3. Kapitel, Vers 40

Deutsche Übersetzung:

Der Khechari Mudra kennt ist nicht beeinflusst durch Krankheit, er ist nicht an die Kette von Handlung und Folge (Karma) gebunden, noch ist er durch die Zeit gefangen.

Sanskrit Text:

  • pīḍyate na sa rogeṇa lipyate na ca karmaṇā |
    bādhyate na sa kālena yo mudrāṁ vetti khe-carīm ||40||
  • पीड्यते न स रोगेण लिप्यते न च कर्मणा ।
    बाध्यते न स कालेन यो मुद्रां वेत्ति खेचरीम् ॥४०॥
  • pidyate na sa rogena lipyate na cha karmana |
    badhyate na sa kalena yo mudram vetti khecharim ||40||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • pīḍyate : wird gequält, gepeinigt (Pid)
  • na : nicht (Na)
  • sa : der, dieser (Yogi, Tad)
  • rogeṇa : von Krankheit (Roga)
  • lipyate : wird befleckt (Lip)
  • na : nicht
  • ca : und (Cha)
  • karmaṇā : von Handlung (dem Gesetz der Tatvergeltung, Karman)
  • bādhyate : wird bedrängt, belästigt (Badh)
  • na : nicht
  • sa : der
  • kālena : vom Tod („Zeit“, Kala)
  • yaḥ : welcher, der (Yad)
  • mudrāṁ : (das) Siegel (Mudra)
  • vetti : kennt (Vid)
  • khe-carīm : (namens) Khechari (“die im Himmel wandelnde”) ||40||

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

40. Derjenige, der Khechari Mudra beherrscht, wird von keinerlei Krankheit heimgesucht. Er bleibt von jedem Karma unberührt und Zeit hat keine Macht über ihn.

Das kann man jetzt wörtlich verstehen oder im übertragenen Sinne. Wörtlich müsste man das als Übertreibung bezeichnen. Denn irgendwann stirbt ja der Mensch trotzdem. Und irgendein Karma kommt auch, sonst würde die Welt aufhören zu existieren. Aber gewissermaßen mag auch wörtlich Einiges davon stimmen, weil es eben Ida, Pingala und Sushumna miteinander verbindet, und dafür sorgt, dass auch der Mond da harmonisch wird, also die Mondenergie hinunterfließt. Aber im übertragenen Sinne heißt es: Wenn die Khechari Mudra wirklich wirkt, dann ist unser Bewusstsein für Gott da. Dann ist unser Bewusstsein für die Unendlichkeit da. Und wenn dieses Bewusstsein da ist, dann, ob der Körper krank ist oder nicht, berührt uns das nicht mehr. Wir werden uns zwar weiter um unseren Körper kümmern, so ähnlich wie wenn man Leiter eines Fuhrparks ist, dann wird man sich drum kümmern, dass die Autos in Ordnung sind. Aber es ist nicht mehr so das Gefühl: Diese mein Körper, und wehe, wenn meinem armen Körper was zustößt. So wie Menschen, die zehn Jahre ihr Auto gehabt haben, und dann hat das Auto was, dann sind sie todtraurig. Geht mir bis heute noch so ziemlich ab, wie man sich mit einem Auto identifizieren kann. Manchmal kommen dann Seminargäste, die sind versehentlich gegen den Baum leicht gefahren, und dann ist da ein leichter Kratzer im Lack, und dann sagen sie: „Oh, wie schlimm, ein Kratzer im Auto, das hab ich jetzt schon seit fünfzehn Jahren, und diese Farbe gibt’s nicht mehr.“ Ich bemühe mich dann, mich dort hinein zu versetzen und Sympathie zu zeigen. Aber es hängt ja auch daran, dass ich noch nie in meinem Leben selbst ein Auto besessen habe, sondern immer nur in Autos von Vereinen gefahren bin, und die haben fast alle irgendwelche Kratzer sowieso. Der Versuch, sie von Kratzern frei zu halten ist sinnlos. Gut – und so auch dieser Körper. Man muss sich zwar schon drum kümmern, so wie derjenige, der sich um die Autos hier kümmert. Er bemüht sich zwar schon zu sagen, dass sie in Ordnung sind, und er macht’s vielleicht genauso gut wie jemand, der sich mit den Autos identifiziert. Aber wenn halt festgestellt wird, das Auto ist kaputt, dann wird’s halt verschrottet oder versucht, es kostenlos zu verkaufen unter Beachtung von Satya. Aber das ist dann keine Tragik und da ist nicht irgendwelche Trauerarbeit nötig.

