tasya doṣāḥ kṣayaṁ yānti mahā-mudrāṁ tu yo’bhyaset ||17||
  • क्षयकुष्ठगुदावर्तगुल्माजीर्णपुरोगमाः ।
    तस्य दोषाः क्षयं यान्ति महामुद्रां तु योऽभ्यसेत् ॥१७॥
  • kshaya kushtha gudavarta gulmajirna puro gamah |
    tasya doshah kshayam yanti maha mudram tu yo’bhyaset ||17||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • kṣaya : Schwindsucht, Tuberkulose (Kshaya)
  • kuṣṭha : Aussatz, Lepra (Kushtha)
  • guda-āvarta : Verstopfung („Darm-Verdrehung“, Gudavarta)
  • gulma : krankhafte Anschwellung im Unterleib, Unterleibsgeschwulst (Gulma)
  • ajīrṇa : Verdauungsprobleme (Ajirna)
  • purogamāḥ : angefangen mit („angeführt von“, Purogama)
  • tasya : für diesen (Yogi, Tad)
  • doṣāḥ : (Krankheiten aufgrund gestörter) Doshas
  • kṣayaṁ : (ein) Ende (Kshaya)
  • yānti : nehmen („gehen zu“, )
  • mahā-mudrāṁ : (das) große Siegel (Maha Mudra)
  • tu : aber, jedoch (Tu)
  • yaḥ : wer (Yad)
  • abhyaset : praktiziert, übt (abhi + as)       ||17||

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

./.

Vishnu-devananda

./.

Sukadev

17. Übst du Maha Mudra, so wirst du Schwindsucht, Lepra, Hämorrhoiden, Verstopfung, Bauch– und Unterleibskrankheiten, Verdauungsstörungen etc. überwinden.

Audio

./.

Video

./.

3. Kapitel, Vers 18

Deutsche Übersetzung:

Man sagt dieses Maha Mudra erzeugt großartige Kräfte (Siddhi) im Menschen. | Deshalb soll es sorgfältig geheim gehalten werden und darf nicht an jeden weitergegeben werden.

Sanskrit Text:

  • kathiteyaṁ mahā-mudrā mahā-siddhi-karī nṛṇām |
    gopanīyā prayatnena na deyā yasya kasya-cit ||18||
  • कथितेयं महामुद्रा महासिद्धिकरी नृणाम् ।
    गोपनीया प्रयत्नेन न देया यस्य कस्यचित् ॥१८॥
  • kathiteyam maha mudra maha siddhi kari nrinam |
    gopaniya prayatnena na deya yasya kasya chit ||18||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • kathitā : gelehrt ist (hiermit, Kathita)
  • iyaṁ : dieses (Iyam)
  • mahā-mudrā : große Siegel (Maha Mudra)
  • mahā : (welches) großartige (Maha)
  • siddhi-karī : übernatürliche Fähigkeiten (Siddhi) verschafft („bewirkt“, Kara)
  • nṛṇām : den Menschen (die es praktizieren, Nri)
  • gopanīyā : es („sie“) ist geheim zu halten (Gopaniya)
  • prayatnena : äußerst sorgsam (Prayatna)
  • na : nicht (Na)
  • deyā : ist es („sie“) weiterzugeben (Deya)
  • yasya kasya-cid : an irgend jemand (beliebigen, der dafür ungeeignet ist, Yad Ka Chid)  ||18||

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 96 behandelt.

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

./.

Vishnu-devananda

./.

Sukadev

18. So hat man Maha Mudra, das den Menschen große Siddhis gewähren kann, beschrieben. Das sollte sorgfältig geheimgehalten und nicht an jeden X-Beliebigen weitergegeben werden.

Gut. Das also zu Maha Mudra, was dort sehr stark eigentlich gelobt wird. Aber man spürt die Wirkung von Maha Mudra auch erst, wenn man lange geübt hat. Ich kann mich erinnern, als ich am Anfang war bei der Praxis – am Anfang heißt, als ich schon ein, zwei Jahre regelmäßig geübt habe -, habe ich mich gefragt: Warum lobt eigentlich Patanjali Maha Mudra so? Das ist zwar ganz nett, aber wenn ich zehn Minuten länger Wechselatmung mache, spüre ich mehr, als wenn ich fünf Minuten Maha Mudra mache auf jeder Seite. Und wenn ich zwanzig Minuten in der normalen Vorwärtsbeuge bin und mich dabei konzentriere, ist das wirksamer als all diese Maha-Mudra-Geschichten, egal, wie viel ich dabei meine Zunge verdrehe und Augen und Beckenbodenmuskeln. Aber zu einem bestimmten Zeitpunkt meiner Praxis, dort hab ich gemerkt, es wirkt so wie – ob’s vollkommen so wirkt, wie dort beschrieben, das möchte ich jetzt nicht behaupten – aber plötzlich habe ich gemerkt: Tatsächlich, Prana fließt in die Sushumna.

