3. Kapitel, Vers 2

Deutsche Übersetzung:

Wenn mit der Hilfe des Lehrers die schlafende Kundalini erwacht, | Dann werden alle Lotusblüten (Padma) und Knotenpunkte (Granthi) durchdrungen.

Sanskrit Text:

  • suptā guru-prasādena yadā jāgarti kuṇḍalī |
    tadā sarvāṇi padmāni bhidyante granthayo’pi ca ||2||
  • सुप्ता गुरुप्रसादेन यदा जागर्ति कुण्डली ।
    तदा सर्वाणि पद्मानि भिद्यन्ते ग्रन्थयोऽपि च ॥२॥
  • supta guru prasadena yada jagarti kundali |
    tada sarvani padmani bhidyante granthayo’pi cha ||2||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • suptā : (die) schlafende (Supta)
  • guru : (des) Meisters (Guru)
  • prasādena : durch die Gnade, Gunst, Hilfe (Prasada)
  • yadā : wenn (Yada)
  • jāgarti : erwacht (jāgṛ)
  • kuṇḍalī : Kundali (die “geringelte” Schlangenkraft Kundalini)
  • tadā : dann (Tada)
  • sarvāṇi* : alle (Sarva)
  • padmāni*Chakren („Lotusse“, Padma)
  • bhidyante : werden durchstoßen (bhid)
  • granthayaḥ** : (die drei) Knoten (Granthi)
  • api : auch, sogar (Api)
  • ca : und (Cha)     ||2||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass sich „alle Lotusse“ (sarvāṇi padmāni) auf die sechs (Shash) Chakren bezieht: sarvāṇi padmāni ṣaṭ cakrāṇi.

** Anmerkung: Die drei „Knoten“ (Granthi) sind Brahma Granthi, Vishnu Granthi und Rudra Granthi.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 44 behandelt.

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

2. Wenn die Kundalini schlummert, wird sie durch die Gunst des Gurus geweckt, und alle Lotusse

alle Chakras. Die Chakras werden manchmal auch als Padmas bezeichnet, Lotusse

– (Nervenzentren) und Granthis (Knoten) werden durchstoßen.

Die Granthis befinden sich in der Sushumna, das sind die Knoten. Man kann sich das gut merken – die Granthis sind das, was uns grantig macht. Granthis wird allerdings mit h geschrieben. Und zwar gibt es da drei Granthis. Es gibt Brahma-Granthi im MuladharaChakra, es gibt Vishnu-Granthi. Manchmal wie gesagt, im Manipura-Chakra, manchmal im Anahata-Chakra. Wahrscheinlich kann der bei verschiedenen Menschen in verschiedenen Chakras liegen, entweder Manipura, Anahata oder dazwischen, und Rudhra-Granthi ist im Ajna-Chakra.

Brahma-Granthi, oberhalb des Muladhara-Chakras, symbolisiert die Schwierigkeit, von einer physischen Erfahrung zu einer astralen Erfahrung zu kommen. Brahma-Granthi, oberhalb des Muladhara-Chakra. Vom Bewusstsein der physischen Welt zur astralen Welt zu kommen. Das ist ja einer der Punkte, den so viele Menschen haben, und sagen: „Ihr sprecht alle über Prana und Energien usw. Ich glaube nur an das, was ich sehe. Und so lange Brahma-Granthi nicht durchstoßen ist, so lange sieht man nur die physische Welt. Ich habe mal jemand geantwortet: „Genau so bin ich auch. Ich glaube auch an das, was ich sehe, und ich sehe nicht nur die physische Welt.“ Wer hat jetzt Recht? Wer wohl? Es hängt letztlich vom Bewusstseinsstandpunkt ab und hängt letztlich davon ab, wie durchgängig Brahma-Granthi schon geworden ist.

