3. Kapitel, Vers 9

Deutsche Übersetzung:

Die Techniken der Mudras sollen sorgfältig geheim gehalten werden, wie eine Truhe voll Juwelen. | Mit niemandem soll darüber gesprochen werden, wie über den Sex mit einer guten Frau.

Sanskrit Text:

  • gopanīyaṁ prayatnena yathā ratna-karaṇḍakam |
    kasya cin naiva vaktavyaṁ kula-strī-surataṁ yathā ||9||
  • गोपनीयं प्रयत्नेन यथा रत्नकरण्डकम् ।
    कस्यचिन् नैव वक्तव्यं कुलस्त्रीसुरतं यथा ॥९॥
  • gopaniyam prayatnena yatha ratna karandakam |
    kasya chin naiva vaktavyam kula stri suratam yatha ||9||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • gopanīyaṁ : (diese Gruppe der zehn Mudrās) ist geheim zu halten (Gopaniya)
  • prayatnena : sehr sorgsam (Prayatna)
  • yathā : (so) wie (Yatha)
  • ratna : (mit) Edelstein(en, Ratna)
  • karaṇḍakam : (ein) Kästchen (Karandaka)
  • kasya cid : irgend jemandem (Ka Chid)
  • na : nicht (Na)
  • eva : gewiss, gar (Eva)
  • vaktavyaṁ : (es) soll (darüber) gesprochen werden (Vaktavya)
  • kula : (aus guter) Familie (Kula)
  • strī : (mit einer) Frau (Stri)
  • surataṁ : (über den) Beischlaf, Sex (Surata)
  • yathā : (so) wie       ||9||

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

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Vishnu-devananda

9. Dies sollte sorgfältig geheim gehalten werden wie eine Schatztruhe voll mit Diamanten und niemanden verraten werden, genauso wie das illegitime Verhältnis mit einer verheirateten Frau aus gutem Hause.

