4. Kapitel, Vers 9

Deutsche Übersetzung:

Schwer ist das Entsagen von den Sinnesobjekten (vishaya) zu erreichen, schwer ist eine Schau (darshana) der Wirklichkeit (tattva), | schwer ist die Erleuchtung (sahajavastha), ohne die Hilfe (maitri) eines wahren (sat) Lehrers (guru).

Sanskrit Text:

  • durlabho viṣaya-tyāgo durlabhaṁ tattva-darśanam |
    durlabhā sahajāvasthā sad-guroḥ karuṇāṁ vinā ||9||
  • दुर्लभो विषयत्यागो दुर्लभं तत्त्वदर्शनम् ।
    दुर्लभा सहजावस्था सद्-गुरोः करुणां विना ॥९॥
  • durlabho vishaya tyago durlabham tattva darshanam |
    durlabha sahajavastha sad guroh karunam vina ||9||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • dur-labhaḥ : schwer zu erlangen (Durlabha)
  • viṣaya* : (der) Sinnesobjekte (Vishaya)
  • tyāgaḥ* : (ist die) Entsagung (Tyaga)
  • dur-labhaṁ : schwer zu erlangen
  • tattva** : (der) Wahrheit („So-sein“, Tattva)
  • darśanam** : (ist die unmittelbare) Erkenntnis („Schauen“, Darshana)
  • dur-labhā : schwer zu erlangen
  • sahaja : (ist der) natürliche (Sahaja)
  • avasthā : Zustand (Avastha)
  • sat : (eines) wahrhaftigen (Sat)
  • guroḥ : Meisters, Lehrers (Guru)
  • karuṇāṁ : (das) Mitgefühl, die mitfühlende Gnade (Karuna)
  • vinā : ohne (Vina)      ||9||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt „Entsagung der Sinnesobjekte“ (VishayaTyaga) als die Abwesenheit (Abhava) des Wunsches (Ichchha) nach Genuss bzw. Erfahrung (Bhoga): bhogecchābhāvaḥ 

** Anmerkung: Brahmananda verdeutlicht, dass das „Erschauen der Wahrheit“ (TattvaDarshana) die unmittelbare (Aparoksha) Erfahrung (Anubhava) des Selbst (Atman) meint: tattva-darśanam ātmāparokṣānubhavaḥ.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 66 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Ohne die gütige Gnade des Gurus und ohne Gleichgültigkeit gegenüber weltlichen Vergnügungen sind die wirkliche Erkenntnis der Wahrheit und der Zustand von Samadhi ganz und gar unmöglich.

Um die Gunst des Gurus zu erlangen, sollte man Hingabe üben. Ohne Hingabe werden eure Bemühungen im Pranayama usw. aufgrund der vielen Hindernisse keinen Erfolg bringen. Deshalb ist die Gnade Gottes und die des Gurus sehr wichtig.

Gleichgültigkeit gegenüber weltlichen Vergnügungen bezeichnet man als Vairagya (Leidenschaftslosigkeit). Diese Welt ist nichts als eine Illusion. Da es kein wahres Glück gibt, möchtet ihr das ewige Glück finden, welches in euch selbst ist (ihr seid dieses Glück). Solange ihr diese Leidenschaftslosigkeit nicht besitzt, wird es euch auch nicht möglich sein, eure volle Kraft in die Yoga-Übungen zu investieren, so dass schließlich eure Leidenschaftslosigkeit schwindet, was bewirkt, dass ihr zu euren alten Gewohnheiten zurückkehrt: Trinken, Rauchen usw. Deshalb müsst ihr euch immer bewusst sein, dass dieses Trinken und Rauchen euch Schmerz und Leid bereitet und ihr müsst euch wünschen, euch davon zu befreien. Wenn ihr euch bewusst macht, dass ihr reinkarniert werden müsst, um immer und immer wieder zurückzukommen, um den gleichen Lernprozess zu durchlaufen, werdet ihr euch wünschen, aus diesem Kreislauf auszubrechen. Dann werdet ihr Yoga ernstnehmen und die Energie aufbringen, diesen Weg zu gehen.

Sukadev

9. Ohne die gütige Gnade des Gurus und ohne Gleichgültigkeit gegen über weltlichen Vergnügungen sind die wirkliche Erkenntnis der Wahrheit und der Zustand von Samadhi ganz und gar unmöglich.

Hier sagt er zwei Dinge: Gütige Gnade des Gurus. Die Gnade – gut, er sagt vorher, Gott ist der Guru. Man kann aber auch einen persönlichen Guru haben, es spielt letztlich keine Rolle. Eine gewisse Demutshaltung ist dabei nötig. Heutzutage erwarten Aspiranten gerne, das ein Lehrer was macht? Erstens, dass er hinter ihnen her läuft. Zweitens, ihm was beibringt. Drittens, wenn man Probleme hat, ist es wessen Fehler? Der des Lehrers, logischerweise. Der Lehrer hat nicht richtig unterrichtet, der Lehrer ist an allem Schuld. Wir müssen wissen, das klassische Yoga ist anders. Der Lehrer stellt die Schüler auf die Probe. Und die Aufgabe des Schülers ist es, die Prüfungen zu bestehen. Gut, ganz am Anfang kann man den Lehrer mal auf die Probe stellen. Man kann gerne den Lehrer auf die Probe stellen. Dem Lehrer macht das nicht aus, ob er auf die Probe gestellt wird, oder nicht, der hat da nichts von. Wer will was haben? Der Lehrer oder der Schüler? Ich glaube, ihr wisst noch nicht, was ein richtiger Lehrer ist. Der Lehrer hat seine Schüler nicht nötig. Ein Lehrer hat seine Schüler nicht nötig, ein großer Lehrer, ein Weisheitslehrer. Nicht ein einfacher Yogalehrer, der ein paarAsanas unterrichtet. Der Lehrer hat seinen spirituellen Weg, der kann ihn gehen, er könnte auch allein sein, er braucht nicht viel. Der Schüler will etwas vom Lehrer. Eine solche Demutshaltung ist notwendig. Und der Schüler muss sich auf den Lehrer einstimmen und muss die Prüfungen bestehen. Und das ist gar nicht so einfach. Wie schauen die Prüfungen aus? Immer dann, wenn’s schwierig wird im Leben, ist eine Prüfung da. Immer, wenn man Zweifel hat, ist eine Prüfung da. Und immer dann, wenn man mit dem Lehrer nicht einverstanden ist, ist irgendwo eine Prüfung da. Gut. Aber die Gnade ist nötig und so brauchen wir die Demut, aber auch einen inneren Wunsch zur Befreiung, und die Bereitschaft, Dinge zu tun, die und befreien werden. Das ist dabei nötig. Ob das jetzt ein physischer Guru ist, oder ob es ein spiritueller Lehrer, der im Körper ist, vollkommen oder nicht vollkommen, ob das jetzt Gott selbst ist, spielt nicht so die ganz große Rolle. Aber es ist unsere Aufgabe, uns einzustimmen, und dieses Gnadenelement wird da sein. Hatha Yoga ist natürlich eine Sache, wo wir viel selbst praktizieren. Aber nicht nur das. Es ist nicht nur, was wir selbst tun. Es ist diese Herzensöffnung, die so notwendig und so wichtig ist.

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