2. Kapitel, Vers 70

Deutsche Übersetzung:

Nun Plavini: Voll von bester Luft in den Bauch geschluckt, | schwimmt (der Yogi) mit Leichtigkeit wie ein Lotus-Blatt sogar auf tiefem Wasser.

Sanskrit Text:

  • atha plāvinī-
    antaḥ-pravartitodāra-mārutāpūritodaraḥ |
    payasy agādhe’pi sukhāt plavate padma-pattra-vat ||70||
  • अथ प्लाविनी
    अन्तःप्रवर्तितोदारमारुतापूरितोदरः ।
    पयस्यगाधेऽपि सुखात् प्लवते पद्मपत्रवत् ॥७०॥
  • atha plavini
    antah pravartitodara marutapuritodarah |
    payasy agadhe’pi sukhat plavate padma pattra vat ||70||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • atha : nun (folgt, Atha)
  • plāvinī : Plavini (das „Vollpumpen“)
  • antar : ins Innere (des Körpers, Antar)
  • pravartita : geleiteter („gesendeter“, Pravartita)
  • udāra : vorzüglicher, ausgezeichneter (Udara)
  • māruta : Luft („Wind“, Maruta)
  • āpūrita : vollständig gefüllt ist (mit, Purita)
  • udaraḥ : (ein Yogi, dessen) Bauch (Udara)
  • payasi : Wasser (Payas)
  • agādhe : auf tiefem („nicht seichtem“, Agadha)
  • api : sogar (Api)
  • sukhāt : mühelos, leicht (Sukha)
  • plavate : er schwimmt, schwebt (plu)
  • padma : (eines) Lotus (Padma)
  • pattra-vat : wie (vat) das Blatt (Pattra)         ||70||

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

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Vishnu-devananda

Nachdem er die Lungen vollständig mit Luft angefüllt hat, bis sie aufgeblasen sind, bewegt sich der Yogi auf Wassern von großer Tiefe wie ein Lotusblatt. Das ist Plavini.

Sukadev

70. Nachdem er die Lungen vollständig mit Luft angefüllt hat, bis sie aufgeblasen sind, bewegt sich der Yogi auf Wassern von großer Tiefe wie ein Lotusblatt. Das ist Plavini.

Das ist jetzt wieder ein Übersetzungsfehler hier. Das sind nicht die Lungen, die man aufbläst, sondern Magen und Darm. Man kann die Lungen aufblähen, aber im Normalfall wird sogar das Aufblähen des Bauches so genannt. Also als Anfänger schluckt man Luft, bis der Magen und die Lungen mit Luft angefüllt sind. Und dann kann man im Lotus vor allem liegend auf dem Rücken auf einem See endlos schwimmen.

Der Swami Vishnu konnte die Luft richtig einsaugen. Der hat uns das irgendwann mal vorgemacht, da ist der Bauch noch mal so richtig zehn Zentimeter weiter geworden. Der konnte seinen Bauch so richtig mit Luft füllen. Und da haben wir mal gefragt, wie wir das üben sollen, und da hat er uns gesagt: „Don’t worry about it.“ Leider muss ich sagen, er hat’s uns nicht genauer erklärt. Er hat gesagt, in irgendeinem Stadium von fortgeschrittener Praxis ist es hilfreich, aber wir sollten uns da keine Gedanken drüber machen. Also für’s normale Pranayama spielt es keine Rolle. Ich vermute, wenn man sehr viel Pranayama macht, und das über einen längeren Zeitraum, dann kann das, um die Bandhas noch vollständiger zu machen, gerade dann, wenn man nicht genügend Volumen im Bauch- oder Brustraum hat, eine Hilfe sein, den Bauch aufzublähen, damit der Druck der Bandhas etwas stärker wird.

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2. Kapitel, Vers 71

Deutsche Übersetzung:

Es wird gesagt, dass es drei Arten von Pranayama (gibt): Ausatmung, Einatmung und Anhalten. | Das Anhalten selbst wird als zweigestalt angenommen: verbunden und isoliert.

Sanskrit Text:

  • prāṇāyāmas tridhā prokto reca-pūraka-kumbhakaiḥ |
    sahitaḥ kevalaś ceti kumbhako dvividho mataḥ ||71||
  • प्राणायामस्त्रिधा प्रोक्तो रेचपूरककुम्भकैः ।
    सहितः केवलश्चेति कुम्भको द्विविधो मतः ॥७१॥
  • pranayamas tridha prokto recha puraka kumbhakaih |
    sahitah kevalash cheti kumbhako dvividho matah ||71||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • prāṇāyāmaḥ : (die) Atemzügelung (Pranayama)
  • tridhā* : in dreifacher Weise (Tridha)
  • proktaḥ : wird gelehrt (Prokta)
  • reca : (in Form von) Ausatmung (Recaka-Prāṇāyāma*, d.h. Atemverhaltung nach erfolgter Ausatmung, Recha)
  • pūraka : Einatmung (Pūraka-Prāṇāyāma*, d.h. Atemverhaltung nach erfolgter Einatmung, Puraka)
  • kumbhakaiḥ : (und) Atemverhaltung (Kumbhaka-Prāṇāyāma*, d.h. Atemverhaltung ohne vorhergehende Aus- oder Einatmung, Kumbhaka)
  • sahitaḥ : verbunden (mit Aus- bzw. Einatmung, dies entspricht nach Brahmānandas Kommentar Recaka- bzw. Pūraka-Prāṇāyāma, Sahita)
  • kevalaḥ : isoliert, unabhängig  (von Aus- bzw. Einatmung, dies entspricht nach Brahmānandas Kommentar Kumbhaka-Prāṇāyāma, Kevala)
  • ca : und (Cha)
  • iti : so, somit (Iti)
  • kumbhakaḥ : (die) Atemverhaltung
  • dvividhaḥ* : (als) von zweierlei Art (Dvividha)
  • mataḥ : wird erachtet („geschätzt“, Mata)           ||71||

*Anmerkung: Den Erläuterungen des Kommentators Brahmananda folgend unterteilt man die Atemzügelung (Pranayama) einerseits dreifach (tri-dhā), und zwar in RechakaPranayama, PurakaPranayama und Kumbhaka-Pranayama. Eine weitere Art der Einteilung ist die zweifache (dvi-vidha) Unterscheidung von SahitaKumbhaka und KevalaKumbhaka. SahitaKumbhaka bezeichnet nach Brahmānanda RechakaPranayama bzw. PurakaPranayama, je nachdem, ob der Atemverhaltung eine Aus- oder Einatmung vorausgeht. KevalaKumbhaka ist wiederum nicht verschieden (abhinna) von Kumbhaka-Pranayama: kevala-kumbhakaḥ kumbhaka-prāṇāyāmād abhinnaḥ.

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

Die erste Art von Pranayama besteht darin, dass man zuerst Rechaka ausführt, die zweite (Art) darin, dass man Puraka zuerst ausführt. Die dritte ist plötzliches Anhalten des Atems ohne Puraka und Rechaka. Sahita Kumbhaka gibt es in zwei Arten: die erste gleicht der ersten Art von Pranayama, die zweite gleicht der zweiten Art von Pranayama. Kevala Kumbhaka ist dasselbe wie Kumbhaka Pranayama.

Vishnu-devananda

Es gibt drei Arten von Pranayama: Rechaka Pranayama, Puraka Pranayama und Kumbhaka Pranayama. Kumbhaka gibt es auch auf zwei Arten: Sahita und Kevala.

Sukadev

71. Es gibt drei Arten von Pranayama: Rechaka-Pranayama, Puraka-Pranayama und Kumbhaka-Pranayama.

Das kann man jetzt auf drei Weisen interpretieren: Man kann sagen: Das Einatmen, anhalten und ausatmen – auch Patanjali gibt ja in seinem zwoten Kapitel eine geniale Weise, Pranayama zu erklären. Er sagt: Pranayama besteht aus einatmen, anhalten und austamen, und wird durch Dauer, Ort und Anzahl reguliert. Ort: Linkes Nasenloch, rechtes Nasenloch, beide Nasenlöcher, dann mal durch den Mund. Dauer: Man kann länger anhalten, weniger lang anhalten. Anzahl: Wieviele Runden man macht. Eigentlich, wenn man das so weiß, sieht man: So kompliziert ist Pranayama nicht. Die ganzen Pranayama-Übungen entscheiden sich nur, wo man atmet, wie lange man atmet, in welchem Rhythmus und wie oft. Und Brahmananda, ein Hatha-Yoga-Meister, ich glaube im 19. Jahrhundert war, gibt in seinem Kommentar an: Man kann Pranayama machen, indem man die Luft anhält nach dem Einatmen, und nach dem Ausatmen. Es gibt manche Pranayamas, da ist das Ausatmen nach dem Einatmen wichtiger, und es gibt manche Pranayamas, da ist das Anhalten nach dem Einatmen wichtiger, und manche, da ist das Anhalten nach dem Ausatmen wichtiger. Es gibt bei allen Pranayamas grundsätzlich das Kumbhaka.

– Kumbhaka gibt es auch auf zwei Arten: Sahita und Kevala.

Sahita Kumbhaka ist das bewusste Anhalten des Atems nach ein- und ausatmen. Kevala heißt mit bewusstem Anhalten nach bewusstem Ein- oder bewusstem Ausatmen. Kevala heißt wörtlich: Natürlich. Und Kevala heißt auch: Anstrengungslos, es entsteht von selbst. Und Kevala Kumbhaka, wenn es vollständig und spontan entsteht, ist das Aussetzen des Atems ohne ein- und ausatmen. Es kann ganz sanftes ein- und ausatmen noch damit verbunden sein, aber eben nur ein ganz sanftes und wenig.

Es gibt eine Übung von Kevala Kumbhaka, indem man den Atem bewusst verlangsamt und verflacht, so dass man nur noch wenig Luft einatmet und wenig Luft ausatmet. Prana steuert auch unser Atemsystem. Wenn kein Prana mehr ins Atemsystem geht, atmen wir nicht mehr. Da dabei aber auch gleichzeitig alle anderen physiologischen Prozesse des Körpers zum Stillstand gebracht werden, also auch die katabolischen, die abbauenden Prozesse, geht auch der Körper nicht kaputt dabei.

Vollständiges Kevala Kumbhaka ist, wenn man fast gar nicht mehr atmet. Solche Zustände sind schon zur Genüge in physiologischen Labors untersucht worden. Es gibt eine ganze Reihe von Hatha Yogis, die dies gezeigt haben. Der Swami Vishnu konnte seinen Herzschlag nahezu anhalten, er konnte seinen Atem aussetzen. Vom Swami Rama ist bekannt, dass er mehrere Jahre in Amerika bei physiologischen Untersuchungen war, und der konnte mehrere Stunden die Luft anhalten. Also nicht einatmen, Jalandhara Bandha und die Luft anhalten, sondern einfach nicht mehr atmen. Dann gab’s einen Nada-Yogi, der hieß Swami Nadabrahmananda, der konnte eine halbe Stunde virtuos Tabla spielen, während er in einer Art luftdichten Käseglocke eingeschlossen war. Also der konnte noch dazu, obgleich er nicht geatmet hat, eine halbe Stunde lang Tabla spielen. Das widerspricht jetzt jeglicher physiologischen Gesetzmäßigkeit. Man kann sagen, es gibt noch Rechaka Kumbhaka und Puraka Kumbhaka. Rechaka Kumbhaka ist das Anhalten nach der Ausatmung, und Puraka Kumbhaka ist das Anhalten nach der Einatmung. Insgesamt übt man im Yoga mehr Atemanhalten nach dem Einatmen. Aber es gibt auch Einiges, wo man den Atem anhält nach dem ausatmen. Beim Kapalabhati kann man auch erst Uddhiyana Bandha machen, bevor man ein- und ausatmet. Auch nach Bhastrika. Man kann auch im Rahmen der Wechselatmung die Luft anhalten nach dem ausatmen. Und ihr könnt mal spüren, was für euch wirkungsvoll ist, und dann könnt ihr auch das Atemanhalten nach dem Ausatmen verstärken. Man macht das mit Anfängern normalerweise nicht. Außer den stehenden Reinigungsübungen, Uddhiyana Bandha und Agni Sara.

Audio

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2. Kapitel, Vers 72

Deutsche Übersetzung:

Bis Perfektion in Kevalakumbhaka erreicht ist, soll der Yogi Sahitakumbhaka üben. | Wenn er einmal Ausatmung (Rechaka) und Einatmung (Puraka) der Luft hinter sich gelassen hat, wird das Anhalten (Dharana) mit Leichtigkeit [sich einstellen].

Sanskrit Text:

  • yāvat kevala-siddhiḥ syāt sahitaṁ tāvad abhyaset |
    recakaṁ pūrakaṁ muktvā sukhaṁ yad vāyu-dhāraṇam ||72||
  • यावत्केवलसिद्धिः स्यात् सहितं तावदभ्यसेत् ।
    रेचकं पूरकं मुक्त्वा सुखं यद्वायुधारणम् ॥७२॥
  • yavat kevala siddhih syat sahitam tavad abhyaset |
    rechakam purakam muktva sukham yad vayu dharanam ||72||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • yāvat : solange bis (Yavat)
  • kevala : (in der) isolierten (Atemverhaltung, KevalaKumbhaka)
  • siddhiḥ : Erfolg, Vervollkommnung (Siddhi)
  • syāt : sich einstellt („ist“, as)
  • sahitaṁ : (die) verbundene (Form der Atemverhaltung, SahitaKumbhaka)
  • tāvat : solange (Tavat)
  • abhyaset : man soll üben, praktizieren (abhi + as)
  • recakaṁ : (vorherige) Ausatmung (Rechaka)
  • pūrakaṁ : (oder) Einatmung ( Puraka)
  • muktvā : ohne („verlassen habend“, Mukta)
  • sukhaṁ : leicht (erfolgt, Sukha)
  • yad : wenn (Yad)
  • vāyu : (der) Luft („Wind“, Vayu)
  • dhāraṇam : (das) Anhalten (Dharana, Fortsetzung in Vers 73)        ||72||

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

Sahita sollte praktiziert werden, bis das Prana in die Sushumna eintritt. Das ist an einem besonderen Klang erkennbar, der in der Sushumna hervorgerufen wird. Er sollte dann nur zehn oder fünfundzwanzig Sahita Kumbhakas praktizieren und die Anzahl der Kevala Kumbhakas auf achtzig steigern.

Vishnu-devananda

Solange einer nicht bis zu Kevala Kumbhaka kommt (das im Zurückhalten des Atems ohne Puraka und Rechaka besteht), sollte er Sahita praktizieren.

Sahita Kumbhaka ist das Anhalten des gewöhnlichen Pranayamas mit kontrollierten Ein- und Ausatmung.

Wie viele Jahre werdet ihr weiterhin Pranayama praktizieren bis ihr Kevala Kumbhaka erreicht? Kevala Kumbhaka ist die automatische Aufhebung des Atems, die eintritt, wenn beide Nasenlöcher, das rechte und das linke, ins Gleichgewicht kommen. Schließlich wird das eine natürliche Sache, so dass der Atem stehenbleibt, wenn ihr in der Meditation sitzt – einfach so – und dann gibt es ein gelegentliches, sehr langsames Atmen durch beide Nasenlöcher. Wenn Kevala Kumbhaka erreicht ist, braucht ihr das Praktizieren von Pranayama nicht mehr fortzusetzen. Es braucht eine lange Zeit, um das zu erreichen, aber wenn ihr fortgesetzt über die Jahre hin praktiziert, dann geschieht es. Es hat Ähnlichkeit mit dem Verlangsamen oder Anhalten des Atems, wenn ihr versucht, auf etwas zu lauschen.

Wenn Prana in die Sushumna gelangt, könnt ihr den inneren Klang hören oder den friedlichen Zustand fühlen. Wenn ihr das erreicht, braucht ihr die intensive Praktik von Asanas und Pranayama nicht mehr fortzuführen. Drei oder vier Stunden an Asanas, Pranayama, Bandhas, Mudras etc. sind nicht länger notwendig. Macht nur ein paar Asanas und Pranayama weiter, so dass der Körper gesund bleibt und sich das Zwerchfell weiterhin in die richtige Richtung bewegt. Zu dieser Zeit solltet ihr täglich nur zehn bis zwanzig Runden Wechselatmung praktizieren, wobei ihr Bhastrika und die anderen Pranayamas weglasst. Dann solltet ihr mehr versuchen, den inneren Klang zu hören und das Prana durch Konzentration in der Sushumna zu halten.

Sukadev

72. Solange einer nicht bis zu Kevala Kumbhaka kommt (das im Zurückhalten des Atems ohne Puraka und Rechaka besteht), sollte er Sahita praktizieren.

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2. Kapitel, Vers 73

Deutsche Übersetzung:

Dieses Pranayama, das zuvor beschrieben wurde, ist sicherlich Kevala-Kumbhaka. | Wenn Perfektion in dem für sich stehenden Anhalten erlangt wurde, besteht Freiheit von Aus- und Einatmung.

