1. Kapitel, Vers 31

Deutsche Übersetzung:

Dieses Pashchimatanasana, ist die ursprünglichste unter den Asanas, sie bringt die Energie im Rücken (in Sushumna) zum fließen, | sie bewirkt ein intensives Verdauungsfeuer, macht den Bauch flach und befreit den Menschen von Krankheiten.

Sanskrit Text:

  • iti paścimatānam āsanāgryaṁ
    pavanaṁ paścima-vāhinaṁ karoti |
    udayaṁ jaṭharānalasya kuryād
    udare kārśyam arogatāṁ ca puṁsām ||31||
  • इति पश्चिमतानमासनाग्र्यं
    पवनं पश्चिमवाहिनं करोति ।
    उदयं जठरानलस्य कुर्याद्
    उदरे कार्श्यमरोगतां च पुंसाम् ॥३१॥
  • iti pashchima tanam asanagryam
    pavanam pashchima vahinam karoti |
    udayam jatharanalasya kuryad
    udare karshyam arogatam cha pumsam ||31||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • iti : so, in dieser Weise (Iti)
  • paścima-tānam : (ist die) Ausdehnung (der) Rückseite (Pashchimatana)
  • āsana : (der) Sitzpositionen, Körperstellungen (Asana)
  • agryaṁ : (die) vorzüglichste, beste, erste (Agrya)
  • pavanaṁ : (des) Atems, (der) Lebensenergie Prana („des Windes“, Pavana)
  • paścima : (durch die Körper-)Rückseite (Pashchima, d.h. durch Sushumna)
  • vāhinaṁ : das Fließen, das Zuführen (vah)
  • karoti : sie bewirkt, macht (kṛ)
  • udayaṁ : (das) Emporsteigen, Anschwellen, Anwachsen (Udaya)
  • jaṭhara : (des) Magen(s, Jathara)
  • analasya : des Feuers (Anala)
  • kuryāt : sie soll bewirken (kṛ)
  • udare : im (Bereich des) Bauch(es) (Udara)
  • kārśyam : Schlankheit (Karshya)
  • arogatāṁ : Gesundheit („Krankheitslosigkeit“, Arogata)
  • ca : und (Cha)
  • puṁsām : der Menschen (Pums)      ||31||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt paścima-vāhinam („hinten fließend“) im Sinne von „(die Lebensenergie) fließt (dann) durch die Sushumna“: paścima-mārgeṇa suṣumnā-mārgeṇa vahatīti.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

31. Diese vortrefflichste aller Asanas, Paschimothan Asana, lässt den Atem durch die Sushumna fließen, steigert das Magen-Feuer, macht die Lenden mager und vertreibt alle Beschwerden.

Sukadev

31. Diese vortrefflichste aller Asanas,

und ihr werdet im Verlauf des Buches feststellen, dass er über mehrere Asanas sagt, dass es die vortrefflichste sei. Und er wird über mehrere Übungen sagen, dass es die beste aller Übungen sei. Ich erwähne es ja immer wieder, die Inder haben ne gewisse Neigung zur Übertreibung. Und wenn Deutsche das lesen, dann nehmen sie das wörtlich, und sind dann verwirrt. Statt dessen solltet ihr sagen, eine besonders vortreffliche Asana. Das hat schon mein alter Lateinlehrer gesagt, die Römer haben genauso zur Übertreibung geneigt, und immer wenn der Superlativ da steht, optimus, dann sollte man das nicht als der Beste übersetzen, sondern als besonders gut. Oder auch an manchen Stellen findet ihr, dass dort steht: Und beseitigt alle Krankheiten. Der Boris Sacharov, der auch eine Hatha Yoga Schrift übersetzt hat, nämlich die Gherandha Samhita, der hat gesagt, am besten übersetzt man das dann als allerlei Krankheiten. Gut.

– Diese vortrefflichste aller Asanas, Paschimothanasana, lässt den Atem durch die Sushumna fließen, steigert das Magenfeuer, macht die Lenden mager und vertreibt alle Beschwerden.

Also Paschimothanasana lässt den Atem durch die Sushumna fließen – ihr wisst hoffentlich alle, was der Atem ist. Nicht der physische Atem, sondern Prana. Paschimothan-Nadi ist ein anderer Name für die Sushumna-Nadi, die feinstoffliche Wirbelsäule. Steigert auch wieder das Verdauungsfeuer. Das Agni wird erhöht. Übrigens manche Menschen, die intensiv Hatha Yoga üben stellen für eine Weile fest, dass ihr Appetit stärker wird und dass sie mehr essen. Und wenn das tatsächlich wegen einem gesteigerten Verdauungsfeuer ist, dann nimmt man auch nicht zu. Nur wenn man dann anschließend weiter so isst, wenn die Praxis nicht mehr so intensiv ist, dann kann man auch zunehmen. Als ich mal eine intensive Hatha-Yoga-Praxis hatte, habe ich Berge in mich hineingefuttert und war ausgesprochen schlank. Heut esse ich höchstens die Hälfte und wachse immer mehr in die Breite. Gut, also

– steigert das Verdauungsfeuer, macht die Lenden mager und vertreibt alle Beschwerden.

Ich kannte mal jemanden, der hat hier in einem Workshop aus Anlass eines Yoga-Kongresses gesagt: „Wenn man irgendwelche Arten von Magen-Darmproblemen hat – ein bis zwei Stunden die Vorwärtsbeuge halten, und es würden alle Beschwerden beseitigt. Das funktioniert sogar bei Reisedurchfall in Indien. Da hatte ich schon zweimal die Gelegenheit , das auszuprobieren. Letztes Jahr auch. Plötzlich, auf der Rückreise von Rishikesh nach Delhi, musste ich mich übergeben. Am nächsten Tag war ich total kaputt. Dann habe ich die Gruppe allein zum Tadsch Mahal geschickt und hab mich dann erstmal zwei Stunden in die Vorwärtsbeuge begeben. Gut, und danach waren alle Probleme beseitigt. Verdauungszustand normal, Gemütszustand normal, alles ok. Wisst ihr, was das größte Problem ist, wenn man lange in der Vorwärtsbeuge ist? Die Beine schlafen ein. Das Kribbeln ist noch ok. Aber wenn die Beine einschlafen, dann muss man sie notfalls etwas bewegen. Was zwar der klassischen Hatha- Yoga-Lehre widerspricht. Eine weiche Decke unterlegen kann helfen, extrem weich, mehrere Decken. Und je angenehmer man nach vorne geht, um so weniger stark ist die Dehnung, um so weniger stark ist die Tendenz, dass man einschläft. Man kann’s auch so lösen, dass man zwanzig Minuten in der Stellung ist, dann ein paar Minuten lang sich entspannt, Gefühl in die Beine zurückbringt, und dann wieder zwanzig Minuten in die Stellung geht. Ich geb jetzt keine Garantie ab, dass es immer wirkt. Zumindest wert, es mal auszuprobieren. Statt tagelang leidend im Bett zu liegen, kann man ja auch zwei Stunden in der Vorwärtsbeuge liegen. Wenn’s nicht wirkt, kann man sich ja immer wieder auf den Rücken legen.

