1. Kapitel, Vers 24

Deutsche Übersetzung:

Den Anus mit dem Knöchel gegeneinander drücken und dabei Achtsamkeit im ganzen Körper halten. | Die Yoga-Kenner berichten, dies ist Kurmasana.

Sanskrit Text:

  • gudaṁ nirudhya gulphābhyāṁ vyutkrameṇa samāhitaḥ |
    kūrmāsanaṁ bhaved etad iti yoga-vido viduḥ ||24||
  • गुदं निरुध्य गुल्फाभ्यां व्युत्क्रमेण समाहितः ।
    कूर्मासनं भवेदेतदिति योगविदो विदुः ॥२४॥
  • gudam nirudhya gulphabhyam vyutkramena samahitah |
    kurmasanam bhaved etad iti yoga vido viduh ||24||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • gudaṁ : (den) Anus (Guda)
  • nirudhya : in dem man verschließt, drückt (ni + rudh)
  • gulphābhyāṁ : mit beiden Knöcheln (Gulpha)
  • vyutkrameṇa* : „in umgekehrter Ordnung“, auseinander gehend, voneinander wegweisend (Vyutkrama)
  • samāhitaḥ : konzentriert (sitzend, Samahita)
  • kūrmāsanaṁ : (die) Schildkröten-Stellung (Kurmasana)
  • bhavet : soll sein, sei (zu verstehen als, bhū)
  • etad : das, diese (Sitzposition, Etad)
  • iti : so (Iti)
  • yoga-vidaḥ : (die) Yogakundigen
  • viduḥ : kennen, wissen (es, vid)   ||24||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda gibt hier keine nähere Erklärung, wie vyutkrameṇa („auseinander gehend, in umgekehrter Reihenfolge“) zu verstehen ist. Es ist wohl gemeint, dass man sich auf beide Knöchel (Gulpha) setzt, wobei diese nicht zueinander zeigen, sondern beide jeweils nach oben weisen und rechts und links neben dem Anus (Guda) Druck ausüben. Die Stellung ähnelt dann dem Fersensitz (Vajrasana), in Kurmasana liegen die Fersen jedoch zueinander zeigend nahe beisammen, und die Zehen weisen nach außen.

In der Gheranda Samhita (2.32) wird Kurmasana in ganz ähnlichen Worten, jedoch noch etwas ausführlicher beschrieben:

gulphau ca vṛṣaṇasyādho vyutkrameṇa samāhitau |
ṛju-kāya-śiro-grīvaṃ kūrmāsanam itīritam ||2.32||

„Beide Knöchel (Gulpha) unterhalb des Hodensacks (Vrishana), (die Füße) auseinander weisend, (sitze man) konzentriert (Samahita), Körper (Kaya), Kopf (Shiras) und Nacken (Griva) gerade (haltend) – so wird Kurmasana beschrieben.“

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

24. Drücke den Anus kräftig mit gekreuzten Sohlen und sitze sehr sorgfältig. Das ist Kurmasana gemäß den Yogis.

Wir nennen es Siddhasana. Die obigen sind die grundlegenden Sitzhaltungen.

Sukadev

24. Drücke den Anus kräftig mit gekreuzten Sohlen und sitze sehr sorgfältig. Das ist Kurmasana gemäß den Yogis.

Ein anderer Name dafür ist auch Siddhasana. Also die Sohlen gekreuzt, das ist so, und dann den Anus gedrückt. Beziehungsweise eigentlich ist es nicht der Anus, sondern der Kandha-Punkt, zwischen Geschlechtsorganen und Anus. Und dann ist die andere Ferse hier. Das ist übrigens jetzt auch eine energetisch hochwirksame Asana. Da ist jetzt nämlich der eine Fuß unterhalb des MuladharaChakra, und der andere Fuß ist vor dem Swadhistana-Chakra. Und gerade beim Pranayama ist das eine ganz besonders geeignete Stellung. Da muss man natürlich meistens das Gesäß etwas stützen, damit der Druck auf die Ferse nicht zu stark ist. Und wenn man die Ferse an der richtigen Stelle dort hat, dann kann man sogar spüren, wenn man Mula Bandha macht, wie sich dort die Muskeln oberhalb der Ferse zusammenziehen. Und dadurch, dass man die Muskeln zusammenzieht, wird der Druck der Ferse noch mal effektiver auf dieses Chakra. Das könnt ihr gerade mal machen. Die Ferse unter den Kandha-Punkt, also den hinteren Teil der Scheide, und dann anspannen. Und dann könnt ihr die Ferse spüren auf diesem angespannten Punkt.