Sanskrit Text:

  • prāṇāyāmo’yam ity uktaḥ sa vai kevala-kumbhakaḥ |
    kumbhake kevale siddhe reca-pūraka-varjite ||73||
  • प्राणायामोऽयमित्युक्तः स वै केवलकुम्भकः ।
    कुम्भके केवले सिद्धे रेचपूरकवर्जिते ॥७३॥
  • pranayamo’yam ity uktah sa vai kevala kumbhakah |
    kumbhake kevale siddhe recha puraka varjite ||73||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • prāṇāyāmaḥ : (der) Atemzügelung  (Pranayama)
  • ayam : diese (Art, Ayam)
  • iti : so (Iti)
  • uktaḥ : wird genannt (Ukta)
  • saḥ : sie (Tad)
  • vai : wahrlich, bekanntlich, gewiss (Vai)
  • kevala-kumbhakaḥ : islolierte Atemverhaltung (KevalaKumbhaka)
  • kumbhake : Atemverhaltung (Kumbhaka)
  • kevale : (wenn die) isolierte (Kevala)
  • siddhe : gemeistert ist (Siddha)
  • reca : Ausatmung (Recha)
  • pūraka : (und) Einatmung (Puraka)
  • varjite : frei von (Varjita, Fortsetzung in Vers 74)       ||73||

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

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Vishnu-devananda

Diese Art Pranayama wird Kevala Kumbhaka genannt.

Sukadev

73. Diese Art Pranayama

eben ohne bewusstes Puraka und Rechaka, ohne bewusstes Einatmen und Ausatmen

– wird Kevala Kumbhaka genannt.

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2. Kapitel, Vers 74

Deutsche Übersetzung:

Für diesen gibt es nichts, was in den drei Welten schwer zu erreichen wäre, | der das Kevala-Kumbhaka, das Anhalten der Luft wie hier beschrieben, beherrscht.

Sanskrit Text:

  • na tasya dur-labhaṁ kiñ-cit triṣu lokeṣu vidyate |
    śaktaḥ kevala-kumbhena yatheṣṭaṁ vāyu-dhāraṇāt ||74||
  • न तस्य दुर्लभं किंचित् त्रिषु लोकेषु विद्यते ।
    शक्तः केवलकुम्भेन यथेष्टं वायुधारणात् ॥७४॥
  • na tasya durlabham kin chit trishu lokeshu vidyate |
    shaktah kevala kumbhena yatheshtam vayu dharanat ||74||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • na : nicht (Na)
  • tasya : für einen solchen (Yogi, Tad)
  • dur-labhaṁ : (das) schwer zu erlangen (ist, Durlabha)
  • kiñ-cid : irgend etwas (Kinchid)
  • triṣu : in den drei (Tri)
  • lokeṣu : Welten (Loka)
  • vidyate : es gibt (vid)
  • śaktaḥ : (ein Yogi, der) fähig (ist, Shakta)
  • kevala-kumbhena : (zur) islolierten Atemverhaltung (KevalaKumbha)
  • yathā-iṣṭaṁ : nach Belieben („wie gewünscht“, Yatheshta)
  • vāyu : (der) Luft (“Wind”, Vayu)
  • dhāraṇāt : aufgrund des Anhaltens (Dharana, Fortsetzung in Vers 75)        ||74||

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

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Vishnu-devananda

Wenn dieses Kumbhaka ohne irgendein Rechaka oder Puraka gemeistert worden ist, dann gibt es für ihn nichts mehr in diesen drei Welten, was er nicht erlangen könnte. Er kann seinen Atem durch Kumbhaka anhalten, solange er möchte.

Nun könnt ihr, wann auch immer ihr Prana hochbringen wollt, es einfach mit bloßer Konzentration tun.

Sukadev

74. Wenn dieses Kumbhaka ohne irgendein Rechaka oder Puraka gemeistert worden ist, dann gibt es für ihn nichts mehr in diesen drei Welten, was er nicht erlangen könnte. Er kann seinen Atem durch Kumbhaka anhalten, solange er möchte.

Das ist ein Zeichen einer fortgeschrittenen Herrschaft über Prana. Natürlich darf man das jetzt auch nicht alles wörtlich nehmen. Aber wenn wir das Prana so sehr unter Kontrolle haben, dass wir den Atem willkürlich aufhören lassen können, dann können wir dieses Prana auch in alle möglichen anderen Richtungen einsetzen, sofern wir das wollen.

In dem Zustand kann man theoretisch eben in einem luftdichten Raum eingesperrt werden und dort jahrelang drin verweilen. Es gibt dazu eine Geschichte von Dattatreya. Dattatreya, einer der großen, legendären Meister, der vor vielen Jahrtausenden gelebt haben soll. Dattatreya wollte meditieren, aber die Menschen haben irgendwie erkannt, dass er ein großer Meister ist. Also sind sie zu ihm hin und wollten ständig von ihm irgendwas. Und natürlich, wie die meisten Schüler, wollten sie nicht nur die Selbstverwirklichung erreichen, sondern großen Meistern werden alle möglichen anderen übernatürlichen Kräfte nachgesagt. „O Meister, bitte hilf mir, ich hab Schnupfen, ich hab Erkältung, ich hab Rückenschmerzen, bitte hilf mir. Bitte hilf mir mit meinen Partnerschaftsproblemen, bitte gib, dass es regnet, dass die Sonne scheint, dass meine Felder fruchtbar sind und so weiter. Und Dattatreya hatte davon genug und rannte weg. Und die ganzen Leute folgten ihm. Da kletterte er auf einen Baum, um dort oben meditieren zu können. Und die Leute bastelten eine Leiter und Baumhäuser drumherum, um mit ihm sprechen zu können. Da ging er schließlich in einen Fluss und meditierte dann am Grund des Flusses eine Woche lang. Und als er dort raus kam, hatten die Leute ein Camp gebildet am Fluss und schauten ihm zu. Schließlich wusste Dattatreya sich nur so zu helfen, dass er mit seiner yogischen Kraft drei Gespielinnen schuf, und dann alle drei Gespielinnen gleichzeitig umarmte. Darauf hin dachten die Dorfbewohner, oder alle Leute, er sei von seinem Weg abgefallen und ließen ihn in Ruhe. So konnte er wieder ruhig meditieren. Analog des alten Busch-Wortes: Ist der Ruf mal ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Gut, Dattatreya jedenfalls lebte eine Woche unter Wasser. Der Yogi Busundhi, von dem der SwamiVishnu öfters berichtet in dem Buch ‚Wissenschaft des Pranayama‚, – einer der ältesten Texte, der Pranayama genauer beschreibt, ist eigentlich von Yoga Vasishta – Jedenfalls gab’s einen Hatha-Yogi, der hieß Yogi Busundhi, der lebte sogar jahrelang im Wasser, glaub ich. Der machte Kevala Kumbhaka so lange. Gut.

Kevala Kumbhaka gibt’s auch als Übung, die nicht übermäßig hilfreich ist, das nennt sich dann Jada Samadhi – lebloser Samadhi. Es gibt bestimmte Techniken, wo man das Kevala Kumbhaka von selbst herbeiführen kann und den Körper in eine Art Winterschlaf reinbringen kann. Wie einige Tiere. Beschränken wir uns auf die unbestrittenen Igel und die Bären. Die fallen dann in einem Winterschlaf, wo sie fast nicht mehr atmen. Da ist der Atem reduziert auf vier Atemzüge pro Minute, der Herzschlag ist unter zehn. Und die sind in der Zeit auch unbewusst, nimmt man jedenfalls an, keiner hat mit ihnen gesprochen, und sie gefragt, ob sie was erinnern können, aber es wird angenommen. Und wenn man ein Blatt vor die Nase legen würde, würde man nicht feststellen, dass sie atmen und wenn man deren Puls nehmen würde als Mensch, würde man auch den Puls nicht spüren. Man müsste da subtilere Instrumente haben. Und so gibt es auch bestimmte Hatha-Yoga-Techniken, mit denen man diesen Zustand hervorrufen kann. Der ist aber für spirituelle Zwecke nicht von Nutzen. Deshalb hat’s uns der Swami Vishnu auch nicht gelehrt, aber so wie er davon gesprochen hat, kannte er das.

Ihr habt vielleicht von Vorführungen in Indien gehört, wo Menschen sich einbuddeln lassen. Und irgendwann hab ich mal so was gelesen. Erst in so einen Zinnsarg eingeschweißt, und dann für ein halbes Jahr in die Erde und dann wieder ausgebuddelt. Und der Mensch ist dann wieder zum Leben gekommen. Und irgendwann gab’s das, ich glaub in Thomas Gottschalks Show ‚Wetten, dass,’ ich hab’s selbst nicht gesehen, das haben mir Leute erzählt, vor fünfzehn Jahren muss das gewesen sein, da hat sich jemand zwo Stunden lang in einen gläsernen Sarg unten in ein Schwimmbad reingelegt, was auch nach Meinung aller beteiligten Ärzte und Fachleute unverantwortlich war, aber er hat gesagt, er hat das schon regelmäßig gemacht, und ist dann putzmunter rausgekommen. Ich weiß jetzt nicht, ob man bei ihm EEG und EKG genommen hat. Also wenn ihr von so jemand hört, der das macht, solche Fälle gibt es. Das muss aber nicht heißen, dass er deswegen ein fortgeschrittenerYogi ist. Also es gibt spezifische Atemtechniken mit spezifischen Mudras und Asanas, wo man solche Zustände auslösen kann. Aus gutem Grund werden die nicht so an die Öffentlichkeit gegeben, aber es gibt genügend Menschen, die das schon demonstriert haben. Wenn das eben durch die fortgeschrittenen Pranayamas geschieht, ist das ein Zeichen, man hat Prana unter Kontrolle. Aber da lassen wir die Finger von. Ich kenne auch die Technik nicht. Der Swami Vishnu war weise genug, sie uns nicht beizubringen. Wenn Kevala Kumbhaka so spontan von selbst entsteht, dann ist das ein Zeichen, dass man in Samadhi ist. Wenn man wirklich in Samadhi ist, und das einen längeren Zeitraum, dann entstehen erstens alle Siddhis, wie ihr euch erinnert, die Satwapathi-Stufe der sieben Bhumikas ist erreicht. Dann könnte man alles mögliche erreichen. Aber noch wichtiger: Man erfährt tiefe Wonne, Satchidananda, und es gibt nichts mehr, was man noch erreichen müsste.

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2. Kapitel, Vers 75

Deutsche Übersetzung:

Und darüber hinaus erreicht [der Yogi] den Zustand des Raja-Yoga, darüber gibt es keinen Zweifel. Durch Kumbhaka wird die Kundalini erweckt und durch die erweckte Kundalini wird die Sushumna frei von Hindernissen und Vollkomenheit im Hatha-Yoga entsteht.

Sanskrit Text:

  • rāja-yoga-padaṁ cāpi labhate nātra saṁśayaḥ |
    kumbhakāt kuṇḍalī-bodhaḥ kuṇḍalī-bodhato bhavet |
    anargalā suṣumṇā ca haṭha-siddhiś ca jāyate ||75||
  • राजयोगपदं चापि लभते नात्र संशयः ।
    कुम्भकात्कुण्डलीबोधः कुण्डलीबोधतो भवेत् ।
    अनर्गला सुषुम्णा च हठसिद्धिश्च जायते ॥७५॥
  • raja yoga padam chapi labhate natra samshayah |
    kumbhakat kundali bodhah kundali bodhato bhavet |
    anargala sushumna cha hatha siddhish cha jayate ||75||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • rāja-yoga* : (des) königlichen Yoga (RajaYoga)
  • padaṁ : (den) Zustand („Ort“, Pada)
  • ca : und (Cha)
  • api : auch, sogar (Api)
  • labhate : er erlangt, erreicht (labh)
  • na : nicht (Na)
  • atra : hier(über, Atra)
  • saṁśayaḥ : (besteht ein) Zweifel (Samshaya)
  • kumbhakāt : aufgrund der Atemverhaltung (Kumbhaka)
  • kuṇḍalī : (der) Kundali (Kundalini)
  • bodhaḥ : (erfolgt das) Erwachen (Bodha)
  • kuṇḍalī : (der) Kundali
  • bodhataḥ : aufgrund des Erwachens
  • bhavet : wird (bhū)
  • an-argalā : frei von Hindernissen (Anargala)
  • suṣumṇā : (die) Sushumna
  • ca : und
  • haṭha : (im) Hatha(-Yoga)
  • siddhiḥ : Erfolg, Vervollkommnung (Siddhi)
  • ca : und
  • jāyate : es entsteht (jan)        ||75||

*Anmerkung: Zu einer Definition des Begriffes Rajayoga in diesem Zusammenhang vgl. die Anm. zu Kap. 4 Vers 103.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Dann erreicht er die Stufe des Raja Yoga.

Das wird „chitta vritti nirodha“ genannt.

Durch dieses Kumbhaka wird die Kundalini emporgebracht. Wenn sie so hochgeholt ist, ist die Sushumna frei von allen Hindernissen und man hat Vollkommenheit in Hatha Yoga erreicht. Vollkommenheit in Hatha Yoga ist Vollendung in Raja Yoga; sie sind ein und dasselbe.

Sukadev

75. Dann erreicht er die Stufe des Raja Yoga.

Also citta vritti nirodhana, dies Zurruhebringen der Gedanken im Geist, Herrschaft über den Geist. Jetzt behauptet er hier:

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2. Kapitel, Vers 76

Deutsche Übersetzung:

Ohne Hatha-Yoga gelingt kein Raja-Yoga, ohne Raja-Yoga gelingt kein Hatha-Yoga. | Daher soll [der Yogi] beides praktizieren, solange er den Erfolg nicht erreicht hat.

Sanskrit Text:

  • haṭhaṁ vinā rājayogo rāja-yogaṁ vinā haṭhaḥ |
    na sidhyati tato yugmam ā niṣpatteḥ samabhyaset ||76||
  • हठं विना राजयोगो राजयोगं विना हठः ।
    न सिध्यति ततो युग्ममानिष्पत्तेः समभ्यसेत् ॥७६॥
  • hatham vina rajayogo raja yogam vina hathah |
    na sidhyati tato yugmam a nishpatteh samabhyaset ||76||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • haṭhaṁ : (den) Hatha(-Yoga)
  • vinā : ohne (Vina)
  • rāja-yogaḥ : (der) königliche Yoga (RajaYoga)
  • rāja-yogaṁ* : (den) königlichen Yoga (Rāja-Yoga)
  • vinā : ohne
  • haṭhaḥ : Haṭha(-Yoga)
  • na : nicht (Na)
  • sidhyati : hat Erfolg, gelingt (sidh)
  • tataḥ : daher, deshalb (Tatas)
  • yugmam : beide („als Paar“, Yugma)
  • ā : bis (A)
  • niṣpatteḥ : zur Vollendung (des Rāja-Yoga, Nishpatti)
  • samabhyaset : man soll üben, praktizieren (sam + ahbi + as)       ||76||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass hier (atra) unter dem Wort (Shabda) RajaYoga die im vierten Kapitel (ChaturthaUpadesha) gelehrt werdenden (vakṣyamāṇa) Techniken (Sadhana) zu verstehen sind, die in Form (Rupa) von UnmaniShambhavi Mudra usw. den ebenfalls als Rajayoga bezeichneten höchsten Zustand (Param Padam) herbeiführen: rāja-yoga-sādhane ’tra rāja-yoga-śabdaḥ rāja-yoga-sādhanaṃ caturthopadeśe vakṣyamāṇam unmanī-śāmbhavī-mudrādi-rūpam.

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

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Vishnu-devananda

Man kann nicht ohne Hatha Yoga Vollendung in Raja Yoga erlangen, und umgekehrt. Deshalb sollte er beide praktizieren, bis er Vollkommenheit in Raja Yoga erreicht.

Das unterstreicht den Punkt, dass man beide Yogas gleichzeitig praktizieren sollte: Asanas und Pranayama zusammen mit Meditation und Mantras, nicht nur einen Yoga allein.

Sukadev

76. Man kann nicht ohne Hatha Yoga Vollendung in Raja-Yoga erlangen, und umgekehrt. Deshalb sollte er beide praktizieren, bis er Vollkommenheit in Raja Yoga erreicht.

