Kapitel 2, Vers 33

Deutsche Übersetzung:

Störende Gedanken können durch das Denken an ihr Gegenteil überwunden werden.

Sanskrit Text:

vitarka-bādhane pratiprakṣa-bhāvanam ||33||

वितर्कबाधने प्रतिप्रक्षभावनम् ॥३३॥

vitarka badhane pratipraksha bhavanam ||33||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • vitarka = Zweifel, Unsicherheit, Frage
  • bādhane = Umsetzung
  • prati = andere
  • pakṣa = Flügel
  • pratipakṣa = Gegenteil, Gegensatz, andere Seite, Gegenposition, wörtlich: der andere Flügel
  • bhāvana = Zielstrebigkeit, Ausrichtung auf ein Ziel

Kommentar

Das ist die sogenannte pratipaksha-bhavana-Methode. Wenn man einen negativen Gedanken hat, denke man an das Gegenteil. Wenn man ungeduldig ist, denke man an Geduld. Wird man leicht ärgerlich, meditiere man über Gleichmut. Neigt man zu Ängstlichkeit, meditiere man über Mut. Wenn man Haß in sich trägt, entwickle man Liebe u.s.w., und zwar durch ständiges Nachdenken. Das kennen wir als Eigenschaftsmeditation (siehe I 33). Patanjali wiederholt sich an einigen Stellen bei den Dingen, die er für besonders wichtig hält.

Es ist eine gute Sache, sich vorzunehmen, eine Eigenschaft besonders zu entwickeln. Man kann zum Beispiel einen Monat lang besonders Gleichmut entwickeln, im nächsten Mut, im Monat danach Geduld, dann Pünktlichkeit u.s.w. Das ergibt immerhin zwölf positive Eigenschaften im Jahr, die man vielleicht nicht bis zur Vollkommenheit, aber doch ein gutes Stück entwickeln kann. So transformieren wir allmählich unsere Persönlichkeit.

Oder wir können natürlich auch durch die yamas gehen und jeden Monat einen Punkt von ihnen besonders entwickeln. Wir können einen Monat lang besonders an ahimsa, Gewaltlosigkeit, arbeiten, dann an satya, Wahrhaftigkeit, etc. Die kleinen Schwindeleien, Notlügen oder Übertreibungen, die man ab und zu macht, läßt man diesen Monat weg. