3. Kapitel, Vers 1

Deutsche Übersetzung:

So wie der König der Schlangen die Gebirge und Wälder der Erde trägt, | so trägt die Kundalini ohne Zweifel die Yoga Tantren.

Sanskrit Text:

  • sa-śaila-vana-dhātrīṇāṁ yathādhāro’hi-nāyakaḥ |
    sarveṣāṁ yoga-tantrāṇāṁ tathādhāro hi kuṇḍalī ||1||
  • सशैलवनधात्रीणां यथाधारोऽहिनायकः ।
    सर्वेषां योगतन्त्राणां तथाधारो हि कुण्डली ॥१॥
  • sa shaila vana dhatrinam yathadharo’hi nayakah |
    sarvesham yoga tantranam tathadharo hi kundali ||1||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • sa : samt (ihren, Sa)
  • śaila : Bergen (Shaila)
  • vana : (und) Wäldern (Vana)
  • dhātrīṇāṁ : (der) Erde („irdischen Gegenden“, Dhatri)
  • yathā : wie (Yatha)
  • ādhāraḥ : (die) Grundlage, Basis, Stütze (ist, Adhara)
  • ahi* : (der) Schlangen (Ahi)
  • nāyakaḥ* : (der) Anführer, Fürst (Nayaka)
  • sarveṣāṁ : aller (Sarva)
  • yoga : (des) Yoga (Yoga)
  • tantrāṇāṁ : Praktiken, Lehren (Tantra)
  • tathā : genau so (Tatha)
  • ādhāraḥ : (die) Grundlage, Basis, Stütze
  • hi : gewiss (Hi)
  • kuṇḍalī** : (ist die) Kundali (die „geringelte“ Schlangenkraft Kundalini)        ||1||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda ergänzt, dass mit „Schlangenfürst“ (AhiNayakaShesha gemeint ist, als dessen Verkörperung auch Patanjali angesehen wird: ahi-nāyakaḥ śeṣaḥ.

** Anmerkung: Brahmananda definiert hier die Kundali(ni) als die „an der Basis (Adhara, d.h. im Muladhara Chakra ruhende) Kraft (Shakti)“: kuṇḍaly ādhāra-śaktiḥ.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

1. Wie Ananta, der Schlangengott, das ganze Universum mit seinen Bergen und Wäldern trägt, so ist Kundalini die wesentlichste Stütze aller Yoga-Praktiken.

2. Wenn die Kundalini schlummert, wird sie durch die Gunst des Gurus geweckt, und alle Lotusse (Nervenzentren) und Granthis (Knoten) werden durchstoßen.

Die Granthis befinden sich in der Sushumna. Der Brahma Granthi liegt im Muladhara Chakra; der Vishnu Granthi im Manipura Chakra; der Rudra Granthi im Ajna Chakra. Sie können durchbrochen werden, indem man Pranayama, Bandhas und Mudras ausführt.
Was meint nun „die Gunst des Gurus“? Wenn ihr Vertrauen zum Guru habt, wird er euch lehren, den Zeitpunkt zu erkennen zu dem ihr für die Übung bereit seid.

Sukadev

Das dritte Kapitel hat als Hauptthema die Mudras. Und da die Mudras Kundalini erwecken wollen und auch die Kundalini aktivieren wollen, schreibt er zuerst über Kundalini.

1. Wie Ananta, der Schlangengott, das ganze Universum mit seinen Bergen und Wäldern trägt, so ist Kundalini die wesentlichste Stütze aller Yoga-Praktiken.

Das bezieht sich auf einen Schöpfungsmythos. Es gibt in indischen Schriften zahllose Schöpfungsmythen. Das zeigt, dass keiner wörtlich genommen werden soll, sondern nur, dass bestimmte Prinzipien ausgedrückt werden sollen. Da war es so, dass erst der Ozean da war. Auf dem Ozean war Ananta, die Weltenschlange. Auf dieser Weltenschlange liegt Vishnu. Aus Vishnus Nabel heraus kommt der Lotus, dieser Lotus ist Lakshmi, und auf Lakshmi, diesem Lotus von Lakhsmi, sitzt Brahma, der Schöpfer. Der Schöpfer macht Tapas, bzw.Pranayama. Dann schafft er als erstes daraus die Veden, und aus den Veden die gesamte Schöpfung. Die Wasser des Meeres symbolisiert dort Shiva, das reine Bewusstsein. Ananta, die Schlange, symbolisiert dort Shakti, die kosmische Energie. Vishnu symbolisiert Ishvara, den persönlichen Gott, der letztlich aus Ananta, der Schlange, erwächst, und damit Teil der Shakti ist, und dort in verschiedenen Stufen erstmal als Vishnu, als Kraft der Liebe erscheint. Daraus folgt Lakshmi, die Kraft der Fülle, daraus Brahma, der Schöpfer, der mittels Pranayama diese Kraft konzentriert und damit in verschiedene Teile gibt, der die Veden schafft, das heißt, das Urwissen. Und damit die Urprinzipien, und Archetypen, und die Urideen, und daraus kann dann die ganze Welt in ihren verschiedenen Unterteilungen entstehen. Und so ruht die ganze Welt letztlich in Ananta, weil sie alle Teile der Shakti sind. Und so ist Kundalini die wesentliche Stütze aller Yogapraktiken. Er sagt ja, nicht nur der Hatha-Yoga-Praktiken, sondern aller Praktiken. Jede Bewusstseinserweiterung ist mit einer Erweckung der Kundalini verbunden. Auch bei spirituellen Wegen, die gar nicht von Kundalini sprechen. Wenn die Bewusstseinserweiterung stattfindet, ist immer die Kundalini erweckt.

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