Also Vollkommenheit erreichen wir, wenn wir beides praktizieren. Patanjali wäre damit vielleicht nicht ganz so einverstanden. Es mag den einen oder anderen tatsächlich geben, der allein durch geistige Übung den Geist unter Kontrolle bringt. Aber das gelingt nicht oft, und daher ist Hatha-Yoga für die große Mehrheit der Menschen eine Hilfe zum Raja-Yoga. Aber Hatha-Yoga allein ausgeführt, hat auch einen Nachteil, nämlich dass man nur auf den Körper konzentriert ist. Es gibt ja genügend Yoga-Schüler und Yoga-Praktizierende in Deutschland, die Hatha-Yoga hauptsächlich für Entspannung und Gesundheit praktizieren. Selbst das, wenn es richtig gelehrt wird, hat irgendwann die Wirkung, dass sich auch innerlich etwas tut, sofern das innerlich angelegt wird. Hier hängt’s natürlich auch ab, wie Hatha-Yoga gelehrt wird. Es gibt ja inzwischen eine ganze Reihe Arten von Hatha-Yoga, die den Menschen, selbst wenn der Mensch täglich übt, nicht dazu bringen, wirklich auf den spirituellen Weg zu kommen, sondern dass er dann eben in dem körperlichen Zustand verharrt. Die Weise, die ihr nach Sivananda lernt, ist eine der Weisen, nicht die einzige, die, wenn der Mensch regelmäßig übt, es, wenn irgendwie eine spirituelle Ader in dem Menschen drin ist, wird die aktiviert. Und dort eben die Reihe Atemübungen,Asanas, Halten der Asanas,Tiefenentspannung. Bei den Asanas Verbindung von Konzentration, Atmung und Entspannung. All das hat diese fast magische Wirkung.

Von Kriya-Yoga gibt’s Hunderte von verschiedenen Sorten, denn Kriya heißt wörtlich Handlung, und in verschiedenen Yoga-Systemen ist Kriya was anderes. Zum Beispiel in Patanjalis Werk Tapas, Svatyaya, Ishvara Pranidhana, Kriya Yoga. Das heißt Kriya- Yoga besteht aus Tapas – Askese, Svatyaya – Selbststudium, und Ishvara Pranidhana – Studium der Schriften. Es gibt im Bhakti -Yoga auch Kriya-Yoga, das sind fünf Handlungen. Das eine ist, Opferfeuer zu machen, Pujas zu machen, Arati zu machen, dann gehört noch Spenden zu geben und regelmäßig in den Tempel zu gehen. Das sind die fünf Kriyas in einer Form von Bhakti-Yoga. Dann im Hatha-Yoga gibt’s sechs Kriyas. Tratak, Neti, Dhauti, Kapalabhati, Nauli und Bhasti. Und du meinst ja wahrscheinlich den Kriya-Yoga von Paramahansa Yogananda und seine Schülern, der heute meistens als Kriya-Yoga bezeichnet wird. Das sind eigentlich hauptsächlich kombinierte Energieerweckungsübungen, die wir hier als Kundalini-Yoga bezeichnen würden. Also das, was Yogananda und seine Schüler, auch von ähnlichen Traditionen lehren, sind eigentlich Kundalini-Praktiken, Das sind bestimmte Visualisierungen, die manchmal verbunden sind mit bestimmten Formen von Mula-Bandha, Tratak, Mantra – es sind also kombinierte Energieerweckungsübungen. Es gibt dort verschiedene Formen von Meditationen. Und es gibt auch verschiedene Traditionen. Paramahansa Yogananda ist eine Tradition, und dann gibt’s den Hari Harananda, eine andere Tradition, dann gibt’s den Raja Govindan, der hat noch mal eine andere. Es sind also verschiedene Energietechniken. Gut. Hatha-Yoga soll also auch ergänzt werden mit Raja-Yogatechniken. Patanjali sagte ja auch, dass manPranayama üben soll mit einem Geist, in dem das sattvige Element vorherrschend ist, also sattvige Konzentrationstechniken in Verbindung, und letztlich hat Swatmarama ja im ersten Kapitel die Yamas und die Niyamas noch stärker ausgebaut, als Patanjali, damit dem Schüler klar wird, es reicht nicht nur aus, Asanas zu praktizieren, sondern es ist wichtig, die vollständige Yoga-Praxis zu üben.

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2. Kapitel, Vers 77

Deutsche Übersetzung:

Am Ende des Prana-Anhaltens durch Kumbhaka, soll der Yogi den Geist frei machen. | So erreicht er durch diese Praxis den Zustand des Raja-Yoga.

Sanskrit Text:

  • kumbhaka-prāṇa-rodhānte kuryāc cittaṁ nirāśrayam |
    evam abhyāsa-yogena rāja-yoga-padaṁ vrajet ||77||
  • कुम्भकप्राणरोधान्ते कुर्याच्चित्तं निराश्रयम् ।
    एवमभ्यासयोगेन राजयोगपदं व्रजेत् ॥७७॥
  • kumbhaka prana rodhante kuryach chittam nirashrayam |
    evam abhyasa yogena raja yoga padam vrajet ||77||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • kumbhaka : (durch die) Atemverhaltung (Kumbhaka)
  • prāṇa : (des) Atems, (der) Lebensenergie (Prana)
  • rodha : (des) Anhaltens („Einsperrens“, Rodha)
  • ante : am Ende (Anta)
  • kuryāt : man mache (kṛ)
  • cittaṁ : (den) Geist (Chitta)
  • nir-āśrayam : frei von (allen) Objekten („Stützen“, Nirashraya)
  • evam : so, auf diese Weise (Evam)
  • abhyāsa : (der) Übung, Wiederholung (Abhyasa)
  • yogena : durch die Methode (Yoga)
  • rāja-yoga : (des) königlichen Yoga (RajaYoga)
  • padaṁ : (den) Zustand (“Ort”, Pada)
  • vrajet : man erreicht (vraj)       ||77||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Am Ende der Kumbhaka sollte er seinen Geist von jedwedem Gegenstand abziehen, was immer es auch sei.

Das bedeutet Pratyahara – lasst die Sinne nicht nach außen gehen.

(fortgesetzt) Durch regelmäßiges Praktizieren auf diese Weise erreicht er die Stufe des Raja Yoga.

Sukadev

77. Am Ende der Kumbhaka sollte er seinen Geist von jedwedem Gegenstand abziehen, was immer es auch sei.

Wenn man Pranayama abgeschlossen hat, ist es immer gut, am Ende mit dieser Übung von Kevala Kumbhaka abzuschließen und in die Stille zu gehen. Und manchmal ist dort die Erfahrung besonders schön.

Es gibt da zwei Interpretationen. Das eine: Auf Pranayama folgt Pratyahara, oder man kann sagen, dann folgt die Meditation auf das Absolute. Und so ist es gut, am Ende von Pranayama in die Meditation zu gehen. Wenn ihr die Meditation vor dem Pranayama machen wollt, dann ist das ok. Dann macht am Ende der Meditation so ein, zwei Minuten Stille – Meditation über das Unendliche. Aber es ist gut, am Ende von Pranayama sich nicht gleich in den Tag zu stürzen, sondern einen Moment mindestens in die Stille gehen.

– Durch regelmäßiges Praktizieren auf diese Weise erreicht er die Stufe des Raja Yoga, der Geisteskontrolle.

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2. Kapitel, Vers 78

Deutsche Übersetzung:

Ein schöner Körper, Schlankheit, Ruhe im Gesicht, Manifestation des inneren Klangs und Klarheit in den Augen, | Freiheit von Krankheiten, Sieg über die Triebe (Bindu), zähmung des inneren Feuers, Reinigung der Energiekanäle (Nadi), sind die Kennzeichen vom Erfolg in Hatha-Yoga.

Sanskrit Text:

  • vapuḥ-kṛśatvaṁ vadane prasannatā
    nāda-sphuṭatvaṁ nayane su-nirmale |
    arogatā bindu-jayo’gni-dīpanaṁ
    nāḍī-viśuddhir haṭha-siddhi-lakṣaṇam ||78||
  • वपुःकृशत्वं वदने प्रसन्नता
    नादस्फुटत्वं नयने सुनिर्मले ।
    अरोगता बिन्दुजयोऽग्निदीपनं
    नाडीविशुद्धिर्हठसिद्धिलक्षणम् ॥७८॥
  • vapuh krishatvam vadane prasannata
    nada sphutatvam nayane su nirmale |
    arogata bindu jayo’gni dipanam
    nadi vishuddhir hatha siddhi lakshanam ||78||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • vapus : (des) Körpers (Vapus)
  • kṛśatvaṁ : Schlankheit (Krishatva)
  • vadane : (des) Gesichts (Vadana)
  • prasannatā : Klarheit, Reinheit, Heiterkeit (Prasannata)
  • nāda : (des inneren, „unangeschlagenen“) Klanges (Nada)
  • sphuṭatvaṁ : (das) Offenbarsein, (die) Vernehmbarkeit (Sphutatva)
  • nayane : Augen (Nayana)
  • su-nirmale : äußerst (Su) klare, glänzende („fleckenlose“, Nirmala)
  • arogatā : Gesundheit („Nicht-Krankheit“, Arogata)
  • bindu : (über den) Samen(fluss, „Tropfen“, Bindu)
  • jayaḥ : Meisterschaft („Sieg“, Jaya)
  • agni : (des Verdauungs-)Feuers (Agni)
  • dīpanaṁ : (das) Stimulieren („Entfachen, Auflodernlassen“, Dipana)
  • nāḍī : (der feinstofflichen Energie-)Kanäle (Nadi)
  • viśuddhiḥ : (die) Reinigung, Reinheit (Vishuddhi)
  • haṭha : (im) Hatha(-Yoga)
  • siddhi : (für) Erfolg, Vervollkommnung (Siddhi)
  • lakṣaṇam : (all dies ist ein) Zeichen, Kennzeichen (Lakshana)       ||78||

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

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Vishnu-devananda

Die Zeichen der Vollendung in Hatha Yoga sind:

Jene, welche die Kontrolle eures Pranas und Geistes anzeigen: der Körper wird mager, die Sprache beredsam, auch wenn ihr vielleicht nicht grammatikalisch (korrekt) sprecht, ist eure Rede doch sehr kraftvoll.

Die inneren Klänge werden deutlich gehört oder Licht kann sehr klar kommen.

Die Augen sind klar und hell, der Körper ist von allen Beschwerden befreit, die Samenflüssigkeit ist konzentriert, das heißt, dass die Samenflüssigkeit nicht zum Geschlechtsorgan hinuntergeht. Automatisch geht sie jeden Tag zurück, es sei denn, ihr wollt sie wirklich runterbringen.

Das Verdauungsfeuer ist gesteigert. Eure Verdauung wird sehr gut und die Nadis sind gereinigt.

Sukadev

78. Die Zeichen der Vollendung in Hatha Yoga sind: Der Körper wird mager, die Sprache beredsam, die inneren Klänge werden deutlich gehört, die Augen sind klar und hell, der Körper ist von allen Beschwerden befreit, die Samenflüssigkeit ist konzentriert, das Verdauungsfeuer ist gesteigert und die Nadis sind gereinigt.

Also auf allen Ebenen will er es hier beschreiben. Der Swami Vishnu hat da jetzt noch einen Kommentar. Er interpretiert es dann so, dass man enthaltsam leben kann. Interessanterweise kann man Hatha Yoga sowohl dafür nehmen, wie auch um die sexuelle Energie zu harmonisieren. Bei der Samenflüssigkeit, das ist jetzt wiederum nicht physisch zu verstehen, sondern ist letztlich Abhana-Vayu, und Abhana-Yavu ist konzentriert, sublimiert, umgewandelt in Ojas. Und so schließt das zweite Kapitel ab.

Eines will ich noch sagen für die Übungen zuhause. Wenn man wenig Zeit hat, dann übt man drei Runden Kapalabhati, und zwanzig Minuten Wechselatmung mit Samanu-Konzentration und den Bandhas. Und wenn man dann mehr Zeit hat, kann man noch Ujjayi, Suryabedha, Bhastrika üben, wenn man Energien wecken will, und Sithali/Sitkari, wenn man die Energien wieder harmonisieren will, oder man kann auch die Mudra-Reihe im Anschluss daran üben.

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3. Kapitel – Einleitung

Einleitung von Swami Vishnu-devananda

A: Das Erwecken der Kundalini

Da sich die meisten Menschen damit zufrieden geben, in den niedrigen Chakren zu leben, sind ihre Erfahrungen in dieser Welt auf die grobstoffliche Ebene beschränkt. So gehen sie z.B. zum Essen aus in teure Restaurants mit Kerzenlicht und lassen sich die Speisen von in feierliches Weiß gekleideten Kellnern auf vornehm angerichteten Silberplatten servieren. Was wird ihnen schon anderes vorgesetzt als immer wieder das gleiche „Hundefutter“? (Sie nennen es Steak.) Sie sitzen mit Gabel und Messer und machen eine Zeremonie daraus, auf bestimmte Art damit zu schneiden bzw. zur Seite zu legen. Nach dem Essen gehen sie entweder schlafen oder vielleicht ein wenig tanzen, um sich für ein späteres sexuelles Abenteuer in Stimmung zu bringen. Am nächsten Morgen stehen sie nur auf, um wieder Geld zu verdienen, das ihnen genügend Macht und einen entsprechenden Status verleiht und es ihnen ermöglicht, diese Art von Leben weiterzuführen. Sie haben keine Zeit zu meditieren oder darüber nachzudenken: „Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich?“ man wird aber erst Mensch, wenn man beginnt sich diese Fragen zu stellen, und das geschieht erst dann, wenn die Kundalini erwacht ist. Bis zu diesem Zeitpunkt wird der Verstand nur eingesetzt, um Essen, Schlafen und sinnliche Vergnügungen zu bekommen.
Das Erwachen der Kundalini bedeutet ein Anheben der Schwingungsebene. Ab dieser Zeit werden sinnliche Erlebnisse zu langweiligen und stumpfsinnigen Erfahrungen. Man ist nicht mehr anhängig davon, zu trinken, zu rauchen oder Glücksspiele zu betreiben. All das verliert seinen Sinn, wenn man erst erkannt hat, dass innere Erfüllung, Frieden und Glück in einem Selbst liegen. Innerer Frieden und Freude wachsen in gleichem Maße mit dieser Erkenntnis. Was normale Menschen als Glück ansehen und empfinden, bereitet einem nichts anderes als Unbehagen. Ist man zu dieser Einsicht gelangt, so bedeutet das, dass die Kundalini erwacht ist.
Mit dem Erwachen der Kundalini verschwindet auch langsam die Angst vor dem Tod. Man erkennt nun, dass es weder Geburt noch Tod gibt, dass Krankheiten von selbst vergehen, da sie ja durch grobstoffliche Schwingungen verursacht wurden, im Glauben, das Glück sei durch die Schwingungen dieser niederen Sinne zu erringen. Diese Dinge werden automatisch bedeutungslos, wenn die Kundalini erwacht ist.
Man darf aber nicht erwarten, dass sich plötzlich eine Schlange an einem heraufwindet und einen trifft. Denkt nicht: „Oh, meine Kundalini hat das 3. Chakra, das 4. Chakra erreicht, jetzt sind es nur wenige Zentimeter mehr bis zum 5.Chakra. Das ist nicht die Art und Weise, wie die Kundalini erweckt wird. In Wahrheit ist es der Zustand der Aura, der sich verändert, wenn sich die Schwingungsfrequenz erhöht.
Die höchste Stufe, Gottesbewusstsein genannt, ist dort, wo Shakti mit Shiva schwingt. Auf der niedrigsten Stufe der Shakti liegen die Erfahrungen, die wir im Zusammenhang mit der groben Materie machen. Wenn unsere Sinne z. B. mit Eiscreme in Berührung kommen, so bedeutet das, dass wir Shakti erleben; aber sie schwingt auf sehr niedriger Ebene. Alle unsere 5 Sinne sind Shakti. Aber sie werden nur in Schwingung versetzt, wenn sie in Kontakt mit Objekten der Materie treten.
Wenn man isst, Musik hört oder etwas sieht, so wird Shakti nur sehr wenig und auf niedriger Stufe angeregt. In unserem Leben haben wir immer wieder solche Erlebnisse. Sie machen uns aber nicht glücklich. Wir wollen diese Erfahrungen auf eine andere Wellenlänge erweitern. Wir sitzen in der Meditation und versuchen:

  1. Die Gedanken zu beruhigen
  2. Den Atem zu regulieren
  3. Die 5 Handlungsorgane (Mund/Sprache, Beine, Arme, Geschlechtsorgane und Anus) und die 5 Sinne der Erkenntnis (Hören, Schmecken, Riechen, Sehen und Tasten) auszuschalten.

Nur über diese 5 Sinne erlangen wir Kenntnis vom Universum, und wir vermögen nur mit Hilfe unserer 5 Handlungsorgane Tätigkeiten auszuführen. Diese 10 Fähigkeiten des Menschen werden in Sanskrit Indriyas genannt.
Um die Kundalini Shakti in eine höhere Schwingungsebene zu bringen, muss man jeglichen Kontakt zu den Objekten der Außenwelt vermeiden. Um die Shakti zu erwecken, muss man die Energie daran hindern, in die 10 Fähigkeiten zu fließen, damit der Geist so ruhig wie möglich wird. Dann reagieren die Sinne nicht mehr auf den Geist. Der Geist darf nicht mehr in sinnliche Bahnen abgleiten. Jeder der Sinne wird sagen: „Komm doch lass mich schmecken, lass mich hören“ und wird versuchen, die Gedanken auf Objekte der Sinnenwelt zu lenken. Aber ist man erst einmal in der Lage, diesen nach außen gerichteten, extrovertierten Neigungen Einhalt zu gebieten, so richtet sich der Geist nach innen.
Ist der Geist erst einmal nach innen gerichtet und ruhiggestellt, dann beginnt die Shakti auf einer anderen Wellenlänge zu schwingen. Sie erwacht zu größerer Kraft auf einer höheren Ebene. Schwingt die Shakti nur auf niedriger Ebene, so beschränken sich unsere Erfahrungen auf die oben erwähnte sinnliche Ebene; sie sind ungeschliffen und grobstofflicher Natur und lassen (immer) eine gewisse Unzufriedenheit in uns zurück.
Man möge sich daran erinnern, wie man für gewöhnlich seinen Urlaub in einem 5-Sterne-Hotel verbracht hat. Am Morgen hat man Kaffee getrunken, geraucht, sein Frühstück mit Schinken und Eiern verzehrt und dann noch eine Handvoll Aspirin und Aufmunterungspillen geschluckt. Danach ist man am Swimmingpool gesessen oder hat Golf gespielt oder ist angeln gegangen. Am Abend hat man sein Steak gegessen und ist dann tanzen gegangen. Alle Sinne waren nur in diese Richtung gelenkt; darüber hinaus hat man nichts gekannt. Aber nun haltet ihr Ausschau nach etwas anderem, weil ihr damit nicht zufrieden seid, auf einer derartig niedrigen Energie-Ebene, gleich einem Tier, zu leben. Ihr wollt vom Tiererlebnis zum Gotteserlebnis kommen.
Die menschliche Erfahrung ist jener der Tiere sehr ähnlich, vielleicht sogar schlechter, weil wir nämlich immer raffinierter dabei werden, den Verstand zur Befriedigung unserer sinnlichen Bedürfnissen einzusetzen: Wir grübeln darüber nach, wie wir den natürlichen Geschmack der Speisen durch Kochen und Würzen verändern und verfeinern können, so dass sie uns noch besser munden mögen, und überlegen, auf welche Art bestimmte Getränke mit den Gerichten zu kombinieren sind, um den Genuss noch weiter zu erhöhen. Auf diese Weise verwenden wir unseren Verstand allein dazu, Kulinarisches vorzubereiten und verbringen Stunden damit, die natürliche Beschaffenheit zu verändern, um ihr einen anderen Geschmack und ein neues Aussehen zu verleihen. Alle unsere Sinne werden aktiviert – und das ist der Grund, warum wir unglücklich und von äußerstem Unbehagen erfüllt sind. Und gerade dieses Unbehagen hat uns zu diesem Wendepunkt gebracht.
Durch Raja Yoga aber halten wir die nach außen gerichteten Sinne an und beruhigen den Geist. Raja Yoga bedeutet: „chitta vritti nirodhah“: die gedanklichen Wellen anhalten. In Hatha Yoga halten wir die Pranawellen an, so dass in der Folge auch die Gedankenwellen anhalten. Man sagt, wenn im Kundalini Yoga die Sinne zusammengebracht werden, kann die Energie nicht mehr nach außen fließen. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich das Denken bereits auf einer höheren Ebene; das Energiefeld verändert sich. Im Grunde sind alle diese Erfahrungen ein und dasselbe, nur der Standpunkt ist ein anderer. Es besteht kein wirklicher Unterschied zwischen Kundalini Yoga, Hatha Yoga, Mantra Yoga, Laya Yoga und Raja Yoga. Jeder Yoga mag unterschiedliches Gewicht auf einzelne Punkte legen, aber grundsätzlich unterscheiden sie sich nicht voneinander. Sie alle sind Teile des Ashtanga Yoga (des achtgliedrigen Yoga): Yama, Niyama, Asana, Pranayama, Pratyahara, Dharana, Dhyana und Samadhi.
Im Mantra Yoga wird die Energie/ Gedankenkontrolle durch die Anwendung mystischer Silben erzielt. Wiederholt man „Om Namo Narayanaya“ immer und immer wieder, so verändert man auch die Schwingungseben seiner Gedanken. Im Kundalini Yoga wird die Energie durch Kontrolle des Prana hinaufgezogen und dadurch die Wellenlänge des Energiefeldes verändert. Im Hatha Yoga wird mittels Pranakontrolle die Kundalini hinaufgestoßen und dabei die Energiestufe ebenfalls verändert. So könnte man letztendlich sagen, dass alle diese Techniken nichts anderes sind als Kundalini Yoga. Die Shakti muss unter Kontrolle gebracht und in einen höheren Schwingungszustand umgewandelt werden.
Macht man Asanas, so führt man nicht einfach nur körperliche Übungen aus, sondern wirkt durch sie auch auf die Psyche ein, da der Pranafluss stimuliert wird. (Ebenso wie in der Akupunktur die verschiedenen Meridiane angeregt werden.) Hat man z.B. Probleme mit der Leber, so stimuliert der Akupunkteur das entsprechende Meridianfeld mit einer Nadel, um dadurch die elektrischen Impulse zu erhöhen und so der Leber zusätzliches Prana zu ihrer Heilung zuzuführen. Yogis hingegen vermögen dasselbe ohne Nadeln, allein nur durch Ausführung der Asanas. Macht einmal ein Kirlian-Photo vor und nach den Asanas, und ihr werdet sehen, dass sich die Energie vollkommen verändert hat durch das Aussenden eines gewaltigen Energiestromes. Jüngste wissenschaftliche Forschungen haben das bewiesen.
Wissenschaftler aus Ost und West haben auch Untersuchungen darüber angestellt. Japanische Forscher haben sogar einen Apparat entwickelt, der tatsächlich im Stande ist, die Energiewellenlänge in den einzelnen Chakren zu messen. Dieser Apparat gleicht einem hochempfindlichen Mikrophon, das die Wellenlänge aufnimmt, die von jedem einzelnen Chakra ausgestrahlt wird, ohne den Körper auch nur zu berühren. Das Signal wird dann durch einen Verstärker in einen Oszillographen geschickt, der die Wellenmuster aufzeichnet und sichtbar macht. Man kann dabei beobachten, dass jedes Chakra ein anderes Wellenmuster aussendet. Meditieren nun sehr fortgeschrittene Yogis, so schwingen ihre Chakren sehr rasch, und die Muster im Oszillographen verändern sich dementsprechend. Bevor diese Forschungen angestellt wurden, hatten wir keinerlei Möglichkeit, die Existenz dieser menschlichen Energiefelder zu beweisen.
Das zeigt, dass sich die Kundalini Shakti nur in einer höheren Dimension offenbart. Der Sinn und Zweck des Pranayama ist, die Schwingungsebene zu erhöhen oder Kundalini Shakti zu erwecken – sie sind ein und dasselbe. Deshalb verwenden wir auch verschiedene Methoden: körperliche, geistige und pranische. Die körperliche Methode besteht darin, den Anusschließmuskel unter der Kontrolle zu bringen, und mit Jalandhara Bandha wirken wir auf den Vagusnerv ein. Sind beide Impulse unter Kontrolle, wird Energie aufgebaut.
Es ist wie beim Elektronenblitz einer Kamera. Schaltet man das Gerät an, so lädt sich langsam der Kondensator mit immer mehr Energie aus der 6 Volt Batterie auf. Drückt man dann auf den Knopf, so entlädt sich das Gerät durch Aussenden eines Elektronenblitzes (der für den Bruchteil einer Sekunde eine Spannung von 10 000 – 20 000 Volt erreicht) und man kann das Foto machen. Dieser Blitz ist äußerst intensiv und gewaltig und man erhält eine ungeheure Lichtmenge. Das gleiche passiert, wenn wir den Atem anhalten und die Energie kontrollieren.
Hält man den Atem an, so beginnen sich die schwachen Batterien aufzuladen, sowohl mit Prana als auch mit Apana. Sind dann eines Tages alle Nadis gereinigt, so beginnt sich unmittelbar und blitzartig die Energie durch die Wirbelsäule auszubreiten. Zu diesem Zeitpunkt sind alle Chakren weit geöffnet. Das ist das Erwecken der Chakren durch das Emporsteigen der Kundalini in die oberen Chakren. Wenn man regelmäßig Bandhas, Mudras, Asanas und Pranayama ausübt und sich mit Mantrasingen und richtiger Diät einer Reinigung unterzieht, so muss die Energie automatisch in die oberen Chakren steigen. Die spirituelle Entwicklung wird in dem Maße voranschreiten, in dem die Energieebene in die höheren Chakren steigt. Das ist mit „Erwecken der Kundalini Shakti“ gemeint.
Das sollte theoretisch verstanden werden. Die Energie ist in dir selbst. Sie muss nur erweckt werden. Vergröbere sie nicht oder bringe sie nicht auf einen niedrigeren Stand. Ziehe die Sinne so gut du kannst zurück und bringe diese Energie durch deine Vorstellungskraft und dein Konzentrationsvermögen in höhere Zentren. Woran immer du denkst, dorthin fließt auch das Prana; das ist ein Gesetz. Umgekehrt wandern die Gedanken immer in die Richtung, in die das Prana sich bewegt. Gedanken und Prana stehen miteinander in Verbindung; das eine kann sich nicht ohne das andere Bewegen.
Darum ermöglichen dir Konzentration, Vorstellungskraft und körperliche Übungen zusammen einen vollständigen und ganzheitlichen Zugang zur Erweckung der Shakti. Darum brauchst du Asanas, Pranayama, Bandhas, Mudras, die richtige Diät und die geeignete Atmosphäre. Eine richtige Atmosphäre wären z. B. wunderschöne Berge, wo die Vegetation eine wahre Fülle von magnetischen Strömen (Prana) aussendet. Alles in der Natur sendet Strahlen aus, die man auffangen und bewahren kann für eine höhere geistige Entwicklung.

B: Prana als Elektrizität

Der physische Körper gleicht einer Maschine. Er wird von zwei Arten von Energie in Gang gehalten: chemische Energie, die aus der Nahrung stammt, und psychische Energie (Prana genannt), die von all den Dingen kommt, die wir aufnehmen: Nahrung, Wasser, Luft und Sonnenlicht. Das sind die Hauptquellen unseres Pranas, und sie finden sich überall in der Natur. Prana existiert auch im luftleeren Raum, unter der Erde und sogar im Wasser. Es ist nicht chemisch, sondern elektrisch seinem Wesen nach. Unser Körper speichert Prana, und der Blutkreislauf wirkt wie ein Transformator, der das Prana vom astralen in den physischen Körper umlenkt.
Yogis glauben nicht an die rein physisch-chemische Natur des Körpers; für sie ist der elektrische Aspekt im Körper wesentlich. Wird die elektrische Verbindung zwischen astralem und physischem Bereich unterbrochen, ist es wie bei einer Maschine, die von der Batterie getrennt wird, sie mag noch so stark sein, sie kann nicht starten. Die Prana-Impulse wandern von der astralen in die physische Sphäre durch eine astrale Nabelschnur am Solarplexus. Wird diese Verbindung unterbrochen, kann kein Prana mehr in den physischen Körper fließen. Kommt das Prana nur in kleinen Dosen, fällt der Körper ins Koma (Bewusstlosigkeit).
Begreift man die elektrische Natur unseres Körpers, so wird einem auch der Sinn und Zweck des Pranayama klar. Ich werde es mit modernen Begriffen zu erklären versuchen, da die althergebrachten Ausdrücke sehr schwer zu begreifen sind.
Man sagt, dass man die Luft in der Sushumna, im Hals-, Magen-, Rücken-, Ohren– und Augenbereich anhalten kann. Aber wie geht das vor sich, wenn die eingeatmete Luft gar nicht in diese Gebiete vordringt? Was ist also damit gemeint?
Es handelt sich nicht um eine physische Blockade; es ist die Umleitung der Energie von einer Quelle zu einer anderen. Im Yoga nennen wir diese Energie „Prana“. Das Problem ist, dass es im Englischen (bzw. Deutschen) keinen entsprechenden Ausdruck gibt, deshalb wird es mit „Luft“ übersetzt. Sogar indische Yogis machen diesen Fehler, weil sie nicht wissen, wie es aus dem Sanskrit zu übersetzen ist.
Ich werde versuchen, diese Gedanken anhand von Begriffen aus der Elektronik zu erläutern. Die meisten von euch sind mit Geräten wie Radio, Kamera, Computer vertraut. Drei grundlegende Bestandteile sind allem gemeinsam. Ähnliche Dinge existieren auch in unserem Körper, obwohl das bitte alles nicht so wörtlich zu nehmen ist. Es soll nur dazu beitragen, zu verstehen, in welcher Weise solche Dinge wie Verschlüsse im Körpermechanismus funktionieren. Macht man Pranayama, so trägt das sehr zum besseren Verständnis bei. Über drei Dinge sollte man Bescheid wissen: über 1. Transformatoren, 2. Kondensatoren und 3. Widerstände.

  1. Transformatoren: in elektronischen Elementen befindet sich immer eine Kraftquelle in Form einer Batterie oder als Haushaltsstrom. Ein kleiner Kassettenrekorder kann mit der 220 Volt Stromspannung, wie sie ins Haus geliefert wird, nicht viel anfangen. Er muss auf eine niedrigere Spannungsstufe herunter transformiert werden, sonst würden die Bestandteile ausbrennen. (Es gibt Transformatoren, die hinauf- oder heruntertransformieren, um die Spannung entweder zu erhöhen oder zu erniedrigen.)
  2. Kondensatoren (auch Mehrfachkondensatoren genannt) sind Elektrizitätsspeicher. Ein Beispiel dafür ist der Elektronenblitz in der Kamera. Die Elektrizität für den Blitz kommt zwar aus einer 6 Volt Batterie, aber mit dieser Spannung könnte nie genügend Licht erzeugt werden, um ein Foto zu schießen. Man braucht einige 1000 Volt, um ein derartig intensives Licht hervorzubringen.
    Die Energie aus dieser kleinen Batterie wird wie in einem Reservoir gespeichert (weder hinauf- noch hinunter transformiert) und gesammelt, bis genügend vorhanden ist, um für einen kurzen Augenblick einen mächtigen Blitz zu erzeugen.
  3. Widerstände: Einen anderen Begriff aus der Elektronik, den wir verstehen sollten, ist der Widerstand. Wir können den Widerstand gegenüber dem Energiefluss entweder vergrößern oder verkleinern. Erhöhte Verunreinigung setzt die Intensität des elektrischen Energieflusses herab. Ein Beispiel hierzu wäre ein gewöhnlicher Gartenschlauch, durch den das Wasser mit einer bestimmten Geschwindigkeit fließt, bis man ihn durch Zusammendrücken verengt. Die Wasserpumpe versucht weiterhin die 60 Liter Wasser pro Minute durch den Schlauch zu zwingen, aber wenn sein Fassungsvermögen durch die Verengung vermindert wird, steigt der Druck und das Wasser schießt mit erhöhter Kraft heraus.

Auch in unserem Körper gibt es so etwas Ähnliches wie einen Kondensator. Das Prana gleicht der Elektrizität, ist aber viel subtiler. Jegliche Art von Elektrizität fließt durch die Drähte, und in unserem Körper fließt sie durch Nadis (oder Meridiane im chinesischen System). Das Problem ist, dass viele Leute nur die sichtbaren Nerven darunter verstehen. Ein Nadi ist zwar das Gegenstück zu einem Nerv im physischen Körper, aber man könnte ihn auch als astralen Nervenkanal bezeichnen, da er nicht im physischen, sondern im Astralkörper existiert.
Es ist natürlich nicht möglich, dieses Thema ausschließlich mit elektronischen Begriffen darzustellen, aber zweifellos besteht eine Ähnlichkeit zwischen dem physischen und dem Astralnervensystem: sie entsprechen einander. Der Unterschied besteht allein darin, dass das eine sichtbar und das andere unsichtbar ist.
In unserem Körper werden alle Impulse, die vom Gehirn ausgehen und durch den Vagusnerv, der Herz und Lunge kontrolliert, hindurchgehen, Prana genannt. Früher glaubte man, dass das Herz einer willkürlichen Kontrolle nicht unterworfen und der Herzschlag nicht durch Konzentration reguliert werden könnte. Aber Yogis können beweisen, dass der Herzschlag entweder durch Konzentrations- oder ähnliche Übungen, wie z. B. Jalandhara Bandha, sehr wohl verlangsamt werden kann. Sie drosseln den Pranafluss. Wir sprechen in diesem Fall nicht von physischen, sondern von psychischen Prana.
Gedanken können sowohl den Atemrhythmus, als auch den Herzschlag verändern. Zwei wichtige Elemente im Körper werden zusammen Herz-Kreislauf-System genannt. Sie sind voneinander abhängig. Braucht der Körper zusätzlichen Sauerstoff, so steigt auch die Herzfrequenz. Um die Lungen zu verstärkter Pumptätigkeit anzuregen, müssen Zwerchfell- und Zwischenrippenmuskulatur stimuliert werden. Das geschieht im Gehirn. In Notsituationen, wenn man z. B. von einem Tiger verfolgt wird und sich am Rande der Erschöpfung befindet, stoßen die Nebennierendrüsen Adrenalin aus, um dem Herzen eine zusätzliche Unterstützung zu geben, so dass es für kurze Zeit noch ein bisschen schneller arbeiten kann. Das entspricht dem Mehrfachkondensator in den elektrischen Geräten, die ich erwähnt habe. Die Natur hat uns diese Fähigkeit verliehen, um gefährlichen Situationen entkommen zu können.
Versuchen wir das Herz-Kreislauf-System zu verstehen, um zu erkennen, wie eng Herzschlag und Atem miteinander zusammenhängen: Es gibt einen Apparat, der Polygraph oder Lügendetektor genannt wird. Ebenso wie das EEG die Gehirnströme testet, so misst der Polygraph die 3 Grundelemente, die hauptsächlich mit dem vegetativen Nervensystem in Verbindung stehen.
Im Allgemeinen liegt das vegetative oder autonome Nervensystem außerhalb unserer Kontrolle, aber Yogis vermögen es dennoch zu kontrollieren. Die drei wesentlichen Aufgaben des Polygraphen sind:

  1. unsere Atemstruktur aufzuzeigen und zu messen, wie oft man in der Sekunde ein- und ausatmet (normalerweise ungefähr 16 Mal pro Minute)
  2. die Pulsfrequenz festzustellen (normalerweise ungefähr 75-80 Pulsschläge pro Minute)
  3. den galvanischen Hautwiderstand zu messen. Unter unseren Schweißdrüsen befinden sich Nervenstränge, die sensorische Impulse weiterleiten.