– lässt den Atem durch die Sushumna fließen.

Auch hier wieder: Man kann sich konzentrieren auf den Atem in der Sushumna, man kann sich konzentrieren auf den Bauch, und man kann sich auch konzentrieren auf die Lendengegend, wo auch allerlei geschieht. Nicht nur für Frauen klingt das jetzt vielleicht besonders gut, die Taille wird schlank oder so was – wie weit das stimmt, weiß ich jetzt nicht – es ist mehr so, dass ein Übermaß an Energie, das hier unten ausströmt, das senkt sich, so dass die Energie mehr nach oben kommt. Für die meisten Menschen funktioniert das hauptsächlich auf den drei untersten Chakras. Essen, Trinken, Schlafen sind die drei Grundbedürfnisse vom MuladharaChakra, die dort befriedigt werden. Bei sehr viele Menschen geht’s da nicht viel weiter. Möglichst gut zu essen, möglichst ein schönes Haus zu haben, um damit die Nachbarn zu beeindrucken, das ist alles Muladhara-Chakra. Swadhistana-Chakra betrifft dann Sexualität wie auch Zärtlichkeit, Umgang mit anderen Menschen, Energieaustausch mit anderen Menschen, den es ja nicht nur über Sexualität gibt und physischen Kontakt – das ist alles Swadhistana-Chakra. Gut, und manche bestimmten übernatürlichen Kräfte, das betrifft auch noch Swadhistana-Chakra. Bleibt noch Manipura-Chakra, das heißt, die eigenen Talente kennenlernen und auszuleben, Anerkennung zu bekommen und mutig zu sein, andere beeinflussen zu können und Macht zu haben. Das sind so die Bereiche, wo die meisten Menschen hauptsächlich wirken. Jeder Mensch wirkt auch etwas auf den anderen, ohne Zweifel, Anahata-Chakra – selbstlose Liebe, Vishuddha-Chakra – Gefühl der Verbundenheit, Ajna-Chakra – reine Erkenntnis. Und Paschimothanasana hilft, dass die Energien der unteren Chakras nach oben gebracht werden, so dass wir nicht auf dieser unteren Ebenen zu viel Zeit und Energie, geistige Energie verschwenden. Also ihr seht, die Hatha-Yoga-Übungen haben’s schon in sich.

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1. Kapitel, Vers 32

Deutsche Übersetzung:

Auf dem Boden mit beiden Händen stehend [dabei sind] die Ellenbogen an den Seiten des Nabels platziert. | [Der Körper soll] angehoben wie ein Stab in der Luft verweilen. Diese Position wird Mayurasana genannt.

Sanskrit Text:

  • dharām avaṣṭabhya kara-dvayena
    tat-kūrpara-sthāpita-nābhi-pārśvaḥ |
    uccāsano daṇḍa-vad utthitaḥ khe
    māyūram etat pravadanti pīṭham ||32||
  • धरामवष्टभ्य करद्वयेन
    तत्कूर्परस्थापितनाभिपार्श्वः ।
    उच्चासनो दण्डवदुत्थितः खे
    मायूरमेतत्प्रवदन्ति पीठम् ॥३२॥
  • dharam avashtabhya kara dvayena
    tat kurpara sthapita nabhi parshvah |
    uchchasano danda vad utthitah khe
    mayuram etat pravadanti pitham ||32||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • dharām : auf die Erde, den Erdboden (Dhara)
  • avaṣṭabhya : sich stützend (ava + stabh)
  • kara : Händen (Kara)
  • dvayena : mit beiden („mit dem Paar“, Dvaya)
  • tad : der (beiden Hände bzw. Arme, Tad)
  • kūrpara : (mit den) Ellenbogen (Kurpara)
  • sthāpita : haltend, stabilisierend (sthā)
  • nābhi : (des) Nabels (Nabhi)
  • pārśvaḥ : (die) Seite(n), Flanke(n, Parshva)
  • ucca : hoch, oben, in der Höhe (Uchcha)
  • āsanaḥ : (seine) Körperstellung (Asana einnehmend)
  • daṇḍa-vat : wie (ein) Stock (Danda)
  • utthitaḥ : erhoben, aufgerichtet (Utthita)
  • khe : in die Luft („in den Luftraum“, Kha)
  • māyūram : Pfau(enstellung, Mayura)
  • etad : diese (Etad)
  • pravadanti : nennt man (pra + vad)
  • pīṭham : Körperstellung („Sitz“, Pitha)     ||32||

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Brahmananda

Diese Stellung gibt die Balance einer modernen Gymnastikübung auf dem Barren wieder.

Vishnu-devananda

32. Setze deine Hände kräftig auf den Boden und stütze deinen Körper auf deine Ellbogen, drücke dabei auf die Seiten deiner Lenden. Hebe deine Beine steif und in einer Ebene mit dem Kopf in die Luft. Das ist Mayurasana.

Sukadev

32. Setze deine Hände kräftig auf den Boden und stütze deinen Körper auf deine Ellbogen, drücke dabei auf die Seiten deiner Lenden. Hebe die Beine steif und in einer Ebene mit dem Kopf in die Luft. Das ist Mayurasana. Der Pfau.

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1. Kapitel, Vers 33

Deutsche Übersetzung:

Mayurasana beseitigt schnell alle Krankheiten der Milz, des Bauches und weitere, und sie ist siegreich bei Dysbalance der Doshas. | Insbesondere verbrennt sie alle übermäßig verzehrte Nahrung zu Asche. Sie erzeugt ein Verdauungsfeuer, das sogar das schreckliche Gift Kala-kuta zu verdauen vermag.

