2. Kapitel, Vers 6

Deutsche Übersetzung:

Deshalb soll man Atemübungen (Pranayama) immer mit reinen Gedanken praktizieren | so dass die im Haupt-Energiekanal (Sushumna-Nadi) befindlichen Unreinheiten Reinigung erreichen.

Sanskrit Text:

  • prāṇāyāmaṁ tataḥ kuryān nityaṁ sāttvikayā dhiyā |
    yathā suṣumṇā-nāḍī-sthā malāḥ śuddhiṁ prayānti ca ||6||
  • प्राणायामं ततः कुर्यान् नित्यं सात्त्विकया धिया ।
    यथा सुषुम्णानाडीस्था मलाः शुद्धिं प्रयान्ति च ॥६॥
  • pranayamam tatah kuryan nityam sattvikaya dhiya |
    yatha sushumna nadistha malah shuddhim prayanti cha ||6||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • prāṇa-āyāmaṁ : Atemzügelung (Pranayama)
  • tataḥ : daher, deshalb (Tatas)
  • kuryāt : man soll praktizieren (kṛ)
  • nityaṁ : stets (Nitya)
  • sāttvikayā* : mit reinem („von der Qualität Sattva beherrschtem“, Sattvika)
  • dhiyā* : Geist, Denken, Sinn (Dhi)
  • yathā : damit, sodass (Yatha)
  • suṣumṇā : (der) Sushumna (genannt wird)
  • nāḍī-sthā : (die) sich befinden (in dem Energie-)Kanal (Nadi)
  • malāḥ : (die) Verunreinigungen (Mala)
  • śuddhiṁ : (in die) Reinheit (Shuddhi)
  • prayānti : verschwinden (pra + )
  • ca : und (Cha)      ||6||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda definiert einen „sattvischen Geist“ (sāttvikayā dhiyā) als einen, der den Charakter (Shila) des Lichts (Prakasha) und der ungetrübten Reinheit (Prasada) besitzt: sāttvikayā prakāśa-prasāda-śīlayā dhiyā.

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Brahmananda

Atem“ bedeutet nicht die Luft, die eingesogen wird und wieder ausströmt, sondern Prana, d. h. die magnetische Strömung des Atems. Es wäre absurd, wenn wir sagten, dass der Atem dazu gebracht werden soll, zur rechten Zehe etc. zu gehen. In dem vorangegangenen Vers bedeutet „Sattvica Buddhi“ ein Geist, in dem die rajasige Elemente wie Unbeständigkeit, Faulheit etc. durch die Verehrung Ishwaras und durch Beharrlichkeit überwunden worden sind.

Vishnu-devananda

Daher sollte man Pranayama mit einem Geist praktizieren, in dem das sattvige Element maßgebend ist.

Das „sattvige Element“ ist maßgebend, wenn ihr euer Selbst erreichen wollt, oder Gott, und ihr Pranayama nicht deshalb ausführt, um Siddhis oder Macht zu bekommen. Wenn das euer Ziel wäre, dann würde es die Raja-Guna (das rajasige Element) sein, die vorherrscht. Aber das wäre, wie wenn die linke Hand versuchen würde, der rechten überlegen zu sein, obwohl es tatsächlich nur ein Selbst gibt. Daher ist es nur Illusion, Unwissenheit, wenn ich zeigen wollte, dass ich mehr bin als ihr, das ist keine Macht. Wir sollten dieses Sadhana durchführen, um das Selbst zu erreichen.

(fortgesetzt) bis die SushumnaNadi von den Unreinheiten befreit ist.