Der galvanische Hautwiderstand, gemessen anhand von Ausscheidungen der Schweißdrüsen, verändert sich mit der Beschaffenheit unserer Gedanken; deshalb ist dies eines der drei Grundelemente in einem Polygraphen. Prüft man den galvanischen Hautwiderstand, indem man z.B. kleine Elektroden an die Fingerkuppen anlegt, so kann man den herausfließenden Strom so weit verstärken, dass das Muster des galvanischen Hautwiderstandes sichtbar wird. Ebenso geschieht das beim vegetativen Nervensystem.
Stellt man mittels elastischen Materials eine Verbindung zwischen dem Brustkorb und dem Polygraphen her, so kann man die Anzahl und die Art der Atemzüge feststellen – flach, langwellig oder gestört. Bei normaler Atmung nehmen wir ca. 150 ccm Luft auf und geben ungefähr die gleiche Menge wieder langsam ab. Bei tiefen Atemzügen kann man bis zu 200 ccm Luft aufnehmen. Der Impuls ist dann sehr stark. Wird man dabei gestört, so ändert sich auch das Atemschema.
Sind alle diese Elemente an den Polygraphen angeschlossen, so können wir 3 verschiedenartige Wellenbewegungen erkennen: Atemrhythmus, Blutdruck und galvanischen Hautwiderstand. Nach 2 oder 3 Minuten zeigend die Aufzeichnungen normale Werte. Verändert sich plötzlich etwas auf dem Polygraphen, so ist das ein Anzeichen dafür, dass die Person gelogen hat. Eine emotionelle Störung kann eine Veränderung des Atemrhythmus von 16 Mal pro Minute bis zu 25 oder 30 Mal pro Minute bewirken. Der Atem kann schneller oder langsamer werden. In extremen Fällen kommen Atem oder Herz sogar zum Stillstand, wie z.B. bei einem Schock oder schlechten Nachrichten. Aber auch erfreuliche Neuigkeiten, etwas sehr Aufregendes, – (angenommen) man hat 5 Millionen in der Lotterie gewonnen – können Herzschlag anhalten.
In diesen Fällen wird der Mehrfachkondensator überladen. Innerhalb kurzer Zeit ist überall ein Kurzschluss. Die Spannung, die in den Nervensträngen fließt, wird zu mächtig, so dass sie alles kurzschließt. Herz und/oder Lunge hören auf zu arbeiten, und es kommt zum Kollaps. Daraus wird ersichtlich, dass sich unser Körper nicht wesentlich von einem elektronischen Mechanismus unterscheidet.
Der elektronische Impuls in unserem Körper ist das Prana. Das Prana fließt in das Nervensystem, wo es von den Kondensatoren gespeichert und von den Transformatoren umgewandelt wird. Es gibt 5 übergeordnete Arten von Prana: Prana, Apana, Udana, Samana und Vyana, sowie einige untergeordnete Arten. Der Unterschied zwischen übergeordnetem und untergeordnetem Prana liegt in der Spannung. Auch in elektronischen Apparaten brauchen manche Bestandteile eine höhere Spannung, so dass verschiedene Typen von Transformatoren vonnöten sind.
Im Körper nennen wir die Transformatoren Chakren. Verschiedenste Nerven führen zu und durch die Chakren. Sie sind nicht physischer, sondern astraler Natur.
Im physischen Körper werden diese Nervenstränge, die sich beim Rückenmark vereinigen, Plexi oder Geflechte genannt. Sie stellen eine Art Knotenpunkt dar, einer Telephonvermittlung vergleichbar. Diese Plexi entsprechen den Chakren. Dort wird die Energie wie im Kondensator gespeichert, wie beim Transformator umgewandelt und wie durch Widerstände gesteuert. Alle diese Dinge spielen sich im gleichen Gebiet ab.
Bei den meisten Menschen sind die Transformatoren in den höheren Chakren nicht vollständig geöffnet, bei sehr fortgeschrittenen Schülern sind sie vielleicht teilweise offen. Große Verunreinigungen wirken als Widerstände. Die verschiedenen Widerstände werden durch unsere Gedanken (oder auch durch unsere Diät) unwillkürlich beeinflusst. Alles wird vom Denken gelenkt. Entsprechend der Art der Gedanken sind die Verunreinigungen größer oder kleiner, denn alle 3 Apparate in unserem System: Kondensatoren, Transformatoren und Widerstände werden vom Geist gesteuert.
Deshalb gehen die Yogis unmittelbar an den Geist heran, um das Schema zu ändern. Entsprechend der Art des Gedankenmusters erhöht oder verringert sich die Spannung. Wird die Spannung größer, fließt die Energie in ein höheres Chakra. Sinkt die Spannung (bei sehr grobstofflichen und ausschließlich sinnlichen oder sexuellen Gedanken), wandert die Energie nur in die niedrigen Chakren, weil die Spannung nicht ausreicht, um in die höheren Chakren aufzusteigen.
Erinnern wir uns daran, dass weder Gedanken noch Prana im physischen Körper vorkommen. Sie existieren nur im Astralkörper, und entsprechend der Art unserer Gedanken fließt Prana in den physischen Körper über. Sind unsere Gedanken sehr grobstofflich, so werden Prana oder die Elektronen, die in den physischen Körper kommen, noch weiter geschwächt, da zu hohe Widerstände bestehen. Außerdem vermag ein Körpernerv keinen mächtigen Gedanken aufzunehmen, und so kann es bis zu einem gewissen Grad zu einer Stilllegung des Pranas kommen. Ein verunreinigtes Nervensystem ist nicht in der Lage, hohe Spannungen zu übertragen. Manchmal kann ein plötzlicher Schock den Pranafluss sogar vollkommen unterbrechen. Oder der Strom wird derartig verlangsamt, dass man zu einem lebendigen Leichnam wird; man liegt dann im Koma.

C: Bandhas und Mudras

Bandhas sind Verschlüsse, durch deren Anwendung das Prana in gewissen Zentren gehalten werden kann. Mudras sind Siegel, die verschiedene Öffnungen verschließen und bewirken, dass die Energie statt in mehrere, nur in eine Richtung fließt. Zum besseren Verständnis dieser Dinge greifen wir wieder auf die Elektronik zurück. Wir wissen jetzt alles über Widerstände. Weitere Begriffe, die wir näher in Betracht ziehen wollen, sind der Wechselstrom und der Gleichstrom. Die Glühbirnen in unseren Haushalten sind an den Wechselstrom angeschlossen, weil negativer und positiver Pol je nach Rotation des Dynamos abwechseln. Auf der anderen Seite kann man mit Gleichstrom, wie er in einer Batterie zu finden ist, Geräte wie z. B. ein Blitzlicht zum Aufleuchten bringen. Beim Gleichstrom kommt es zu keinem Wechsel des Elektronenflusses, er bewegt sich in gleichmäßigen Strömen. Wenden wir nun Siegel (Mudras) und Verschlüsse (Bandhas) an, so ermöglichen wir den Elektronen, nur in eine Richtung (nicht wechselseitig) zu fließen, und wir stoppen die afferenten und efferenten Ströme (motorische und sensorische Impulse). Auf diese Weise wird das normale Energiekonzept im gesamten Nervensystem verändert. Durch Bandhas, Mudras und Pranayama üben wir Kontrolle auf die sensorischen und motorischen Nerven aus.
Übt man die eben angeführten Praktiken regelmäßig (mit gleichzeitiger Reinigung der Nadis), so wird die Energie wie beim Gleichstrom nur durch einen Kanal, die sogenannte Sushumna, fließen. Das bringt höhere Spannung, weniger Widerstand und mehr Kapazität. Überträgt man all dies auf ein elektronisches Element, wie z. B. den Elektronenblitz, so bedeutet das, dass sich der Kondensator auflädt und Spannung aufbaut, bis er schließlich zu einer intensiven Entladung von hellstem Licht für den Bruchteil einer Sekunde kommt. Bei zu hohen Widerständen allerdings wird alles in die Luft fliegen – der Fluss durch diesen Draht muss ausreichen, um alle Elektronen entsprechend zu versorgen. Wir müssen also Begriffe wie Widerstand, Aufbau der Spannung und letztendlich Entladung im Auge behalten.
Das gleiche passiert auch in einer sexuellen Erfahrung. Die Kondensatoren werden mit Gedanken und Leidenschaften aufgeladen und beim sexuellen Höhepunkt erfolgt dann eine plötzliche Entladung des Pranas. Danach bleibt euch keinerlei Energie mehr. Ihr wisst alle, wie der sexuelle Akt (oder jede andere starke Emotion, wie z. B. Zorn oder Ärger) buchstäblich jegliche Energie aus dem Körper herauszieht. Nach der Entladung dauert es einige Stunden, bis die Kondensatoren wieder aufgeladen sind. Es ist wie beim Elektronenblitz: man kann nicht unmittelbar darauf den Entladungsknopf drücken, um wieder eine derartige Lichtintensität zu erhalten. Man muss warten, bis sich die Ladung wieder aufbaut. Auch nach dem sexuellen Akt ist es notwendig zu warten, bis sich der Körper wieder regeneriert hat. Ein Mensch, der ständig seine Energie vergeudet, wird eines Tages impotent und ausgebrannt wie eine leere Batterie sein. Glück und geistiger Friede sind ihm verwehrt. Ich spreche aber nicht nur von einer rein physischen, sondern auch von einer geistigen Impotenz. Die Gedanken werden träge, man vermag die Gedankenströme nicht mehr entsprechend zu kanalisieren, emotionelle Schwierigkeiten treten auf und münden schließlich in eine Dauerdepression. All das ist die Folge von einer exzessiven Entladung des Pranas.
Westliche Wissenschaftler machen sich ein falsches Bild von diesen Dingen und sind der irrigen Anschauung, dass der sexuelle Akt etwas Natürliches sei. Dem ist nicht so. Man braucht eine ungeheure Energiemenge, um die Mehrfachkondensatoren wieder aufzuladen und innerhalb kürzester Zeit wird diese Energie freigesetzt. Stellen wir uns vor, wir würden nach jedem Aufladen des Kondensators den Blitz an unserer Kamera ununterbrochen entladen, so würde bald die Batterie vollkommen leer und ausgebrannt sein, und wir müssten sie durch eine neue ersetzen. In unserem Körper dagegen können wir die Batterie nicht so ohne weiteres austauschen, wir müssen warten, indem wir uns entweder auf normale Art oder durch Pranayama wieder Energie zuführen. Normale Menschen wissen nicht was Pranayama ist, daher können sie sich nur durch Ruhe, Sonnen- und Nahrungsaufnahme wieder aufladen. Man nimmt zwar etwas Prana mit der Nahrung auf, aber eben nur ganz wenig, gerade so viel, um überleben zu können und um die vegetativen Funktionen des Körpers aufrechterhalten zu können.
Gewöhnliche Leute wissen nichts über höhere Praktiken der Meditation, richtiges Denken und höheres Wollen. Obwohl sie vielleicht Ärzte, Psychiater, Doktoren der Philosophie etc. sind, besitzen sie nicht einmal genügend Willenskraft, um z. B. ihre Rauchgewohnheiten aufzugeben, da ihre psychischen Fähigkeiten sehr begrenzt sind. Sie geben ununterbrochen Energie ab und wissen nicht, wie sie sich wieder aufladen können. Ihr Geist befindet sich in einem sehr labilen Zustand. Hat man das erst einmal verstanden, so begreift man auch den Sinn und Zweck der Bandhas und Mudras.
Durch regelmäßiges Üben von Pranayama zusammen mit Bandhas und Mudras, kann man allmählich den Energiestrom in nur eine Richtung lenken und konzentrieren. Normalerweise schwingt unsere Energie hin und her, wie beim Wechselstrom. Aber indem man die Energie in einem einzigen Strom kanalisiert, werden die Kondensatoren aufgeladen. Jedes Mal, wenn man den Atem anhält, lädt man die Kondensatoren auf. Da jeder Chakra-Transformator pulsiert, steigt die Spannung und wandert immer höher und höher bis in die oberen Chakren. Steigt die Spannung, so verhält sich jedes Chakra wie ein Hochtransformator und hebt das Energieniveau Stufe um Stufe an, bis die Energie schließlich das Sahasrara erreicht. Das nennt man die Vereinigung.
Das ist Theorie, die sich hinter Kundalini Yoga verbirgt. Um es philosophisch auszudrücken: Das Ziel der spirituellen Praxis ist die Befreiung vom irdischen Leben in das göttliche Leben. Mit Kundalini-Begriffen ausgedrückt bedeutet diese Freiheit oder Mumukshutva ein Entkommen aus einem niedrigen in einen höheren Spannungszustand.

3. Kapitel, Vers 1

Deutsche Übersetzung:

So wie der König der Schlangen die Gebirge und Wälder der Erde trägt, | so trägt die Kundalini ohne Zweifel die Yoga Tantren.

Sanskrit Text:

  • sa-śaila-vana-dhātrīṇāṁ yathādhāro’hi-nāyakaḥ |
    sarveṣāṁ yoga-tantrāṇāṁ tathādhāro hi kuṇḍalī ||1||
  • सशैलवनधात्रीणां यथाधारोऽहिनायकः ।
    सर्वेषां योगतन्त्राणां तथाधारो हि कुण्डली ॥१॥
  • sa shaila vana dhatrinam yathadharo’hi nayakah |
    sarvesham yoga tantranam tathadharo hi kundali ||1||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • sa : samt (ihren, Sa)
  • śaila : Bergen (Shaila)
  • vana : (und) Wäldern (Vana)
  • dhātrīṇāṁ : (der) Erde („irdischen Gegenden“, Dhatri)
  • yathā : wie (Yatha)
  • ādhāraḥ : (die) Grundlage, Basis, Stütze (ist, Adhara)
  • ahi* : (der) Schlangen (Ahi)
  • nāyakaḥ* : (der) Anführer, Fürst (Nayaka)
  • sarveṣāṁ : aller (Sarva)
  • yoga : (des) Yoga (Yoga)
  • tantrāṇāṁ : Praktiken, Lehren (Tantra)
  • tathā : genau so (Tatha)
  • ādhāraḥ : (die) Grundlage, Basis, Stütze
  • hi : gewiss (Hi)
  • kuṇḍalī** : (ist die) Kundali (die „geringelte“ Schlangenkraft Kundalini)        ||1||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda ergänzt, dass mit „Schlangenfürst“ (AhiNayakaShesha gemeint ist, als dessen Verkörperung auch Patanjali angesehen wird: ahi-nāyakaḥ śeṣaḥ.

** Anmerkung: Brahmananda definiert hier die Kundali(ni) als die „an der Basis (Adhara, d.h. im Muladhara Chakra ruhende) Kraft (Shakti)“: kuṇḍaly ādhāra-śaktiḥ.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

1. Wie Ananta, der Schlangengott, das ganze Universum mit seinen Bergen und Wäldern trägt, so ist Kundalini die wesentlichste Stütze aller Yoga-Praktiken.

2. Wenn die Kundalini schlummert, wird sie durch die Gunst des Gurus geweckt, und alle Lotusse (Nervenzentren) und Granthis (Knoten) werden durchstoßen.

