1. Kapitel, Vers 12

Deutsche Übersetzung:

Der Hatha-Yogi soll in einer Einsiedelei wohnen, | diese soll 2 Meter lang sein und entfernt von Felsen, Wasser oder Feuer, | sie soll sich in einem tugendhaften Königreich befinden, in einer gefahrlosen Gegend, wo es viele Almosen gibt.

Sanskrit Text:

  • su-rājye dhārmike deśe su-bhikṣe nirupadrave |
    dhanuḥ-pramāṇa-paryantaṁ śilāgni-jala-varjite |
    ekānte maṭhikā-madhye sthātavyaṁ haṭha-yoginā ||12||
  • सुराज्ये धार्मिके देशे सुभिक्षे निरुपद्रवे ।
    धनुः प्रमाणपर्यन्तं शिलाग्निजलवर्जिते ।
    एकान्ते मठिकामध्ये स्थातव्यं हठयोगिना ॥१२॥
  • surajye dharmike deshe subhikshe nirupadrave |
    dhanuh pramana paryantam shilagni jala varjite |
    ekante mathika madhye sthatavyam hatha yogina ||12||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • su-rājye : in einem guten Königreich (Surajya)
  • dhārmike : voller Tugenden, voller Rechtschaffenheit (Dharmika)
  • deśe : in einer Gegend (Desha)
  • su-bhikṣe : reich an Nahrungsmitteln, reich an Almosen (Subhiksha)
  • nir-upadrave : frei von Gefahren (Nirupadrava)
  • dhanuḥ-pramāṇa* : (einer) Bogenlänge (ein Längenmaß, Dhanus-Pramana)
  • paryantaṁ* : (im) Umkreis (Paryanta)
  • śilā* : Steine, Felsbrocken (Shila)
  • agni* : Feuer (Agni)
  • jala* : Wasser (Jala)
  • varjite : frei von (Gefahren durch, Varjita)
  • ekānte : an einem einsamen Ort (Ekanta)
  • maṭhikā : (einer) Hütte, Klause, Einsiedelei (Mathika)
  • madhye : inmitten (Madhya)
  • sthātavyaṁ : soll wohnen („ist zu wohnen“, Sthatavya)
  • haṭha-yoginā : (ein) HathaYogi    ||12||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda gibt eine „Bogenlänge“ als ein „Maß (Matra) von vier (Chatur) Ellen“ (Hasta) an, was ca. 184 cm entspricht: dhanuḥ-pramāṇaṃ catur-hasta-mātraṃ. Dort, wo (yatra) sich der Sitz (Asana) des Yogi befindet, sollen im Unkreis (Paryanta) einer Bogenlänge bzw. in einer Entfernung (Matra) von vier Ellen (catur-hasta) keine Steine (Shila), kein Feuer (Agni) und kein Wasser (Jala) sein: yatrāsanaṃ tataś catur-hasta-mātre śilāgni-jalāni na syur.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

12. Der Praktizierende von Hatha Yoga sollte alleine in einer kleinen Matha oder Klause leben, die auf einem Platz liegt, der frei ist von Gestein, Wasser und Feuer – in der Reichweite einer Bogenlänge, und in einem fruchtbaren Landstück, von einem tugendhaften König regiert, wo er nicht gestört wird.

Das Land sollte eines sein, in dem die Leute keine Vielfraße, Banditen oder Gewalttäter sind. Es sollte eine friedliche Umgebung haben, eine ohne Terroristen, Räuber oder Diebe. In einer großen Stadt ist es oft gefährlich, unterwegs zu sein; ein Platz auf dem Land ist gewöhnlich besser geeignet. „Ein Landstrich, von einem tugendhaften König regiert“, ist dort, wo der König Dharma praktiziert. Viele Länder werden von Diktatoren regiert, und sind Orte, wo es gesetzlich verboten ist, solche Dinge zu praktizieren. Ich möchte sie nicht beim Namen nennen, aber in bestimmten Ländern könntet ihr für diese Praktiken verhaftet werden. Wir müssen völlige Freiheit für unsere Praktik haben, ohne Angst vor Störungen.
Ihr müsst euch an einem Ort aufhalten, wo Nahrung zur Verfügung steht. Ohne sattvige Nahrung, wie reichlich Gemüse, Früchte und Milch, könnt ihr nicht meditieren oder Hatha Yoga praktizieren.
„Frei von Steinen, Wasser und Feuer“: Das sind sehr genaue Anweisungen. „Die Reichweite einer Bogenlänge (einen Bogenschuss weit)“, das ist vielleicht zwischen fünfzehn und zwanzig Meter. Stellt euer Zelt oder eure Behausung weiter als zwanzig Meter von einem Abhang entfernt, wegen des Steinfalls. Stellt eure Behausung nicht in einem Gebiet auf, das Waldbränden, Erdbeben oder Vulkanen ausgesetzt ist. Stellt euer Zelt nicht in der Nähe eines Sumpfes auf, der euch Störungen von Moskitos und andere Plagen bringen wird. Das sind alles gesundheitliche Erwägungen. Sie sollten von niemandem leichtfertig übergangen werden, der diesen mühsamen YogaWeg einschlägt.