Das kann ein Leben dauern, zehn Leben, zehn Millionen Leben, oder nur zehn Sekunden – auch das ist möglich. Wie werdet ihr euch der Reinigung bewusst? Das erste Zeichen ist Zufriedenheit. Wisst ihr, was Zufriedenheit ist? Wenn ihr diese Praktik begonnen habt, weil ihr hofft zu einem Nerzmantel zu kommen, dann braucht oder wollt ihr gar keinen Nerzmantel mehr, wenn ihr damit fertig seid. Ihr wollt nichts mehr. Ihr habt, wonach ihr in Wirklichkeit gesucht habt: Frieden und Selbstgenügsamkeit. Wenn eine Person das erreicht, dann braucht sie nicht mehr in eine Bar oder eine Discothek oder ein Konzert gehen. Sie ist zufrieden bloß auf einen Baum zu schauen oder in einem kahlen Raum zu sitzen. Sie ist zufrieden, unter welchen Bedingungen auch immer sie sich befindet. Wenn es keine Elektrizität gibt, ist es okay. Wenn es kein heißes Wasser gibt, ist es auch recht. Heute keine Sonne, okay. Aber wenn morgen plötzlich ein herrliches Essen, auf wunderbaren Platten angerichtet, gebracht würde, so würde auch das okay sein. Das wird Zufriedenheit genannt.
Wenn ihr zufrieden seid, dann sucht ihr nicht nach irgendetwas oder erwartet Glück nur, wenn ihr dieses und jenes Ding habt. Zum Beispiel: Nur wenn das Wetter gut ist, könnt ihr glücklich sein; nur wenn euch Swami Vishnu alles lehrt, könnt ihr glücklich sein; nur wenn euch euer Gatte einen Nerzmantel kauft, könnt ihr glücklich sein; nur wenn euch eure Gattin eine fabelhafte Mahlzeit kocht, könnt ihr glücklich sein.
Werdet ihr auf diese Weise jemals Glück finden? Nein, denn wenn ihr von jemand anderen abhängig seid, können die Dinge immer schief gehen, und sie tun das auch. Ihr könnt nicht erwarten, dass die Sonne herauskommt, nur weil ihr ohne sie nicht glücklich seid. Aber ihr könnt in eurem Selbst glücklich sein, ihr könnt auch im Regen lächeln. Das nennt man Zufriedenheit.
Wenn die Nadis gereinigt sind, geht euer Denken nicht mehr länger vom rechten zum linken Hirn, und vom linken Hirn zum rechten Hirn. Dann gibt es Ausgeglichenheit, es gibt kein Auf und Ab mehr. Gewöhnlich schwingt unser Leben wie ein Pendel: einen Tag geht es in diese Richtung (glücklich, springend und freudig), am nächsten Tag geht es in die andere. Wie ein Yo-Yo, zurück und vorwärts und zurück und vorwärts. Aber Yoga ist ein ausgeglichener Geisteszustand. Dann sind heiß und kalt dasselbe; Sieg und Niederlage dasselbe, Lob und Tadel dasselbe; Gewinn und Verlust dasselbe. Das nennt man Zufriedenheit.
Wenn Prana in die Sushumna geht, so ist das erste Anzeichen Zufriedenheit. Ihr könnt alleine in einer Höhle sein, so wie ich es war, oder wenn ihr gehen und mit Leuten arbeiten müsst, so ist das auch recht. Einen Tag war ich in einer Höhle in den Himalayas und war zufriedengestellt. Am nächsten Tag war ich in einem Fünf-Sterne-Hotel in London. Ein Fünf-Sterne-Hotel ist auch nicht übel, aber dieses Hotel war nur ein vorübergehender Aufenthaltsort und nicht die Quelle meiner Zufriedenheit. In der Höhle gab es weder heißes, noch nicht einmal kaltes Wasser. Um Wasser zu bekommen, musste ich Schnee schmelzen. Jeden Tag musste ich mit dem Brennholz sorgfältig umgehen, weil es schwer zu finden und überaus teuer zu kaufen war. Aber es war okay – so wollte es Gott haben. Und sogar obwohl alle gegangen waren und ich alleine war, war ich zufrieden, weil ich wusste, dass ich eine unabhängige Person war und ich mit mir selbst glücklich sein konnte.
Das kommt ganz wie von selbst, wenn die Läuterung stattfindet und die Kundalini sich langsam in die Richtung nach oben bewegt. In der Richtung nach unten ist ein Yo-Yo. Daran werdet ihr es erkennen. Zum Beispiel, nehmt an, nach dem Verspeisen einer reichlichen Mahlzeit wird euch noch mehr Essen gebracht, was würdet ihr tun? Ihr würdet euch nicht darum kümmern, weil der Wunsch nach Nahrung vergangen ist. Dasselbe ist es mit der Reinigung der Nadis. Es kommt automatisch. Wenn Frieden und Zufriedenheit zu euch kommen, so bedeutet das, dass Kundalini geweckt ist oder Shakti geöffnet ist. Dann strahlt ihr diesen Frieden aus. Eure Freunde und eure Familie werden etwas Neues in euch sehen: ein friedliches und sanftes Gesicht. Sie werden eine neue Atmosphäre empfinden. Sie werden sich fühlen wie eine Person, der kalt ist und die von draußen kommt und sich an einer Feuerstelle wärmt. Wenn ihr diese Zufriedenheit fühlt, werden auch andere sie fühlen. Aber auch wenn andere sie nicht fühlen, seid ihr nicht unglücklich darüber, weil nicht jeder euch hochschätzen wird. Einige Leute werden euch soundso kritisieren. So und nicht anders ist die Welt – die Welt der Dualität. Niemand wird jemals in dieser Welt von jedem geschätzt. Könnt ihr mir eine Person nennen, die von jedem geschätzt wurde? Wurde Moses von jedem geschätzt? Sogar nach vierzig Jahren waren unter seinem eigenen Volk viele, die sich gegen ihn auflehnten. Hat Jesus jeder geschätzt? Sie haben ihn sogar gekreuzigt, obwohl er über Frieden und Liebe sprach. Ähnlich wurden Krishna, Rama, Buddha und Sokrates kritisiert. Swami Sivananda wurde von seinen Schülern kritisiert; jemand erhob sogar einmal eine Axt gegen ihn.
Euer Glück sollte nicht von äußeren Einflüssen abhängen. Es ist nicht das Ego, wenn ihr Vertrauen in euer eigenes Selbst habt. Vertrauen in das Selbst bedeutet, dass ihr seht, dass man Selbst in allem ist, sowie alle eines sind. Dann wisst ihr, dass es nichts gibt, dem man gefallen muss. In dem Augenblick, wo ihr wirkliche Genugtuung über euer Leben empfindet, bedeutet das, dass eure Kundalini erwacht ist und eure Sushumna gereinigt.

Sukadev

6. Daher sollte man Pranayama mit einem Geist praktizieren, in dem das sattvige Element maßgebend ist, bis die Sushumna-Nadi von den Unreinheiten befreit ist.

Also fortgeschrittenes Pranayama wirkt nur, wenn die Nadis gereinigt sind. Und so sollte man eben erstmal die Nadis reinigen. Und praktizieren mit einem Geist, in dem das sattvige Element maßgebend ist. Es gibt verschiedene Formen der Konzentration. Man kann’s mit Mantras verbinden, mit der Visualisierung von Licht, mit Gebeten, mit der Elementen-Konzentration und viele andere Möglichkeiten. Oder einfach den Atem nur spüren, all das ist sattvig. Wenn wir Pranayama praktizieren und gleichzeitig die Tagesschau anschauen, dann praktizieren wir das nicht mit einem sattvigen Geist, und dann ist das nicht so wirkungsvoll.

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