3. Kapitel – Einleitung

Einleitung von Swami Vishnu-devananda

A: Das Erwecken der Kundalini

Da sich die meisten Menschen damit zufrieden geben, in den niedrigen Chakren zu leben, sind ihre Erfahrungen in dieser Welt auf die grobstoffliche Ebene beschränkt. So gehen sie z.B. zum Essen aus in teure Restaurants mit Kerzenlicht und lassen sich die Speisen von in feierliches Weiß gekleideten Kellnern auf vornehm angerichteten Silberplatten servieren. Was wird ihnen schon anderes vorgesetzt als immer wieder das gleiche „Hundefutter“? (Sie nennen es Steak.) Sie sitzen mit Gabel und Messer und machen eine Zeremonie daraus, auf bestimmte Art damit zu schneiden bzw. zur Seite zu legen. Nach dem Essen gehen sie entweder schlafen oder vielleicht ein wenig tanzen, um sich für ein späteres sexuelles Abenteuer in Stimmung zu bringen. Am nächsten Morgen stehen sie nur auf, um wieder Geld zu verdienen, das ihnen genügend Macht und einen entsprechenden Status verleiht und es ihnen ermöglicht, diese Art von Leben weiterzuführen. Sie haben keine Zeit zu meditieren oder darüber nachzudenken: „Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich?“ man wird aber erst Mensch, wenn man beginnt sich diese Fragen zu stellen, und das geschieht erst dann, wenn die Kundalini erwacht ist. Bis zu diesem Zeitpunkt wird der Verstand nur eingesetzt, um Essen, Schlafen und sinnliche Vergnügungen zu bekommen.
Das Erwachen der Kundalini bedeutet ein Anheben der Schwingungsebene. Ab dieser Zeit werden sinnliche Erlebnisse zu langweiligen und stumpfsinnigen Erfahrungen. Man ist nicht mehr anhängig davon, zu trinken, zu rauchen oder Glücksspiele zu betreiben. All das verliert seinen Sinn, wenn man erst erkannt hat, dass innere Erfüllung, Frieden und Glück in einem Selbst liegen. Innerer Frieden und Freude wachsen in gleichem Maße mit dieser Erkenntnis. Was normale Menschen als Glück ansehen und empfinden, bereitet einem nichts anderes als Unbehagen. Ist man zu dieser Einsicht gelangt, so bedeutet das, dass die Kundalini erwacht ist.
Mit dem Erwachen der Kundalini verschwindet auch langsam die Angst vor dem Tod. Man erkennt nun, dass es weder Geburt noch Tod gibt, dass Krankheiten von selbst vergehen, da sie ja durch grobstoffliche Schwingungen verursacht wurden, im Glauben, das Glück sei durch die Schwingungen dieser niederen Sinne zu erringen. Diese Dinge werden automatisch bedeutungslos, wenn die Kundalini erwacht ist.
Man darf aber nicht erwarten, dass sich plötzlich eine Schlange an einem heraufwindet und einen trifft. Denkt nicht: „Oh, meine Kundalini hat das 3. Chakra, das 4. Chakra erreicht, jetzt sind es nur wenige Zentimeter mehr bis zum 5.Chakra. Das ist nicht die Art und Weise, wie die Kundalini erweckt wird. In Wahrheit ist es der Zustand der Aura, der sich verändert, wenn sich die Schwingungsfrequenz erhöht.
Die höchste Stufe, Gottesbewusstsein genannt, ist dort, wo Shakti mit Shiva schwingt. Auf der niedrigsten Stufe der Shakti liegen die Erfahrungen, die wir im Zusammenhang mit der groben Materie machen. Wenn unsere Sinne z. B. mit Eiscreme in Berührung kommen, so bedeutet das, dass wir Shakti erleben; aber sie schwingt auf sehr niedriger Ebene. Alle unsere 5 Sinne sind Shakti. Aber sie werden nur in Schwingung versetzt, wenn sie in Kontakt mit Objekten der Materie treten.
Wenn man isst, Musik hört oder etwas sieht, so wird Shakti nur sehr wenig und auf niedriger Stufe angeregt. In unserem Leben haben wir immer wieder solche Erlebnisse. Sie machen uns aber nicht glücklich. Wir wollen diese Erfahrungen auf eine andere Wellenlänge erweitern. Wir sitzen in der Meditation und versuchen:

  1. Die Gedanken zu beruhigen
  2. Den Atem zu regulieren
  3. Die 5 Handlungsorgane (Mund/Sprache, Beine, Arme, Geschlechtsorgane und Anus) und die 5 Sinne der Erkenntnis (Hören, Schmecken, Riechen, Sehen und Tasten) auszuschalten.

Nur über diese 5 Sinne erlangen wir Kenntnis vom Universum, und wir vermögen nur mit Hilfe unserer 5 Handlungsorgane Tätigkeiten auszuführen. Diese 10 Fähigkeiten des Menschen werden in Sanskrit Indriyas genannt.
Um die Kundalini Shakti in eine höhere Schwingungsebene zu bringen, muss man jeglichen Kontakt zu den Objekten der Außenwelt vermeiden. Um die Shakti zu erwecken, muss man die Energie daran hindern, in die 10 Fähigkeiten zu fließen, damit der Geist so ruhig wie möglich wird. Dann reagieren die Sinne nicht mehr auf den Geist. Der Geist darf nicht mehr in sinnliche Bahnen abgleiten. Jeder der Sinne wird sagen: „Komm doch lass mich schmecken, lass mich hören“ und wird versuchen, die Gedanken auf Objekte der Sinnenwelt zu lenken. Aber ist man erst einmal in der Lage, diesen nach außen gerichteten, extrovertierten Neigungen Einhalt zu gebieten, so richtet sich der Geist nach innen.
Ist der Geist erst einmal nach innen gerichtet und ruhiggestellt, dann beginnt die Shakti auf einer anderen Wellenlänge zu schwingen. Sie erwacht zu größerer Kraft auf einer höheren Ebene. Schwingt die Shakti nur auf niedriger Ebene, so beschränken sich unsere Erfahrungen auf die oben erwähnte sinnliche Ebene; sie sind ungeschliffen und grobstofflicher Natur und lassen (immer) eine gewisse Unzufriedenheit in uns zurück.
Man möge sich daran erinnern, wie man für gewöhnlich seinen Urlaub in einem 5-Sterne-Hotel verbracht hat. Am Morgen hat man Kaffee getrunken, geraucht, sein Frühstück mit Schinken und Eiern verzehrt und dann noch eine Handvoll Aspirin und Aufmunterungspillen geschluckt. Danach ist man am Swimmingpool gesessen oder hat Golf gespielt oder ist angeln gegangen. Am Abend hat man sein Steak gegessen und ist dann tanzen gegangen. Alle Sinne waren nur in diese Richtung gelenkt; darüber hinaus hat man nichts gekannt. Aber nun haltet ihr Ausschau nach etwas anderem, weil ihr damit nicht zufrieden seid, auf einer derartig niedrigen Energie-Ebene, gleich einem Tier, zu leben. Ihr wollt vom Tiererlebnis zum Gotteserlebnis kommen.
Die menschliche Erfahrung ist jener der Tiere sehr ähnlich, vielleicht sogar schlechter, weil wir nämlich immer raffinierter dabei werden, den Verstand zur Befriedigung unserer sinnlichen Bedürfnissen einzusetzen: Wir grübeln darüber nach, wie wir den natürlichen Geschmack der Speisen durch Kochen und Würzen verändern und verfeinern können, so dass sie uns noch besser munden mögen, und überlegen, auf welche Art bestimmte Getränke mit den Gerichten zu kombinieren sind, um den Genuss noch weiter zu erhöhen. Auf diese Weise verwenden wir unseren Verstand allein dazu, Kulinarisches vorzubereiten und verbringen Stunden damit, die natürliche Beschaffenheit zu verändern, um ihr einen anderen Geschmack und ein neues Aussehen zu verleihen. Alle unsere Sinne werden aktiviert – und das ist der Grund, warum wir unglücklich und von äußerstem Unbehagen erfüllt sind. Und gerade dieses Unbehagen hat uns zu diesem Wendepunkt gebracht.
Durch Raja Yoga aber halten wir die nach außen gerichteten Sinne an und beruhigen den Geist. Raja Yoga bedeutet: „chitta vritti nirodhah“: die gedanklichen Wellen anhalten. In Hatha Yoga halten wir die Pranawellen an, so dass in der Folge auch die Gedankenwellen anhalten. Man sagt, wenn im Kundalini Yoga die Sinne zusammengebracht werden, kann die Energie nicht mehr nach außen fließen. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich das Denken bereits auf einer höheren Ebene; das Energiefeld verändert sich. Im Grunde sind alle diese Erfahrungen ein und dasselbe, nur der Standpunkt ist ein anderer. Es besteht kein wirklicher Unterschied zwischen Kundalini Yoga, Hatha Yoga, Mantra Yoga, Laya Yoga und Raja Yoga. Jeder Yoga mag unterschiedliches Gewicht auf einzelne Punkte legen, aber grundsätzlich unterscheiden sie sich nicht voneinander. Sie alle sind Teile des Ashtanga Yoga (des achtgliedrigen Yoga): Yama, Niyama, Asana, Pranayama, Pratyahara, Dharana, Dhyana und Samadhi.
Im Mantra Yoga wird die Energie/ Gedankenkontrolle durch die Anwendung mystischer Silben erzielt. Wiederholt man „Om Namo Narayanaya“ immer und immer wieder, so verändert man auch die Schwingungseben seiner Gedanken. Im Kundalini Yoga wird die Energie durch Kontrolle des Prana hinaufgezogen und dadurch die Wellenlänge des Energiefeldes verändert. Im Hatha Yoga wird mittels Pranakontrolle die Kundalini hinaufgestoßen und dabei die Energiestufe ebenfalls verändert. So könnte man letztendlich sagen, dass alle diese Techniken nichts anderes sind als Kundalini Yoga. Die Shakti muss unter Kontrolle gebracht und in einen höheren Schwingungszustand umgewandelt werden.
Macht man Asanas, so führt man nicht einfach nur körperliche Übungen aus, sondern wirkt durch sie auch auf die Psyche ein, da der Pranafluss stimuliert wird. (Ebenso wie in der Akupunktur die verschiedenen Meridiane angeregt werden.) Hat man z.B. Probleme mit der Leber, so stimuliert der Akupunkteur das entsprechende Meridianfeld mit einer Nadel, um dadurch die elektrischen Impulse zu erhöhen und so der Leber zusätzliches Prana zu ihrer Heilung zuzuführen. Yogis hingegen vermögen dasselbe ohne Nadeln, allein nur durch Ausführung der Asanas. Macht einmal ein Kirlian-Photo vor und nach den Asanas, und ihr werdet sehen, dass sich die Energie vollkommen verändert hat durch das Aussenden eines gewaltigen Energiestromes. Jüngste wissenschaftliche Forschungen haben das bewiesen.
Wissenschaftler aus Ost und West haben auch Untersuchungen darüber angestellt. Japanische Forscher haben sogar einen Apparat entwickelt, der tatsächlich im Stande ist, die Energiewellenlänge in den einzelnen Chakren zu messen. Dieser Apparat gleicht einem hochempfindlichen Mikrophon, das die Wellenlänge aufnimmt, die von jedem einzelnen Chakra ausgestrahlt wird, ohne den Körper auch nur zu berühren. Das Signal wird dann durch einen Verstärker in einen Oszillographen geschickt, der die Wellenmuster aufzeichnet und sichtbar macht. Man kann dabei beobachten, dass jedes Chakra ein anderes Wellenmuster aussendet. Meditieren nun sehr fortgeschrittene Yogis, so schwingen ihre Chakren sehr rasch, und die Muster im Oszillographen verändern sich dementsprechend. Bevor diese Forschungen angestellt wurden, hatten wir keinerlei Möglichkeit, die Existenz dieser menschlichen Energiefelder zu beweisen.
Das zeigt, dass sich die Kundalini Shakti nur in einer höheren Dimension offenbart. Der Sinn und Zweck des Pranayama ist, die Schwingungsebene zu erhöhen oder Kundalini Shakti zu erwecken – sie sind ein und dasselbe. Deshalb verwenden wir auch verschiedene Methoden: körperliche, geistige und pranische. Die körperliche Methode besteht darin, den Anusschließmuskel unter der Kontrolle zu bringen, und mit Jalandhara Bandha wirken wir auf den Vagusnerv ein. Sind beide Impulse unter Kontrolle, wird Energie aufgebaut.
Es ist wie beim Elektronenblitz einer Kamera. Schaltet man das Gerät an, so lädt sich langsam der Kondensator mit immer mehr Energie aus der 6 Volt Batterie auf. Drückt man dann auf den Knopf, so entlädt sich das Gerät durch Aussenden eines Elektronenblitzes (der für den Bruchteil einer Sekunde eine Spannung von 10 000 – 20 000 Volt erreicht) und man kann das Foto machen. Dieser Blitz ist äußerst intensiv und gewaltig und man erhält eine ungeheure Lichtmenge. Das gleiche passiert, wenn wir den Atem anhalten und die Energie kontrollieren.
Hält man den Atem an, so beginnen sich die schwachen Batterien aufzuladen, sowohl mit Prana als auch mit Apana. Sind dann eines Tages alle Nadis gereinigt, so beginnt sich unmittelbar und blitzartig die Energie durch die Wirbelsäule auszubreiten. Zu diesem Zeitpunkt sind alle Chakren weit geöffnet. Das ist das Erwecken der Chakren durch das Emporsteigen der Kundalini in die oberen Chakren. Wenn man regelmäßig Bandhas, Mudras, Asanas und Pranayama ausübt und sich mit Mantrasingen und richtiger Diät einer Reinigung unterzieht, so muss die Energie automatisch in die oberen Chakren steigen. Die spirituelle Entwicklung wird in dem Maße voranschreiten, in dem die Energieebene in die höheren Chakren steigt. Das ist mit „Erwecken der Kundalini Shakti“ gemeint.
Das sollte theoretisch verstanden werden. Die Energie ist in dir selbst. Sie muss nur erweckt werden. Vergröbere sie nicht oder bringe sie nicht auf einen niedrigeren Stand. Ziehe die Sinne so gut du kannst zurück und bringe diese Energie durch deine Vorstellungskraft und dein Konzentrationsvermögen in höhere Zentren. Woran immer du denkst, dorthin fließt auch das Prana; das ist ein Gesetz. Umgekehrt wandern die Gedanken immer in die Richtung, in die das Prana sich bewegt. Gedanken und Prana stehen miteinander in Verbindung; das eine kann sich nicht ohne das andere Bewegen.
Darum ermöglichen dir Konzentration, Vorstellungskraft und körperliche Übungen zusammen einen vollständigen und ganzheitlichen Zugang zur Erweckung der Shakti. Darum brauchst du Asanas, Pranayama, Bandhas, Mudras, die richtige Diät und die geeignete Atmosphäre. Eine richtige Atmosphäre wären z. B. wunderschöne Berge, wo die Vegetation eine wahre Fülle von magnetischen Strömen (Prana) aussendet. Alles in der Natur sendet Strahlen aus, die man auffangen und bewahren kann für eine höhere geistige Entwicklung.

B: Prana als Elektrizität

Der physische Körper gleicht einer Maschine. Er wird von zwei Arten von Energie in Gang gehalten: chemische Energie, die aus der Nahrung stammt, und psychische Energie (Prana genannt), die von all den Dingen kommt, die wir aufnehmen: Nahrung, Wasser, Luft und Sonnenlicht. Das sind die Hauptquellen unseres Pranas, und sie finden sich überall in der Natur. Prana existiert auch im luftleeren Raum, unter der Erde und sogar im Wasser. Es ist nicht chemisch, sondern elektrisch seinem Wesen nach. Unser Körper speichert Prana, und der Blutkreislauf wirkt wie ein Transformator, der das Prana vom astralen in den physischen Körper umlenkt.
Yogis glauben nicht an die rein physisch-chemische Natur des Körpers; für sie ist der elektrische Aspekt im Körper wesentlich. Wird die elektrische Verbindung zwischen astralem und physischem Bereich unterbrochen, ist es wie bei einer Maschine, die von der Batterie getrennt wird, sie mag noch so stark sein, sie kann nicht starten. Die Prana-Impulse wandern von der astralen in die physische Sphäre durch eine astrale Nabelschnur am Solarplexus. Wird diese Verbindung unterbrochen, kann kein Prana mehr in den physischen Körper fließen. Kommt das Prana nur in kleinen Dosen, fällt der Körper ins Koma (Bewusstlosigkeit).
Begreift man die elektrische Natur unseres Körpers, so wird einem auch der Sinn und Zweck des Pranayama klar. Ich werde es mit modernen Begriffen zu erklären versuchen, da die althergebrachten Ausdrücke sehr schwer zu begreifen sind.
Man sagt, dass man die Luft in der Sushumna, im Hals-, Magen-, Rücken-, Ohren– und Augenbereich anhalten kann. Aber wie geht das vor sich, wenn die eingeatmete Luft gar nicht in diese Gebiete vordringt? Was ist also damit gemeint?
Es handelt sich nicht um eine physische Blockade; es ist die Umleitung der Energie von einer Quelle zu einer anderen. Im Yoga nennen wir diese Energie „Prana“. Das Problem ist, dass es im Englischen (bzw. Deutschen) keinen entsprechenden Ausdruck gibt, deshalb wird es mit „Luft“ übersetzt. Sogar indische Yogis machen diesen Fehler, weil sie nicht wissen, wie es aus dem Sanskrit zu übersetzen ist.
Ich werde versuchen, diese Gedanken anhand von Begriffen aus der Elektronik zu erläutern. Die meisten von euch sind mit Geräten wie Radio, Kamera, Computer vertraut. Drei grundlegende Bestandteile sind allem gemeinsam. Ähnliche Dinge existieren auch in unserem Körper, obwohl das bitte alles nicht so wörtlich zu nehmen ist. Es soll nur dazu beitragen, zu verstehen, in welcher Weise solche Dinge wie Verschlüsse im Körpermechanismus funktionieren. Macht man Pranayama, so trägt das sehr zum besseren Verständnis bei. Über drei Dinge sollte man Bescheid wissen: über 1. Transformatoren, 2. Kondensatoren und 3. Widerstände.

  1. Transformatoren: in elektronischen Elementen befindet sich immer eine Kraftquelle in Form einer Batterie oder als Haushaltsstrom. Ein kleiner Kassettenrekorder kann mit der 220 Volt Stromspannung, wie sie ins Haus geliefert wird, nicht viel anfangen. Er muss auf eine niedrigere Spannungsstufe herunter transformiert werden, sonst würden die Bestandteile ausbrennen. (Es gibt Transformatoren, die hinauf- oder heruntertransformieren, um die Spannung entweder zu erhöhen oder zu erniedrigen.)
  2. Kondensatoren (auch Mehrfachkondensatoren genannt) sind Elektrizitätsspeicher. Ein Beispiel dafür ist der Elektronenblitz in der Kamera. Die Elektrizität für den Blitz kommt zwar aus einer 6 Volt Batterie, aber mit dieser Spannung könnte nie genügend Licht erzeugt werden, um ein Foto zu schießen. Man braucht einige 1000 Volt, um ein derartig intensives Licht hervorzubringen.
    Die Energie aus dieser kleinen Batterie wird wie in einem Reservoir gespeichert (weder hinauf- noch hinunter transformiert) und gesammelt, bis genügend vorhanden ist, um für einen kurzen Augenblick einen mächtigen Blitz zu erzeugen.
  3. Widerstände: Einen anderen Begriff aus der Elektronik, den wir verstehen sollten, ist der Widerstand. Wir können den Widerstand gegenüber dem Energiefluss entweder vergrößern oder verkleinern. Erhöhte Verunreinigung setzt die Intensität des elektrischen Energieflusses herab. Ein Beispiel hierzu wäre ein gewöhnlicher Gartenschlauch, durch den das Wasser mit einer bestimmten Geschwindigkeit fließt, bis man ihn durch Zusammendrücken verengt. Die Wasserpumpe versucht weiterhin die 60 Liter Wasser pro Minute durch den Schlauch zu zwingen, aber wenn sein Fassungsvermögen durch die Verengung vermindert wird, steigt der Druck und das Wasser schießt mit erhöhter Kraft heraus.

Auch in unserem Körper gibt es so etwas Ähnliches wie einen Kondensator. Das Prana gleicht der Elektrizität, ist aber viel subtiler. Jegliche Art von Elektrizität fließt durch die Drähte, und in unserem Körper fließt sie durch Nadis (oder Meridiane im chinesischen System). Das Problem ist, dass viele Leute nur die sichtbaren Nerven darunter verstehen. Ein Nadi ist zwar das Gegenstück zu einem Nerv im physischen Körper, aber man könnte ihn auch als astralen Nervenkanal bezeichnen, da er nicht im physischen, sondern im Astralkörper existiert.
Es ist natürlich nicht möglich, dieses Thema ausschließlich mit elektronischen Begriffen darzustellen, aber zweifellos besteht eine Ähnlichkeit zwischen dem physischen und dem Astralnervensystem: sie entsprechen einander. Der Unterschied besteht allein darin, dass das eine sichtbar und das andere unsichtbar ist.
In unserem Körper werden alle Impulse, die vom Gehirn ausgehen und durch den Vagusnerv, der Herz und Lunge kontrolliert, hindurchgehen, Prana genannt. Früher glaubte man, dass das Herz einer willkürlichen Kontrolle nicht unterworfen und der Herzschlag nicht durch Konzentration reguliert werden könnte. Aber Yogis können beweisen, dass der Herzschlag entweder durch Konzentrations- oder ähnliche Übungen, wie z. B. Jalandhara Bandha, sehr wohl verlangsamt werden kann. Sie drosseln den Pranafluss. Wir sprechen in diesem Fall nicht von physischen, sondern von psychischen Prana.
Gedanken können sowohl den Atemrhythmus, als auch den Herzschlag verändern. Zwei wichtige Elemente im Körper werden zusammen Herz-Kreislauf-System genannt. Sie sind voneinander abhängig. Braucht der Körper zusätzlichen Sauerstoff, so steigt auch die Herzfrequenz. Um die Lungen zu verstärkter Pumptätigkeit anzuregen, müssen Zwerchfell- und Zwischenrippenmuskulatur stimuliert werden. Das geschieht im Gehirn. In Notsituationen, wenn man z. B. von einem Tiger verfolgt wird und sich am Rande der Erschöpfung befindet, stoßen die Nebennierendrüsen Adrenalin aus, um dem Herzen eine zusätzliche Unterstützung zu geben, so dass es für kurze Zeit noch ein bisschen schneller arbeiten kann. Das entspricht dem Mehrfachkondensator in den elektrischen Geräten, die ich erwähnt habe. Die Natur hat uns diese Fähigkeit verliehen, um gefährlichen Situationen entkommen zu können.
Versuchen wir das Herz-Kreislauf-System zu verstehen, um zu erkennen, wie eng Herzschlag und Atem miteinander zusammenhängen: Es gibt einen Apparat, der Polygraph oder Lügendetektor genannt wird. Ebenso wie das EEG die Gehirnströme testet, so misst der Polygraph die 3 Grundelemente, die hauptsächlich mit dem vegetativen Nervensystem in Verbindung stehen.
Im Allgemeinen liegt das vegetative oder autonome Nervensystem außerhalb unserer Kontrolle, aber Yogis vermögen es dennoch zu kontrollieren. Die drei wesentlichen Aufgaben des Polygraphen sind:

  1. unsere Atemstruktur aufzuzeigen und zu messen, wie oft man in der Sekunde ein- und ausatmet (normalerweise ungefähr 16 Mal pro Minute)
  2. die Pulsfrequenz festzustellen (normalerweise ungefähr 75-80 Pulsschläge pro Minute)
  3. den galvanischen Hautwiderstand zu messen. Unter unseren Schweißdrüsen befinden sich Nervenstränge, die sensorische Impulse weiterleiten.

Der galvanische Hautwiderstand, gemessen anhand von Ausscheidungen der Schweißdrüsen, verändert sich mit der Beschaffenheit unserer Gedanken; deshalb ist dies eines der drei Grundelemente in einem Polygraphen. Prüft man den galvanischen Hautwiderstand, indem man z.B. kleine Elektroden an die Fingerkuppen anlegt, so kann man den herausfließenden Strom so weit verstärken, dass das Muster des galvanischen Hautwiderstandes sichtbar wird. Ebenso geschieht das beim vegetativen Nervensystem.
Stellt man mittels elastischen Materials eine Verbindung zwischen dem Brustkorb und dem Polygraphen her, so kann man die Anzahl und die Art der Atemzüge feststellen – flach, langwellig oder gestört. Bei normaler Atmung nehmen wir ca. 150 ccm Luft auf und geben ungefähr die gleiche Menge wieder langsam ab. Bei tiefen Atemzügen kann man bis zu 200 ccm Luft aufnehmen. Der Impuls ist dann sehr stark. Wird man dabei gestört, so ändert sich auch das Atemschema.
Sind alle diese Elemente an den Polygraphen angeschlossen, so können wir 3 verschiedenartige Wellenbewegungen erkennen: Atemrhythmus, Blutdruck und galvanischen Hautwiderstand. Nach 2 oder 3 Minuten zeigend die Aufzeichnungen normale Werte. Verändert sich plötzlich etwas auf dem Polygraphen, so ist das ein Anzeichen dafür, dass die Person gelogen hat. Eine emotionelle Störung kann eine Veränderung des Atemrhythmus von 16 Mal pro Minute bis zu 25 oder 30 Mal pro Minute bewirken. Der Atem kann schneller oder langsamer werden. In extremen Fällen kommen Atem oder Herz sogar zum Stillstand, wie z.B. bei einem Schock oder schlechten Nachrichten. Aber auch erfreuliche Neuigkeiten, etwas sehr Aufregendes, – (angenommen) man hat 5 Millionen in der Lotterie gewonnen – können Herzschlag anhalten.
In diesen Fällen wird der Mehrfachkondensator überladen. Innerhalb kurzer Zeit ist überall ein Kurzschluss. Die Spannung, die in den Nervensträngen fließt, wird zu mächtig, so dass sie alles kurzschließt. Herz und/oder Lunge hören auf zu arbeiten, und es kommt zum Kollaps. Daraus wird ersichtlich, dass sich unser Körper nicht wesentlich von einem elektronischen Mechanismus unterscheidet.
Der elektronische Impuls in unserem Körper ist das Prana. Das Prana fließt in das Nervensystem, wo es von den Kondensatoren gespeichert und von den Transformatoren umgewandelt wird. Es gibt 5 übergeordnete Arten von Prana: Prana, Apana, Udana, Samana und Vyana, sowie einige untergeordnete Arten. Der Unterschied zwischen übergeordnetem und untergeordnetem Prana liegt in der Spannung. Auch in elektronischen Apparaten brauchen manche Bestandteile eine höhere Spannung, so dass verschiedene Typen von Transformatoren vonnöten sind.
Im Körper nennen wir die Transformatoren Chakren. Verschiedenste Nerven führen zu und durch die Chakren. Sie sind nicht physischer, sondern astraler Natur.
Im physischen Körper werden diese Nervenstränge, die sich beim Rückenmark vereinigen, Plexi oder Geflechte genannt. Sie stellen eine Art Knotenpunkt dar, einer Telephonvermittlung vergleichbar. Diese Plexi entsprechen den Chakren. Dort wird die Energie wie im Kondensator gespeichert, wie beim Transformator umgewandelt und wie durch Widerstände gesteuert. Alle diese Dinge spielen sich im gleichen Gebiet ab.
Bei den meisten Menschen sind die Transformatoren in den höheren Chakren nicht vollständig geöffnet, bei sehr fortgeschrittenen Schülern sind sie vielleicht teilweise offen. Große Verunreinigungen wirken als Widerstände. Die verschiedenen Widerstände werden durch unsere Gedanken (oder auch durch unsere Diät) unwillkürlich beeinflusst. Alles wird vom Denken gelenkt. Entsprechend der Art der Gedanken sind die Verunreinigungen größer oder kleiner, denn alle 3 Apparate in unserem System: Kondensatoren, Transformatoren und Widerstände werden vom Geist gesteuert.
Deshalb gehen die Yogis unmittelbar an den Geist heran, um das Schema zu ändern. Entsprechend der Art des Gedankenmusters erhöht oder verringert sich die Spannung. Wird die Spannung größer, fließt die Energie in ein höheres Chakra. Sinkt die Spannung (bei sehr grobstofflichen und ausschließlich sinnlichen oder sexuellen Gedanken), wandert die Energie nur in die niedrigen Chakren, weil die Spannung nicht ausreicht, um in die höheren Chakren aufzusteigen.
Erinnern wir uns daran, dass weder Gedanken noch Prana im physischen Körper vorkommen. Sie existieren nur im Astralkörper, und entsprechend der Art unserer Gedanken fließt Prana in den physischen Körper über. Sind unsere Gedanken sehr grobstofflich, so werden Prana oder die Elektronen, die in den physischen Körper kommen, noch weiter geschwächt, da zu hohe Widerstände bestehen. Außerdem vermag ein Körpernerv keinen mächtigen Gedanken aufzunehmen, und so kann es bis zu einem gewissen Grad zu einer Stilllegung des Pranas kommen. Ein verunreinigtes Nervensystem ist nicht in der Lage, hohe Spannungen zu übertragen. Manchmal kann ein plötzlicher Schock den Pranafluss sogar vollkommen unterbrechen. Oder der Strom wird derartig verlangsamt, dass man zu einem lebendigen Leichnam wird; man liegt dann im Koma.