Sukadev

12. Der Praktizierende von Hatha sollte alleine in einer kleinen Matha oder Klause leben, die auf einem Platz liegt, der frei ist von Gestein, Wasser und Feuer – in der Reichweite einer Bogenlänge, und in einem fruchtbaren Landstück, von einem tugendhaften König regiert, wo er nicht gestört wird.

Gut, das klingt jetzt hier etwas eigenartig. Aber zunächst mal – frei ist von Gestein, Wasser und Feuer, in der Reichweite einer Bogenlänge, das heißt innerhalb von 15, 20 Metern ist da kein Fluss. Nicht, dass man sich jetzt intensiv hingelegt, hingesetzt hat zu Pranayama und dann gibt’s ne Überschwemmung. Und auch muss man aufpassen, dass dort nicht irgend eine Feuergefahr herrscht. Auch aufpassen, dass es nicht am Abhang ist, dass man nicht vom Steinschlag erschlagen wird. Das sind einfache Dinge, aber wenn sich jemand in die Einsamkeit begibt, dann ist es wert, solche praktischen Erwägungen zu haben. Gut – fruchtbarem Landstück – im alten Indien, in den Subtropen, da konnte man sich ernähren mit dem, was es dort gab im Wald. Da gab’s ein paar Mangobäume, und n paar Bananenbäume, und n paar andere. Und wenn man das hat, dann braucht man sich nicht um die Nahrung zu kümmern. Ansonsten ist es gut, sich schon vorher um die Nahrung zu kümmern, das man nicht in die Großstadt gehen muss, um seinen Vollkornreis zu besorgen, dass man schon genügend im Voraus hat. Und: – Von einem tugendhaften König regiert. Das heißt, es gibt Diktaturen, wenn dort jemand Yoga machen würde, der würde umgebracht werden. Z.B. früher in Afghanistan, wenn jemand dort Yoga gemacht hätte, der wäre der Häresie für schuldig befunden werden, und der wäre gesteinigt worden. Oder auch im Iran, wenn jemand eine Puja machen wollte, das würde als Gotteslästerung angesehen werden, und die Menschen würden vor’s Revolutionsgericht gebracht werden. Asanas, glaub ich, dürfen heutzutage in Persien gemacht werden, aber man muss da sehr aufpassen. Auch früher in Ostdeutschland, das war auch nicht so einfach. Nicht ohne Grund sind heute die führenden Anatomie- und Physiologieforscher in Yoga aus östlichen Ländern. Also Yoga Darshana, einer der Vereine, die sich die wissenschaftliche Erforschung von Yoga zum Ziel gemacht haben, hat den Sitz in Leipzig. Und dann gibt’s einen Professor Dostanek an der Universität in Prag, der seit 30 Jahren die Forschungen in den physiologischen Aspekten des Yoga macht. Eigentlich haben all die Leute, die das initiiert haben, mit Wissenschaft gar nicht so viel am Hut gehabt, die wollten das praktizieren können. Und um das rechtfertigen zu können, mussten sie zeigen können, dass es physiologisch gut ist. So herum war dann die Reihenfolge. Und in einem Land, wo Religionsfreiheit herrscht und Praxisfreiheit, da konnte man so was machen. In diesem Land, wenn man sagt, man macht jetzt 12 Stunden am Tag Pranayama, dann wird man zwar für verrückt erklärt, aber man wird nicht ins Gefängnis gesteckt und auch nicht erschossen. Von daher haben wir da Vorteile.

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