Die drei wichtigsten Verschlüsse und Siegel sind: Maha Bandha, Maha Mudra und Maha Vedha. Sie sind sehr leicht zu erlernen, aber die Pradipika weist uns an, sie geheim zu halten und nicht an jedermann weiterzugeben. Erstens einmal würden uns die Leute auslachen, wenn wir ihnen von diesen Dingen erzählen, und außerdem würden sie nie verstehen, was es bedeutet den Atem in die Sushumna zu führen. Deshalb sprecht zu niemandem darüber, außer er hat sich durch Übung dafür qualifiziert. Dann wird Segen erwachsen aus diesen drei wunderbaren Übungen.
An dieser Stelle möchte ich über das Wesen des Pranas und seine Bewegung sprechen. Da der Körper nicht nur chemischer, sondern auch elektrischer Natur ist, können Yogis auf den elektrischen Körper durch Pranayama, Bandhas und Mudras einwirken. Alle diese Vorgänge sind miteinander verknüpft.
Am Beginn der Yogapraxis versucht man die Nadis durch Anuloma Viloma (Wechselatmung) im Verhältnis 1:4:2 zu reinigen. Man tut dies, damit sich beim Prana (der Impuls der Lebenskraft, der vom Gehirn ausgeht) eine Art Rhythmus entwickelt. (Letztendlich kann man auch das Apana in einen gewissen Rhythmus bringen, aber nur dann, wenn man sehr lange daran gearbeitet hat.)
Man entdeckt hierbei kein körperliches Phänomen, da Mudras und Bandhas subtileren Charakter haben als Asanas und Pranayama. Sogar ein Anfänger kann die Vorzüge der Asanas erkennen. Asanas und Pranayama wirken mehr auf der grobstofflichen physischen Ebene, jedoch sind sie der Weg, der zu den Mudras und Bandhas führt.
Das, was in Raja Yoga Meditation heißt, wird in Hatha Yoga „Anhalten der Impulse“ genannt. Aber im Grunde sind sie ein und dasselbe. Will man einen Ventilator anhalten, muss man ihn abschalten, so dass der elektrische Impuls nicht länger in den Motor gelangt, der seine Lamellen bewegt. Ebenso versuchen wir die verschiedenen Sinne durch die Gedankenkraft auszuschalten.
Prana lädt sich auf, während man ganz sanft atmet. Gleichzeitig bewirkt die Anwendung der Bandhas eine Verlangsamung des Herzschlages. Auch der Puls verringert sich und der Stoffwechsel wird herabgesetzt; die Gehirnströme bewegen sich von Beta nach Alpha hinab. Bei noch intensiverer Kontrolle der Atemtätigkeit vermindern sich die Gehirnströme bis zum Theta-Stadium (3-7 Zyklen) und kommen schließlich zum Stillstand. So sehen wir, dass die Intensität der Gehirnströme durch die Atemtätigkeit beeinflusst werden kann.
Im täglichen Leben lassen wir auch nicht alle Töne auf uns einwirken. Wir konzentrieren uns nur auf solche, die uns angenehm sind. Ein Beispiel wäre der Lärm des Presslufthammers, der eine Straße aufreißt oder die Misstöne, die an unser Ohr dringen, wenn uns jemand beschimpft. Man versucht, solche Eindrücke von sich fernzuhalten, damit sie nicht das Gehirn erreichen, um negative Empfindungen in der Gedankensphäre auszulösen. Dasselbe tut man bei einem schrecklichen Anblick oder einem üblen Geruch (wie z. B. der Absonderung eines Stinktieres); man versucht, sie nicht an sich herankommen zu lassen. Jetzt könnt ihr vielleicht eher verstehen, was wir mit Bandhas und Mudras bewirken wollen. Wir schalten die Impulse ab und hindern sie daran, das Gehirn zu erreichen. Es wird uns nicht gelingen alle Ströme abzublocken, aber wir versuchen, so viele Impulse wie möglich aufzuhalten. Am Anfang müsst ihr lernen, die Kontrolle über die Ströme durch einzelne so genannte Schaltstellen zu erlangen, aber später wird euch das so sehr zur Gewohnheit geworden sein, dass ihr wie mit „Fernsteuerung“ arbeitet. Alles kommt zum Stillstand.
Ihr glaubt vielleicht, ein bedeutender Lehrer braucht euch nur zu berühren, und ihr habt es nicht mehr notwendig, Asanas, Bandhas oder Mudras zu üben. Normalerweise geht das nicht so vor sich. Aber in einigen, wenigen Ausnahmefällen mag es so geschehen, wenn nämlich der Schüler alle diese Dinge schon in früheren Inkarnationen geübt hat. Sind die meisten dieser Blockierungen bereits beseitigt, so können die wenigen, die in der gegenwärtigen Inkarnation noch verblieben sind, sogar schon durch einen Blick, eine Berührung oder ein Wort es Meisters zum Verschwinden gebracht werden. Dann erreicht der Schüler den höchsten Samadhi. Aber, wie ich schon vorher erwähnt habe, ist das nur sehr selten der Fall.

Sukadev

9. Dies sollte sorgfältig geheimgehalten werden wie eine Schatztruhe voll mit Diamanten und niemandem verraten werden, – genauso wie das illegitime Verhältnis mit einer verheirateten Frau aus gutem Hause.

Also wie ein Schatzkästchen mit Diamanten, und jetzt steigert er das nochmal. Also er verlässt die vornehme brahmanische Ausdrucksweise an mehreren Stellen, zum Zeichen, dass er jetzt nicht orthodox ist. Also haltet bitte die Mudras sorgfältig geheim, wie das illegitime Verhältnis mit einer verheirateten Frau aus gutem Hause. Besonders aus gutem Hause. Was auch immer das heißen soll. Es ist bewusst so formuliert, dass es für viele Menschen als Frechheit empfunden wird. Ich kann dir sagen, in der indischen Zeit, als das geschrieben wurde, war das noch eine erheblich größere Frechheit, als heute. Drum sollte man’s ja so geheim halten, genau. Also, man kann sich da jetzt furchtbar drüber ärgern, oder man kann’s lächelnd zur Kenntnis nehmen und sich von den anderen Versen inspirieren lassen. Die Mudras sind jetzt also nichts, was ihr euren Schülern zuhause beibringen werdet.

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