C: Bandhas und Mudras

Bandhas sind Verschlüsse, durch deren Anwendung das Prana in gewissen Zentren gehalten werden kann. Mudras sind Siegel, die verschiedene Öffnungen verschließen und bewirken, dass die Energie statt in mehrere, nur in eine Richtung fließt. Zum besseren Verständnis dieser Dinge greifen wir wieder auf die Elektronik zurück. Wir wissen jetzt alles über Widerstände. Weitere Begriffe, die wir näher in Betracht ziehen wollen, sind der Wechselstrom und der Gleichstrom. Die Glühbirnen in unseren Haushalten sind an den Wechselstrom angeschlossen, weil negativer und positiver Pol je nach Rotation des Dynamos abwechseln. Auf der anderen Seite kann man mit Gleichstrom, wie er in einer Batterie zu finden ist, Geräte wie z. B. ein Blitzlicht zum Aufleuchten bringen. Beim Gleichstrom kommt es zu keinem Wechsel des Elektronenflusses, er bewegt sich in gleichmäßigen Strömen. Wenden wir nun Siegel (Mudras) und Verschlüsse (Bandhas) an, so ermöglichen wir den Elektronen, nur in eine Richtung (nicht wechselseitig) zu fließen, und wir stoppen die afferenten und efferenten Ströme (motorische und sensorische Impulse). Auf diese Weise wird das normale Energiekonzept im gesamten Nervensystem verändert. Durch Bandhas, Mudras und Pranayama üben wir Kontrolle auf die sensorischen und motorischen Nerven aus.
Übt man die eben angeführten Praktiken regelmäßig (mit gleichzeitiger Reinigung der Nadis), so wird die Energie wie beim Gleichstrom nur durch einen Kanal, die sogenannte Sushumna, fließen. Das bringt höhere Spannung, weniger Widerstand und mehr Kapazität. Überträgt man all dies auf ein elektronisches Element, wie z. B. den Elektronenblitz, so bedeutet das, dass sich der Kondensator auflädt und Spannung aufbaut, bis er schließlich zu einer intensiven Entladung von hellstem Licht für den Bruchteil einer Sekunde kommt. Bei zu hohen Widerständen allerdings wird alles in die Luft fliegen – der Fluss durch diesen Draht muss ausreichen, um alle Elektronen entsprechend zu versorgen. Wir müssen also Begriffe wie Widerstand, Aufbau der Spannung und letztendlich Entladung im Auge behalten.
Das gleiche passiert auch in einer sexuellen Erfahrung. Die Kondensatoren werden mit Gedanken und Leidenschaften aufgeladen und beim sexuellen Höhepunkt erfolgt dann eine plötzliche Entladung des Pranas. Danach bleibt euch keinerlei Energie mehr. Ihr wisst alle, wie der sexuelle Akt (oder jede andere starke Emotion, wie z. B. Zorn oder Ärger) buchstäblich jegliche Energie aus dem Körper herauszieht. Nach der Entladung dauert es einige Stunden, bis die Kondensatoren wieder aufgeladen sind. Es ist wie beim Elektronenblitz: man kann nicht unmittelbar darauf den Entladungsknopf drücken, um wieder eine derartige Lichtintensität zu erhalten. Man muss warten, bis sich die Ladung wieder aufbaut. Auch nach dem sexuellen Akt ist es notwendig zu warten, bis sich der Körper wieder regeneriert hat. Ein Mensch, der ständig seine Energie vergeudet, wird eines Tages impotent und ausgebrannt wie eine leere Batterie sein. Glück und geistiger Friede sind ihm verwehrt. Ich spreche aber nicht nur von einer rein physischen, sondern auch von einer geistigen Impotenz. Die Gedanken werden träge, man vermag die Gedankenströme nicht mehr entsprechend zu kanalisieren, emotionelle Schwierigkeiten treten auf und münden schließlich in eine Dauerdepression. All das ist die Folge von einer exzessiven Entladung des Pranas.
Westliche Wissenschaftler machen sich ein falsches Bild von diesen Dingen und sind der irrigen Anschauung, dass der sexuelle Akt etwas Natürliches sei. Dem ist nicht so. Man braucht eine ungeheure Energiemenge, um die Mehrfachkondensatoren wieder aufzuladen und innerhalb kürzester Zeit wird diese Energie freigesetzt. Stellen wir uns vor, wir würden nach jedem Aufladen des Kondensators den Blitz an unserer Kamera ununterbrochen entladen, so würde bald die Batterie vollkommen leer und ausgebrannt sein, und wir müssten sie durch eine neue ersetzen. In unserem Körper dagegen können wir die Batterie nicht so ohne weiteres austauschen, wir müssen warten, indem wir uns entweder auf normale Art oder durch Pranayama wieder Energie zuführen. Normale Menschen wissen nicht was Pranayama ist, daher können sie sich nur durch Ruhe, Sonnen- und Nahrungsaufnahme wieder aufladen. Man nimmt zwar etwas Prana mit der Nahrung auf, aber eben nur ganz wenig, gerade so viel, um überleben zu können und um die vegetativen Funktionen des Körpers aufrechterhalten zu können.
Gewöhnliche Leute wissen nichts über höhere Praktiken der Meditation, richtiges Denken und höheres Wollen. Obwohl sie vielleicht Ärzte, Psychiater, Doktoren der Philosophie etc. sind, besitzen sie nicht einmal genügend Willenskraft, um z. B. ihre Rauchgewohnheiten aufzugeben, da ihre psychischen Fähigkeiten sehr begrenzt sind. Sie geben ununterbrochen Energie ab und wissen nicht, wie sie sich wieder aufladen können. Ihr Geist befindet sich in einem sehr labilen Zustand. Hat man das erst einmal verstanden, so begreift man auch den Sinn und Zweck der Bandhas und Mudras.
Durch regelmäßiges Üben von Pranayama zusammen mit Bandhas und Mudras, kann man allmählich den Energiestrom in nur eine Richtung lenken und konzentrieren. Normalerweise schwingt unsere Energie hin und her, wie beim Wechselstrom. Aber indem man die Energie in einem einzigen Strom kanalisiert, werden die Kondensatoren aufgeladen. Jedes Mal, wenn man den Atem anhält, lädt man die Kondensatoren auf. Da jeder Chakra-Transformator pulsiert, steigt die Spannung und wandert immer höher und höher bis in die oberen Chakren. Steigt die Spannung, so verhält sich jedes Chakra wie ein Hochtransformator und hebt das Energieniveau Stufe um Stufe an, bis die Energie schließlich das Sahasrara erreicht. Das nennt man die Vereinigung.
Das ist Theorie, die sich hinter Kundalini Yoga verbirgt. Um es philosophisch auszudrücken: Das Ziel der spirituellen Praxis ist die Befreiung vom irdischen Leben in das göttliche Leben. Mit Kundalini-Begriffen ausgedrückt bedeutet diese Freiheit oder Mumukshutva ein Entkommen aus einem niedrigen in einen höheren Spannungszustand.

3. Kapitel, Vers 1

Deutsche Übersetzung:

So wie der König der Schlangen die Gebirge und Wälder der Erde trägt, | so trägt die Kundalini ohne Zweifel die Yoga Tantren.

Sanskrit Text:

  • sa-śaila-vana-dhātrīṇāṁ yathādhāro’hi-nāyakaḥ |
    sarveṣāṁ yoga-tantrāṇāṁ tathādhāro hi kuṇḍalī ||1||
  • सशैलवनधात्रीणां यथाधारोऽहिनायकः ।
    सर्वेषां योगतन्त्राणां तथाधारो हि कुण्डली ॥१॥
  • sa shaila vana dhatrinam yathadharo’hi nayakah |
    sarvesham yoga tantranam tathadharo hi kundali ||1||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • sa : samt (ihren, Sa)
  • śaila : Bergen (Shaila)
  • vana : (und) Wäldern (Vana)
  • dhātrīṇāṁ : (der) Erde („irdischen Gegenden“, Dhatri)
  • yathā : wie (Yatha)
  • ādhāraḥ : (die) Grundlage, Basis, Stütze (ist, Adhara)
  • ahi* : (der) Schlangen (Ahi)
  • nāyakaḥ* : (der) Anführer, Fürst (Nayaka)
  • sarveṣāṁ : aller (Sarva)
  • yoga : (des) Yoga (Yoga)
  • tantrāṇāṁ : Praktiken, Lehren (Tantra)
  • tathā : genau so (Tatha)
  • ādhāraḥ : (die) Grundlage, Basis, Stütze
  • hi : gewiss (Hi)
  • kuṇḍalī** : (ist die) Kundali (die „geringelte“ Schlangenkraft Kundalini)        ||1||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda ergänzt, dass mit „Schlangenfürst“ (AhiNayakaShesha gemeint ist, als dessen Verkörperung auch Patanjali angesehen wird: ahi-nāyakaḥ śeṣaḥ.

** Anmerkung: Brahmananda definiert hier die Kundali(ni) als die „an der Basis (Adhara, d.h. im Muladhara Chakra ruhende) Kraft (Shakti)“: kuṇḍaly ādhāra-śaktiḥ.

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

./.

Vishnu-devananda

1. Wie Ananta, der Schlangengott, das ganze Universum mit seinen Bergen und Wäldern trägt, so ist Kundalini die wesentlichste Stütze aller Yoga-Praktiken.

2. Wenn die Kundalini schlummert, wird sie durch die Gunst des Gurus geweckt, und alle Lotusse (Nervenzentren) und Granthis (Knoten) werden durchstoßen.

Die Granthis befinden sich in der Sushumna. Der Brahma Granthi liegt im Muladhara Chakra; der Vishnu Granthi im Manipura Chakra; der Rudra Granthi im Ajna Chakra. Sie können durchbrochen werden, indem man Pranayama, Bandhas und Mudras ausführt.
Was meint nun „die Gunst des Gurus“? Wenn ihr Vertrauen zum Guru habt, wird er euch lehren, den Zeitpunkt zu erkennen zu dem ihr für die Übung bereit seid.

Sukadev

Das dritte Kapitel hat als Hauptthema die Mudras. Und da die Mudras Kundalini erwecken wollen und auch die Kundalini aktivieren wollen, schreibt er zuerst über Kundalini.

1. Wie Ananta, der Schlangengott, das ganze Universum mit seinen Bergen und Wäldern trägt, so ist Kundalini die wesentlichste Stütze aller Yoga-Praktiken.

Das bezieht sich auf einen Schöpfungsmythos. Es gibt in indischen Schriften zahllose Schöpfungsmythen. Das zeigt, dass keiner wörtlich genommen werden soll, sondern nur, dass bestimmte Prinzipien ausgedrückt werden sollen. Da war es so, dass erst der Ozean da war. Auf dem Ozean war Ananta, die Weltenschlange. Auf dieser Weltenschlange liegt Vishnu. Aus Vishnus Nabel heraus kommt der Lotus, dieser Lotus ist Lakshmi, und auf Lakshmi, diesem Lotus von Lakhsmi, sitzt Brahma, der Schöpfer. Der Schöpfer macht Tapas, bzw.Pranayama. Dann schafft er als erstes daraus die Veden, und aus den Veden die gesamte Schöpfung. Die Wasser des Meeres symbolisiert dort Shiva, das reine Bewusstsein. Ananta, die Schlange, symbolisiert dort Shakti, die kosmische Energie. Vishnu symbolisiert Ishvara, den persönlichen Gott, der letztlich aus Ananta, der Schlange, erwächst, und damit Teil der Shakti ist, und dort in verschiedenen Stufen erstmal als Vishnu, als Kraft der Liebe erscheint. Daraus folgt Lakshmi, die Kraft der Fülle, daraus Brahma, der Schöpfer, der mittels Pranayama diese Kraft konzentriert und damit in verschiedene Teile gibt, der die Veden schafft, das heißt, das Urwissen. Und damit die Urprinzipien, und Archetypen, und die Urideen, und daraus kann dann die ganze Welt in ihren verschiedenen Unterteilungen entstehen. Und so ruht die ganze Welt letztlich in Ananta, weil sie alle Teile der Shakti sind. Und so ist Kundalini die wesentliche Stütze aller Yogapraktiken. Er sagt ja, nicht nur der Hatha-Yoga-Praktiken, sondern aller Praktiken. Jede Bewusstseinserweiterung ist mit einer Erweckung der Kundalini verbunden. Auch bei spirituellen Wegen, die gar nicht von Kundalini sprechen. Wenn die Bewusstseinserweiterung stattfindet, ist immer die Kundalini erweckt.

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3. Kapitel, Vers 2

Deutsche Übersetzung:

Wenn mit der Hilfe des Lehrers die schlafende Kundalini erwacht, | Dann werden alle Lotusblüten (Padma) und Knotenpunkte (Granthi) durchdrungen.

Sanskrit Text:

  • suptā guru-prasādena yadā jāgarti kuṇḍalī |
    tadā sarvāṇi padmāni bhidyante granthayo’pi ca ||2||
  • सुप्ता गुरुप्रसादेन यदा जागर्ति कुण्डली ।
    तदा सर्वाणि पद्मानि भिद्यन्ते ग्रन्थयोऽपि च ॥२॥
  • supta guru prasadena yada jagarti kundali |
    tada sarvani padmani bhidyante granthayo’pi cha ||2||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • suptā : (die) schlafende (Supta)
  • guru : (des) Meisters (Guru)
  • prasādena : durch die Gnade, Gunst, Hilfe (Prasada)
  • yadā : wenn (Yada)
  • jāgarti : erwacht (jāgṛ)
  • kuṇḍalī : Kundali (die “geringelte” Schlangenkraft Kundalini)
  • tadā : dann (Tada)
  • sarvāṇi* : alle (Sarva)
  • padmāni*Chakren („Lotusse“, Padma)
  • bhidyante : werden durchstoßen (bhid)
  • granthayaḥ** : (die drei) Knoten (Granthi)
  • api : auch, sogar (Api)
  • ca : und (Cha)     ||2||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass sich „alle Lotusse“ (sarvāṇi padmāni) auf die sechs (Shash) Chakren bezieht: sarvāṇi padmāni ṣaṭ cakrāṇi.

** Anmerkung: Die drei „Knoten“ (Granthi) sind Brahma Granthi, Vishnu Granthi und Rudra Granthi.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 44 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

2. Wenn die Kundalini schlummert, wird sie durch die Gunst des Gurus geweckt, und alle Lotusse

alle Chakras. Die Chakras werden manchmal auch als Padmas bezeichnet, Lotusse

– (Nervenzentren) und Granthis (Knoten) werden durchstoßen.

Die Granthis befinden sich in der Sushumna, das sind die Knoten. Man kann sich das gut merken – die Granthis sind das, was uns grantig macht. Granthis wird allerdings mit h geschrieben. Und zwar gibt es da drei Granthis. Es gibt Brahma-Granthi im MuladharaChakra, es gibt Vishnu-Granthi. Manchmal wie gesagt, im Manipura-Chakra, manchmal im Anahata-Chakra. Wahrscheinlich kann der bei verschiedenen Menschen in verschiedenen Chakras liegen, entweder Manipura, Anahata oder dazwischen, und Rudhra-Granthi ist im Ajna-Chakra.

Brahma-Granthi, oberhalb des Muladhara-Chakras, symbolisiert die Schwierigkeit, von einer physischen Erfahrung zu einer astralen Erfahrung zu kommen. Brahma-Granthi, oberhalb des Muladhara-Chakra. Vom Bewusstsein der physischen Welt zur astralen Welt zu kommen. Das ist ja einer der Punkte, den so viele Menschen haben, und sagen: „Ihr sprecht alle über Prana und Energien usw. Ich glaube nur an das, was ich sehe. Und so lange Brahma-Granthi nicht durchstoßen ist, so lange sieht man nur die physische Welt. Ich habe mal jemand geantwortet: „Genau so bin ich auch. Ich glaube auch an das, was ich sehe, und ich sehe nicht nur die physische Welt.“ Wer hat jetzt Recht? Wer wohl? Es hängt letztlich vom Bewusstseinsstandpunkt ab und hängt letztlich davon ab, wie durchgängig Brahma-Granthi schon geworden ist.