Sanskrit Text:

  • harati sakala-rogān āśu gulmodarādīn
    abhibhavati ca doṣān āsanaṁ śrī-mayūram |
    bahu-kad-aśana-bhuktaṁ bhasma kuryād aśeṣaṁ
    janayati jaṭharāgniṁ jārayet kāla-kūṭam ||33||
  • हरति सकलरोगानाशु गुल्मोदरादी-
    नभिभवति च दोषानासनं श्रीमयूरम् ।
    बहुकदशनभुक्तं भस्म कुर्यादशेषं
    जनयति जठराग्निं जारयेत्कालकूटम् ॥३३॥
  • harati sakala rogan ashu gulma udara adin
    abhibhavati cha doshan asanam shri mayuram |
    bahu kadashana bhuktam bhasma kuryad ashesham
    janayati jathara agnim jarayet kala kutam ||33||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • harati : verscheucht, überwältigt (hṛ)
  • sakala : alle, sämtliche (Sakala)
  • rogān : Krankheiten (Roga)
  • āśu : schnell, geschwind (Ashu)
  • gulma : (wie z.B.)  Unterleibsgeschwulst, vergrößerte Milz (Gulma)
  • udara : (Anschwellung des) Bauch(es, (Udara)
  • ādīn : usw., und andere („angefangen mit“, Adi)
  • abhibhavati : besiegt, überwältigt (adhi + bhū)
  • ca : und (Cha)
  • doṣān : (gestörte) Doshas („Schaden, Fehler, Gebrechen“, ein Übermaß an VataPitta oder Kapha)
  • āsanaṁ : (die) Körperstellung (Asana)
  • śrī : (des) ehrwürdigen (Shri)
  • mayūram : Pfauen (Mayura)
  • bahu : (zu) viel (Bahu)
  • kad-aśana : (oder) abgestandene (oder überlagerte „schlechte“) Speise(n, Ashana)
  • bhuktaṁ : Nahrung („Gegessenes“ bestehend in, Bhukta)
  • bhasma : (zu) Asche (Bhasman)
  • kuryāt* : macht, verwandelt (kṛ)
  • aśeṣaṁ : vollständig, restlos (Ashesha)
  • janayati : bringt hervor, erzeugt (jan)
  • jaṭhara : (des) Magen(s), (des) Bauch(es, Jathara)
  • agniṁ : (das) Feuer (Agni)
  • jārayet : verdaut (jṛ)
  • kāla-kūṭam : (das Gift) Kalakuta („Fallstrick des Todes“)     ||33||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass „sie macht zu Asche“ (Bhasma kuryāt) „sie verdaut“ (pācayet) bedeutet, insofern die Verdauung mit einem Verbrennungsprozess verglichen wird: bhasma kuryāt pācayet.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 88 behandelt.

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Brahmananda

Während die Götter und die Asuras den Ozean aufwühlten, war das erste Ding, das herauskam, das Gift Kalakoota oder Halahala. Es begann, die drei Welten zu verbrennen und kein Gott konnte überredet werden, es zu essen. Zu guter Letzt schluckte es Shiva. Aber ehe es seine Kehle abwärts gelangte, hielt Parvati es fest. So blieb es für immer dort, und Shivas Kehle wurde blau. Daher sein Name Kalakantha oder Neelekantha (Blaukehliger). Das enthüllt offensichtlich ein großes kosmisches Geheimnis, verbunden mit der Entwicklung unseres Planetensystems.

Vishnu-devananda

33. Diese Asana heilt Leiden des Magens, der Drüsen und der Milz und beseitigt alle Beschwerden, die durch zu viel Winde, Galle oder Schleim verursacht sind. Sie verdaut mit Leichtigkeit unmäßig und durcheinander eingenommenes Essen und verwandelt sogar das schreckliche Gift Halahala zu Asche.

Sukadev

33. Diese Asana heilt Leiden des Magens, der Drüsen und der Milz und beseitigt alle Beschwerden, die durch zu viel Winde, Galle oder Schleim verursacht sind.

Gut, das ist leider so übersetzt worden. Irgendwann sollten wir das mal ausradieren und die ursprünglichen Sanskritbegriffe reintun. Die Sanskritbegriffe, die dort stehen, sind Vata, Pita und Kapha. Gut, und damit behauptet der Swatmarama, dass, wenn man Mayurasana ausführt, diese drei Doshas, die im Ayurvedasystem eine große Rolle spielen, zum Gleichgewicht gebracht werden. Es ist also eine sehr gute Übung. Und man kann die Hatha Yoga Pradipika auch gut lesen, gerade wenn man Ayurveda etwas kennt, dann sieht man, dass da auf einige Konzepte der Ayurveda eingegangen wird, dass einem praktisch gezeigt wird, wo die Asanas das Ayurvedasystem gut ergänzen können. Und der Pfau verbrennt eben Gifte, die im Ayurveda auch Ama genannt werden. Und diese Gifte, wenn die verbrannt werden, dann kommen auch die Doshas wieder ins Gleichgewicht. Also eine ganze Menge.

Gut, das Erste – heilt Leiden des Magens, der Drüsen und der Milz. Auch Mayurasana erhöht das Verdauungsfeuer. Und wenn irgendjemand irgendwelche Verdauungsbeschwerden hat, würde ich mal raten, arbeitet mal ein viertel Jahr lang, die Mayurasana lange zu halten. Und so ist es durchaus wert, den Pfau zu üben und zu lernen versuchen. Natürlich, der Pfau wird sehr schwer, wenn nicht unmöglich, wenn die Länge der Oberarmknochen zu kurz ist. Dann reichen die Arme nicht rein. Je dicker der Bauch ist, um so schwerer wird’s. Umgekehrt, ist fast kein Bauchspeck da, und man geht in den Pfau, dann drücken die Ellbogen zuviel in die Organe und die Wirbelsäule. Das ist dann das Umgekehrte. So ne mittlere Bauchdecke ist am einfachsten. Ein Tipp für die Hyperschlanken: Man kann eine Decke oberhalb der Oberarme setzen, dann ist es etwas angenehmer. Dann drücken die Knochen der Ellbogen nicht so und quetschen die Organe vor der Wirbelsäule. Für manche kann es sehr schwierig werden, und manche können’s nicht machen, aber es können erheblich mehr Menschen den Pfau machen, als sie denken. Und wenn ihr die Füße noch nicht hochkriegt, dann haltet halt die Hände dort, gebt ein bisschen Druck in den Bauch und hebt den Kopf ein bisschen hoch. Lange halten heißt normalerweise eine halbe bis eine Minute, sehr viel länger hält man kaum Mayurasana. Mir hat mal jemand gesagt, man müsste fünf Minuten Mayurasana halten. Ich musste bei dreieinhalb Minuten aufgeben, ich hab’s ein halbes Jahr probiert. Fünf Minuten Pfau ist schwerer als zwei Stunden Kopfstand. Aber wer’s kann, also da gibt’s ganz besondere Wirkungen, wenn man lange Mayurasana hält.