Als zweites gibt es Vishnu-Granthi, und Vishnu-Granthi ist etwas, was die Schwierigkeit symbolisiert, um von einer Astralerfahrung, die immer noch in Zeit und Raum ist, zwar anderer Zeit und Raum, als die physische Welt, aber immer noch sinnlich ist. Man sieht, hört, riecht, schmeckt fühlt die Astralwelt. Und immer noch ichbezogen ist, weil ich etwas beobachte, und damit letztlich noch damit das Ego füttern kann, weil man dann so stolz ist: „Ich sehe die astrale Welt, und das gemeine Volk sieht es nicht.“ Von dieser egoistischen Erfahrung zu einer Erfahrung reiner Liebe und jenseits von Zeit und Raum zu kommen, dafür steht Vishnu-Granthi. Wenn der Granthi durchstoßen ist, dann ist Liebe und Vision Gottes nicht mehr im Sinne von wirklich sehen, sondern Erfahrung Gottes.

Schließlich gibt es Rudhra-Granthi im Ajna-Chakra. Und der steht für die Schwierigkeit, von einer dualistischen Erfahrung von Samadhi, oder auch einem Gefühl der Nähe und Verbundenheit mit Gott, zur vollkommenen Einheit, Einheit mit dem Unendlichen, und Einheit mit Gott zu kommen. Und hier heißt es, dass die Gnade des Gurus die Kundalini erwecken kann. Und dann kann sie alle Chakras durchstoßen und insbesondere die Granthis, die Knoten, werden durchstoßen.

Die Gunst des Gurus. Hatha-Yoga ist ja einer, vielleicht der Weg mit den meisten Praktiken. Die meisten Menschen gehen ihn ja eher sanft, und auch wir lehren ihn ja eigentlich eher als ein Teil des ganzheitlichen Yogas. Es gibt sehr wenige, die sechzehn Stunden am TagAsanas, Pranayama, Mudras, Bandhas üben. Wir lehren halt auch Hatha-Yoga im Zusammenhang als ganzheitlichen Yoga. So eine halbe bis eine Stunde am Tag die Hatha-Yoga-Praktiken. Vielleicht anderthalb oder zwo Stunden am Tag für die, die etwas mehr Zeit und Enthusiasmus haben, und dann noch meditieren, und ansonsten Bhakti-, Raja-, Jnana-Yoga für’s tägliche Leben. Ab und zu mal Satsang, intensiver üben, entweder mal ein Wochenende oder mal eine Woche oder einen Monat zu einem Yoga-Seminar kommen, um intensiver zu üben. Und für die meisten Menschen ist das der bessere und sicherere Weg. Selbst bei Swatmarama, der die intensivere Hatha-Yoga-Praxis empfiehlt, läuft nicht alles nur mit Techniken.

Wie ihr alle wisst, gibt’s mehrere Faktoren des spirituellen Fortschritts. Der eine ist die eigene Anstrengung, und der andere ist letztlich die göttliche Gnade. Und die kann man noch mal unterteilen in die Gnade Gottes und die Gnade des Gurus, des Lehrers. Man kann sehr viel üben, aber man braucht letztlich auch die Gnade, die Gnade Gottes und die Gnade des Gurus, des spirituellen Meisters. Das mit der Gnade des Gurus ist schwer zu beschreiben. Ihr wisst intuitiv, dass ein Mensch einen anderen beeinflussen kann. Das weiß jeder. Das ist jetzt nicht misszuverstehen. Es ist nicht etwas Willkürliches, wenn ein Lehrer sagt: „Dem gebe ich jetzt Energie oder nicht“, obgleich auch ein spiritueller Lehrer konkret Energie in eine bestimmte Richtung schickt. Aber über diesen Kanal fließt dann die Energie, wenn sich der Schüler darauf einstimmt.

Es gibt da eine Geschichte im Rahmen der Mantra-Einweihung – es gab einen Schüler, der hatte jahrelang praktiziert, hatte aber nicht gemerkt, dass er größeren Fortschritt gemacht hat. Jetzt wollte er die Mantra-Einweihung von einem Lehrer haben, der gesagt hat, er gibt keine Mantra-Einweihung mehr. Aber das war für ihn der Lehrer. Und dann hat er den Lehrer beobachtet, hat sich dann früh morgens um drei Uhr auf die Stufen zum Ganges hingelegt, und als der Lehrer dann morgens kam, um sein Morgenbad zu nehmen, ist er auf den Schüler draufgetreten, weil es ja dunkel war, und so wie der Lehrer das gesehen hat, hat er sich vor ihm verneigt und OM Namo Narayana gesagt – die meisten weltlichen Menschen gebrauchen ja eher Fäkalienausdrücke, wenn sie sich erschrecken – ein spiritueller Mensch, wenn er erschrickt, dann sagt er OM Namo Narayanaya. Die einen sehen, wenn was Unvorhergesehenes kommt, ihre eigenen Exkremente, und die anderen sehen, wenn was Unvorhergesehenes kommt, das Wirken Gottes. Gut, jedenfalls unser Guru hat dann OM Namo Narayana gesagt und die Hand dem Schüler auf die Stirn gehalten, und der Schüler hat sich verneigt, hat seine Gaben noch gegeben, hat sich für die Mantra-Einweihung bedankt, und hat sich dann hingesetzt und die Selbstverwirklichung erreicht. Er hat sich ganz auf den Lehrer eingestimmt, hat die Mantra-Einweihung noch gehabt. Der Schüler muss die Hingabe für den Lehrer haben.

Ich bin ja jetzt auch kein Vollkommener, ich kann niemandem die Kundalini erwecken. Bei Swami Vishnu, da gab’s so Sachen. Der konnte Menschen tatsächlich Energie geben. Ich weiß noch, bei unserer fortgeschrittenen Yogalehrerausbildung, als er da war – er war nicht jeden Tag für’s Pranayama da – aber wenn er da war und Bhastrika unterrichtet hat, dann haben eine ganze Reihe Leute angefangen zu schütteln. Wenn hier mal jemand anfängt zu schütteln, dann erschrecken gleich alle. Aber dort, wenn der Swami Vishnu in einer großen Gruppe Bhastrika unterrichtet hat, dann hat das fünf, sechs Leute durchgeschüttelt. Der hat auch nichts anderes angesagt als eins – zwei – eins – zwei. Es ist aber dort eine Energie dahinter. Und auf diese Energie kann man sich auch einstimmen. Es ist die Aufgabe des Schülers, sich auf den Lehrer einzustimmen. Und über das Einstimmen des Schülers auf den Lehrer wird ein Kanal hergestellt, und über das Herstellen des Kanals kann dort Energie fließen. Es ist also nicht ein Willkürakt, dass der Lehrer sagt: Der Savir gefällt mir besonders gut, also erwecke ich dem die Kundalini“. Sondern der Lehrer ist wie ein Kanal, durch den Energie hindurchfließt, und wenn der Schüler sich darauf einstimmt, dann fließt die dort hin.

Die Gnade ist immer da, aber sie ist ein Element, das wir nicht genau unter Kontrolle haben. Deswegen heißt‘ s ja Gnade. Und da ist die Einstellung wichtig. Wir können uns eben an den Guru wenden, sowohl an den physischen Guru, der noch im physischen Körper ist, als auch einen, der nicht mehr im physischen Körper ist, und können um Führung bitten, und dann kann es plötzlich geschehen. Diese Demut und diese Hingabe, an die müssen wir uns immer wieder erinnern. Menschen, die es nur rein physisch machen, die haben erstens nicht so schnelle Fortschritte, und zweitens können sie irgendwann zu Asuras werden. Egoisten mit starken Kräften. Das ist gefährlich. Also Gnade ist wichtig. Dann, wenn die Kundalini erweckt ist, und die Lotusse und Granthis durchstößt,

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