Als zweites gibt es Vishnu-Granthi, und Vishnu-Granthi ist etwas, was die Schwierigkeit symbolisiert, um von einer Astralerfahrung, die immer noch in Zeit und Raum ist, zwar anderer Zeit und Raum, als die physische Welt, aber immer noch sinnlich ist. Man sieht, hört, riecht, schmeckt fühlt die Astralwelt. Und immer noch ichbezogen ist, weil ich etwas beobachte, und damit letztlich noch damit das Ego füttern kann, weil man dann so stolz ist: „Ich sehe die astrale Welt, und das gemeine Volk sieht es nicht.“ Von dieser egoistischen Erfahrung zu einer Erfahrung reiner Liebe und jenseits von Zeit und Raum zu kommen, dafür steht Vishnu-Granthi. Wenn der Granthi durchstoßen ist, dann ist Liebe und Vision Gottes nicht mehr im Sinne von wirklich sehen, sondern Erfahrung Gottes.

Schließlich gibt es Rudhra-Granthi im Ajna-Chakra. Und der steht für die Schwierigkeit, von einer dualistischen Erfahrung von Samadhi, oder auch einem Gefühl der Nähe und Verbundenheit mit Gott, zur vollkommenen Einheit, Einheit mit dem Unendlichen, und Einheit mit Gott zu kommen. Und hier heißt es, dass die Gnade des Gurus die Kundalini erwecken kann. Und dann kann sie alle Chakras durchstoßen und insbesondere die Granthis, die Knoten, werden durchstoßen.

Die Gunst des Gurus. Hatha-Yoga ist ja einer, vielleicht der Weg mit den meisten Praktiken. Die meisten Menschen gehen ihn ja eher sanft, und auch wir lehren ihn ja eigentlich eher als ein Teil des ganzheitlichen Yogas. Es gibt sehr wenige, die sechzehn Stunden am TagAsanas, Pranayama, Mudras, Bandhas üben. Wir lehren halt auch Hatha-Yoga im Zusammenhang als ganzheitlichen Yoga. So eine halbe bis eine Stunde am Tag die Hatha-Yoga-Praktiken. Vielleicht anderthalb oder zwo Stunden am Tag für die, die etwas mehr Zeit und Enthusiasmus haben, und dann noch meditieren, und ansonsten Bhakti-, Raja-, Jnana-Yoga für’s tägliche Leben. Ab und zu mal Satsang, intensiver üben, entweder mal ein Wochenende oder mal eine Woche oder einen Monat zu einem Yoga-Seminar kommen, um intensiver zu üben. Und für die meisten Menschen ist das der bessere und sicherere Weg. Selbst bei Swatmarama, der die intensivere Hatha-Yoga-Praxis empfiehlt, läuft nicht alles nur mit Techniken.

Wie ihr alle wisst, gibt’s mehrere Faktoren des spirituellen Fortschritts. Der eine ist die eigene Anstrengung, und der andere ist letztlich die göttliche Gnade. Und die kann man noch mal unterteilen in die Gnade Gottes und die Gnade des Gurus, des Lehrers. Man kann sehr viel üben, aber man braucht letztlich auch die Gnade, die Gnade Gottes und die Gnade des Gurus, des spirituellen Meisters. Das mit der Gnade des Gurus ist schwer zu beschreiben. Ihr wisst intuitiv, dass ein Mensch einen anderen beeinflussen kann. Das weiß jeder. Das ist jetzt nicht misszuverstehen. Es ist nicht etwas Willkürliches, wenn ein Lehrer sagt: „Dem gebe ich jetzt Energie oder nicht“, obgleich auch ein spiritueller Lehrer konkret Energie in eine bestimmte Richtung schickt. Aber über diesen Kanal fließt dann die Energie, wenn sich der Schüler darauf einstimmt.

Es gibt da eine Geschichte im Rahmen der Mantra-Einweihung – es gab einen Schüler, der hatte jahrelang praktiziert, hatte aber nicht gemerkt, dass er größeren Fortschritt gemacht hat. Jetzt wollte er die Mantra-Einweihung von einem Lehrer haben, der gesagt hat, er gibt keine Mantra-Einweihung mehr. Aber das war für ihn der Lehrer. Und dann hat er den Lehrer beobachtet, hat sich dann früh morgens um drei Uhr auf die Stufen zum Ganges hingelegt, und als der Lehrer dann morgens kam, um sein Morgenbad zu nehmen, ist er auf den Schüler draufgetreten, weil es ja dunkel war, und so wie der Lehrer das gesehen hat, hat er sich vor ihm verneigt und OM Namo Narayana gesagt – die meisten weltlichen Menschen gebrauchen ja eher Fäkalienausdrücke, wenn sie sich erschrecken – ein spiritueller Mensch, wenn er erschrickt, dann sagt er OM Namo Narayanaya. Die einen sehen, wenn was Unvorhergesehenes kommt, ihre eigenen Exkremente, und die anderen sehen, wenn was Unvorhergesehenes kommt, das Wirken Gottes. Gut, jedenfalls unser Guru hat dann OM Namo Narayana gesagt und die Hand dem Schüler auf die Stirn gehalten, und der Schüler hat sich verneigt, hat seine Gaben noch gegeben, hat sich für die Mantra-Einweihung bedankt, und hat sich dann hingesetzt und die Selbstverwirklichung erreicht. Er hat sich ganz auf den Lehrer eingestimmt, hat die Mantra-Einweihung noch gehabt. Der Schüler muss die Hingabe für den Lehrer haben.

Ich bin ja jetzt auch kein Vollkommener, ich kann niemandem die Kundalini erwecken. Bei Swami Vishnu, da gab’s so Sachen. Der konnte Menschen tatsächlich Energie geben. Ich weiß noch, bei unserer fortgeschrittenen Yogalehrerausbildung, als er da war – er war nicht jeden Tag für’s Pranayama da – aber wenn er da war und Bhastrika unterrichtet hat, dann haben eine ganze Reihe Leute angefangen zu schütteln. Wenn hier mal jemand anfängt zu schütteln, dann erschrecken gleich alle. Aber dort, wenn der Swami Vishnu in einer großen Gruppe Bhastrika unterrichtet hat, dann hat das fünf, sechs Leute durchgeschüttelt. Der hat auch nichts anderes angesagt als eins – zwei – eins – zwei. Es ist aber dort eine Energie dahinter. Und auf diese Energie kann man sich auch einstimmen. Es ist die Aufgabe des Schülers, sich auf den Lehrer einzustimmen. Und über das Einstimmen des Schülers auf den Lehrer wird ein Kanal hergestellt, und über das Herstellen des Kanals kann dort Energie fließen. Es ist also nicht ein Willkürakt, dass der Lehrer sagt: Der Savir gefällt mir besonders gut, also erwecke ich dem die Kundalini“. Sondern der Lehrer ist wie ein Kanal, durch den Energie hindurchfließt, und wenn der Schüler sich darauf einstimmt, dann fließt die dort hin.

Die Gnade ist immer da, aber sie ist ein Element, das wir nicht genau unter Kontrolle haben. Deswegen heißt‘ s ja Gnade. Und da ist die Einstellung wichtig. Wir können uns eben an den Guru wenden, sowohl an den physischen Guru, der noch im physischen Körper ist, als auch einen, der nicht mehr im physischen Körper ist, und können um Führung bitten, und dann kann es plötzlich geschehen. Diese Demut und diese Hingabe, an die müssen wir uns immer wieder erinnern. Menschen, die es nur rein physisch machen, die haben erstens nicht so schnelle Fortschritte, und zweitens können sie irgendwann zu Asuras werden. Egoisten mit starken Kräften. Das ist gefährlich. Also Gnade ist wichtig. Dann, wenn die Kundalini erweckt ist, und die Lotusse und Granthis durchstößt,

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3. Kapitel, Vers 3

Deutsche Übersetzung:

Der leere Pfad wird dann zum königlichen Weg der Lebensenergie, | dann wird alles wandelbare des Menschen (Chitta) haltlos und die Zeit wird überwunden.

Sanskrit Text:

  • prāṇasya śūnya-padavī tadā rāja-pathāyate |
    tadā cittaṁ nirālambaṁ tadā kālasya vañcanam ||3||
  • प्राणस्य शून्यपदवी तदा राजपथायते ।
    तदा चित्तं निरालम्बं तदा कालस्य वञ्चनम् ॥३॥
  • pranasya shunya padavi tada raja pathayate |
    tada chittam niralambam tada kalasya vanchanam ||3||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • prāṇasya : für die Lebensenergie Prana
  • śūnya-padavī : (die) Sushumna („Pfad der Leere“, Shunyapadavi)
  • tadā : dann (Tada)
  • rāja-pathāyate : wird zur Haupstraße („Königsweg“, Rajapatha)
  • tadā : dann
  • cittaṁ* : (wird der) Geist (Chitta)
  • nir-ālambaṁ* : objektlos („ohne Stütze“, Niralamba)
  • tadā : dann (wird möglich)
  • kālasya : des Todes („der Zeit“, Kala)
  • vañcanam : (das) Täuschen („Hintergehen, Entrinnen“, Vanchana)      ||3||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass ein „Geist ohne Stützen“ (cittaṃ nir-ālambaṃ) objektlos ist, d.h. er wird (bhavati) von den Sinnes- bzw. Meditationsobjekten (Vishaya) losgelöst: cittaṃ … nir-ālambaṃ nir-viṣayaṃ bhavati.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

3. Dann fließt das Prana durch die königliche Straße: Sushumna. Dann verbleibt der Geist ausgesetzt und der Yogi überlistet den Tod.

4. Sushumna, die große Leere, die Brahmarandhra, die große Straße, der brennende Grund, Sambhavi, und der mittlere Pfad, alle beziehen sich auf ein und dasselbe.

Dies ist schwer zu begreifen, aber wenn ihr übt, wird es euch allmählich klarer werden. „Die Leere“ ist eine wörtliche Übersetzung aus dem Sanskrit „Shunya“ und bedeutet einen Zustand, in dem weder Eigenschaften, Zeit, Raum oder Bewusstheit existieren. Geht das Prana in die Sushumna, ist die Welt nicht mehr vorhanden. Bewusstsein von Zeit und Raum und Erfahrungen der Sinne sind nur Schöpfungen des Geistes, der Gedanken. Normalerweise ist man manchmal aktiv und manchmal weniger; man erlebt einmal positive und einmal negative Gefühle – das geht immer so weiter. Dann gibt es Eigenschaften und man ist sich der Zeit und des Raumes bewusst. Wenn jedoch Prana die Sushumna erreicht, wird es zu Nichts. Mit anderen Worten: Samadhi ist erreicht.
Im Hatha Yoga nennen wir diesen Zustand Umani Avashta. Im Raja Yoga heißt es Asamprajnata Samadhi. Im Jnana Yoga hat er den Namen Nirvikalpa Samadhi. Aber im Grunde bezeichnen sie alle das Gleiche.
Brahmarandhra bedeutet Brahmas Kanal. Gegenwärtig fließt Prana durch Ida und Pingala durch die Sinnes- und Sexualorgane, aber sobald es durch Brahmarandhra fließt, hat man nur noch den Gedanken „Aham“ – „Ich bin“.
Sushumna wird auch als „brennender Grund“ bezeichnet. Was verbrennst du? Du verbrennst alle deine Samskaras (subtile Eindrücke aus vergangenen Leben), die, obwohl verborgen, sprießen würden wie Samen im Frühling. Fließt nun das Prana in die Sushumna, so werden sie verbrannt.

Sukadev

3. Dann fließt das Prana durch die königliche Straße: Sushumna. Dann verbleibt der Geist ausgesetzt und der Yogi überlistet den Tod.

Er weiß, dass er unsterblich ist. Das ist die Überlistung. Der Körper stirbt irgendwann, aber der Tod ist überlistet. Er mag den Körper nehmen, aber ich weiß, ich bin unsterblich. Wir leben in einer Gesellschaft, wo wir den Tod weit von uns weggeschoben haben. Tod geschieht uns nicht, das geschieht nur anderen. Tod wird typischerweise im Fernsehen so dargestellt, so kommt man normalerweise nicht um. Erschossen wird man nicht so oft, oder dass einem Arnold Schwarzenegger – passiert ja nicht so oft. Das war ja auch das, warum der 11. September die Menschen so sehr erschüttert hat, es ist glücklicherweise kein Anschlag geschehen am Jahrestag, plötzlich wusste man: Das kann uns auch geschehen, egal wo wir sind. Ein Autounfall kann natürlich sehr viel wahrscheinlicher passieren. Es gibt viel mehr Autounfälle, wo Menschen sterben. Wir denken nicht daran. Bei Menschen früherer Zeiten, da war es anders gewesen. Da war der Tod eine wichtige Sache. Gut, im Christentum war ja der Tod noch dazu verbunden mit dem Jüngsten Gericht, und der Gefahr der ewigen Verdammnis. Vielleicht habt ihr mal was über Luthers Leben gelesen. Ich finde es eher noch erstaunlich, wie wenig solche Sachen, religiöse Themen, im Religionsunterricht behandelt wurden, mindestens zu meiner Zeit. Wir haben über alles Mögliche gesprochen, aber weder über die Heiligen noch über die Bibel übermäßig viel, erst recht nicht über den Begründer der Reformation. Er ist ins Kloster gegangen, nachdem er beinahe von einem Blitz erschlagen wurde, und dann dachte er: So schnell kann ich sterben und dann komme ich in dieHölle. Er hatte furchtbare Angst vor der Hölle, und weil er so Riesenangst hatte vor der Hölle, wollte er also alles tun, um das Jüngste Gericht dazu zubringen, dass er nicht in die Hölle kommt. Gut, und dann später hat er gedacht: Das ist auch nicht das Richtige, Gott praktisch dazu zu zwingen, dass er in den Himmel kommt, und dann kam eben seine neue Theologie, dass man in den Himmel kommt allein durch die Gnade Gottes. Weil Jesus gestorben ist, für uns gestorben ist, und wir brauchen nur die Gnade anzunehmen. Wir brauchen nichts zu machen, die Gnade macht alles. Das war eine gewisse Gegenbewegung. Meine Behauptung: Beides ist wichtig. Das Gnadenelement, wie auch die eigene Praxis.

Und jetzt gibt er uns einen Vers, der ein Schlüssel ist zur Entzifferung von verschiedenen Mythen. Wer sich mal mit indischer Mythologie beschäftigt, da findet man immer wieder bestimmte Aussagen, und die kann man interpretieren auf Geschehnisse, die in einem selbst geschehen auf dem spirituellen Weg. Und hier sagt er jetzt:

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3. Kapitel, Vers 4

Deutsche Übersetzung:

Sushumna, der leere Pfad, Brahmarandhra (die Öffnung ins Brahman), der großartige Weg, | der Verbrennungs-Grund, Shambhavi und der mittlere Weg sind alles Synonyme.

Sanskrit Text:

  • suṣumṇā śūnya-padavī brahma-randhraṁ mahā-pathaḥ |
    śmaśānaṁ śāmbhavī madhya-mārgaś cety eka-vācakāḥ ||4||
  • सुषुम्णा शून्यपदवी ब्रह्मरन्ध्रं महापथः ।
    श्मशानं शाम्भवी मध्यमार्गश् चेत्य् एकवाचकाः ॥४॥
  • sushumna shunya padavi brahma randhram maha pathah |
    shmashanam shambhavi madhya margash chety eka vachakah ||4||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

4. Sushumna, die große Leere, die Brahmarandhra, die große Straße, der brennende Grund, Sambhavi, und der mittlere Pfad, alle beziehen sich auf ein und dasselbe.