Dann sagt er hier: Beseitigt alle Beschwerden, die durch zu viel Vata, Pita, Kapha verursacht sind. Man findet öfter, jetzt in dieser Übersetzung, Vata übersetzt mit Wind, Pita übersetzt mit Galle, und Kapha übersetzt mit Schleim. Im Sanskrit steht dort immer, wenn ihr Winde findet Vata, wenn ihr Galle findet Pita, und immer wenn ihr Schleim dort seht, findet ihr Kapha. Übrigens noch ein Wort zu Kapha. Kapha auf Sanskrit wird ausgesprochen Kap-ha. Aber die Hindis, noch ein weiteres Beispiel, bei den Hindis wird ph mit f ausgesprochen. Kaffa. Und da die meisten Ayurvedaärzte nicht Sanskrit, sondern Hindi sprechen, sagen sie Kaffa und nicht Kap-ha, wie es vom Sanskrit her korrekt wäre. Vata ist mehr die luftige Energie, Pita ist die feurige Energie, und Kapha ist die mehr wässrig-erdige Energie. Und die Theorie von Ayurveda bezüglich Krankheiten ist ja, dass Krankheiten kommen, wenn eines der drei Doshas aus seinem natürlichen Mischungsverhältnis herauskommt und zu stark wird. Wenn eben Vata zu stark wird, dann wird der Mensch unruhig, ängstlich, hat Schlafschwierigkeiten, kann sich nicht konzentrieren, und wird vielleicht sogar auch verstopft und so weiter. Wenn das Pita zu stark wird, wird der Mensch eher jähzornig, neigt zu Entzündungen und fühlt sich frustriert und ärgerlich. Wenn Kapha zu stark ist, wird der Mensch träge und hat keine Lust zu irgendwas und es geht in Depressionen, bekommt alle möglichen Gewebeansammlungen und Wasseraufschwemmungen und so weiter, und Schleimproduktion steigt zu weit. Und so, wenn Vata, Pita oder Kapha zu stark wird, dann gibt’s Probleme. So sind die Hatha-Yoga-Übungen auch dazu ausgerichtet, ein Übermaß von Vata, Pita und Kapha zu reduzieren. Und es gibt manche Übungen, die eine ganz spezifische Wirkung haben auf eines der Doshas, und es gibt manche Übungen, die, egal welches Dosha zuviel ist, dieses Dosha reduzieren. Mayurasana z.B., gilt als eine der Übungen, die ein zuviel an irgendwelchen Doshas reduzieren, und so die Doshas zur natürlich angeborenen Prakriti, der natürlich angeborenen Konstitution zurückführen. Gut, also Mayurasana ist gut gegen Unausgewogenheit vonVata, Pita, oder Kapha.

– Sie verdaut mit Leichtigkeit unmäßig und durcheinander eingenommenes Essen.

D.h. wer viel Pfau macht, der kann, der braucht weniger so genau auf seine Ernährung zu achten, mindestens langfristig. Kurzfristig ist es sogar so, wenn man die Asanas und Pranayama verstärkt, dann wird’s sogar so sein, dass man noch sensibler wird. Dann kann man gar nicht mehr die Dinge essen, die einem nicht mehr bekommen. Aber langfristig wird es so sein, dass das Verdauungsfeuer stärker wird, und man dann auch Dinge verdauen kann, die man vorher nicht so verdauen konnte. Das heißt jetzt nicht, das man direkt nach dem Essen den Pfau machen sollte. Obgleich ich euch jetzt eine mit Vorsicht zu genießende Sache sage. Wenn man gemerkt hat nach einer Mahlzeit, die Mahlzeit ist einem nicht bekommen, dann kann man auch einen Liter Salzwasser trinken, oder soviel reingeht, zwei, drei Finger in den Hals, sich übergeben, einen Einlauf nehmen. Anschließend noch mal einen halben bis dreiviertel Liter Wasser trinken und dann eine Minute Pfau machen. Dann ist die ganze Geschichte durch und man braucht jetzt nicht tagelang sich schlecht zu fühlen. Ich sage das, mit Vorsicht zu genießen, wenn jemand von euch ne Geschichte von Bulimie hatte, Ess-/Brechsucht, der macht das bitte nicht. Es ist besser, ein paar Tage übel zu sein, als wieder in diese Suchtkrankheit hinein zu versinken. Und selbstverständlich soll das jetzt keine Ausrede sein, dass man jetzt künftig alles essen kann und nachher weiß man ja, wie man damit umgeht. Aber wenn man mal irgendwo ist und man stellt eben fest, es wird einem übel und schlecht, anstatt da eine Woche zu leiden, kann man diese drei Dinge machen. Kunjar Kriya, Einlauf und noch mal etwas trinken und eine Minute oder so lange, wie es irgend geht Pfau machen. Vielleicht sogar drei oder vier Mal wiederholen. Und dann ist die Sache überstanden.

– und verwandelt sogar das schreckliche Gift Halahala zu Asche.