In dem Zusammenhang will ich euch noch ein paar Subtilitäten von Mula Bandha erklären. Mula Bandha ist der Beckenbodenverschluss. Es gibt vier Arten von Beckenbodenverschluss, analog der drei Muskeln, die es im Beckenboden gibt. Vorderes Mula Bandha, mittleres Mula Bandha und hinteres Mula Bandha. Es gibt verschiedene Ausdrucksweisen. Das vordere Zusammenziehen wird manchmal Vajroli genannt, das mittlere Mula Bandha und das hintere Ashwinimudra. Das ist eine Ausdrucksweise. Ich folge gerne einer anderen Ausdrucksweise. Mula Bandha heißt dann das Anspannen. Ashwinimudra heißt Anspannen und Loslassen, und Vajrolimudra heißt wellenförmig die Muskeln anspannen. Und vorderes Mula Bandha heißt Anspannen der vorderen Muskeln, was eben die Muskeln des Harntraktes sind, und beim Mann auch die Muskeln des Penis. Dann gibt es mittleres Mula Bandha, das sind beim Mann die Muskeln des Perinäums, und bei der Frau sind es die Scheidenmuskeln. Und dann gibt es das hintere Mula Bandha, das ist das Anspannen der Anusschließmuskeln.

Die der Terminologie, der ich folge, ich meine, die ist auch eindeutiger. Aber natürlich, die andere Terminologie geht auch. Die hat Swami Satyananada populär gemacht. Da gibt’s also vorderes, mittleres und hinteres Mula Bandha, wenn man die gleichmäßig hält. Wenn man sie anspannt und loslässt, dann ist es Ashwinimudra. Und wenn man sie wellenförmig zusammenzieht von vorne nach hinten, also erst die vorderen, dann die mittleren und dann die hinteren, dann ist das Vajrolimudra.

Also Mula Bandha ist gleichmäßiges Anspannen. Ashwinimudra heißt anspannen und loslassen, und Vajroli ist wellenförmig der Reihe nach anspannen und loslassen. Könnt ihr grad mal machen. Also erst die vorderen Beckenbodenmuskeln, dann die mittleren, dann die hinteren. Und das erzeugt so etwas wie einen Sog. Das ist das kleine Vajrolimudra. Und dann kann man sogar das große machen, so wie ihr’s heute morgen gemacht habt, und dann zieht es alle Energie zum Sahasrara-Chakra. Und das könnt ihr mit allen Muskeln machen. Ihr könnt nur die vorderen anspannen und ihr könnt die vorderen anspannen und loslassen. Ihr könnt die mittleren entweder gleichmäßig anspannen oder anspannen und loslassen. Ihr könnt die hinteren gleichmäßig anspannen oder anspannen und loslassen. Und ihr könnt alle drei wellenförmig von vorne unten nach hinten oben zusammenziehen. Und man kann alle drei Muskeln gleichmäßig anspannen und alle drei Muskeln anspannen und wieder loslassen. Gut.

Wie kann man jetzt diese Bandhas verbinden mit Atemübungen? Es gibt dort vielfältige Möglichkeiten. Grundsätzlich, wenn ihr die Energie an der Vorderseite des Körpers beeinflussen wollt, dann nehmt ihr vorderes Mula Bandha. Z.B. wenn ihr den kreisförmigen Atem macht, und ihr wollt, dass die Energie vorne hinunterfließt, dann könnt ihr die vorderen Beckenbodenmuskeln anspannen. Wenn ihr wollt, dass die Energie so hinten hochströmt, hinteres Mula Bandha. Und das mittlere Mula Bandha ist insbesondere geeignet für die Aktivierung des MuladharaChakras. Jetzt, wer die Muskeln auseinanderhalten kann, der kann zB. auch beim Einatmen vorderes Mula Bandha, beim Anhalten mittleres Mula Bandha und beim Ausatmen hinteres Mula Bandha halten. Das könnt ihr gerade mal für euch ausprobieren. Einatmen vorderes Mula Bandha, dann einen Moment lang lösen. Dann Anhalten, mittleres Mula Bandha, kurz Lösen, und dann beim Ausatmen hinteres Mula Bandha, kurz lösen. Einatmen vorderes Mula Bandha, dann einen Moment lang lösen. Dann Anhalten, mittleres Mula Bandha, kurz Lösen, und dann beim Ausatmen hinteres Mula Bandha. Klappt’s? Das erfordert natürlich etwas Übung.

Und ihr könnt das z.B. in der Wechselatmung machen. Ihr könnt das z.B. auch bei den Zwischenatmungen beim Kapalabhati, nach dem letzten festen Ausatmen könnt ihr beim Einatmen vorderes Mula Bandha machen. Dann könnt ihr Ausatmen – hinteres Mula Bandha. Einatmen – vorderes Mula Bandha, und Anhalten – mittleres Mula Bandha. Vajrolimudra wäre, wenn ihr anhaltet und jetzt beim Anhalten gleichmäßig von vorne außen nach hinten hoch die Muskeln anspannt. Könnt ihr auch mal machen. Atmet mal vollständig aus. Jetzt atmet ein. Und jetzt spannt die vorderen Muskeln an, – die mittleren, – die hinteren. Noch mal loslassen. Dann wieder die vorderen Muskeln anspannen, – die mittleren, – die hinteren. Loslassen, vordere, mittlere, hintere, loslassen. Das ist Vajrolimudra. Alle drei zusammen lässt man dann los.