Die Granthis befinden sich in der Sushumna. Der Brahma Granthi liegt im Muladhara Chakra; der Vishnu Granthi im Manipura Chakra; der Rudra Granthi im Ajna Chakra. Sie können durchbrochen werden, indem man Pranayama, Bandhas und Mudras ausführt.
Was meint nun „die Gunst des Gurus“? Wenn ihr Vertrauen zum Guru habt, wird er euch lehren, den Zeitpunkt zu erkennen zu dem ihr für die Übung bereit seid.

Sukadev

Das dritte Kapitel hat als Hauptthema die Mudras. Und da die Mudras Kundalini erwecken wollen und auch die Kundalini aktivieren wollen, schreibt er zuerst über Kundalini.

1. Wie Ananta, der Schlangengott, das ganze Universum mit seinen Bergen und Wäldern trägt, so ist Kundalini die wesentlichste Stütze aller Yoga-Praktiken.

Das bezieht sich auf einen Schöpfungsmythos. Es gibt in indischen Schriften zahllose Schöpfungsmythen. Das zeigt, dass keiner wörtlich genommen werden soll, sondern nur, dass bestimmte Prinzipien ausgedrückt werden sollen. Da war es so, dass erst der Ozean da war. Auf dem Ozean war Ananta, die Weltenschlange. Auf dieser Weltenschlange liegt Vishnu. Aus Vishnus Nabel heraus kommt der Lotus, dieser Lotus ist Lakshmi, und auf Lakshmi, diesem Lotus von Lakhsmi, sitzt Brahma, der Schöpfer. Der Schöpfer macht Tapas, bzw.Pranayama. Dann schafft er als erstes daraus die Veden, und aus den Veden die gesamte Schöpfung. Die Wasser des Meeres symbolisiert dort Shiva, das reine Bewusstsein. Ananta, die Schlange, symbolisiert dort Shakti, die kosmische Energie. Vishnu symbolisiert Ishvara, den persönlichen Gott, der letztlich aus Ananta, der Schlange, erwächst, und damit Teil der Shakti ist, und dort in verschiedenen Stufen erstmal als Vishnu, als Kraft der Liebe erscheint. Daraus folgt Lakshmi, die Kraft der Fülle, daraus Brahma, der Schöpfer, der mittels Pranayama diese Kraft konzentriert und damit in verschiedene Teile gibt, der die Veden schafft, das heißt, das Urwissen. Und damit die Urprinzipien, und Archetypen, und die Urideen, und daraus kann dann die ganze Welt in ihren verschiedenen Unterteilungen entstehen. Und so ruht die ganze Welt letztlich in Ananta, weil sie alle Teile der Shakti sind. Und so ist Kundalini die wesentliche Stütze aller Yogapraktiken. Er sagt ja, nicht nur der Hatha-Yoga-Praktiken, sondern aller Praktiken. Jede Bewusstseinserweiterung ist mit einer Erweckung der Kundalini verbunden. Auch bei spirituellen Wegen, die gar nicht von Kundalini sprechen. Wenn die Bewusstseinserweiterung stattfindet, ist immer die Kundalini erweckt.

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3. Kapitel, Vers 2

Deutsche Übersetzung:

Wenn mit der Hilfe des Lehrers die schlafende Kundalini erwacht, | Dann werden alle Lotusblüten (Padma) und Knotenpunkte (Granthi) durchdrungen.

Sanskrit Text:

  • suptā guru-prasādena yadā jāgarti kuṇḍalī |
    tadā sarvāṇi padmāni bhidyante granthayo’pi ca ||2||
  • सुप्ता गुरुप्रसादेन यदा जागर्ति कुण्डली ।
    तदा सर्वाणि पद्मानि भिद्यन्ते ग्रन्थयोऽपि च ॥२॥
  • supta guru prasadena yada jagarti kundali |
    tada sarvani padmani bhidyante granthayo’pi cha ||2||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • suptā : (die) schlafende (Supta)
  • guru : (des) Meisters (Guru)
  • prasādena : durch die Gnade, Gunst, Hilfe (Prasada)
  • yadā : wenn (Yada)
  • jāgarti : erwacht (jāgṛ)
  • kuṇḍalī : Kundali (die “geringelte” Schlangenkraft Kundalini)
  • tadā : dann (Tada)
  • sarvāṇi* : alle (Sarva)
  • padmāni*Chakren („Lotusse“, Padma)
  • bhidyante : werden durchstoßen (bhid)
  • granthayaḥ** : (die drei) Knoten (Granthi)
  • api : auch, sogar (Api)
  • ca : und (Cha)     ||2||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass sich „alle Lotusse“ (sarvāṇi padmāni) auf die sechs (Shash) Chakren bezieht: sarvāṇi padmāni ṣaṭ cakrāṇi.

** Anmerkung: Die drei „Knoten“ (Granthi) sind Brahma Granthi, Vishnu Granthi und Rudra Granthi.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 44 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

2. Wenn die Kundalini schlummert, wird sie durch die Gunst des Gurus geweckt, und alle Lotusse

alle Chakras. Die Chakras werden manchmal auch als Padmas bezeichnet, Lotusse

– (Nervenzentren) und Granthis (Knoten) werden durchstoßen.

Die Granthis befinden sich in der Sushumna, das sind die Knoten. Man kann sich das gut merken – die Granthis sind das, was uns grantig macht. Granthis wird allerdings mit h geschrieben. Und zwar gibt es da drei Granthis. Es gibt Brahma-Granthi im MuladharaChakra, es gibt Vishnu-Granthi. Manchmal wie gesagt, im Manipura-Chakra, manchmal im Anahata-Chakra. Wahrscheinlich kann der bei verschiedenen Menschen in verschiedenen Chakras liegen, entweder Manipura, Anahata oder dazwischen, und Rudhra-Granthi ist im Ajna-Chakra.

Brahma-Granthi, oberhalb des Muladhara-Chakras, symbolisiert die Schwierigkeit, von einer physischen Erfahrung zu einer astralen Erfahrung zu kommen. Brahma-Granthi, oberhalb des Muladhara-Chakra. Vom Bewusstsein der physischen Welt zur astralen Welt zu kommen. Das ist ja einer der Punkte, den so viele Menschen haben, und sagen: „Ihr sprecht alle über Prana und Energien usw. Ich glaube nur an das, was ich sehe. Und so lange Brahma-Granthi nicht durchstoßen ist, so lange sieht man nur die physische Welt. Ich habe mal jemand geantwortet: „Genau so bin ich auch. Ich glaube auch an das, was ich sehe, und ich sehe nicht nur die physische Welt.“ Wer hat jetzt Recht? Wer wohl? Es hängt letztlich vom Bewusstseinsstandpunkt ab und hängt letztlich davon ab, wie durchgängig Brahma-Granthi schon geworden ist.

Als zweites gibt es Vishnu-Granthi, und Vishnu-Granthi ist etwas, was die Schwierigkeit symbolisiert, um von einer Astralerfahrung, die immer noch in Zeit und Raum ist, zwar anderer Zeit und Raum, als die physische Welt, aber immer noch sinnlich ist. Man sieht, hört, riecht, schmeckt fühlt die Astralwelt. Und immer noch ichbezogen ist, weil ich etwas beobachte, und damit letztlich noch damit das Ego füttern kann, weil man dann so stolz ist: „Ich sehe die astrale Welt, und das gemeine Volk sieht es nicht.“ Von dieser egoistischen Erfahrung zu einer Erfahrung reiner Liebe und jenseits von Zeit und Raum zu kommen, dafür steht Vishnu-Granthi. Wenn der Granthi durchstoßen ist, dann ist Liebe und Vision Gottes nicht mehr im Sinne von wirklich sehen, sondern Erfahrung Gottes.

Schließlich gibt es Rudhra-Granthi im Ajna-Chakra. Und der steht für die Schwierigkeit, von einer dualistischen Erfahrung von Samadhi, oder auch einem Gefühl der Nähe und Verbundenheit mit Gott, zur vollkommenen Einheit, Einheit mit dem Unendlichen, und Einheit mit Gott zu kommen. Und hier heißt es, dass die Gnade des Gurus die Kundalini erwecken kann. Und dann kann sie alle Chakras durchstoßen und insbesondere die Granthis, die Knoten, werden durchstoßen.

Die Gunst des Gurus. Hatha-Yoga ist ja einer, vielleicht der Weg mit den meisten Praktiken. Die meisten Menschen gehen ihn ja eher sanft, und auch wir lehren ihn ja eigentlich eher als ein Teil des ganzheitlichen Yogas. Es gibt sehr wenige, die sechzehn Stunden am TagAsanas, Pranayama, Mudras, Bandhas üben. Wir lehren halt auch Hatha-Yoga im Zusammenhang als ganzheitlichen Yoga. So eine halbe bis eine Stunde am Tag die Hatha-Yoga-Praktiken. Vielleicht anderthalb oder zwo Stunden am Tag für die, die etwas mehr Zeit und Enthusiasmus haben, und dann noch meditieren, und ansonsten Bhakti-, Raja-, Jnana-Yoga für’s tägliche Leben. Ab und zu mal Satsang, intensiver üben, entweder mal ein Wochenende oder mal eine Woche oder einen Monat zu einem Yoga-Seminar kommen, um intensiver zu üben. Und für die meisten Menschen ist das der bessere und sicherere Weg. Selbst bei Swatmarama, der die intensivere Hatha-Yoga-Praxis empfiehlt, läuft nicht alles nur mit Techniken.

Wie ihr alle wisst, gibt’s mehrere Faktoren des spirituellen Fortschritts. Der eine ist die eigene Anstrengung, und der andere ist letztlich die göttliche Gnade. Und die kann man noch mal unterteilen in die Gnade Gottes und die Gnade des Gurus, des Lehrers. Man kann sehr viel üben, aber man braucht letztlich auch die Gnade, die Gnade Gottes und die Gnade des Gurus, des spirituellen Meisters. Das mit der Gnade des Gurus ist schwer zu beschreiben. Ihr wisst intuitiv, dass ein Mensch einen anderen beeinflussen kann. Das weiß jeder. Das ist jetzt nicht misszuverstehen. Es ist nicht etwas Willkürliches, wenn ein Lehrer sagt: „Dem gebe ich jetzt Energie oder nicht“, obgleich auch ein spiritueller Lehrer konkret Energie in eine bestimmte Richtung schickt. Aber über diesen Kanal fließt dann die Energie, wenn sich der Schüler darauf einstimmt.

Es gibt da eine Geschichte im Rahmen der Mantra-Einweihung – es gab einen Schüler, der hatte jahrelang praktiziert, hatte aber nicht gemerkt, dass er größeren Fortschritt gemacht hat. Jetzt wollte er die Mantra-Einweihung von einem Lehrer haben, der gesagt hat, er gibt keine Mantra-Einweihung mehr. Aber das war für ihn der Lehrer. Und dann hat er den Lehrer beobachtet, hat sich dann früh morgens um drei Uhr auf die Stufen zum Ganges hingelegt, und als der Lehrer dann morgens kam, um sein Morgenbad zu nehmen, ist er auf den Schüler draufgetreten, weil es ja dunkel war, und so wie der Lehrer das gesehen hat, hat er sich vor ihm verneigt und OM Namo Narayana gesagt – die meisten weltlichen Menschen gebrauchen ja eher Fäkalienausdrücke, wenn sie sich erschrecken – ein spiritueller Mensch, wenn er erschrickt, dann sagt er OM Namo Narayanaya. Die einen sehen, wenn was Unvorhergesehenes kommt, ihre eigenen Exkremente, und die anderen sehen, wenn was Unvorhergesehenes kommt, das Wirken Gottes. Gut, jedenfalls unser Guru hat dann OM Namo Narayana gesagt und die Hand dem Schüler auf die Stirn gehalten, und der Schüler hat sich verneigt, hat seine Gaben noch gegeben, hat sich für die Mantra-Einweihung bedankt, und hat sich dann hingesetzt und die Selbstverwirklichung erreicht. Er hat sich ganz auf den Lehrer eingestimmt, hat die Mantra-Einweihung noch gehabt. Der Schüler muss die Hingabe für den Lehrer haben.

Ich bin ja jetzt auch kein Vollkommener, ich kann niemandem die Kundalini erwecken. Bei Swami Vishnu, da gab’s so Sachen. Der konnte Menschen tatsächlich Energie geben. Ich weiß noch, bei unserer fortgeschrittenen Yogalehrerausbildung, als er da war – er war nicht jeden Tag für’s Pranayama da – aber wenn er da war und Bhastrika unterrichtet hat, dann haben eine ganze Reihe Leute angefangen zu schütteln. Wenn hier mal jemand anfängt zu schütteln, dann erschrecken gleich alle. Aber dort, wenn der Swami Vishnu in einer großen Gruppe Bhastrika unterrichtet hat, dann hat das fünf, sechs Leute durchgeschüttelt. Der hat auch nichts anderes angesagt als eins – zwei – eins – zwei. Es ist aber dort eine Energie dahinter. Und auf diese Energie kann man sich auch einstimmen. Es ist die Aufgabe des Schülers, sich auf den Lehrer einzustimmen. Und über das Einstimmen des Schülers auf den Lehrer wird ein Kanal hergestellt, und über das Herstellen des Kanals kann dort Energie fließen. Es ist also nicht ein Willkürakt, dass der Lehrer sagt: Der Savir gefällt mir besonders gut, also erwecke ich dem die Kundalini“. Sondern der Lehrer ist wie ein Kanal, durch den Energie hindurchfließt, und wenn der Schüler sich darauf einstimmt, dann fließt die dort hin.

Die Gnade ist immer da, aber sie ist ein Element, das wir nicht genau unter Kontrolle haben. Deswegen heißt‘ s ja Gnade. Und da ist die Einstellung wichtig. Wir können uns eben an den Guru wenden, sowohl an den physischen Guru, der noch im physischen Körper ist, als auch einen, der nicht mehr im physischen Körper ist, und können um Führung bitten, und dann kann es plötzlich geschehen. Diese Demut und diese Hingabe, an die müssen wir uns immer wieder erinnern. Menschen, die es nur rein physisch machen, die haben erstens nicht so schnelle Fortschritte, und zweitens können sie irgendwann zu Asuras werden. Egoisten mit starken Kräften. Das ist gefährlich. Also Gnade ist wichtig. Dann, wenn die Kundalini erweckt ist, und die Lotusse und Granthis durchstößt,

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3. Kapitel, Vers 3

Deutsche Übersetzung:

Der leere Pfad wird dann zum königlichen Weg der Lebensenergie, | dann wird alles wandelbare des Menschen (Chitta) haltlos und die Zeit wird überwunden.

Sanskrit Text:

  • prāṇasya śūnya-padavī tadā rāja-pathāyate |
    tadā cittaṁ nirālambaṁ tadā kālasya vañcanam ||3||
  • प्राणस्य शून्यपदवी तदा राजपथायते ।
    तदा चित्तं निरालम्बं तदा कालस्य वञ्चनम् ॥३॥
  • pranasya shunya padavi tada raja pathayate |
    tada chittam niralambam tada kalasya vanchanam ||3||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • prāṇasya : für die Lebensenergie Prana
  • śūnya-padavī : (die) Sushumna („Pfad der Leere“, Shunyapadavi)
  • tadā : dann (Tada)
  • rāja-pathāyate : wird zur Haupstraße („Königsweg“, Rajapatha)
  • tadā : dann
  • cittaṁ* : (wird der) Geist (Chitta)
  • nir-ālambaṁ* : objektlos („ohne Stütze“, Niralamba)
  • tadā : dann (wird möglich)
  • kālasya : des Todes („der Zeit“, Kala)
  • vañcanam : (das) Täuschen („Hintergehen, Entrinnen“, Vanchana)      ||3||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass ein „Geist ohne Stützen“ (cittaṃ nir-ālambaṃ) objektlos ist, d.h. er wird (bhavati) von den Sinnes- bzw. Meditationsobjekten (Vishaya) losgelöst: cittaṃ … nir-ālambaṃ nir-viṣayaṃ bhavati.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

3. Dann fließt das Prana durch die königliche Straße: Sushumna. Dann verbleibt der Geist ausgesetzt und der Yogi überlistet den Tod.

4. Sushumna, die große Leere, die Brahmarandhra, die große Straße, der brennende Grund, Sambhavi, und der mittlere Pfad, alle beziehen sich auf ein und dasselbe.