Das bezieht sich jetzt auf Verschiedenes. Ich habe mal den Mythos vom Milchozean erzählt. Dort habe ich den Mythos insgesamt auf’s Ego bezogen. Aber es gibt noch etwas anderes. Wenn wir intensiv üben, kommen auch verschiedene Reinigungserfahrungen. Und manche haben Reinigungserfahrungen in Form von Kopfweh, manche haben Reinigungserfahrungen in Form von Müdigkeit, manche haben Reinigungserfahrungen in Form von Emotionen und so weiter. Und wenn man merkt, dass dort viele Reinigungserfahrungen kommen, und auch z.B., was manchen Menschen passiert, dass sie mal, nachdem sie eine sehr hohe Erfahrung hatten, dass sie dann abstürzen. Da haben mir grad aus der Gruppe schon zwo Teilnehmerinnen davon erzählt, dort kann helfen, tatsächlich Mayurasana zwo oder drei Mal am Tag zu machen und auch länger zu halten. Kann man probieren. Das hilft, dass diese dunkle Energie, die schon da war und jetzt freigesetzt worden ist und die einen in so eine Depression reinstürzt, dass diese dann verbrannt wird. Also haltet das so im Hinterkopf. Wenn ihr irgendwie nach einer intensiven Praxis, anstatt das ihr euch besser fühlt, fühlt ihr euch irgendwie schlechter, macht dann den Pfau besonders häufig. Und natürlich noch wichtiger ist Beten, und einige Praktiken weitermachen, durchaus mit der gebotenen Sturheit. Nicht die Praktiken auf Null reduzieren, sondern sagen: Eine halbe Stunde am Tag mache ich jetzt diese Praktiken, ob ich Lust darauf hab oder nicht. Etwas braucht man, sonst kann man noch tiefer fallen. Und dafür haben wir ja die Buddhi, unseren Intellekt, unsere freie Urteilskraft, Unterscheidungskraft, dass wir nicht all das machen, wonach wir uns fühlen, sondern dass wir mal auch Dinge machen, wonach wir uns nicht fühlen. Und wenn’s mal eine Phase gibt, wo man eben in Depressionen hinein kommt und traurig ist und gar keine Lust zu irgendwas hat, wäre es wichtig, etwas zu machen. Einfach, damit das Prana nicht noch weiter abfällt, sondern um es etwas zu stabilisieren und dann kommt auch wieder der aufsteigende Ast. Und natürlich mit jemandem zu sprechen kann dann auch helfen, und Pfau eben auch.

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1. Kapitel, Vers 34

Deutsche Übersetzung:

Ausgestreckt wie eine Leiche auf dem Boden ruhen, dieses ist Shavasana. | Shavasana vertreibt die Müdigkeit und bringt Entspannung in den Geist und Körper.

Sanskrit Text:

  • uttānaṁ śava-vad bhūmau śayanaṁ tac chavāsanam |
    śavāsanaṁ śrānti-haraṁ citta-viśrānti-kārakam ||34||
  • उत्तानं शबवद् भूमौ शयनं तच्छवासनम् ।
    शवासनं श्रान्तिहरं चित्तविश्रान्तिकारकम् ॥३४॥
  • uttanam shavavad bhumau shayanam tach chhavasanam |
    shavasanam shranti haram chitta vishranti karakam ||34||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • uttānaṁ : (auf dem Rücken) ausgestreckt (Uttana)
  • śava-vat : wie ein Leichnam (Shava)
  • bhūmau: auf der Erde, dem Erdboden (Bhumi)
  • śayanaṁ : (das) Liegen, Ruhen (Shayana)
  • tad : das (ist, Tad)
  • śava-āsanam : (die) Leichenstellung (Shavasana)
  • śava-āsanaṁ : (die) Leichenstellung
  • śrānti : Ermüdung, Erschöpfung (Shranti)
  • haraṁ : beseitigt, nimmt fort (Hara)
  • citta : (des) Geist(es, Chitta)
  • viśrānti : Erholung, Ruhe (Vishranti)
  • kārakam : bewirkt, verursacht (Karaka)      ||34||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

34. Auf dem Boden mit dem Rücken in voller Länge zu liegen wie ein Leichnam wird Savasana genannt. Das erleichtert die Erschöpfung, die von den anderen Asanas hervorgerufen wird, und bringt dem Geist Ruhe.

Sukadev

34. Auf dem Boden mit dem Rücken in voller Länge zu liegen wie ein Leichnam

– Savasana genannt. Das erleichtert die Erschöpfung, die von anderen Asanas hervorgerufen wird, und bringt dem Geist Ruhe.

So habt ihr’s noch nicht gehört auf der Yogalehrerausbildung, der Sinn von Savasana. Aber ihr habt wahrscheinlich auch schon gespürt, gerade wenn man intensiv Asanas geübt hat. Aber ihr wisst ja, Shavasana hat natürlich auch noch andere Gründe. Es hilft, das Prana, das erweckt worden ist, die einzelnen Chakras, die geöffnet worden sind, […]  Praxis verkürzen, die Entspannung, vielleicht auf zwei Minuten, und das reicht ihnen auch aus. Machen vielleicht die Tiefenentspannung, die längere, in der Mittagspause, oder auch beim Einschlafen oder wenn sie von der Arbeit kommen. Und morgens die Tiefenentspannung ist kurz, aber mindestens diese zwei Minuten sollten schon da sein. Und wenn man merkt, dass die Asanapraxis energiemäßig besonders wirksam war, dann sollte man schon Tiefenentspannung so lange machen, bis man das Gefühl hat, es ist ruhig und harmonisch geworden. Und so wird auch der Geist ruhig.

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1. Kapitel, Vers 35

Deutsche Übersetzung:

Und 84 Asanas sind von Shiva beschrieben worden, | von diesen sind vier als Essenz extrahiert worden. [Diese] beschreibe ich.

Sanskrit Text:

  • catur-aśīty āsanāni śivena kathitāni ca |
    tebhyaś catuṣkam ādāya sāra-bhūtaṁ bravīmy aham ||35||
  • चतुरशीत्यासनानि शिवेन कथितानि च ।
    तेभ्यश्चतुष्कमादाय सारभूतं ब्रवीम्यहम् ॥३५॥
  • chatur ashity asanani shivena kathitani cha |
    tebhyash chatushkam adaya sara bhutam bravimy aham ||35||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • catur-aśīti : 84 (Chaturashiti)
  • āsanāni : (Körper-)Stellungen (Asana)
  • śivena : von Shiva
  • kathitāni : wurden gelehrt, erwähnt (Kathita)
  • ca : und, aber (Cha)
  • tebhyaḥ : von diesen, aus diesen (Tad)
  • catuṣkam : vier („eine Gruppe von vier“, Chatushka)
  • ādāya : genommen, ausgewählt habend (ā + )
  • sāra-bhūtaṁ : als Hauptsache, als Bestes („als das, was die Essenz ist“, Sarabhuta)
  • bravīmi : bespreche, beschreibe (brū)
  • aham : ich (Aham)       ||35||

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

Goraksha sagt: „Es gibt so viele Asanas, wie es lebende Wesen gibt. Shiva hat vierundachtzig Lakhs (ein Lakh = 100.000) gezählt, und nur er kennt sie. Von diesen hat er vierundachtzig ausgewählt, unter diesen vier am meisten von Bedeutung und Nutzen.