Audio

./.

Video

./.

3. Kapitel, Vers 19

Deutsche Übersetzung:

Jetzt Maha Bandha: Der Yogi soll die Ferse des linken Fußes an der Region des Beckenbodes platzieren. | Auf dem linken Oberschenkel wird dann der rechte Fuß platziert.

Sanskrit Text:

  • atha mahā-bandhaḥ-
    pārṣṇiṁ vāmasya pādasya yoni-sthāne niyojayet |
    vāmorūpari saṁsthāpya dakṣiṇaṁ caraṇaṁ tathā ||19||
  • अथ महाबन्धः
    पार्ष्णिं वामस्य पादस्य योनिस्थाने नियोजयेत् ।
    वामोरूपरि संस्थाप्य दक्षिणं चरणं तथा ॥१९॥
  • atha maha bandhah
    parshnim vamasya padasya yoni sthane niyojayet |
    vamorupari samsthapya dakshinam charanam tatha ||19||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • atha : nun folgt (Atha)
  • mahā-bandhaḥ : (der) große Verschluss (Maha Bandha)
  • pārṣṇiṁ : (die) Ferse (Parshni)
  • vāmasya : (des) linken (Vama)
  • pādasya : Fußes (Pada)
  • yoni : (des) Dammes, Perineums (Yoni)
  • sthāne : in die Gegend (Sthana)
  • niyojayet : man lege (ni + yuj)
  • vāma : (den) linken
  • ūru : Oberschenkel (Uru)
  • upari : auf, über (Upari)
  • saṁsthāpya : legend (sam + sthā)
  • dakṣiṇaṁ : (den) rechten (Dakshina)
  • caraṇaṁ : Fuß (Charana)
  • tathā : und (Tatha, Fortsetzung folgt in Vers 20)         ||19||

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

./.

Vishnu-devananda

./.

Sukadev

19. Maha Bandha wird wie folgt beschrieben:

Maha Bandha ist jetzt so, dass alle drei Bandhas, Mula Bandha, Uddhiyana Bandha und Jalandhara Bandha gleichzeitig gesetzt werden.

– Presse den Anus mit dem linken Knöchel und lege den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel.

Die Siddhasana. Man kann’s auch umgekehrt machen. Also es muss nicht nur so herum sein.

Audio

./.

Video

./.

3. Kapitel, Vers 20

Deutsche Übersetzung:

Nachdem der Yogi die Luft (Vayu) eingeatmet hat, soll er das Kinn fest auf das Herz pressen. | Nun soll der Yogi die Luft anhalten und den Geist in der energetischen Mitte fixieren.

Sanskrit Text:

  • pūrayitvā tato vāyuṁ hṛdaye cubukaṁ dṛḍham |
    niṣpīḍya yonim ākuñcya mano madhye niyojayet ||20||
  • पूरयित्वा ततो वायुं हृदये चुबुकं दृढम् ।
    निष्पीड्य योनिमाकुञ्च्य मनोमध्ये नियोजयेत् ॥२०॥
  • purayitva tato vayum hridaye chubukam dridham |
    nishpidya yonim akunchya mano madhye niyojayet ||20||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • pūrayitvā : eingeatmet habend (pṝ)
  • tataḥ : dann, danach (Tatas)
  • vāyuṁ : (die) Luft („Wind“, Vayu)
  • hṛdaye : auf die Brust („das Herz“ Hridaya, d.h. in Jalandhara Bandha)
  • cubukaṁ : (das) Kinn (Chubuka)
  • dṛḍham : fest (Dridha)
  • niṣpīḍya : drückend (nis + pīḍ)
  • yonim* : (den) Damm, (das) Perineum (Yoni, in Mula Bandha)
  • ākuñcya : zusammenziehend (ā + kuñc)
  • manas : (den) Geist (Manas)
  • madhye** : auf die Mitte (Madhya), den mittleren (Kanal, Sushumna)
  • niyojayet : man richte (ni + yuj)       ||20||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda liest und kommentiert niṣpīḍya yonim und nicht niṣpīḍya vāyum im zweiten Halbvers und verweist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf das Setzen von Mula Bandha.

**Anmerkung: Die „Mitte“ (Madhya) bezieht sich laut Brahmananda auf den mittleren Kanal (Nadi), auf den man den Geist (Manas) ausrichten soll (niyojayet): manaḥ … madhye madhya-nāḍyāṃ niyojayet. Madhye könnte sich allerdings auch auf die Mitte zwischen den Augenbrauen, d.h. Ajna Chakra, beziehen.

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

./.

Vishnu-devananda

./.

Sukadev

20. Nachdem du den Atem eingesogen hast, presse das Kinn fest an die Brust ziehe den Anusschließmuskel zusammen und konzentriere dein Denken auf die Sushumna.

Audio

./.

Video

./.