3. Kapitel, Vers 5

Deutsche Übersetzung:

Deshalb soll der Yogi voll Enthusiasmus die Praxis der Mudras praktizieren um die Göttin zu wecken, | die am Eingang zu Brahma’s Tür schläft.

Sanskrit Text:

  • tasmāt sarva-prayatnena prabodhayitum īśvarīm |
    brahma-dvāra-mukhe suptāṁ mudrābhyāsaṁ samācaret ||5||
  • तस्मात्सर्वप्रयत्नेन प्रबोधयितुमीश्वरीम् ।
    ब्रह्मद्वारमुखे सुप्तां मुद्राभ्यासं समाचरेत् ॥५॥
  • tasmat sarva prayatnena prabodhayitum ishvarim |
    brahma dvara mukhe suptam mudrabhyasam samacharet ||5||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • tasmāt : daher, deshalb (Tasmat)
  • sarva : (mit) aller (Sarva)
  • prayatnena : Anstrengung, Bemühung (Prayatna)
  • prabodhayitum : um zu erwecken (Prabodha)
  • īśvarīm* : (die) Göttin, Herrin, Gebieterin (Ishvari)
  • brahma-dvāra** : (der) Tür (zum) Brahman (Brahmadvara)
  • mukhe : am Eingang („Mund“, Mukha)
  • suptāṁ : (welche) schläft (Supta)
  • mudrā : (der verschiedenen) Siegel (Mudra)
  • abhyāsaṁ : (die) Praxis, Übung (Abhyasa)
  • samācaret : (man) soll ausführen (sam + ā + car)       ||5||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass mit der „schlafenden (Supta) Göttin (Ishvari)“ hier die Kundali(ni) gemeint ist: suptām īśvarīṃ kuṇḍalīm.

**Anmerkung: Brahmananda definiert hier das Absolute (Brahman) als durch Sein (Sat), Bewusstsein (Chit) und Glückseligkeit (Ananda) charakterisiert (Lakshana): brahma sac-cid-ānanda-lakṣaṇam. Die „Tür (Dvara) zum Brahman“ (Brahmadvara) ist die Sushumna, das „Mittel (Upaya) zum Erreichen (Prapti)“ desselben (tasya): tasya dvāraṃ prāpty-upāyaḥ suṣumnā. Diesen Eingang (Dvara) hält die Kundali(ni) gewöhnlich mit ihrem Mund (Mukha) verschlossen (pidhāya): mukhena suṣumnā-dvāraṃ pidhāya.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 43 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

5. Deshalb sollte der Yogi die verschiedenen Mudras sorgfältig üben, um die große Göttin (Kundalini) zu wecken, die schlummernd die Mündung der Sushumna zuhält (das Tor zum Absoluten).

6. Maha Mudra, Maha Bandha, Maha Vedha, Khechari, Uddiyana, Mula- und Jalandhara Bandha, Viparita Karani, Vajroli und Shakti Chalani…

Khechari ist das Einschneiden der Zunge. Es ruft eine künstliche Art von Samadhi hervor, Jada Samadhi oder unwirksames Samadhi genannt; es kann dich zu den höchsten Erfahrungen bringen oder deine Begierden auslöschen. Es ist ein Versuch, ohne vorherige Reinigung, das Prana aufzuhalten.
Vajroli ist eine körperliche Kontraktion, durch die das Wasser durch die Harnröhre hinaufgezogen wird. Dann erhöht man allmählich die Dichte der Flüssigkeit (mittels Honig etc.), so dass letztendlich sogar eine sexuelle Ejakulation nach rückwärts gezogen werden kann. Es ähnlich dem Basti, bei dem Wasser durch das Vakuum, das entsteht, wenn man Nauli ausführt, in den Dickdarm hinaufgezogen wird. Aber für unsere Zwecke ist es nicht notwendig Vajroli zu üben, weil wir dieselben Erfolge durch Mula Bandha erzielen können, indem wir eben diesen Impuls stoppen.
Uddiyana-, Mula- und Jalandhara Bandha sind dir schon bekannt. Viparita Karani ist wie der Schulterstand, nur in schräger Position. Man will dabei die Energie nach hinten ziehen. Im Allgemeinen träufelt der Nektar vom Mond in der oberen Sphäre auf die Sonne unterhalb, die ihn gierig aufnimmt. Aber indem man den Körper umdreht, ist dieser Nektar gefangen und der Körper bleibt ewig jung. Das ist die dahinterliegende Theorie. Viparita Karani sollte daher nur am Morgen und nicht am Abend ausgeführt werden.
Will man Shakti Chalani machen, muss man Bhastrika durchführen und den Körper auf- und niederschlagen.
Bevor man beginnt, diese Mudras und intensives Pranayama zu üben, muss man auf die richtige Diät äußerst bedacht sein. Man kann auch nicht allzu sehr in unkontrollierten sexuellen Praktiken schwelgen, weil dadurch das Prana in die falsche Richtung gelenkt wird. So übt euch in Enthaltsamkeit, so gut ihr könnt, aber unterdrückt eure sexuellen Gefühle nicht, sondern führt sie auf eine höhere Ebene. Übt Yama und Niyama und zur Reinwerdung so viel wie möglich Japa. Dann wird Shakti durch Shakti Chalani erweckt, wie eine wohlschmeckende reife Frucht. Nimmt man aber eine unreife Frucht und versucht sie durch Drücken reif zu machen, dann mag sie zwar weich erscheinen, aber sie wird sauer bleiben. Dasselbe gilt für spirituelle Praktiken. Lasst sie reifen, versucht nichts zu erzwingen.

Sukadev

5. Deshalb sollte der Yogi die verschiedenen Mudras sorgfältig üben, um die große Göttin (Kundalini) zu wecken, die schlummernd die Mündung der Sushumna zuhält (das Tor zum Absoluten).

Gut. Er beschreibt jetzt zehn Mudras. Die Ghera Samhita beschreibt 32 Mudras. Die zehn Mudras hier sind jetzt nicht identisch sind mit den Mudras, die ihr nach Sivananda übt. Diese Mudrareihe nach Sivananada hat natürlich eine gewisse Logik. Zuerst wird durch Mahamudra die ganze Sushumna geöffnet, dann geht man Schritt für Schritt die Chakras nach oben. Dann über Viparitakaranimudra wird noch mal besonders die Sonnen- und Mondenergie aktiviert. Und dann zum Schluss über die Kechari Mudra wird die Mondenergie verstärkt, so dass zum Abschluss eine harmonisierende, beruhigende, entspannende Energie da ist. Aber es gibt auch andere Mudrareihen.

Meine Erfahrung ist, das diese Mudrareihe für die Menschen effektiver ist, und letztlich machtvoller sind. Man würde auch jetzt die Mudras nicht allein für sich machen. Man kann aber die Mudras auch direkt nach den Asanas machen, man kann sie direkt nach beispielsweise dem Drehsitz machen, man kann sie nach der Vorwärtsbeuge entstehen lassen. Wenn man die Mudras macht, muss man am gleichen Tag zwanzig Minuten Wechselatmung machen. Das kann man direkt davor machen oder auch später oder nachher. Andere würden erklären: Es ist verrückt, fünfundfünfzig Minuten ist wenig.

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