Wenn ihr also mal einen Mythos lest, und da steht irgendwas von einem dieser Ausdrücke: ‚Jetzt nimmt jemand die mittlere Straße’, oder er ist auf einem ‚Verbrennungsgrund’, oder ‚erfährt jetzt die große Leere’ oder so etwas, dann könnt ihr wissen, das hat irgendwas mit der Sushumna zu tun. In Indien werden Leichen nicht verbuddelt, sondern verbrannt. Und da gibt’s eben diese Leichenverbrennungsorte. Und wenn es heißt, dass jemand sich an einen solchen Ort begibt, um zu meditieren, dann heißt das, er geht mit seinem Bewusstsein in die Sushumna.

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3. Kapitel, Vers 5

Deutsche Übersetzung:

Deshalb soll der Yogi voll Enthusiasmus die Praxis der Mudras praktizieren um die Göttin zu wecken, | die am Eingang zu Brahma’s Tür schläft.

Sanskrit Text:

  • tasmāt sarva-prayatnena prabodhayitum īśvarīm |
    brahma-dvāra-mukhe suptāṁ mudrābhyāsaṁ samācaret ||5||
  • तस्मात्सर्वप्रयत्नेन प्रबोधयितुमीश्वरीम् ।
    ब्रह्मद्वारमुखे सुप्तां मुद्राभ्यासं समाचरेत् ॥५॥
  • tasmat sarva prayatnena prabodhayitum ishvarim |
    brahma dvara mukhe suptam mudrabhyasam samacharet ||5||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • tasmāt : daher, deshalb (Tasmat)
  • sarva : (mit) aller (Sarva)
  • prayatnena : Anstrengung, Bemühung (Prayatna)
  • prabodhayitum : um zu erwecken (Prabodha)
  • īśvarīm* : (die) Göttin, Herrin, Gebieterin (Ishvari)
  • brahma-dvāra** : (der) Tür (zum) Brahman (Brahmadvara)
  • mukhe : am Eingang („Mund“, Mukha)
  • suptāṁ : (welche) schläft (Supta)
  • mudrā : (der verschiedenen) Siegel (Mudra)
  • abhyāsaṁ : (die) Praxis, Übung (Abhyasa)
  • samācaret : (man) soll ausführen (sam + ā + car)       ||5||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass mit der „schlafenden (Supta) Göttin (Ishvari)“ hier die Kundali(ni) gemeint ist: suptām īśvarīṃ kuṇḍalīm.

**Anmerkung: Brahmananda definiert hier das Absolute (Brahman) als durch Sein (Sat), Bewusstsein (Chit) und Glückseligkeit (Ananda) charakterisiert (Lakshana): brahma sac-cid-ānanda-lakṣaṇam. Die „Tür (Dvara) zum Brahman“ (Brahmadvara) ist die Sushumna, das „Mittel (Upaya) zum Erreichen (Prapti)“ desselben (tasya): tasya dvāraṃ prāpty-upāyaḥ suṣumnā. Diesen Eingang (Dvara) hält die Kundali(ni) gewöhnlich mit ihrem Mund (Mukha) verschlossen (pidhāya): mukhena suṣumnā-dvāraṃ pidhāya.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 43 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

5. Deshalb sollte der Yogi die verschiedenen Mudras sorgfältig üben, um die große Göttin (Kundalini) zu wecken, die schlummernd die Mündung der Sushumna zuhält (das Tor zum Absoluten).

6. Maha Mudra, Maha Bandha, Maha Vedha, Khechari, Uddiyana, Mula- und Jalandhara Bandha, Viparita Karani, Vajroli und Shakti Chalani…

Khechari ist das Einschneiden der Zunge. Es ruft eine künstliche Art von Samadhi hervor, Jada Samadhi oder unwirksames Samadhi genannt; es kann dich zu den höchsten Erfahrungen bringen oder deine Begierden auslöschen. Es ist ein Versuch, ohne vorherige Reinigung, das Prana aufzuhalten.
Vajroli ist eine körperliche Kontraktion, durch die das Wasser durch die Harnröhre hinaufgezogen wird. Dann erhöht man allmählich die Dichte der Flüssigkeit (mittels Honig etc.), so dass letztendlich sogar eine sexuelle Ejakulation nach rückwärts gezogen werden kann. Es ähnlich dem Basti, bei dem Wasser durch das Vakuum, das entsteht, wenn man Nauli ausführt, in den Dickdarm hinaufgezogen wird. Aber für unsere Zwecke ist es nicht notwendig Vajroli zu üben, weil wir dieselben Erfolge durch Mula Bandha erzielen können, indem wir eben diesen Impuls stoppen.
Uddiyana-, Mula- und Jalandhara Bandha sind dir schon bekannt. Viparita Karani ist wie der Schulterstand, nur in schräger Position. Man will dabei die Energie nach hinten ziehen. Im Allgemeinen träufelt der Nektar vom Mond in der oberen Sphäre auf die Sonne unterhalb, die ihn gierig aufnimmt. Aber indem man den Körper umdreht, ist dieser Nektar gefangen und der Körper bleibt ewig jung. Das ist die dahinterliegende Theorie. Viparita Karani sollte daher nur am Morgen und nicht am Abend ausgeführt werden.
Will man Shakti Chalani machen, muss man Bhastrika durchführen und den Körper auf- und niederschlagen.
Bevor man beginnt, diese Mudras und intensives Pranayama zu üben, muss man auf die richtige Diät äußerst bedacht sein. Man kann auch nicht allzu sehr in unkontrollierten sexuellen Praktiken schwelgen, weil dadurch das Prana in die falsche Richtung gelenkt wird. So übt euch in Enthaltsamkeit, so gut ihr könnt, aber unterdrückt eure sexuellen Gefühle nicht, sondern führt sie auf eine höhere Ebene. Übt Yama und Niyama und zur Reinwerdung so viel wie möglich Japa. Dann wird Shakti durch Shakti Chalani erweckt, wie eine wohlschmeckende reife Frucht. Nimmt man aber eine unreife Frucht und versucht sie durch Drücken reif zu machen, dann mag sie zwar weich erscheinen, aber sie wird sauer bleiben. Dasselbe gilt für spirituelle Praktiken. Lasst sie reifen, versucht nichts zu erzwingen.

Sukadev

5. Deshalb sollte der Yogi die verschiedenen Mudras sorgfältig üben, um die große Göttin (Kundalini) zu wecken, die schlummernd die Mündung der Sushumna zuhält (das Tor zum Absoluten).

Gut. Er beschreibt jetzt zehn Mudras. Die Ghera Samhita beschreibt 32 Mudras. Die zehn Mudras hier sind jetzt nicht identisch sind mit den Mudras, die ihr nach Sivananda übt. Diese Mudrareihe nach Sivananada hat natürlich eine gewisse Logik. Zuerst wird durch Mahamudra die ganze Sushumna geöffnet, dann geht man Schritt für Schritt die Chakras nach oben. Dann über Viparitakaranimudra wird noch mal besonders die Sonnen- und Mondenergie aktiviert. Und dann zum Schluss über die Kechari Mudra wird die Mondenergie verstärkt, so dass zum Abschluss eine harmonisierende, beruhigende, entspannende Energie da ist. Aber es gibt auch andere Mudrareihen.

Meine Erfahrung ist, das diese Mudrareihe für die Menschen effektiver ist, und letztlich machtvoller sind. Man würde auch jetzt die Mudras nicht allein für sich machen. Man kann aber die Mudras auch direkt nach den Asanas machen, man kann sie direkt nach beispielsweise dem Drehsitz machen, man kann sie nach der Vorwärtsbeuge entstehen lassen. Wenn man die Mudras macht, muss man am gleichen Tag zwanzig Minuten Wechselatmung machen. Das kann man direkt davor machen oder auch später oder nachher. Andere würden erklären: Es ist verrückt, fünfundfünfzig Minuten ist wenig.

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3. Kapitel, Vers 6

Deutsche Übersetzung:

Maha-Mudra, Maha-Bandha, Maha-Vedha und Khecari-Mudra | Uddiyana-Bandha, Mula-Bandha, und was als Jalandhara-Bandha bekannt ist,

Sanskrit Text:

  • mahā-mudrā mahā-bandho mahā-vedhaś ca khecarī |
    uḍyānaṁ mūla-bandhaś ca bandho jālan-dharābhidhaḥ ||6||
  • महामुद्रा महाबन्धो महावेधश्च खेचरी ।
    उड्यानं मूलबन्धश्च बन्धो जालन्धराभिधः ॥६॥
  • maha mudra maha bandho maha vedhash cha khechari |
    udyanam mula bandhash cha bandho jalandharabhidhah ||6||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • mahā-mudrā : Maha Mudra (das „große Siegel“)
  • mahā-bandhaḥ : Maha Bandha (der „große Verschluss“)
  • mahā-vedhaḥ : Maha Vedha (der „große Durchbruch“)
  • ca : und (Cha)
  • khecarī : Khechari (Mudra, „die im Luftraum Gehende“)
  • uḍyānaṁ : Udyana, d.h. Uddiyana (Bandha, das „Auffliegenlassen“)
  • mūla-bandhaḥ : Mula Bandha („Wurzel-Verschluss“)
  • ca : und
  • bandhaḥ : (der) Verschluss (Bandha)
  • jālan-dhara : Jalandhara (Bandha, das „Halten des Netzes“)
  • abhidhaḥ : namens („mit der Bezeichnung“, Abhidha)       ||6||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

6. Maha Mudra, Maha Banda, Maha Veha, Khechari, Uddhiyana, Mula- und Jalandhara Bandha, Viparita Karani, Vajroli und Shakti Chalani …

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3. Kapitel, Vers 7

Deutsche Übersetzung:

Das was Viparita-Karani genannt wird, Vajroli-Mudra, Sakticalani-Mudra | Diese Zehnergruppe überwindet wahrlich die Altersschwäche und den Tod.

Sanskrit Text:

  • karaṇī viparītākhyā vajrolī śakti-cālanam |
    idaṁ hi mudrā-daśakaṁ jarā-maraṇa-nāśanam ||7||
  • करणी विपरीताख्या वज्रोली शक्तिचालनम् ।
    इदं हि मुद्रादशकं जरामरणनाशनम् ॥७॥
  • karani viparitakhya vajroli shakti chalanam |
    idam hi mudra dashakam jara marana nashanam ||7||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • karaṇī : (die) Stellung, Haltung (Karani)
  • viparīta : (die) „Umgekehrte“ (Viparita Karani)
  • ākhyā : (mit der) Bezeichnung (Akhya)
  • vajrolī : Vajroli
  • śakti-cālanam : Shakti Chalana (das „Inbewegungsetzen der göttlichen Energie“)
  • idaṁ : dies (Idam)
  • hi : gewiss, bekanntlich (Hi)
  • mudrā : Siegel (Mudra)
  • daśakaṁ : (ist die) Gruppe der zehn (Dasha)
  • jarā : (von) Alter (Jara)
  • maraṇa : (und) Tod (Marana)
  • nāśanam : (ein Mittel zur) Vernichtung (Nashana, Fortsetzung in Vers 8)     ||7||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

7. Das sind die 10 Mudras, die Alter und Tod vernichten.

Alter und Tod mögen existieren, aber ihr fürchtet sie nicht, weil sie nur den physischen Körper betreffen. Es sind noch viele Siddhas unter uns, die sich in beiden Welten, der physischen als auch der astralen, bewegen können. Wenn sie in die physische Welt kommen, dann können sie Gestalt annehmen und sich in einem physischen Körper verwandeln, sodass sie vor ihren Schülern erscheinen können. Oder wenn sie sich in andere Dimensionen begeben wollen, so können sie dies ohne Pass und Visa tun. Der Heilige Narada ist ein Beispiel dafür. Er benutzt nur sein Veena und singt „Om Namo Narayanaya“, und kann damit jede Ebene erreichen, die er erreichen will. Manchmal erreicht er auch die Ebene unserer Erde.

Sukadev

7. Das sind die 10 Mudras, die Alter und Tod vernichten.

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3. Kapitel, Vers 8

Deutsche Übersetzung:

Vom ersten Lehrmeister (Adinatha) wurde gesagt dass die acht übernatürlichen Kräfte aus der Praxis der göttlichen Mudras entstehen. | Die Mudras sind geliebt von allen vervollkomneten Wesen (Siddha) und sogar von den Göttern (Maruta) schwierig zu erlangen.

Sanskrit Text:

  • ādināthoditaṁ divyam aṣṭaiśvarya-pradāyakam |
    vallabhaṁ sarva-siddhānāṁ dur-labhaṁ marutām api ||8||
  • आदिनाथोदितं दिव्यम् अष्टैश्वर्यप्रदायकम् ।
    वल्लभं सर्वसिद्धानां दुर्लभं मरुताम् अपि ॥८॥
  • adinathoditam divyam ashtaishvarya pradayakam |
    vallabham sarva siddhanam durlabham marutam api ||8||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • ādi-nātha : (vom) uranfänglichen Herrn (Adinatha, einer Form Shivas)
  • uditaṁ* : wurde (diese Gruppe der zehn Mudras) gelehrt (Udita)
  • divyam : (sie ist) göttlich, himmlich (Divya)
  • aṣṭa : (die) acht (Ashta)
  • aiśvarya** : übernatürlichen Kräfte („Herrlichkeiten“, Aishvarya)
  • pradāyakam : (und sie) verleiht (Pradayaka)
  • vallabhaṁ : (sie) wird geschätzt („ist lieb“, Vallabha)
  • sarva : (von) allen (Sarva)
  • siddhānāṁ : Vollkommenen (Siddhas)
  • dur-labhaṁ : (sie) ist schwer zu meistern („zu erlangen“, Durlabha)
  • marutām : von den Göttern („Windgöttern“, Marut)
  • api : sogar, selbst (Api)    ||8||

*Anmerkung: Das Subjekt dieses Satzes (mudrā-daśakaṁ) findet sich in Vers 7. Darauf beziehen sich uditaṁ („wurde gelehrt“) und die übrigen Neutra von Vers 8.

**Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erwähnt die folgenden acht übernatürlichen Kräfte (Aishvarya bzw. Siddhi): Animan, Mahiman, Gariman, Laghiman, Prapti, Prakamya, Ishitva, und Vashitva.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

8. Diese wurden von Shiva gewährt und verleihen die acht Siddhis.

Es gibt acht (psychische) Kräfte (auch Siddhis genannt). Aber sie sind nicht das Endziel der Praxis – dessen seid euch bewusst. Sie kommen, um euch zu prüfen und zu sehen, ob euer Geist schwach oder stark ist. Man wird sehr leicht in Versuchung geführt. Besitzt man diese Kräfte und stellt sie nur ein- oder zweimal zur Schau, so verschwinden sie wieder. Siddhis stellen eine Energie wie Elektrizität dar, hervorgerufen durch die Kraft, die in den verschiedenen Chakren aufgebaut wird. Hat man eine Batterie, so kann man sie für Beleuchtungs- oder andere Zwecke verwenden; wenn sie jedoch ausgebrannt ist, ist sie tot.
Kommt man in den Besitz dieser Siddhis, so befindet man sich in einer gefährlichen Situation, denn die Versuchung wird sehr groß sein. Macht korrumpiert; das ist ein Gesetz. Die Siddhis stellen nur eine Ablenkung für den Geist dar. Das Prana mag zwar anwachsen, aber der Gebrauch der Siddhis bedeutet eine Vergeudung des Pranas. Vielleicht hat man mehrere Leben gebraucht, um eine bestimmte Ebene zu erreichen, aber für ein paar Minuten Vergnügen, die das Zurschaustellen der Siddhis bringt, fällt man zurück in den Abgrund und muss wieder von neuem beginnen. Das ist es wohl nicht wert. Schafft Siddhis, aber messt ihnen nicht zu viel Bedeutung bei; sie sind nicht die Erfüllung. Meistens kommen sie ohnehin zu einem Zeitpunkt, wenn man gar kein Verlangen nach ihnen hat. Sivananda besaß die acht Siddhis, aber er stellte sie niemals zur Schau; begegnete jedem nur in Demut.
Alle Siddhas streben sie an, aber sie sind schwer zu erlangen, sogar von den Devas
Auch den Engeln im Himmel sind diese Kräfte nicht zugänglich, weil sie keinen physischen Körper besitzen. Sie haben einen Astralkörper. Da sie auf einer astralen Ebene leben, können sie kein neues Karma schaffen. Sie leben im Himmel nur mit dem Karma, das sie sich in ihren vergangenen Leben erworben haben. Sie müssen Tausende von Jahre warten, bis sie wieder zur Erde zurückkommen, menschliche Gestalt annehmen, einen guten Lehrer finden und wieder mit ihren Übungen beginnen können. Vielleicht ist ihnen aber nicht einmal dies möglich, weil sie noch immer in den lustvollen Sphären des Himmels leben. Wenn sie zurückkommen, so mag es sein, dass sie vielleicht in New York City wiedergeboren werden, wo sie nichts anderes als Champagner und Kaviar kennen.
Daher fürchten die Engel Yogis wie euch, die üben und ihr Leben disziplinieren. Sie sind eifersüchtig, weil ihr über sie hinauswachsen könnt, und so legen sie euch alle möglichen Hindernisse in den Weg. Sie versuchen euch mit verschiedenen Kräften zu verlocken, aber das sind nur Hindernisse.

Sukadev

8. Diese wurden von Siva gewährt und verleihen die acht Siddhis.

Was sind Siddhis? Übernatürliche Kräfte. Und die brauchen uns jetzt nicht so weit interessieren. Wenn euch interessiert, was die acht Mahasiddhis sind, dann müsst ihr euch das Buch ‚Yogaweisheit des Patanjali’ zulegen, da sind die im dritten Kapitel erklärt. Sowohl wörtlich als auch im übertragenen Sinne. Wichtig ist, und das lag dem Swami Vishnu am Herzen, immer wieder zu sagen: „Ein Yogi sollte nicht nach Siddhis streben. Sie können kommen im Laufe der Praxis. Sie müssen nicht kommen, aber Sie können kommen. Und davon darf man sich nicht versuchen lassen.“

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3. Kapitel, Vers 9

Deutsche Übersetzung:

Die Techniken der Mudras sollen sorgfältig geheim gehalten werden, wie eine Truhe voll Juwelen. | Mit niemandem soll darüber gesprochen werden, wie über den Sex mit einer guten Frau.

Sanskrit Text:

  • gopanīyaṁ prayatnena yathā ratna-karaṇḍakam |
    kasya cin naiva vaktavyaṁ kula-strī-surataṁ yathā ||9||
  • गोपनीयं प्रयत्नेन यथा रत्नकरण्डकम् ।
    कस्यचिन् नैव वक्तव्यं कुलस्त्रीसुरतं यथा ॥९॥
  • gopaniyam prayatnena yatha ratna karandakam |
    kasya chin naiva vaktavyam kula stri suratam yatha ||9||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • gopanīyaṁ : (diese Gruppe der zehn Mudrās) ist geheim zu halten (Gopaniya)
  • prayatnena : sehr sorgsam (Prayatna)
  • yathā : (so) wie (Yatha)
  • ratna : (mit) Edelstein(en, Ratna)
  • karaṇḍakam : (ein) Kästchen (Karandaka)
  • kasya cid : irgend jemandem (Ka Chid)
  • na : nicht (Na)
  • eva : gewiss, gar (Eva)
  • vaktavyaṁ : (es) soll (darüber) gesprochen werden (Vaktavya)
  • kula : (aus guter) Familie (Kula)
  • strī : (mit einer) Frau (Stri)
  • surataṁ : (über den) Beischlaf, Sex (Surata)
  • yathā : (so) wie       ||9||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

9. Dies sollte sorgfältig geheim gehalten werden wie eine Schatztruhe voll mit Diamanten und niemanden verraten werden, genauso wie das illegitime Verhältnis mit einer verheirateten Frau aus gutem Hause.

Die drei wichtigsten Verschlüsse und Siegel sind: Maha Bandha, Maha Mudra und Maha Vedha. Sie sind sehr leicht zu erlernen, aber die Pradipika weist uns an, sie geheim zu halten und nicht an jedermann weiterzugeben. Erstens einmal würden uns die Leute auslachen, wenn wir ihnen von diesen Dingen erzählen, und außerdem würden sie nie verstehen, was es bedeutet den Atem in die Sushumna zu führen. Deshalb sprecht zu niemandem darüber, außer er hat sich durch Übung dafür qualifiziert. Dann wird Segen erwachsen aus diesen drei wunderbaren Übungen.
An dieser Stelle möchte ich über das Wesen des Pranas und seine Bewegung sprechen. Da der Körper nicht nur chemischer, sondern auch elektrischer Natur ist, können Yogis auf den elektrischen Körper durch Pranayama, Bandhas und Mudras einwirken. Alle diese Vorgänge sind miteinander verknüpft.
Am Beginn der Yogapraxis versucht man die Nadis durch Anuloma Viloma (Wechselatmung) im Verhältnis 1:4:2 zu reinigen. Man tut dies, damit sich beim Prana (der Impuls der Lebenskraft, der vom Gehirn ausgeht) eine Art Rhythmus entwickelt. (Letztendlich kann man auch das Apana in einen gewissen Rhythmus bringen, aber nur dann, wenn man sehr lange daran gearbeitet hat.)
Man entdeckt hierbei kein körperliches Phänomen, da Mudras und Bandhas subtileren Charakter haben als Asanas und Pranayama. Sogar ein Anfänger kann die Vorzüge der Asanas erkennen. Asanas und Pranayama wirken mehr auf der grobstofflichen physischen Ebene, jedoch sind sie der Weg, der zu den Mudras und Bandhas führt.
Das, was in Raja Yoga Meditation heißt, wird in Hatha Yoga „Anhalten der Impulse“ genannt. Aber im Grunde sind sie ein und dasselbe. Will man einen Ventilator anhalten, muss man ihn abschalten, so dass der elektrische Impuls nicht länger in den Motor gelangt, der seine Lamellen bewegt. Ebenso versuchen wir die verschiedenen Sinne durch die Gedankenkraft auszuschalten.
Prana lädt sich auf, während man ganz sanft atmet. Gleichzeitig bewirkt die Anwendung der Bandhas eine Verlangsamung des Herzschlages. Auch der Puls verringert sich und der Stoffwechsel wird herabgesetzt; die Gehirnströme bewegen sich von Beta nach Alpha hinab. Bei noch intensiverer Kontrolle der Atemtätigkeit vermindern sich die Gehirnströme bis zum Theta-Stadium (3-7 Zyklen) und kommen schließlich zum Stillstand. So sehen wir, dass die Intensität der Gehirnströme durch die Atemtätigkeit beeinflusst werden kann.
Im täglichen Leben lassen wir auch nicht alle Töne auf uns einwirken. Wir konzentrieren uns nur auf solche, die uns angenehm sind. Ein Beispiel wäre der Lärm des Presslufthammers, der eine Straße aufreißt oder die Misstöne, die an unser Ohr dringen, wenn uns jemand beschimpft. Man versucht, solche Eindrücke von sich fernzuhalten, damit sie nicht das Gehirn erreichen, um negative Empfindungen in der Gedankensphäre auszulösen. Dasselbe tut man bei einem schrecklichen Anblick oder einem üblen Geruch (wie z. B. der Absonderung eines Stinktieres); man versucht, sie nicht an sich herankommen zu lassen. Jetzt könnt ihr vielleicht eher verstehen, was wir mit Bandhas und Mudras bewirken wollen. Wir schalten die Impulse ab und hindern sie daran, das Gehirn zu erreichen. Es wird uns nicht gelingen alle Ströme abzublocken, aber wir versuchen, so viele Impulse wie möglich aufzuhalten. Am Anfang müsst ihr lernen, die Kontrolle über die Ströme durch einzelne so genannte Schaltstellen zu erlangen, aber später wird euch das so sehr zur Gewohnheit geworden sein, dass ihr wie mit „Fernsteuerung“ arbeitet. Alles kommt zum Stillstand.
Ihr glaubt vielleicht, ein bedeutender Lehrer braucht euch nur zu berühren, und ihr habt es nicht mehr notwendig, Asanas, Bandhas oder Mudras zu üben. Normalerweise geht das nicht so vor sich. Aber in einigen, wenigen Ausnahmefällen mag es so geschehen, wenn nämlich der Schüler alle diese Dinge schon in früheren Inkarnationen geübt hat. Sind die meisten dieser Blockierungen bereits beseitigt, so können die wenigen, die in der gegenwärtigen Inkarnation noch verblieben sind, sogar schon durch einen Blick, eine Berührung oder ein Wort es Meisters zum Verschwinden gebracht werden. Dann erreicht der Schüler den höchsten Samadhi. Aber, wie ich schon vorher erwähnt habe, ist das nur sehr selten der Fall.

Sukadev

9. Dies sollte sorgfältig geheimgehalten werden wie eine Schatztruhe voll mit Diamanten und niemandem verraten werden, – genauso wie das illegitime Verhältnis mit einer verheirateten Frau aus gutem Hause.

Also wie ein Schatzkästchen mit Diamanten, und jetzt steigert er das nochmal. Also er verlässt die vornehme brahmanische Ausdrucksweise an mehreren Stellen, zum Zeichen, dass er jetzt nicht orthodox ist. Also haltet bitte die Mudras sorgfältig geheim, wie das illegitime Verhältnis mit einer verheirateten Frau aus gutem Hause. Besonders aus gutem Hause. Was auch immer das heißen soll. Es ist bewusst so formuliert, dass es für viele Menschen als Frechheit empfunden wird. Ich kann dir sagen, in der indischen Zeit, als das geschrieben wurde, war das noch eine erheblich größere Frechheit, als heute. Drum sollte man’s ja so geheim halten, genau. Also, man kann sich da jetzt furchtbar drüber ärgern, oder man kann’s lächelnd zur Kenntnis nehmen und sich von den anderen Versen inspirieren lassen. Die Mudras sind jetzt also nichts, was ihr euren Schülern zuhause beibringen werdet.

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3. Kapitel, Vers 10

Deutsche Übersetzung:

Nun folgt Maha-Mudra: Die linke Ferse presst gegen den Beckenboden, das rechte Bein | ist aktiv gestreckt. Mit beiden Händen soll es der Yogi fest halten.

Sanskrit Text:

  • atha mahā-mudrā
    pāda-mūlena vāmena yoniṁ sampīḍya dakṣiṇam |
    prasāritaṁ padaṁ kṛtvā karābhyāṁ dhārayed dṛḍham ||10||
  • अथ महामुद्रा
    पादमूलेन वामेन योनिं सम्पीड्य दक्षिणाम् ।
    प्रसारितं पदं कृत्वा कराभ्यां धारयेद् दृढम् ॥१०॥
  • atha maha mudra
    pada mulena vamena yonim sampidya dakshinam |
    prasaritam padam kritva karabhyam dharayed dridham ||10||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • atha : nun (folgt, Atha)
  • mahā-mudrā : Maha Mudra (das “große Siegel”)
  • pāda-mūlena : Ferse („Fuß-Wurzel“, Padamula)
  • vāmena : mit der linken (Vama)
  • yoniṁ : (den) Damm, (das) Perineum (Yoni)
  • sampīḍya : drückend (sam + pid)
  • dakṣiṇam : (das) rechte (Dakshina)
  • prasāritaṁ : ausgestreckt (Prasarana)
  • padaṁ* : Bein („Fuß“, Pada)
  • kṛtvā : haltend („machend“, Krita)
  • karābhyāṁ* : mit beiden Händen (Kara)
  • dhārayet : man halte (den rechten Fuß, Dharana)
  • dṛḍham : fest (Dridha)       ||10||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda ergänzt, dass man den Fuß des ausgestreckten rechten Beines in der Gegend (Pradesha) des großen Zehs (Angushtha) mit beiden Zeigefingern (Tarjani) der gebeugten (ākuñcita) Arme („Hände“, Kara) ergreifen soll (gṛhṇīyāt): ākuñcita-kara-tarjanībhyām … aṅguṣṭha-pradeśe gṛhṇīyāt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

10. Hier ist die Beschreibung von Maha Mudra: Presse die linke Ferse an den Anus

wenn hier Anus steht: Im Sanskrit kann es sowohl Anus heißen wie auch Perineum. Der Swami Vishnu hat uns gesagt, es ist das Perineum, also der Raum zwischen Hoden und Anus, oder bei Frauen der hintere Teil der Scheide, kurz vor dem Anus.

– und strecke das rechte Bein aus, wobei du die Zehen mit der Hand faßt.

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3. Kapitel, Vers 11

Deutsche Übersetzung:

Das Hals-Bandha wird platziert, der Yogi soll dann den Atem anhalten und die Energie (Vayu) nach oben lenken. | Wie eine mit dem Stock geschlagene Schlange die Form eines Stabes einnimmt.

Sanskrit Text:

  • kaṇṭhe bandhaṁ samāropya dhārayed vāyum ūrdhvataḥ |
    yathā daṇḍa-hataḥ sarpo daṇḍākāraḥ prajāyate ||11||
  • कण्ठे बन्धं समारोप्य धारयेद् वायुम् ऊर्ध्वतः ।
    यथा दण्डहतः सर्पो दण्डाकारः प्रजायते ॥११॥
  • kanthe bandham samaropya dharayed vayum urdhvatah |
    yatha danda hatah sarpo dandakarah prajayate ||11||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • kaṇṭhe : in der Kehle (Kantha)
  • bandhaṁ : (den) Verschluss (Bandha, d.h. Jalandhara Bandha)
  • samāropya : setzend (sam + ā + ruh)
  • dhārayet : er halte (den Atem an und leite, dhṛi)
  • vāyum : (den Lebens-)Hauch, Prana („Wind“, Vayu)
  • ūrdhva-tas : (durch das Setzen von Mula Bandha) nach oben (Urdhva)
  • yathā : (so) wie (Yatha)
  • daṇḍa : (die mit einem) Stock (Danda)
  • hataḥ : geschlagen wird („wurde“, Hata)
  • sarpaḥ : (eine) Schlange (Sarpa)
  • daṇḍa : (eines) Stocks
  • ākāraḥ : (die) Gestalt, Form (Akara)
  • prajāyate : annimmt („wird“, Fortsetzung in Vers 12, pra + jan)        ||11||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass der Ausdruck dhārayed vāyum ūrdhvataḥ „man ziehe den Lebenshauch (Vayu) nach oben“ bedeutet, diesen durch das Setzen von Mula Bandha in die Sushumna zu ziehen: vāyuṃ … suṣumnāyāṃ dhārayet. anena mūla-bandhaḥ sūcitaḥ.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

11. Dann übe Jalandhara Bandha

und jetzt ist es wichtig

– und ziehe den Atem durch die Sushumna.