Vishnu-devananda

35. Die Zahl der Asanas, die uns Shiva gegeben hat, beträgt vierundachtzig. Von diesen werde ich vier der allerwichtigsten beschreiben.

Sukadev

35. Die Zahl der Asanas, die uns Siva gegeben hat, beträgt vierundachtzig

mal hunderttausend Stück, also 8 Millionen 400.000. Hier steht zwar nur 84, aber im Goraksha Sataka steht von 84 Lakhs, und ein Lakh ist 100.000. 8 Millionen 400.000. Von diesen 8 Millionen 400.000 sind 84 besonders wichtig. Und auf unserer Internetseite habt ihr jetzt so eine Seite, wo all die 84 Asanas drin sind mit ein paar mehr noch, aber die 84 sind die wichtigsten.

– Von diesen werde ich vier der allerwichtigsten beschreiben.

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1. Kapitel, Vers 36

Deutsche Übersetzung:

Siddhasana, Padmasana, Simhasana und Bhadrasana – also diese vier. | Von diesen ist Siddhasana sogar noch die beste und bequem zum fortwährenden Verweilen.

Sanskrit Text:

  • siddhaṁ padmaṁ tathā siṁhaṁ bhadraṁ veti catuṣṭayam |
    śreṣṭhaṁ tatrāpi ca sukhe tiṣṭhet siddhāsane sadā ||36||
  • सिद्धं पद्मं तथा सिंहं भद्रं वेति चतुष्टयम् ।
    श्रेष्ठं तत्रापि च सुखे तिष्ठेत्सिद्धासने सदा ॥३६॥
  • siddham padmam tatha simham bhadram veti chatushtayam |
    shreshtham tatrapi cha sukhe tishthet siddhasane sada ||36||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • siddhaṁ : (die Sitzhaltung der) Vollkommenen (Siddha)
  • padmaṁ : (die Sitzhaltung des) Lotus (Padma)
  • tathā : ebenso, desgleichen (Tatha)
  • siṁhaṁ : (die Sitzhaltung des) Löwen (Simha)
  • bhadraṁ : (die Sitzhaltung der) Glücklichen (Bhadra)
  • vā : oder (auch, Va)
  • iti : so (lauten, Iti)
  • catuṣṭayam : die vier („die Gruppe der vier“, Chatushtaya)
  • śreṣṭhaṁ : besten (Sitzhaltungen, Shreshtha)
  • tatra : unter diesen (vier, Tatra)
  • api : auch, sogar (Api)
  • ca : und, aber (Cha)
  • sukhe : (welche besonders) angenehm, bequem  ist, Sukha)
  • tiṣṭhet : man soll verweilen (sthā)
  • siddhāsane : in der Sitzhaltung der Vollkommenen, im vollkommenen Sitz (Siddhasana)
  • sadā : immer, stets (Sada)     ||36||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

36. Es sind dies: Siddha, Padma, Simha und Bhadra. Von diesen ist die angenehmste und vortrefflichste Siddhasana.

Sukadev

36. Es sind dies: Siddhasana, Padmasana, Simhasana und Bhadrasana. Von diesen ist die angenehmste und vortrefflichste Siddhasana.

Die er vorher schon mal beschrieben hatte und Virasana genannt hat.

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1. Kapitel, Vers 37

Deutsche Übersetzung:

Nun wird Siddhasana erklärt: Die Ferse wird direkt an den Beckenboden gelegt; der andere Fuß wird fest oberhalb des Genitals platziert. Nun wird das Kinn fest auf das Herz gedrückt. | Hier verweilend mit zurückgezogenen Sinnen, richtet [der Yogi] den Blick unbeweglich zwischen die Augenbrauen. Die Position ist als Siddhasana bekannt, da sie die Pforte zur Erlösung aufbricht.

Sanskrit Text:

  • atha siddhāsanam
    yoni-sthānakam aṅghri-mūla-ghaṭitaṁ kṛtvā dṛḍhaṁ vinyasen
    meṇḍhre pādam athaikam eva hṛdaye kṛtvā hanuṁ su-sthiram |
    sthāṇuḥ saṁyamitendriyo’cala-dṛśā paśyed bhruvor antaraṁ
    hy etan mokṣa-kapāṭa-bheda-janakaṁ siddhāsanaṁ procyate ||37||
  • अथ सिद्धासनम्
    योनिस्थानकमङ्घ्रिमूलघटितं कृत्वा दृढं विन्यसे-
    न्मेण्ढ्रे पादमथैकमेव हृदये कृत्वा हनुं सुस्थिरम् ।
    स्थाणुः संयमितेन्द्रियोऽचलदृशा पश्येद्भ्रुवोरन्तरं
    ह्येतन्मोक्षकपाटभेदजनकं सिद्धासनं प्रोच्यते ॥३७॥
  • atha siddhasanam
    yoni sthanakam anghri mula ghatitam kritva dridham vinyasen
    mendhre padam athaikam eva hridaye kritva hanum susthiram |
    sthanuh samyamitendriyo ’chala drisha pashyed bhruvor antaram
    hy etan moksha kapata bheda janakam siddhasanam prochyate ||37||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • atha : nun (Atha)
  • siddha-āsanam : (wird) Siddhasana (erklärt)
  • yoni* : (des) Dammes, Beckenbodens („des Ursprungs“, Yoni)
  • sthānakam : (den) Ort, (die) Stelle (Sthanaka)
  • aṅghri-mūla : (an die) Ferse („Fuß-Wurzel, Ursprung des Fußes“, Anghrimula)
  • ghaṭitaṁ : angelegt, verbunden (Ghatita)
  • kṛtvā : habend („machend“, kṛ)
  • dṛḍhaṁ : fest (Dridha)
  • vinyaset : man lege (vi + ni + as)
  • meṇḍhre : oberhalb des Gliedes, über das Glied (Mendhra)
  • pādam : Fuß (Pada)
  • atha : und, nun, dann
  • ekam : einen (Eka)
  • eva : wahrlich, nur (eva)
  • hṛdaye : auf der Brust („der Herzgegend“, Hridaya)
  • kṛtvā : machend
  • hanuṁ : (das) Kinn (Hanu)
  • su-sthiram : ganz fest, stabil (Su Sthira)
  • sthāṇuḥ : aufrecht, unbeweglich (Sthanu)
  • saṁyamita : (mit) gesammelten, kontrollierten („bezwungenen“, sam + yam)
  • indriyaḥ : Sinn(en, Indriya)
  • acala : unverwandt, unbeweglich (Achala)
  • dṛśā : mit dem Blick („Auge“, Drish)
  • paśyet : man schaue (paś)
  • bhruvoḥ : beide Brauen (Bhru)
  • antaraṁ : zwischen (Antara)
  • hi : weil (Hi)
  • etad : diese (Sitzhaltung, Etad)
  • mokṣa : (zur) Befreiung (Moksha)
  • kapāṭa : (der) Tür (Kapata)
  • bheda : (das) Aufbrechen, Öffnen (Bheda)
  • janakaṁ : bewirkt, verursacht (Janaka)
  • siddhāsanaṁ : Sitzhaltung der Vollkommenen, vollkommene Sitzhaltung (Siddhasana)
  • procyate : wird (sie) genannt (pra + vac)    ||37||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt die Bedeutung von Yoni, was hier „Damm“ bedeutet, wie folgt: – „der Bereich (Pradesha) zwischen (Madhyama) Anus (Guda) und Geschlechtsorgan (Upastha), das (Tad) ist die Stelle (Sthana) des Dammes (Yoni)“: gudopasthayor madhyama-pradeśaḥ yoni-sthanaṃ tat.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