Man kann auch weitere Mudras dazu machen. Also nehmen wir mal die Zunge. Die Zunge nach hinten, das ist Khechari. Die Zunge nach oben, das ist Nabho. Und die Zunge so, das ist Jivabandha. D.h. die Zungenwurzel ist nach hinten, aber die Zungenoberseite ist am Gaumen und die Zunge zeigt weiter nach vorne. Was ihr in Jalandhara Bandha meistens macht. Einatmen, Anhalten, Kinn zur Brust, Zungenoberseite am Gaumen, Kehle leicht zusammenziehen. Das ist Jiva Bandha. Das ist jetzt die Terminologie so, wie wir sie hier verwenden. Man findet da in der Literatur noch andere. Es gibt da keine eindeutigen Begriffe. Bandha ist, was tatsächlich ein Verschluss ist. Wenn man Jiva Bandha anwendet, kann man nicht mehr atmen. Damit ist der Atem verschlossen und auch ein paar Nadis sind verschlossen. Man kann auch sagen Jiva Bandha Mudra. Weil’s ja auch ne Mudra ist.

Nabho. Was ist Nabho Mudra? Die Zunge so nach oben, an die Mitte des Gaumens für’s Sahasrara-Chakra. Es gibt noch die Möglichkeit, die Zunge vorne an die Schneidezähne anzulegen. Da, muss ich jetzt zugeben, habe ich den Namen vergessen. Das macht man nicht so oft, aber auch dafür gibt’s nen Sanskritausdruck. Wann macht man Khechari? Z.B. in der Khechari Mudra als Vorübung für die Meditation. Man kann sie machen z.B. bei Suryabedha, wo man die Zunge nach hinten gibt. Und man kann auch da, wo wir hier meistens Jiva Bandha ansagen und man hat das Gefühl, man will eigentlich die Zunge nach hinten rollen, dann kann man auch Khechari Mudra machen. Manchmal geschieht’s so mehr oder weniger von selbst. Khechari Mudra aktiviert sowohl das Vishudda- als auch das Chandra-Chakra. Bei Khechari ist die Zungenunterseite am Gaumen, bei Jiva Mudra ist die Zungenoberseite am Gaumen. Das Chandra-Chakra, Mond-Chakra, ist hauptsächlich über der rechten Augenbraue Aber das mit dem Mondchakra, das ist eine komplexe Geschichte. Es befindet sich nicht nur an einer Stelle. Es ist hier, es ist hier, es ist hier. Und insgesamt ist es so ein ganzes Energiefeld, und man könnte eigentlich besser sagen, wahrscheinlich ist das ein Energiefeld, das ist im ganzen Körper. Aber es gibt bestimmte Reflexpunkte, wo dieses Energiefeld des Mondes am stärksten ansprechbar ist. Und das ist eben über der rechten Augenbraue, so wie ja auch die rechte Gehirnhälfte mehr der Mondenergie entspricht. Also z.B. bei Tam stellt man sich die Mondsichel vor, und stellt sich vor, die Energie fließt hinunter. Und da gibt’s eben diese vier Hauptreflexpunkte: Nasenspitze, rechte Augenbraue, hinten, und dann hinten in der Kehle. Das sind die vier Hauptpunkte, um die Mondenergie zu aktivieren.

Gut. Ihr könnt also bei den nächsten Asana– und Pranayamatechniken, beim Einatmen, Anhalten und Ausatmen, oder auch bei der Meditation ausprobieren, mit diesem Integrieren von verschiedenen Mudras zu üben. Wenn euer Geist konzentriert ist und zur Konzentration fähig ist, dann ist es eigentlich besser, ihr macht’s nicht zu kompliziert, sondern wiederholt das Mantra und konzentriert euch auf die Chakras. Aber dann, wenn euer Geist ansonsten nicht so konzentriert ist, dann kann man noch mal auf diese körperlichen Dinge etwas genauer sich konzentrieren. Über diese körperlichen Dinge kommt dann auch wieder Prana und über das Prana kommt wieder die Konzentration. Ich muss sagen, wir gehen hier sogar noch weiter als der Swami Vishnu normalerweise bei fortgeschrittenen Lehrerausbildungen gegangen ist, obgleich er mir auch mal in persönlichen Gesprächen solche Sachen erzählt hat. Aber er hat so gesagt: “Normaly its best not to get lost in details. Concentrate on the Lord, and that’s most important.“ D.h.: Normalerweise ist es besser, sich nicht in Details zu verlieren. Konzentriert euch auf Gott, das ist am Wichtigsten. Also jetzt für diejenigen, die das Gefühl haben, jetzt wird’s immer komplizierter – macht nichts. Arbeitet mit eurem normalen Mula Bandha und mit eurer Konzentration. Aber es wird einige geben, denen das hilft, noch mal zu einer anderen Energieerfahrung zu kommen. Gut. Eigentlich haben wir ja jetzt nen Schritt in das dritte Kapitel der Hatha Yoga Pradipika gemacht, weil wir auf Siddhasana zu sprechen gekommen sind.

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