Alles andere ist einfach. Das Prana durch die Sushumna zu ziehen, ist nicht ganz so einfach. Aber man kann üben.

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3. Kapitel, Vers 12

Deutsche Übersetzung:

So richtet sich sofort die Kundalini-Kraft auf, | dann entsteht der Zustand der Leblosigkeit in den beiden Energiekanälen.

Sanskrit Text:

  • ṛjvī-bhūtā tathā śaktiḥ kuṇḍalī sahasā bhavet |
    tadā sā maraṇāvasthā jāyate dvi-puṭāśrayā ||12||
  • ऋज्वीभूता तथा शक्तिः कुण्डली सहसा भवेत् ।
    तदा सा मरणावस्था जायते द्विपुटाश्रया ॥१२॥
  • rijvi bhuta tatha shaktih kundali sahasa bhavet |
    tada sa maranavastha jayate dvi putashraya ||12||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • ṛjvī-bhūtā : gerade („gerade-geworden“, RijuBhuta)
  • tathā : (genau) so, ebenso (Tatha)
  • śaktiḥ : Energie, Kraft (Shakti)
  • kuṇḍalī : (die) Kundali(ni) („Geringelte“)
  • sahasā : sofort, sogleich, plötzlich (Sahasa)
  • bhavet : wird (bhū)
  • tadā : dann (Tada)
  • sā : der (Tad)
  • maraṇa : (des) Todes (Marana)
  • avasthā : Zustand (Avastha)
  • jāyate : entsteht (jan)
  • dvi : (der) zwei (Dvi)
  • puṭa : (feinstofflichen Energie-)Kanäle („Röhren“, Puta)
  • āśrayā : in Bezug auf, hinsichtlich (Ashraya)        ||12||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass beim Erwachen (Bodha) der Kundali(ni) die Lebensenergie Prana in die Sushumna eintritt (praviṣṭe) und dadurch die beiden (dvayoḥ) Kanäle (Puta, nämlich Ida und Pingala) von Prana getrennt (Viyoga) werden: kuṇḍalī-bodhe sati suṣumnāyāṃ praviṣṭe prāṇe dvayoḥ puṭayoḥ prāṇa-viyogāt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

12. Dann streckt sich die Kundalini, genauso wie sich eine zusammengerollte Schlange wie ein Stab aufrichtet, wenn man sie mit einem Stock berührt. Dann werden die zwei anderen Nadis tot, weil der Atem aus ihnen heraustritt.

Also normalerweise geht ja das Prana hauptsächlich durch Ida und Pingala. Pingala, ein Sonnenenergienadi, und Ida, ein Mondenergienadi. Und so sind wir mal aktiv, mal passiv, mal fröhlich, mal nicht fröhlich. Wir sehen Dualität, Ich und Du, wir nehmen die Welt in diesen Dualitäten wahr. Fließt das Prana nicht mehr durch Ida und Pingala, sondern durch Sushumna, verschwindet jede Form von Dualität. Dann kommt die Erfahrung der Einheit, wenn das Prana in der Sushumna ist. Da seht ihr, der Zweck von Mahamudra ist Erweckung der Kundalini, und dann sagt er:

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3. Kapitel, Vers 13

Deutsche Übersetzung:

Dann soll der Yogi, sehr langsam und nicht schnell ausatmen. | Maha Mudra wird auf diese Weise von den höchst Weisen beschrieben.

Sanskrit Text:

  • tataḥ śanaiḥ śanair eva recayen naiva vegataḥ |
    iyaṁ khalu mahā-mudrā mahā-siddhaiḥ pradarśitā ||13||
  • ततः शनैः शनैर् एव रेचयेन् नैव वेगतः ।
    इयं खलु महामुद्रा महासिद्धैः प्रदर्शिता ॥१३॥
  • tatah shanaih shanair eva rechayen naiva vegatah |
    iyam khalu maha mudra maha siddhaih pradarshita ||13||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • tataḥ : dann, daraufhin (Tatas)
  • śanaiḥ śanais : ganz langsam, gleichmäßig (Shanais)
  • eva : nur (Eva)
  • recayet : man atme aus (Recha)
  • na : nicht (Na)
  • eva : gewiss
  • vegataḥ : schnell, ruckartig („mit Geschwindigkeit, Ungestüm“, Vega)
  • iyaṁ : dies (Iyam)
  • khalu : nun, bekanntlich (Khalu)
  • mahā-mudrā : (als) Maha Mudra (das “große Siegel”)
  • mahā-siddhaiḥ : von den großen (Maha) Vollkommenen (Siddha)
  • pradarśitā : wurde gelehrt, bezeichnet  (Pradarshita)       ||13||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

13. Dann atme sehr langsam und niemals schnell aus. So wurde mir Maha Mudra von den großen Siddhas erklärt.

Siddhas sind die Vollkommenen.

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3. Kapitel, Vers 14

Deutsche Übersetzung:

Dieses Mahamudra wurde wahrlich von den vervollkomneten Meistern (Siddhas) aufgezeigt. | Es zerstört die großen Bürden (Klesha) und so weiter, Imbalancen (Dosha), der Tod und so weiter. | – Und aus diesem Grund nennen es die besten der vervollkomneten Meister wahrlich das großartige Siegel, Maha Mudra.

Sanskrit Text:

  • mahā-kleśādayo doṣāḥ kṣīyante maraṇādayaḥ |
    mahā-mudrāṁ ca tenaiva vadanti vibudhottamāḥ ||14||
  • महाक्लेशादयो दोषाः क्षीयन्ते मरणादयः ।
    महामुद्रां च तेनैव वदन्ति विबुधोत्तमाः ॥१४॥
  • maha kleshadayo doshah kshiyante maranadayah |
    maha mudram cha tenaiva vadanti vibudhottamah ||14||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • mahā-kleśa* : (wie die fünf) großen (Maha) Leiden (Klesha)
  • ādayaḥ : und andere, usw. (Adi)
  • doṣāḥ : Übelstände (Dosha)
  • kṣīyante : hören auf, werden Zunichte (kṣi)
  • maraṇa : (der) Tod (Marana)
  • ādayaḥ : und andere, usw.
  • mahā-mudrāṁ : Maha Mudra  (das “große Siegel”, da es alle Leiden „besiegelt“)
  • ca : und (Cha)
  • tena : aus diesem (Grunde, Tad)
  • eva : genau (Eva)
  • vadanti : nennen (es, vad)
  • vibudha : (der) Weisen (Vibudha)
  • uttamāḥ : (die) Besten (Uttama)         ||14||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda zählt die fünf Kleshas auf (vgl. Yogasutra 2.3): Avidya, Asmita, Raga, Dvesha und Abhinivesha.

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Brahmananda

14. Dieses Maha Mudra besiegt den Tod und so schmerzvolle Faktoren wie die großen Kleshas. Wie es schon von den großen Siddhas überliefert wurde, wird es wegen seiner großartigen Wirkung Maha Mudra oder das große Mudra genannt.

Die Kleshas sind fünf an der Zahl, nämlich Avidya (Unwissenheit), Asmita (Egoismus), Raga (Anziehung), Dvesha (Abstoßung) und Abhinivesa (Anklammern an das Leben). Das Maha Mudra wird deshalb so genannt, weil es alle Schmerzen besiegelt (Mudra).

Vishnu-devananda

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Sukadev

14. Dieses Maha Mudra besiegt den Tod und so schmerzvolle Faktoren wie die großen Kleshas. Wie es schon von den großen Siddhas überliefert wurde, wird es wegen seiner großartigen Wirkung Maha Mudra oder das große Mudra genannt.

Kleshas, die Ursachen des Leidens, die Patanjali im zwoten Kapitel des Yoga-Sutra erklärt. Das sind Avidya – Unwissenheit, Asmita – Ego, Raga heißt Mögen, Dvesha heißt Nichtmögen, Abinivesha heißt Furcht. Das heißt im engeren Sinne Furcht vor dem Tod, im weiteren Sinne Furcht vor egal was. Und das Mahamudra will also alle Schmerzen beseitigen. Man kann den Erfolg der Hatha-Yoga-Praxis daran messen, wie sehr man von den Kleshas befreit ist. Wenn jemand sehr viele Ängste und Fürchte hat, dann ist das ein Zeichen, dass man noch viel weiter üben muss. Wenn man viel Raga und Dvesha hat, ist das ein Zeichen, man muss noch viel üben. Raga heißt Mögen, Dvesha heißt Nichtmögen. Und Menschen mögen Einiges und mögen Einiges nicht. Mache mögen, dass die Sonne scheint und mögen nicht, dass es regnet. Und wenn die Sonne eine Weile scheint, mag man nicht mehr, dass die Sonne scheint, sondern will Regen. So ist der menschliche Geist: Er mag meistens das, was er nicht hat. Denn das Gras auf Nachbars Weide ist immer grüner. Das ist auch schon bei den Pferden so, nicht nur bei den Menschen. Das ist tatsächlich so: Wenn’s eine Weide gibt, vor der Erfindung des Elektrozauns, die Pferde haben zuerst versucht, die Köpfe durch den Weidenzaun hindurch zu winden, um auf der Weide nebendran zu grasen. Heute geht das nimmer, weil der Elektrozaun, das ist den Pferden ungeheuerlich, das wollen sie nicht, aber bei Holzzäunen wird als erstes neben dem Holzzaun gegrast. Das ist also eine uralte Sache. Gut. Und mache mögen viel Pranayama, und manche mögen etwas weniger Pranayama. Die Einen finden, dass der Yogalehrer immer nur eine ruhige Stimme haben soll, die anderen finden, der soll ’n bisschen fordernd sein. Die einen finden, dass das Essen so sein soll, die anderen finden, das Essen soll so sein. Und wenn das Essen immer so ist, wie man’s gern hätte, dann wird’s langweilig. So ist der Mensch. Und Raga / Dvesha heißt, die kleinen Wechselfälle des Lebens sind uns eigentlich relativ egal. Das heißt, von Raga / Dvesha frei zu werden. Das ist ein Zeichen, dass wir auf dem spirituellen Weg Fortschritte machen.

Es gibt, wie ich gerne erwähne, bei vielen Menschen, und wahrscheinlich insbesondere bei Frauen, so ein bestimmtes Phänomen: Sie haben sich Jahre um die Familie gekümmert, alles zurückgestellt. Jetzt machen sie Yoga und plötzlich fangen sie an, jede Menge von Raga und Dvesha zu haben. Vorher haben sie sich um Mögen und Nichtmögen gar nicht gekümmert, waren immer freundlich und liebevoll zu allen. Mindestens waren sie der Meinung, dass sie das waren. Und dann kommt Yoga. Ich kann nur davon sprechen, was Frauen mir erzählen. Ich bin, ich geh ja nicht in die Familien, um dann festzustellen: War das so? Sondern die sagen’s mir. Und dann sagen sie: „Jetzt bin ich dran.“ Jetzt machen sie Yoga, kriegen mehr Selbstbewusstsein, erfahren mehr ihre Wünsche, und das ist ein natürlicher Entwicklungsschritt. Dass man aus dem reinen Aufopfern für die Familie erst mal mehr lernt, seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, und das ist ein Zwischenschritt. Und dann kommt der nächste Schritt. Dann lernt man, was die tieferen Bedürfnisse sind, die der Swarupa entsprechen, und hört auf, auf seine eigenen, kleinen Mögen und Nichtmögen zu hören. Aber es gibt oft den Zwischenschritt, dass man erst die eigenen Bedürfnisse kennenlernt, um sie überhaupt dann transzendieren zu können. Oder es gibt Menschen, die haben sich überhaupt nie getraut, ihre Bedürfnisse zu leben, und dann ertränken sie sie mit Alkohol oder betäuben sie mit Marihuana und Haschisch und so weiter, oder mit Schokolade, oder mit was auch immer es sein mag. So ist es durchaus ein gewisser Schritt, dass man erstmal sein Raga / Dvesha kennenlernt. Für manche Menschen, nicht für alle. Es gibt Menschen, die haben von Geburt an wenig Mögen / Nichtmögen: Ob’s jetzt warm oder kalt ist, ob die Kleidung grün oder rot ist, ob das Bett weich oder hart ist, ob das Zimmer kleiner oder größer ist, ob die Menschen einen beachten oder weniger beachten, ist reichlich witzlos. Also wenn ihr schon diese Erfahrung habt – manche denken dann, sie müssten mal zum Psychologen gehen, weil sie denken, dass das unnormal ist – dann freut euch. Raga / Dvesha habt ihr dann schon überwunden. Jetzt müsst ihr nur noch aufpassen, dass ihr euch nichts drauf einbildet. Denn dann kommt das Ego und sagt: „Ich bin jenseits von Raga / Dvesha, deshalb ich bin besser als alle anderen. Mindestens zwei Bhumikas weiter.“ Und dann stellt man fest: Plötzlich gibt’s doch irgendwelches Raga / Dvesha. Gut.

Also wir können parallel daran arbeiten, frei zu werden von Raga / Dvesha. Dafür gibt’s ja den wunderschönen Ausdruck Tapas, jetzt im Sinne von Askese: Bewusst Dinge tun, die man nicht mag, und Santhosha, Zufriedenheit: Nicht Dingen nachzulaufen, die man mag. Dann lernt man, kein Sklave mehr zu sein von Raga / Dvesha, und dann kann man spielerisch damit umgehen. Ein gewisses Raga / Dvesha haben dann doch die meisten Menschen. Fast jeder Meister, den ich kannte, hat irgend eine Lieblingsspeise gehabt. Aber die hängen dann auch nicht so dran. Ich kann mich an einmal erinnern, der Swami Vishnu kam nach Paris, und seine Sekretärin hat uns eine, hat uns angerufen und hat gesagt: „Swamiji would like to have Vadas, Idlis and Samba.“ Gut, der Mitarbeiter am Telefon hat das auch aufgeschrieben, und dann kam er dann zu mir und sagte: „Swamiji wants like to have Vadas, Idlis and Samba.“ Was würdet ihr sagen, wenn jemand kommt und will Vadas, Idlis and Samba? Mir ging’s genauso. Ich wusste weder was Vada ist, noch was Idli ist noch was Samba ist, ich hatte nicht die geringste Ahnung. Also habe ich jemand angerufen, der sich mit indischer Küche auskennt, und der hat gesagt: Hab ich noch nie gehört. Der hat nämlich nordindische Küche gelernt, Bengali. Aus der Hare-Krishna-Bewegung war der gewesen. Der hatte davon nichts gehört. Dann hab ich die indischen Restaurants durchtelefoniert. Und irgendwie ist es uns gelungen, Idlis und Samba aufzutreiben – ist kaum zu erklären. Idlis bestehen aus Reismehl, dann irgendwie über Nacht eingeweicht, dann in kochendem Wasser gekocht, und das Vada ist irgendwie frittiert, und Samba ist irgendwie so wie Dal, nur flüssiger, nur schärfer. Und da jetzt keiner wusste, wie man dass macht, und sie hat gesagt: Das kann man auch nicht einfach so machen, dazu braucht man spezielle Gerätschaften.“ Da haben wir es im Restaurant bestellt, und dann kam es an und da hatte es Zwiebeln gehabt. Gut, jedenfalls haben wir den Swami Vishnu abgeholt. Wir haben noch nicht gewusst, dass da Zwiebeln dran sind. W sind also dorthin gegangen, haben ihm das stolz gezeigt, und haben nicht so genau hingeschaut. Und dann hat Swami Vishnu das angeguckt und hat gesagt: „I think, there is onions.“ Und dann hat er gesagt: “Never mind, just give me anything to eat.” Er sagte: „Spielt keine Rolle, gebt mir irgendwas zu essen.“ Dann haben wir ihm halt ein Käse-Sandwich gekauft, und es hat dann auch sehr gut geschmeckt. Also er hat anscheinend den Wunsch geäußert, dass er das will, aber ob er ’s jetzt kriegt, war ihm ziemlich egal. Und es galt nicht nur bei diesen Dingen.