Dies ist schwer zu begreifen, aber wenn ihr übt, wird es euch allmählich klarer werden. „Die Leere“ ist eine wörtliche Übersetzung aus dem Sanskrit „Shunya“ und bedeutet einen Zustand, in dem weder Eigenschaften, Zeit, Raum oder Bewusstheit existieren. Geht das Prana in die Sushumna, ist die Welt nicht mehr vorhanden. Bewusstsein von Zeit und Raum und Erfahrungen der Sinne sind nur Schöpfungen des Geistes, der Gedanken. Normalerweise ist man manchmal aktiv und manchmal weniger; man erlebt einmal positive und einmal negative Gefühle – das geht immer so weiter. Dann gibt es Eigenschaften und man ist sich der Zeit und des Raumes bewusst. Wenn jedoch Prana die Sushumna erreicht, wird es zu Nichts. Mit anderen Worten: Samadhi ist erreicht.
Im Hatha Yoga nennen wir diesen Zustand Umani Avashta. Im Raja Yoga heißt es Asamprajnata Samadhi. Im Jnana Yoga hat er den Namen Nirvikalpa Samadhi. Aber im Grunde bezeichnen sie alle das Gleiche.
Brahmarandhra bedeutet Brahmas Kanal. Gegenwärtig fließt Prana durch Ida und Pingala durch die Sinnes- und Sexualorgane, aber sobald es durch Brahmarandhra fließt, hat man nur noch den Gedanken „Aham“ – „Ich bin“.
Sushumna wird auch als „brennender Grund“ bezeichnet. Was verbrennst du? Du verbrennst alle deine Samskaras (subtile Eindrücke aus vergangenen Leben), die, obwohl verborgen, sprießen würden wie Samen im Frühling. Fließt nun das Prana in die Sushumna, so werden sie verbrannt.

Sukadev

3. Dann fließt das Prana durch die königliche Straße: Sushumna. Dann verbleibt der Geist ausgesetzt und der Yogi überlistet den Tod.

Er weiß, dass er unsterblich ist. Das ist die Überlistung. Der Körper stirbt irgendwann, aber der Tod ist überlistet. Er mag den Körper nehmen, aber ich weiß, ich bin unsterblich. Wir leben in einer Gesellschaft, wo wir den Tod weit von uns weggeschoben haben. Tod geschieht uns nicht, das geschieht nur anderen. Tod wird typischerweise im Fernsehen so dargestellt, so kommt man normalerweise nicht um. Erschossen wird man nicht so oft, oder dass einem Arnold Schwarzenegger – passiert ja nicht so oft. Das war ja auch das, warum der 11. September die Menschen so sehr erschüttert hat, es ist glücklicherweise kein Anschlag geschehen am Jahrestag, plötzlich wusste man: Das kann uns auch geschehen, egal wo wir sind. Ein Autounfall kann natürlich sehr viel wahrscheinlicher passieren. Es gibt viel mehr Autounfälle, wo Menschen sterben. Wir denken nicht daran. Bei Menschen früherer Zeiten, da war es anders gewesen. Da war der Tod eine wichtige Sache. Gut, im Christentum war ja der Tod noch dazu verbunden mit dem Jüngsten Gericht, und der Gefahr der ewigen Verdammnis. Vielleicht habt ihr mal was über Luthers Leben gelesen. Ich finde es eher noch erstaunlich, wie wenig solche Sachen, religiöse Themen, im Religionsunterricht behandelt wurden, mindestens zu meiner Zeit. Wir haben über alles Mögliche gesprochen, aber weder über die Heiligen noch über die Bibel übermäßig viel, erst recht nicht über den Begründer der Reformation. Er ist ins Kloster gegangen, nachdem er beinahe von einem Blitz erschlagen wurde, und dann dachte er: So schnell kann ich sterben und dann komme ich in dieHölle. Er hatte furchtbare Angst vor der Hölle, und weil er so Riesenangst hatte vor der Hölle, wollte er also alles tun, um das Jüngste Gericht dazu zubringen, dass er nicht in die Hölle kommt. Gut, und dann später hat er gedacht: Das ist auch nicht das Richtige, Gott praktisch dazu zu zwingen, dass er in den Himmel kommt, und dann kam eben seine neue Theologie, dass man in den Himmel kommt allein durch die Gnade Gottes. Weil Jesus gestorben ist, für uns gestorben ist, und wir brauchen nur die Gnade anzunehmen. Wir brauchen nichts zu machen, die Gnade macht alles. Das war eine gewisse Gegenbewegung. Meine Behauptung: Beides ist wichtig. Das Gnadenelement, wie auch die eigene Praxis.

Und jetzt gibt er uns einen Vers, der ein Schlüssel ist zur Entzifferung von verschiedenen Mythen. Wer sich mal mit indischer Mythologie beschäftigt, da findet man immer wieder bestimmte Aussagen, und die kann man interpretieren auf Geschehnisse, die in einem selbst geschehen auf dem spirituellen Weg. Und hier sagt er jetzt:

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3. Kapitel, Vers 4

Deutsche Übersetzung:

Sushumna, der leere Pfad, Brahmarandhra (die Öffnung ins Brahman), der großartige Weg, | der Verbrennungs-Grund, Shambhavi und der mittlere Weg sind alles Synonyme.

Sanskrit Text:

  • suṣumṇā śūnya-padavī brahma-randhraṁ mahā-pathaḥ |
    śmaśānaṁ śāmbhavī madhya-mārgaś cety eka-vācakāḥ ||4||
  • सुषुम्णा शून्यपदवी ब्रह्मरन्ध्रं महापथः ।
    श्मशानं शाम्भवी मध्यमार्गश्चेत्येकवाचकाः ॥४॥
  • sushumna shunya padavi brahma randhram maha pathah |
    shmashanam shambhavi madhya margash chety eka vachakah ||4||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

4. Sushumna, die große Leere, die Brahmarandhra, die große Straße, der brennende Grund, Sambhavi, und der mittlere Pfad, alle beziehen sich auf ein und dasselbe.

Wenn ihr also mal einen Mythos lest, und da steht irgendwas von einem dieser Ausdrücke: ‚Jetzt nimmt jemand die mittlere Straße’, oder er ist auf einem ‚Verbrennungsgrund’, oder ‚erfährt jetzt die große Leere’ oder so etwas, dann könnt ihr wissen, das hat irgendwas mit der Sushumna zu tun. In Indien werden Leichen nicht verbuddelt, sondern verbrannt. Und da gibt’s eben diese Leichenverbrennungsorte. Und wenn es heißt, dass jemand sich an einen solchen Ort begibt, um zu meditieren, dann heißt das, er geht mit seinem Bewusstsein in die Sushumna.

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3. Kapitel, Vers 5

Deutsche Übersetzung:

Deshalb soll der Yogi voll Enthusiasmus die Praxis der Mudras praktizieren um die Göttin zu wecken, | die am Eingang zu Brahma’s Tür schläft.

Sanskrit Text:

  • tasmāt sarva-prayatnena prabodhayitum īśvarīm |
    brahma-dvāra-mukhe suptāṁ mudrābhyāsaṁ samācaret ||5||
  • तस्मात्सर्वप्रयत्नेन प्रबोधयितुमीश्वरीम् ।
    ब्रह्मद्वारमुखे सुप्तां मुद्राभ्यासं समाचरेत् ॥५॥
  • tasmat sarva prayatnena prabodhayitum ishvarim |
    brahma dvara mukhe suptam mudrabhyasam samacharet ||5||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • tasmāt : daher, deshalb (Tasmat)
  • sarva : (mit) aller (Sarva)
  • prayatnena : Anstrengung, Bemühung (Prayatna)
  • prabodhayitum : um zu erwecken (pra + budh)
  • īśvarīm* : (die) Göttin, Herrin, Gebieterin (Ishvari)
  • brahma-dvāra** : (der) Tür (zum) Brahman (Brahmadvara)
  • mukhe : am Eingang („Mund“, Mukha)
  • suptāṁ : (welche) schläft (Supta)
  • mudrā : (der verschiedenen) Siegel (Mudra)
  • abhyāsaṁ : (die) Praxis, Übung (Abhyasa)
  • samācaret : (man) soll ausführen (sam + ā + car)       ||5||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass mit der „schlafenden (Supta) Göttin (Ishvari)“ hier die Kundali(ni) gemeint ist: suptām īśvarīṃ kuṇḍalīm.

**Anmerkung: Brahmananda definiert hier das Absolute (Brahman) als durch Sein (Sat), Bewusstsein (Chit) und Glückseligkeit (Ananda) charakterisiert (Lakshana): brahma sac-cid-ānanda-lakṣaṇam. Die „Tür (Dvara) zum Brahman“ (Brahmadvara) ist die Sushumna, das „Mittel (Upaya) zum Erreichen (Prapti)“ desselben (tasya): tasya dvāraṃ prāpty-upāyaḥ suṣumnā. Diesen Eingang (Dvara) hält die Kundali(ni) gewöhnlich mit ihrem Mund (Mukha) verschlossen (pidhāya): mukhena suṣumnā-dvāraṃ pidhāya.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 43 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

5. Deshalb sollte der Yogi die verschiedenen Mudras sorgfältig üben, um die große Göttin (Kundalini) zu wecken, die schlummernd die Mündung der Sushumna zuhält (das Tor zum Absoluten).

6. Maha Mudra, Maha Bandha, Maha Vedha, Khechari, Uddiyana, Mula- und Jalandhara Bandha, Viparita Karani, Vajroli und Shakti Chalani…

Khechari ist das Einschneiden der Zunge. Es ruft eine künstliche Art von Samadhi hervor, Jada Samadhi oder unwirksames Samadhi genannt; es kann dich zu den höchsten Erfahrungen bringen oder deine Begierden auslöschen. Es ist ein Versuch, ohne vorherige Reinigung, das Prana aufzuhalten.
Vajroli ist eine körperliche Kontraktion, durch die das Wasser durch die Harnröhre hinaufgezogen wird. Dann erhöht man allmählich die Dichte der Flüssigkeit (mittels Honig etc.), so dass letztendlich sogar eine sexuelle Ejakulation nach rückwärts gezogen werden kann. Es ähnlich dem Basti, bei dem Wasser durch das Vakuum, das entsteht, wenn man Nauli ausführt, in den Dickdarm hinaufgezogen wird. Aber für unsere Zwecke ist es nicht notwendig Vajroli zu üben, weil wir dieselben Erfolge durch Mula Bandha erzielen können, indem wir eben diesen Impuls stoppen.
Uddiyana-, Mula- und Jalandhara Bandha sind dir schon bekannt. Viparita Karani ist wie der Schulterstand, nur in schräger Position. Man will dabei die Energie nach hinten ziehen. Im Allgemeinen träufelt der Nektar vom Mond in der oberen Sphäre auf die Sonne unterhalb, die ihn gierig aufnimmt. Aber indem man den Körper umdreht, ist dieser Nektar gefangen und der Körper bleibt ewig jung. Das ist die dahinterliegende Theorie. Viparita Karani sollte daher nur am Morgen und nicht am Abend ausgeführt werden.
Will man Shakti Chalani machen, muss man Bhastrika durchführen und den Körper auf- und niederschlagen.
Bevor man beginnt, diese Mudras und intensives Pranayama zu üben, muss man auf die richtige Diät äußerst bedacht sein. Man kann auch nicht allzu sehr in unkontrollierten sexuellen Praktiken schwelgen, weil dadurch das Prana in die falsche Richtung gelenkt wird. So übt euch in Enthaltsamkeit, so gut ihr könnt, aber unterdrückt eure sexuellen Gefühle nicht, sondern führt sie auf eine höhere Ebene. Übt Yama und Niyama und zur Reinwerdung so viel wie möglich Japa. Dann wird Shakti durch Shakti Chalani erweckt, wie eine wohlschmeckende reife Frucht. Nimmt man aber eine unreife Frucht und versucht sie durch Drücken reif zu machen, dann mag sie zwar weich erscheinen, aber sie wird sauer bleiben. Dasselbe gilt für spirituelle Praktiken. Lasst sie reifen, versucht nichts zu erzwingen.

Sukadev

5. Deshalb sollte der Yogi die verschiedenen Mudras sorgfältig üben, um die große Göttin (Kundalini) zu wecken, die schlummernd die Mündung der Sushumna zuhält (das Tor zum Absoluten).

Gut. Er beschreibt jetzt zehn Mudras. Die Ghera Samhita beschreibt 32 Mudras. Die zehn Mudras hier sind jetzt nicht identisch sind mit den Mudras, die ihr nach Sivananda übt. Diese Mudrareihe nach Sivananada hat natürlich eine gewisse Logik. Zuerst wird durch Mahamudra die ganze Sushumna geöffnet, dann geht man Schritt für Schritt die Chakras nach oben. Dann über Viparitakaranimudra wird noch mal besonders die Sonnen- und Mondenergie aktiviert. Und dann zum Schluss über die Kechari Mudra wird die Mondenergie verstärkt, so dass zum Abschluss eine harmonisierende, beruhigende, entspannende Energie da ist. Aber es gibt auch andere Mudrareihen.

Meine Erfahrung ist, das diese Mudrareihe für die Menschen effektiver ist, und letztlich machtvoller sind. Man würde auch jetzt die Mudras nicht allein für sich machen. Man kann aber die Mudras auch direkt nach den Asanas machen, man kann sie direkt nach beispielsweise dem Drehsitz machen, man kann sie nach der Vorwärtsbeuge entstehen lassen. Wenn man die Mudras macht, muss man am gleichen Tag zwanzig Minuten Wechselatmung machen. Das kann man direkt davor machen oder auch später oder nachher. Andere würden erklären: Es ist verrückt, fünfundfünfzig Minuten ist wenig.

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3. Kapitel, Vers 6

Deutsche Übersetzung:

Maha-Mudra, Maha-Bandha, Maha-Vedha und Khecari-Mudra | Uddiyana-Bandha, Mula-Bandha, und was als Jalandhara-Bandha bekannt ist,

Sanskrit Text:

  • mahā-mudrā mahā-bandho mahā-vedhaś ca khecarī |
    uḍyānaṁ mūla-bandhaś ca bandho jālan-dharābhidhaḥ ||6||
  • महामुद्रा महाबन्धो महावेधश्च खेचरी ।
    उड्यानं मूलबन्धश्च बन्धो जालन्धराभिधः ॥६॥
  • maha mudra maha bandho maha vedhash cha khechari |
    udyanam mula bandhash cha bandho jalandharabhidhah ||6||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • mahā-mudrā : Maha Mudra (das „große Siegel“)
  • mahā-bandhaḥ : Maha Bandha (der „große Verschluss“)
  • mahā-vedhaḥ : Maha Vedha (der „große Durchbruch“)
  • ca : und (Cha)
  • khecarī : Khechari (Mudra, „die im Luftraum Gehende“)
  • uḍyānaṁ : Udyana, d.h. Uddiyana (Bandha, das „Auffliegenlassen“)
  • mūla-bandhaḥ : Mula Bandha („Wurzel-Verschluss“)
  • ca : und
  • bandhaḥ : (der) Verschluss (Bandha)
  • jālan-dhara : Jalandhara (Bandha, das „Halten des Netzes“)
  • abhidhaḥ : namens („mit der Bezeichnung“, Abhidha)       ||6||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

6. Maha Mudra, Maha Banda, Maha Veha, Khechari, Uddhiyana, Mula- und Jalandhara Bandha, Viparita Karani, Vajroli und Shakti Chalani …

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3. Kapitel, Vers 7

Deutsche Übersetzung:

Das was Viparita-Karani genannt wird, Vajroli-Mudra, Sakticalani-Mudra | Diese Zehnergruppe überwindet wahrlich die Altersschwäche und den Tod.

Sanskrit Text:

  • karaṇī viparītākhyā vajrolī śakti-cālanam |
    idaṁ hi mudrā-daśakaṁ jarā-maraṇa-nāśanam ||7||
  • करणी विपरीताख्या वज्रोली शक्तिचालनम् ।
    इदं हि मुद्रादशकं जरामरणनाशनम् ॥७॥
  • karani viparitakhya vajroli shakti chalanam |
    idam hi mudra dashakam jara marana nashanam ||7||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • karaṇī : (die) Stellung, Haltung (Karani)
  • viparīta : (die) „Umgekehrte“ (Viparita Karani)
  • ākhyā : (mit der) Bezeichnung (Akhya)
  • vajrolī : Vajroli
  • śakti-cālanam : Shakti Chalana (das „Inbewegungsetzen der göttlichen Energie“)
  • idaṁ : dies (Idam)
  • hi : gewiss, bekanntlich (Hi)
  • mudrā : Siegel (Mudra)
  • daśakaṁ : (ist die) Gruppe der zehn (Dasha)
  • jarā : (von) Alter (Jara)
  • maraṇa : (und) Tod (Marana)
  • nāśanam : (ein Mittel zur) Vernichtung (Nashana, Fortsetzung in Vers 8)     ||7||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

7. Das sind die 10 Mudras, die Alter und Tod vernichten.

Alter und Tod mögen existieren, aber ihr fürchtet sie nicht, weil sie nur den physischen Körper betreffen. Es sind noch viele Siddhas unter uns, die sich in beiden Welten, der physischen als auch der astralen, bewegen können. Wenn sie in die physische Welt kommen, dann können sie Gestalt annehmen und sich in einem physischen Körper verwandeln, sodass sie vor ihren Schülern erscheinen können. Oder wenn sie sich in andere Dimensionen begeben wollen, so können sie dies ohne Pass und Visa tun. Der Heilige Narada ist ein Beispiel dafür. Er benutzt nur sein Veena und singt „Om Namo Narayanaya“, und kann damit jede Ebene erreichen, die er erreichen will. Manchmal erreicht er auch die Ebene unserer Erde.