37. Drücke mit der Ferse fest an den Damm und bringe die andere Ferse über das Glied (oder das Schambein). Hefte dein Kinn eng auf deine Brust. Bleibe aufrecht, deine Organe unter Kontrolle, und richte deinen Blick auf den Punkt zwischen den Augenbrauen. Das wird Siddhasana genannt und beseitigt jedes Hindernis auf dem Weg zur Befreiung.

Sukadev

37. Drücke mit der Ferse fest an den Damm

also unterhalb des Kandhapunktes

– und bringe die andere Ferse über das Glied (oder Schambein).

Und jetzt beschreibt er noch Jalandhara Bandha damit.

– Hefte dein Kinn eng an deine Brust. Bleibe aufrecht, deine Organe unter Kontrolle, und richte Deinen Blick auf den Punkt zwischen den Augenbrauen. Das wird Siddhasana genannt und beseitigt jedes Hindernis auf dem Weg zur Befreiung.

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1. Kapitel, Vers 38

Deutsche Übersetzung:

Den linken Knöchel oberhalb des Genitals platzieren und den anderen Knöchel gleichermaßen oberhalb [des Genitals] ablegen. Auch dies wird [als Variation] Siddhasana genannt.

Sanskrit Text:

  • meṇḍhrād upari vinyasya savyaṁ gulphaṁ tathopari |
    gulphāntaraṁ ca nikṣipya siddhāsanam idaṁ bhavet ||38||
  • मेण्ढ्रादुपरि विन्यस्य सव्यं गुल्फं तथोपरि ।
    गुल्फान्तरं च निक्षिप्य सिद्धासनमिदं भवेत् ॥३८॥
  • mendhrad upari vinyasya savyam gulpham tathopari |
    gulpha antaram cha nikshipya siddhasanam idam bhavet ||38||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • meṇḍhrāt : vom Glied (Mendhra)
  • upari : oberhalb (Upari)
  • vinyasya : (an)legend, platzierend (vi + ni + as)
  • savyaṁ : (den) linken (Savya)
  • gulphaṁ : Knöchel (Gulpha)
  • tathā : ebenso, in gleicher Weise (Tatha)
  • upari : darüber, über (diesen)
  • gulpha : Knöchel
  • antaraṁ : (den) anderen (Antara)
  • ca : und (Cha)
  • nikṣipya : legend (ni + kṣip)
  • siddhāsanam : (die) Sitzhaltung der Vollkommenen, vollkommene Sitzhaltung (Siddhasana)
  • idaṁ : (auch) dies (Idam)
  • bhavet : ist, sei, soll sein (bhū)   ||38||

*Anmerkung: Diese Variation von Siddhasana ist auch als Guptasana bekannt, da die beiden übereinandergelegten Knöchel das Geschlechtsteil verborgen (Gupta) halten (vgl. auch die Anmerkung zu Vers 39).

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Brahmananda

38. Jene Siddhasana, wie sie in den vorangegangenen Slokas beschrieben wird, wird von den Nachfolgern Matsyendra praktiziert. Die nun beschriebene gehört zu den anderen Schulen.

Vishnu-devananda

38. Bringe die rechte Ferse über das Glied und die linke über die rechte Ferse. Das wird auch Siddhasana genannt.

Sukadev

38. Bringe die rechte Ferse über das Glied und die linke Ferse über die rechte Ferse. Das wird auch Siddhasana genannt.

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1. Kapitel, Vers 39

Deutsche Übersetzung:

Diese (Sitzhaltung) nennen (einige) die Position der Erleuchteten (Siddhasana), andere kennen sie als Diamant-Stellung (Vajrasana). | Einige nennen sie Befreite-Wesen-Position (Muktasana), wieder andere kennen sie als die geheime Position (Guptasana).