Also, wir müssen lernen, über unsere Raga / Dvesha hinauszugehen. Und unsere Asanapraxis wird uns zunächst mal unsere Bedürfnisse klarer zeigen, wird uns sensibler machen gegenüber unseren eigenen Bedürfnissen, wird uns auch Mut geben, sie durchzusetzen. Aber dann der nächste Schritt muss dahin gehen, dass wir von oberflächlichem Mögen / Nichtmögen frei werden, vom Ego frei werden und von Avidya. Und das ist auch so was wie der Lakmus-Test. Wisst ihr, was Lakmus ist? Lakmus-Papier, das legt man in eine Flüssigkeit, und wenn sie sich rot färbt, ist es eine Säure, und wenn sie sich blau färbt, ist es basisch. Und so ähnlich ist es, wenn wir mal was nicht bekommen, was wir wollen, und unser Gesicht sich rot färbt, dann ist das ein Zeichen, dass wir sauer sind, und wenn unser Gesicht sich blau färbt und wir deprimiert bleiben, ist es auch nicht richtig. Raga- / Dvesha – frei ist es, wenn’s neutral bleibt. Wenn man ärgerlich wird, weil man nicht bekommen hat, was man so will, weil seine kleinen Wünschlein nicht erfüllt worden sind, ist das ein Zeichen für geistige Schwäche. Manchmal wird man rot, wenn man kriegt, was man will. Gut.

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3. Kapitel, Vers 15

Deutsche Übersetzung:

Nachdem auf der linken Körperseite geübt wurde, soll der Yogi auf der rechten Seite üben. | Sobald die Anzahl der Runden auf beiden Seiten gleich wird, soll der Yogi das Mudra lösen.

Sanskrit Text:

  • candrāṅge tu samabhyasya sūryāṅge punar abhyaset |
    yāvat tulyā bhavet saṅkhyā tato mudrāṁ visarjayet ||15||
  • चन्द्राङ्गे तु समभ्यस्य सूर्याङ्गे पुनरभ्यसेत् ।
    यावत्तुल्या भवेत्सङ्ख्या ततो मुद्रां विसर्जयेत् ॥१५॥
  • chandrange tu samabhyasya suryange punar abhyaset |
    yavat tulya bhavet sankhya tato mudram visarjayet ||15||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • candra : (des) Mondes (Chandra, d.h. links, wo Ida verläuft)
  • aṅge : auf der Seite (Anga)
  • tu : aber (Tu)
  • samabhyasya : nachdem man praktiziert hat (sam + abhi + as)
  • sūrya : (der) Sonne (Surya, d.h. rechts, wo Pingala verläuft)
  • aṅge : auf der Seite
  • punar : wieder, noch einmal (Punar)
  • abhyaset : soll man üben (abhi + as)
  • yāvat : sobald (Yavat)
  • tulyā : gleich (Tulya)
  • bhavet : ist („sei“, bhū)
  • saṅkhyā : (die) Anzahl (der auf beiden Seiten praktizierten Atemverhaltungen, Sankhya)
  • tataḥ : dann (Tatas)
  • mudrāṁ : (das) Siegel (Mudra, d.h. Maha Mudra)
  • visarjayet : löse man (vi + sṛj)        ||15||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

15. Man sollte die Übung abwechselnd nach der linken und der rechten Seite praktizieren, bis beide Seiten eine gerade Anzahl ergeben.

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3. Kapitel, Vers 16

Deutsche Übersetzung:

Da für einen Yogi, nichts gesund oder ungesund ist, er verzehrt alles ob mit viel Geschmack, oder ohne Geschmack, | Er wird sogar ein schreckliches verzehrtes Gift wie Nektar verdauen.

Sanskrit Text:

  • na hi pathyam apathyaṁ vā rasāḥ sarve’pi nīrasāḥ |
    api bhuktaṁ viṣaṁ ghoraṁ pīyūṣam iva jīryati ||16||
  • न हि पथ्यमपथ्यं वा रसाः सर्वेऽपि नीरसाः ।
    अपि भुक्तं विषं घोरं पीयूषमिव जीर्यति ॥१६॥
  • na hi pathyam apathyam va rasah sarve’pi nirasah |
    api bhuktam visham ghoram piyusham iva jiryati ||16||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • na : nicht(s gibt, Na)
  • hi : weil (es für einen, der Maha Mudra praktiziert)
  • pathyam : (was) heilsam, gesund (Pathya)
  • apathyaṁ : unheilsam, ungesund (ist, Apathya)
  • vā : oder (Va)
  • rasāḥ : Geschmack(srichtungen, Rasa)
  • sarve : alle (Sarva)
  • api : auch, sogar (Api)
  • nīrasāḥ* : (Nahrungsmittel, die) ohne Geschmack, saftlos, ungenießbar (geworden sind, Nirasa)
  • api : auch, sogar
  • bhuktaṁ : gegessenes (Bhukta)
  • viṣaṁ : Gift (Visha)
  • ghoraṁ : schreckliches (Ghora)
  • pīyūṣam : Nektar (Piyusha)
  • iva : wie (Iva)
  • jīryati : (werden bzw.) wird  verdaut (jṝ)         ||16||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass mit „geschmacklosen“ (Nirasa) Nahrungsmitteln solche Dinge (Padartha) gemeint sind, aus denen (yebhaḥ) der Geschmack (Rasa) gewichen (Nirgata) ist, weil sie alt, schal bzw. ungenießbar (Yatayama) geworden sind, die nun aber dennoch verdaut werden (jīryanti) können: nīrasā nirgato raso yebhas te yāta-yāmāḥ padārthā jīryanti.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

16. Es gibt nichts, was du essen oder nicht essen kannst. Alle Nahrungsmittel jedweden Geschmacks, auch solche ohne Geschmack werden verdaut. Sogar Gift erscheint dir wie Nektar.

Ich würde es trotzdem nicht ausprobieren, aber im übertragenen Sinne gilt es. Manche Speisen mag man, manche nicht. Manches imLeben mag man, manches nicht. Wenn wir das Prana stark haben, dann verlieren wir dieses Raga/Dvesha, das Mögen/Nichtmögen, und wir können gut mit dem Leben umgehen. Ob Dinge passieren, die wir mögen oder nicht, ob wir überanstrengt sind oder unterfordert, wenn wir unser Prana stark haben, können wir mit allen Situationen gut umgehen. Und sogar Gift, wenn andere einem was Schlechtes antun, erscheint einem das wie Nektar.

[Frage unverständlich] … aber wahrscheinlich hat er an dem Tag kein Maha Mudra gemacht. Also wenn Maha Mudra wirklich erfolgreich ist, Prana durch die Sushumna fließt, dann hat das zum Einen eine sehr große Auswirkung auf den physischen Körper, und es hat große Auswirkungen auf unseren Geist und unsere Emotionen. Auf unseren Geist beschreibt er: Wir werden jenseits der Kleshas gelangen, eben weil wir innere Wonne erfahren. Und wenn man von innen her Wonne erfährt und die größten Sehnsüchte seines Lebens erfüllt sind und man die Einheit mit Gott erfährt, dann sind die kleineren Wünschlein gar nicht so erheblich. Und wenn diese starke Kraft in einem aktiv wird, dann wird sie auch alles verdauen.

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3. Kapitel, Vers 17

Deutsche Übersetzung:

Die körperliche Dysbalance die aus Schwindsucht, Lepra, Verstopfung, Milzbrand oder Magenverstimmung kommt, | wird für den, der Maha Mudra praktiziert zerstört.

Sanskrit Text:

  • kṣaya-kuṣṭha-gudāvarta-gulmājīrṇa-purogamāḥ |
    tasya doṣāḥ kṣayaṁ yānti mahā-mudrāṁ tu yo’bhyaset ||17||
  • क्षयकुष्ठगुदावर्तगुल्माजीर्णपुरोगमाः ।
    तस्य दोषाः क्षयं यान्ति महामुद्रां तु योऽभ्यसेत् ॥१७॥
  • kshaya kushtha gudavarta gulmajirna puro gamah |
    tasya doshah kshayam yanti maha mudram tu yo’bhyaset ||17||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • kṣaya : Schwindsucht, Tuberkulose (Kshaya)
  • kuṣṭha : Aussatz, Lepra (Kushtha)
  • guda-āvarta : Verstopfung („Darm-Verdrehung“, Gudavarta)
  • gulma : krankhafte Anschwellung im Unterleib, Unterleibsgeschwulst (Gulma)
  • ajīrṇa : Verdauungsprobleme (Ajirna)
  • purogamāḥ : angefangen mit („angeführt von“, Purogama)
  • tasya : für diesen (Yogi, Tad)
  • doṣāḥ : (Krankheiten aufgrund gestörter) Doshas
  • kṣayaṁ : (ein) Ende (Kshaya)
  • yānti : nehmen („gehen zu“, )
  • mahā-mudrāṁ : (das) große Siegel (Maha Mudra)
  • tu : aber, jedoch (Tu)
  • yaḥ : wer (Yad)
  • abhyaset : praktiziert, übt (abhi + as)       ||17||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

17. Übst du Maha Mudra, so wirst du Schwindsucht, Lepra, Hämorrhoiden, Verstopfung, Bauch– und Unterleibskrankheiten, Verdauungsstörungen etc. überwinden.

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3. Kapitel, Vers 18

Deutsche Übersetzung:

Man sagt dieses Maha Mudra erzeugt großartige Kräfte (Siddhi) im Menschen. | Deshalb soll es sorgfältig geheim gehalten werden und darf nicht an jeden weitergegeben werden.

Sanskrit Text:

  • kathiteyaṁ mahā-mudrā mahā-siddhi-karī nṛṇām |
    gopanīyā prayatnena na deyā yasya kasya-cit ||18||
  • कथितेयं महामुद्रा महासिद्धिकरी नृणाम् ।
    गोपनीया प्रयत्नेन न देया यस्य कस्यचित् ॥१८॥
  • kathiteyam maha mudra maha siddhi kari nrinam |
    gopaniya prayatnena na deya yasya kasya chit ||18||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • kathitā : gelehrt ist (hiermit, Kathita)
  • iyaṁ : dieses (Iyam)
  • mahā-mudrā : große Siegel (Maha Mudra)
  • mahā : (welches) großartige (Maha)
  • siddhi-karī : übernatürliche Fähigkeiten (Siddhi) verschafft („bewirkt“, Kara)
  • nṛṇām : den Menschen (die es praktizieren, Nri)
  • gopanīyā : es („sie“) ist geheim zu halten (Gopaniya)
  • prayatnena : äußerst sorgsam (Prayatna)
  • na : nicht (Na)
  • deyā : ist es („sie“) weiterzugeben (Deya)
  • yasya kasya-cid : an irgend jemand (beliebigen, der dafür ungeeignet ist, Yad Ka Chid)  ||18||

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 96 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

18. So hat man Maha Mudra, das den Menschen große Siddhis gewähren kann, beschrieben. Das sollte sorgfältig geheimgehalten und nicht an jeden X-Beliebigen weitergegeben werden.

Gut. Das also zu Maha Mudra, was dort sehr stark eigentlich gelobt wird. Aber man spürt die Wirkung von Maha Mudra auch erst, wenn man lange geübt hat. Ich kann mich erinnern, als ich am Anfang war bei der Praxis – am Anfang heißt, als ich schon ein, zwei Jahre regelmäßig geübt habe -, habe ich mich gefragt: Warum lobt eigentlich Patanjali Maha Mudra so? Das ist zwar ganz nett, aber wenn ich zehn Minuten länger Wechselatmung mache, spüre ich mehr, als wenn ich fünf Minuten Maha Mudra mache auf jeder Seite. Und wenn ich zwanzig Minuten in der normalen Vorwärtsbeuge bin und mich dabei konzentriere, ist das wirksamer als all diese Maha-Mudra-Geschichten, egal, wie viel ich dabei meine Zunge verdrehe und Augen und Beckenbodenmuskeln. Aber zu einem bestimmten Zeitpunkt meiner Praxis, dort hab ich gemerkt, es wirkt so wie – ob’s vollkommen so wirkt, wie dort beschrieben, das möchte ich jetzt nicht behaupten – aber plötzlich habe ich gemerkt: Tatsächlich, Prana fließt in die Sushumna.

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3. Kapitel, Vers 19

Deutsche Übersetzung:

Jetzt Maha Bandha: Der Yogi soll die Ferse des linken Fußes an der Region des Beckenbodes platzieren. | Auf dem linken Oberschenkel wird dann der rechte Fuß platziert.

Sanskrit Text:

  • atha mahā-bandhaḥ-
    pārṣṇiṁ vāmasya pādasya yoni-sthāne niyojayet |
    vāmorūpari saṁsthāpya dakṣiṇaṁ caraṇaṁ tathā ||19||
  • अथ महाबन्धः
    पार्ष्णिं वामस्य पादस्य योनिस्थाने नियोजयेत् ।
    वामोरूपरि संस्थाप्य दक्षिणं चरणं तथा ॥१९॥
  • atha maha bandhah
    parshnim vamasya padasya yoni sthane niyojayet |
    vamorupari samsthapya dakshinam charanam tatha ||19||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • atha : nun folgt (Atha)
  • mahā-bandhaḥ : (der) große Verschluss (Maha Bandha)
  • pārṣṇiṁ : (die) Ferse (Parshni)
  • vāmasya : (des) linken (Vama)
  • pādasya : Fußes (Pada)
  • yoni : (des) Dammes, Perineums (Yoni)
  • sthāne : in die Gegend (Sthana)
  • niyojayet : man lege (ni + yuj)
  • vāma : (den) linken
  • ūru : Oberschenkel (Uru)
  • upari : auf, über (Upari)
  • saṁsthāpya : legend (sam + sthā)
  • dakṣiṇaṁ : (den) rechten (Dakshina)
  • caraṇaṁ : Fuß (Charana)
  • tathā : und (Tatha, Fortsetzung folgt in Vers 20)         ||19||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

19. Maha Bandha wird wie folgt beschrieben:

Maha Bandha ist jetzt so, dass alle drei Bandhas, Mula Bandha, Uddhiyana Bandha und Jalandhara Bandha gleichzeitig gesetzt werden.

– Presse den Anus mit dem linken Knöchel und lege den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel.

Die Siddhasana. Man kann’s auch umgekehrt machen. Also es muss nicht nur so herum sein.

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