Sukadev

7. Das sind die 10 Mudras, die Alter und Tod vernichten.

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3. Kapitel, Vers 8

Deutsche Übersetzung:

Vom ersten Lehrmeister (Adinatha) wurde gesagt dass die acht übernatürlichen Kräfte aus der Praxis der göttlichen Mudras entstehen. | Die Mudras sind geliebt von allen vervollkomneten Wesen (Siddha) und sogar von den Göttern (Maruta) schwierig zu erlangen.

Sanskrit Text:

  • ādināthoditaṁ divyam aṣṭaiśvarya-pradāyakam |
    vallabhaṁ sarva-siddhānāṁ dur-labhaṁ marutām api ||8||
  • आदिनाथोदितं दिव्यमष्टैश्वर्यप्रदायकम् ।
    वल्लभं सर्वसिद्धानां दुर्लभं मरुतामपि ॥८॥
  • adinathoditam divyam ashtaishvarya pradayakam |
    vallabham sarva siddhanam durlabham marutam api ||8||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • ādi-nātha : (vom) uranfänglichen Herrn (Adinatha, einer Form Shivas)
  • uditaṁ* : wurde (diese Gruppe der zehn Mudras) gelehrt (Udita)
  • divyam : (sie ist) göttlich, himmlich (Divya)
  • aṣṭa : (die) acht (Ashta)
  • aiśvarya** : übernatürlichen Kräfte („Herrlichkeiten“, Aishvarya)
  • pradāyakam : (und sie) verleiht (Pradayaka)
  • vallabhaṁ : (sie) wird geschätzt („ist lieb“, Vallabha)
  • sarva : (von) allen (Sarva)
  • siddhānāṁ : Vollkommenen (Siddhas)
  • dur-labhaṁ : (sie) ist schwer zu meistern („zu erlangen“, Durlabha)
  • marutām : von den Göttern („Windgöttern“, Marut)
  • api : sogar, selbst (Api)    ||8||

*Anmerkung: Das Subjekt dieses Satzes (mudrā-daśakaṁ) findet sich in Vers 7. Darauf beziehen sich uditaṁ („wurde gelehrt“) und die übrigen Neutra von Vers 8.

**Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erwähnt die folgenden acht übernatürlichen Kräfte (Aishvarya bzw. Siddhi): Animan, Mahiman, Gariman, Laghiman, Prapti, Prakamya, Ishitva, und Vashitva.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

8. Diese wurden von Shiva gewährt und verleihen die acht Siddhis.

Es gibt acht (psychische) Kräfte (auch Siddhis genannt). Aber sie sind nicht das Endziel der Praxis – dessen seid euch bewusst. Sie kommen, um euch zu prüfen und zu sehen, ob euer Geist schwach oder stark ist. Man wird sehr leicht in Versuchung geführt. Besitzt man diese Kräfte und stellt sie nur ein- oder zweimal zur Schau, so verschwinden sie wieder. Siddhis stellen eine Energie wie Elektrizität dar, hervorgerufen durch die Kraft, die in den verschiedenen Chakren aufgebaut wird. Hat man eine Batterie, so kann man sie für Beleuchtungs- oder andere Zwecke verwenden; wenn sie jedoch ausgebrannt ist, ist sie tot.
Kommt man in den Besitz dieser Siddhis, so befindet man sich in einer gefährlichen Situation, denn die Versuchung wird sehr groß sein. Macht korrumpiert; das ist ein Gesetz. Die Siddhis stellen nur eine Ablenkung für den Geist dar. Das Prana mag zwar anwachsen, aber der Gebrauch der Siddhis bedeutet eine Vergeudung des Pranas. Vielleicht hat man mehrere Leben gebraucht, um eine bestimmte Ebene zu erreichen, aber für ein paar Minuten Vergnügen, die das Zurschaustellen der Siddhis bringt, fällt man zurück in den Abgrund und muss wieder von neuem beginnen. Das ist es wohl nicht wert. Schafft Siddhis, aber messt ihnen nicht zu viel Bedeutung bei; sie sind nicht die Erfüllung. Meistens kommen sie ohnehin zu einem Zeitpunkt, wenn man gar kein Verlangen nach ihnen hat. Sivananda besaß die acht Siddhis, aber er stellte sie niemals zur Schau; begegnete jedem nur in Demut.
Alle Siddhas streben sie an, aber sie sind schwer zu erlangen, sogar von den Devas
Auch den Engeln im Himmel sind diese Kräfte nicht zugänglich, weil sie keinen physischen Körper besitzen. Sie haben einen Astralkörper. Da sie auf einer astralen Ebene leben, können sie kein neues Karma schaffen. Sie leben im Himmel nur mit dem Karma, das sie sich in ihren vergangenen Leben erworben haben. Sie müssen Tausende von Jahre warten, bis sie wieder zur Erde zurückkommen, menschliche Gestalt annehmen, einen guten Lehrer finden und wieder mit ihren Übungen beginnen können. Vielleicht ist ihnen aber nicht einmal dies möglich, weil sie noch immer in den lustvollen Sphären des Himmels leben. Wenn sie zurückkommen, so mag es sein, dass sie vielleicht in New York City wiedergeboren werden, wo sie nichts anderes als Champagner und Kaviar kennen.
Daher fürchten die Engel Yogis wie euch, die üben und ihr Leben disziplinieren. Sie sind eifersüchtig, weil ihr über sie hinauswachsen könnt, und so legen sie euch alle möglichen Hindernisse in den Weg. Sie versuchen euch mit verschiedenen Kräften zu verlocken, aber das sind nur Hindernisse.

Sukadev

8. Diese wurden von Siva gewährt und verleihen die acht Siddhis.

Was sind Siddhis? Übernatürliche Kräfte. Und die brauchen uns jetzt nicht so weit interessieren. Wenn euch interessiert, was die acht Mahasiddhis sind, dann müsst ihr euch das Buch ‚Yogaweisheit des Patanjali’ zulegen, da sind die im dritten Kapitel erklärt. Sowohl wörtlich als auch im übertragenen Sinne. Wichtig ist, und das lag dem Swami Vishnu am Herzen, immer wieder zu sagen: „Ein Yogi sollte nicht nach Siddhis streben. Sie können kommen im Laufe der Praxis. Sie müssen nicht kommen, aber Sie können kommen. Und davon darf man sich nicht versuchen lassen.“

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3. Kapitel, Vers 9

Deutsche Übersetzung:

Die Techniken der Mudras sollen sorgfältig geheim gehalten werden, wie eine Truhe voll Juwelen. | Mit niemandem soll darüber gesprochen werden, wie über den Sex mit einer guten Frau.

Sanskrit Text:

  • gopanīyaṁ prayatnena yathā ratna-karaṇḍakam |
    kasya cin naiva vaktavyaṁ kula-strī-surataṁ yathā ||9||
  • गोपनीयं प्रयत्नेन यथा रत्नकरण्डकम् ।
    कस्यचिन्नैव वक्तव्यं कुलस्त्रीसुरतं यथा ॥९॥
  • gopaniyam prayatnena yatha ratna karandakam |
    kasya chin naiva vaktavyam kula stri suratam yatha ||9||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • gopanīyaṁ : (diese Gruppe der zehn Mudrās) ist geheim zu halten (Gopaniya)
  • prayatnena : sehr sorgsam (Prayatna)
  • yathā : (so) wie (Yatha)
  • ratna : (mit) Edelstein(en, Ratna)
  • karaṇḍakam : (ein) Kästchen (Karandaka)
  • kasya cid : irgend jemandem (Ka Chid)
  • na : nicht (Na)
  • eva : gewiss, gar (Eva)
  • vaktavyaṁ : (es) soll (darüber) gesprochen werden (Vaktavya)
  • kula : (aus guter) Familie (Kula)
  • strī : (mit einer) Frau (Stri)
  • surataṁ : (über den) Beischlaf, Sex (Surata)
  • yathā : (so) wie       ||9||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

9. Dies sollte sorgfältig geheim gehalten werden wie eine Schatztruhe voll mit Diamanten und niemanden verraten werden, genauso wie das illegitime Verhältnis mit einer verheirateten Frau aus gutem Hause.

Die drei wichtigsten Verschlüsse und Siegel sind: Maha Bandha, Maha Mudra und Maha Vedha. Sie sind sehr leicht zu erlernen, aber die Pradipika weist uns an, sie geheim zu halten und nicht an jedermann weiterzugeben. Erstens einmal würden uns die Leute auslachen, wenn wir ihnen von diesen Dingen erzählen, und außerdem würden sie nie verstehen, was es bedeutet den Atem in die Sushumna zu führen. Deshalb sprecht zu niemandem darüber, außer er hat sich durch Übung dafür qualifiziert. Dann wird Segen erwachsen aus diesen drei wunderbaren Übungen.
An dieser Stelle möchte ich über das Wesen des Pranas und seine Bewegung sprechen. Da der Körper nicht nur chemischer, sondern auch elektrischer Natur ist, können Yogis auf den elektrischen Körper durch Pranayama, Bandhas und Mudras einwirken. Alle diese Vorgänge sind miteinander verknüpft.
Am Beginn der Yogapraxis versucht man die Nadis durch Anuloma Viloma (Wechselatmung) im Verhältnis 1:4:2 zu reinigen. Man tut dies, damit sich beim Prana (der Impuls der Lebenskraft, der vom Gehirn ausgeht) eine Art Rhythmus entwickelt. (Letztendlich kann man auch das Apana in einen gewissen Rhythmus bringen, aber nur dann, wenn man sehr lange daran gearbeitet hat.)
Man entdeckt hierbei kein körperliches Phänomen, da Mudras und Bandhas subtileren Charakter haben als Asanas und Pranayama. Sogar ein Anfänger kann die Vorzüge der Asanas erkennen. Asanas und Pranayama wirken mehr auf der grobstofflichen physischen Ebene, jedoch sind sie der Weg, der zu den Mudras und Bandhas führt.
Das, was in Raja Yoga Meditation heißt, wird in Hatha Yoga „Anhalten der Impulse“ genannt. Aber im Grunde sind sie ein und dasselbe. Will man einen Ventilator anhalten, muss man ihn abschalten, so dass der elektrische Impuls nicht länger in den Motor gelangt, der seine Lamellen bewegt. Ebenso versuchen wir die verschiedenen Sinne durch die Gedankenkraft auszuschalten.
Prana lädt sich auf, während man ganz sanft atmet. Gleichzeitig bewirkt die Anwendung der Bandhas eine Verlangsamung des Herzschlages. Auch der Puls verringert sich und der Stoffwechsel wird herabgesetzt; die Gehirnströme bewegen sich von Beta nach Alpha hinab. Bei noch intensiverer Kontrolle der Atemtätigkeit vermindern sich die Gehirnströme bis zum Theta-Stadium (3-7 Zyklen) und kommen schließlich zum Stillstand. So sehen wir, dass die Intensität der Gehirnströme durch die Atemtätigkeit beeinflusst werden kann.
Im täglichen Leben lassen wir auch nicht alle Töne auf uns einwirken. Wir konzentrieren uns nur auf solche, die uns angenehm sind. Ein Beispiel wäre der Lärm des Presslufthammers, der eine Straße aufreißt oder die Misstöne, die an unser Ohr dringen, wenn uns jemand beschimpft. Man versucht, solche Eindrücke von sich fernzuhalten, damit sie nicht das Gehirn erreichen, um negative Empfindungen in der Gedankensphäre auszulösen. Dasselbe tut man bei einem schrecklichen Anblick oder einem üblen Geruch (wie z. B. der Absonderung eines Stinktieres); man versucht, sie nicht an sich herankommen zu lassen. Jetzt könnt ihr vielleicht eher verstehen, was wir mit Bandhas und Mudras bewirken wollen. Wir schalten die Impulse ab und hindern sie daran, das Gehirn zu erreichen. Es wird uns nicht gelingen alle Ströme abzublocken, aber wir versuchen, so viele Impulse wie möglich aufzuhalten. Am Anfang müsst ihr lernen, die Kontrolle über die Ströme durch einzelne so genannte Schaltstellen zu erlangen, aber später wird euch das so sehr zur Gewohnheit geworden sein, dass ihr wie mit „Fernsteuerung“ arbeitet. Alles kommt zum Stillstand.
Ihr glaubt vielleicht, ein bedeutender Lehrer braucht euch nur zu berühren, und ihr habt es nicht mehr notwendig, Asanas, Bandhas oder Mudras zu üben. Normalerweise geht das nicht so vor sich. Aber in einigen, wenigen Ausnahmefällen mag es so geschehen, wenn nämlich der Schüler alle diese Dinge schon in früheren Inkarnationen geübt hat. Sind die meisten dieser Blockierungen bereits beseitigt, so können die wenigen, die in der gegenwärtigen Inkarnation noch verblieben sind, sogar schon durch einen Blick, eine Berührung oder ein Wort es Meisters zum Verschwinden gebracht werden. Dann erreicht der Schüler den höchsten Samadhi. Aber, wie ich schon vorher erwähnt habe, ist das nur sehr selten der Fall.

Sukadev

9. Dies sollte sorgfältig geheimgehalten werden wie eine Schatztruhe voll mit Diamanten und niemandem verraten werden, – genauso wie das illegitime Verhältnis mit einer verheirateten Frau aus gutem Hause.

Also wie ein Schatzkästchen mit Diamanten, und jetzt steigert er das nochmal. Also er verlässt die vornehme brahmanische Ausdrucksweise an mehreren Stellen, zum Zeichen, dass er jetzt nicht orthodox ist. Also haltet bitte die Mudras sorgfältig geheim, wie das illegitime Verhältnis mit einer verheirateten Frau aus gutem Hause. Besonders aus gutem Hause. Was auch immer das heißen soll. Es ist bewusst so formuliert, dass es für viele Menschen als Frechheit empfunden wird. Ich kann dir sagen, in der indischen Zeit, als das geschrieben wurde, war das noch eine erheblich größere Frechheit, als heute. Drum sollte man’s ja so geheim halten, genau. Also, man kann sich da jetzt furchtbar drüber ärgern, oder man kann’s lächelnd zur Kenntnis nehmen und sich von den anderen Versen inspirieren lassen. Die Mudras sind jetzt also nichts, was ihr euren Schülern zuhause beibringen werdet.

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3. Kapitel, Vers 10

Deutsche Übersetzung:

Nun folgt Maha-Mudra: Die linke Ferse presst gegen den Beckenboden, das rechte Bein | ist aktiv gestreckt. Mit beiden Händen soll es der Yogi fest halten.

Sanskrit Text:

  • atha mahā-mudrā
    pāda-mūlena vāmena yoniṁ sampīḍya dakṣiṇam |
    prasāritaṁ padaṁ kṛtvā karābhyāṁ dhārayed dṛḍham ||10||
  • अथ महामुद्रा
    पादमूलेन वामेन योनिं सम्पीड्य दक्षिणाम् ।
    प्रसारितं पदं कृत्वा कराभ्यां धारयेद्दृढम् ॥१०॥
  • atha maha mudra
    pada mulena vamena yonim sampidya dakshinam |
    prasaritam padam kritva karabhyam dharayed dridham ||10||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • atha : nun (folgt, Atha)
  • mahā-mudrā : Maha Mudra (das “große Siegel”)
  • pāda-mūlena : Ferse („Fuß-Wurzel“, Padamula)
  • vāmena : mit der linken (Vama)
  • yoniṁ : (den) Damm, (das) Perineum (Yoni)
  • sampīḍya : drückend (sam + pīḍ)
  • dakṣiṇam : (das) rechte (Dakshina)
  • prasāritaṁ : ausgestreckt (Prasarita)
  • padaṁ* : Bein („Fuß“, Pada)
  • kṛtvā : haltend („machend“, Krita)
  • karābhyāṁ* : mit beiden Händen (Kara)
  • dhārayet : man halte (den rechten Fuß, dhṛ)
  • dṛḍham : fest (Dridha)       ||10||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda ergänzt, dass man den Fuß des ausgestreckten rechten Beines in der Gegend (Pradesha) des großen Zehs (Angushtha) mit beiden Zeigefingern (Tarjani) der gebeugten (Akunchita) Arme („Hände“, Kara) ergreifen soll (gṛhṇīyāt): ākuñcita-kara-tarjanībhyām … aṅguṣṭha-pradeśe gṛhṇīyāt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

10. Hier ist die Beschreibung von Maha Mudra: Presse die linke Ferse an den Anus

wenn hier Anus steht: Im Sanskrit kann es sowohl Anus heißen wie auch Perineum. Der Swami Vishnu hat uns gesagt, es ist das Perineum, also der Raum zwischen Hoden und Anus, oder bei Frauen der hintere Teil der Scheide, kurz vor dem Anus.

– und strecke das rechte Bein aus, wobei du die Zehen mit der Hand faßt.

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