Sanskrit Text:

  • etat siddhāsanaṁ prāhur anye vajrāsanaṁ viduḥ |
    muktāsanaṁ vadanty eke prāhur guptāsanaṁ pare ||39||
  • एतत्सिद्धासनं प्राहुरन्ये वज्रासनं विदुः ।
    मुक्तासनं वदन्त्येके प्राहुर्गुप्तासनं परे ॥३९॥
  • etat siddhasanam prahur anye vajrasanam viduh |
    muktasanam vadanty eke prahur guptasanam pare ||39||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • etad : diese (Sitzposition, Etad)
  • siddhāsanaṁ : Sitzhaltung der Vollkommenen, vollkommene Sitzhaltung (Siddhasana),
  • prāhuḥ : nennt man („sie nennen“, pra + ah)
  • anye : andere (Anya)
  • vajrāsanaṁ : (sie als die) Diamant-Sitzhaltung (Vajrasana)
  • viduḥ : kennen (vid)
  • muktāsanaṁ : (sie die das Glied) nicht verbergende („freigebende“) Sitzhaltung (Muktasana)
  • vadanti : nennen (vad)
  • eke : einige (Eka)
  • prāhuḥ : nennen
  • guptāsanaṁ : (sie die das Glied) verbergende Sitzhaltung (Guptasana)
  • pare : (wieder) andere (Para)     ||39||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda beschreibt die folgenden vier Varianten:

  1. Siddhasana: die linke Ferse (Parshni) liegt am Damm (Yoni), die rechte Ferse über dem Glied (Mendhra)
  2. Vajrasana: die rechte Ferse liegt am Damm, die linke Ferse über dem Glied
  3. Muktasana: beide Fersen liegen übereinandergelegt am Damm, das Glied bleibt frei (Mukta)
  4. Guptasana: beide Fersen liegen übereinandergelegt über dem Glied, dieses wird so verborgen bzw. „geschützt“ (Gupta)

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

39. Manche sagen, das sei Siddhasana, andere Vajrasana, andere Muktasana und andere Guptasana.

Sukadev

39. Manche sagen, das sei Siddhasana, andere Vajrasana, andere Muktasana und andere Guptasana.

Es gibt also verschiedene Worte für die gleiche Asana. Die Hatha Yogis waren nicht so, es gab keine Konzile, wo die sich geeinigt haben, wie was genannt wird. Es gibt Traditionen, und die Meister haben was gefunden, Namen gegeben und andere haben sie anders genannt.

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1. Kapitel, Vers 40

Deutsche Übersetzung:

Wie maßvolle Ernährung unter den Yamas und Gewaltlosigkeit unter den Niyamas am wichtigsten ist, | so ist unter den Asanas Siddhaasana, von den erleuchteten Wesen, als die Erste bekannt.

Sanskrit Text:

  • yameṣv iva mitāhāram ahiṁsā niyameṣv iva |
    mukhyaṁ sarvāsaneṣv ekaṁ siddhāḥ siddhāsanaṁ viduḥ ||40||
  • यमेष्विव मिताहारमहिंसा नियमेष्विव ।
    मुख्यं सर्वासनेष्वेकं सिद्धाः सिद्धासनं विदुः ॥४०॥
  • yameshv iva mitaharam ahimsa niyameshv iva |
    mukhyam sarvasaneshv ekam siddhah siddhasanam viduh ||40||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • yameṣu : (unter den) Yama (genannten Regeln)
  • iva : wie (Iva)
  • mita-āhāram : maßvolles Essen (Mitahara)
  • ahiṁsā : Gewaltlosigkeit, Nichtschädigen (Ahimsa)
  • niyameṣu : (unter den) Niyama (genannten Regeln)
  • iva : wie
  • mukhyaṁ : erste, beste, wichtigste, vorzüglichste (Mukhya)
  • sarva : (unter) allen (Sarva)
  • āsaneṣu : Sitzhaltungen, Körperstellungen (Asana)
  • ekaṁ : (als die) eine, einzige, alleinige (Eka)
  • siddhāḥ : (die) Vollkommenen (Siddha)
  • siddhāsanaṁ : (die) Sitzhaltung der Vollkommenen, vollkommene Sitzhaltung (Siddhasana)
  • viduḥ : (so) kennen (vid)     ||40||

*Anmerkung: Im Vers 17 wurden sowohl Mitahara (maßvolles Essen) als auch Ahimsa (Gewaltlosigkeit) unter die zehn Yamas gezählt, während im vorliegenden Vers Ahimsa als wichtigster der Niyamas erwähnt wird. Dies deutet darauf hin, dass die Verse 17 und 18 nicht zum ursprünglichen Text gehören, sondern vermutlich aus späteren Kommentaren übernommen worden sind, die offenbar durch das Yogasutra (II, 30) beeinflusst waren. Dort wird Ahimsa als erster und wichtigster der (fünf) Yamas aufgelistet (vgl. auch die Anm. zu Vers 17).

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

40. Die Siddhas sagen, dass unter den Niyamas die bedeutendste ist, niemandem irgendein Leid zuzufügen, und unter den Yamas eine gemäßigte Diät; so ist es mit Siddhasana unter den Asanas.

Sukadev

40. Die Siddhas sagen, dass unter den Niyamas die bedeutendste ist Ahimsa, niemandem ein Leid zuzufügen, und unter den Yamas eine gemäßigte Diät; so ist es mit Siddhasana unter den Asanas.

Es gibt verschiedene Namen, und das ist jetzt nicht so eindeutig zugeordnet. Die Namen der Asanas haben jetzt nicht unbedingt Mantracharakter. Das sind einfach Bezeichnungen. Die Virhabhadrasana wird dann als Helden– oder Kriegerstellung bezeichnet, aber eigentlich ist es die Stellung eines bestimmten Dieners von Shiva, der heißt Virhabhadra, aber Virha heißt auch,’der voller Kraft ist’, und dann kann man das genau so gut nennen‚’die auf einem Bein gebeugt stehende Übung’. Die Vorwärtsbeuge kann man Paschimottanasana nennen, Paschimottan – die die Wirbelsäule öffnet. Oder man kann sie nennen ‚die ‚Dwipadaasana, die Zweifußstellung’, weil wir da mit beiden Händen an die Füße gehen. Und so gibt’s verschiedene Namen, und manchmal bezeichnet sogar der gleiche Name zwei verschiedene Übungen. Selbst Sanskrit ist nicht so präzise. Jetzt hat er’s zwar ein bisschen durcheinander gebracht hier, denn Ahimsa gehört zu den Yamas, und die gemäßigte Diät hat er sowohl unter den Yamas als auch Niyamas. Aber die Hatha Yoga Pradipika ist keine logische Schrift. Will halt hier sagen, von allen Yamas und Niyamas ist Ahimsa wichtig. Beim Hatha Yoga ist besonders wichtig die richtige Ernährung, sattvige Ernährung. Und Siddhasana gilt als wichtigste Asana. Gerade für Pranayama, wer’s irgendwie kann, ist es empfehlenswert, Siddhasana zu üben und zu lernen.

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