Kapitel 4, Vers 3

Deutsche Übersetzung:

Eine sichtbare (vom Menschen hervorgerufene) Ursache bewirkt nicht die Vorgänge in der Natur; sondern sie beseitigt nur wie ein Bauer die Hindernisse. (Der Bauer räumt Steine beiseite, um Wasser aus einem Bewässerungskanal auf sein Feld fließen zu lassen).

Sanskrit Text:

nimittam-aprayojakaṁ prakṛtīnāṁ-varaṇa-bhedastu tataḥ kṣetrikavat ||3||

निमित्तमप्रयोजकं प्रकृतीनांवरणभेदस्तु ततः क्षेत्रिकवत् ॥३॥

nimittam aprayojakam prakritinam varana bhedastu tatah kshetrikavat ||3||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • nimitta = sichtbare Ursache
  • aprayojakaṁ = nicht verursachend, nicht zutreffend
  • prakṛti = Natur, Materie, Schöpfung, physisch
  • varaṇa = Hindernis
  • bheda = Beseitigung, Auflösung, spaltet
  • tu = aber
  • tataḥ = davon
  • kṣetrikavat = wie der Bauer

Kommentar

In Indien wird sehr viel künstlich bewässert. Es gibt riesige Bewässerungskanäle. Wenn ein Bauer sein Feld bewässern will, muß er ein paar Steine aus dem Bewässerungskanal herausnehmen, damit das Wasser auf sein Feld gelenkt wird. Die Dorfgemeinschaft stellt genaue Regeln und ein ausgeklügeltes System auf, so daß alle Bauern der Dorfgemeinschaft ihre Felder bewässern können, ohne daß jemand zu viel hat oder zu kurz kommt. Zu einem festgelegten Zeitpunkt nimmt man die Steine weg, die den Kanal zum eigenen Feld verschließen. So bekommt man das nötige Wasser in seine Reisfelder. Der Bauer erzeugt also kein Wasser, sondern er räumt Hindernisse aus dem Weg, damit das Wasser fließen kann

Nicht alles, was an spiritueller Erfahrung, Kräften, Fähigkeiten kommt, haben wir notwendigerweise selbst durch unsere Übungen, durch unsere Anstrengung, geschaffen. Wenn man beispielsweise eine Vision Gottes, eine Erfahrung der Einheit oder ein ekstatisches Gefühl beim Mantrasingen oder in der Meditation hat, dann hat man es nicht wirklich durch die ganzen eigenen Praktiken erzeugt. Durch diese Praktiken haben wir die Steine – Hindernisse, Unreinheiten – weggeräumt, die im Wege standen, so daß die göttliche Gnade durch uns hindurchfließen kann. Das, was vorher schon da war, enthüllt sich, das Göttliche kann sich manifestieren. Wir schaffen nicht wirklich Freude in der Meditation, wir räumen nur die Hindernisse aus dem Weg, so daß die natürliche Freude, die immer schon da war, erfahrbar wird. Wir machen uns zum Instrument der kosmischen Energie, die durch uns wirken will. Wir müssen uns nur für sie öffnen.

Wenn es regnet und du Wasser brauchst, was mußt du haben? – Ein Gefäß. Was mußt du mit dem Gefäß machen? – In den Regen halten. Das allein reicht aber nicht aus. Du mußt es richtig in den Regen halten, wie nämlich? – Mit der Öffnung nach oben. Genauso ist auch die göttliche Gnade immer da. Wir müssen nur unser Gefäß, unser Bewußtsein, unseren Geist, nach oben öffnen. Die meisten Menschen haben ihren Geist nach unten geöffnet. Daher spüren sie keine Gnade.

Natürlich kommt die Gnade nicht wirklich von oben, nicht räumlich von oben. Sie kommt nicht von der Sonne und auch nicht vom Polarstern, sondern von höheren Ebenen. Energie strömt ständig von ishvara, dem Göttlichen, aus. Wirklich verstehen kann man es, wenn man den Unterschied verwirklicht hat zwischen sattva und purusha. Bis wir soweit sind, können wir es sehr wohl erfahren und kleine Erklärungen dazu abgeben. Das Göttliche gibt ständig Gnade, Energie in diese physische Ebene hinein und in unser jetziges Bewußtsein. Wir müssen uns nur dafür öffnen.

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