So ähnlich ist das mit dem eigenen Körper. Wenn man Khechari wirklich kann, kommt es zur Identifikation mit dem Unendlichen Bewusstsein: Ich habe so viele Körper, wie auf der Erde rumlaufen, und mein Körper ist halt der Körper, den ich jetzt im besonderen Maße verwende. Ich bemühe mich darum, ihn gesund zu halten, weil’s meine Aufgabe ist und ich mit ihm auf die Welt gekommen bin, weil er mir anvertraut worden ist, diese Ansammlung von Kohlendioxyd, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff, die hier ist, ist mir anvertraut worden, um mich drum zu kümmern. Aber letztlich ist es Kohlendioxyd, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff und ein paar Spurenelemente, die man sich einfach als Elemente wahrscheinlich für ein paar Euro in der Apotheke zusammenkaufen könnte. Andererseits: Man könnte auch nur die Spitze eines Fingers für kein Geld der Welt zusammenkaufen. So stimmt also beides. Und so sind wir dankbar für dies auch und kümmern uns drum, aber wissen: Es ist nur für so lange, wie uns Gott diesen Körper gegeben hat. Wenn er dann halt krank ist und wir ihn nicht reparieren können, dann ist es halt so. Wir werden deshalb nicht davon berührt.

Es ist ein großer Irrtum, den viele Menschen haben, dass wenn sie Yoga machen, dann dürften sie nicht krank werden. Und wenn sie doch krank werden, dann hat Yoga versagt oder sie haben selbst versagt. Ich hab das jetzt öfter erlebt, dass Menschen eine Weile Yoga gemacht haben, und dann haben sie irgendein Knieproblem oder eine Erkältung gehabt, und schon stellen sie das gesamte Yogasystem in Frage. Wir haben so einen gewissen Aberglauben. Zwar ist es so, dass Yoga hilft, etwas gesünder zu werden, aber es verhindert nicht das ganze Karma.

Diese Hatha Yoga Pradipika ist nicht wirklich gedacht als Lehrbuch über Yoga. Vieles ist dort verschlüsselt drin. Vieles ist bewusst geschrieben, dass Menschen es nicht verstehen, wenn sie es einfach nur lesen. Aber man muss an einen solchen Text mit Demut rangehen. Er ist geschrieben von einem selbstverwirklichten Meister, der bestimmte Gründe hat, die Dinge so zu beschreiben, wie er sie beschreibt. Es ist kein modernes Lehrbuch, das versucht, allen Prinzipien der modernen Unterrichtsdidaktik Genüge zu tun. Es ist eher ein Buch, dass zum einen für Menschen geschrieben ist, die das als Merksätze verstehen können, zum anderen aber auch um diejenigen, die nicht genügend Ahnung haben, ein bisschen zu verwirren. Das muss man einfach wissen bei diesem Text. Es gibt ja auch andere Texte, durchaus Yoga Sutras, die man zwar auch nicht allein verstehen kann, aber man wird nicht auf falsche Fährten geführt. Dann ist es einfach ein Buch mit sieben Siegeln, während die Hatha Yoga Pradipika einen schon in die Irre führen kann, wenn man den Text nicht versteht. Deswegen sagt sie ja auch immer wieder, dass man einen Guru braucht, um sie zu verstehen. Das müssen wir dort sehen. Gut, und jetzt sagt er eben: Dieses Mudra – ach ja, auch: Zeit hat keine Macht über ihn. Wenn unser Bewusstsein bei Gott liegt, ist egal, was da ist.

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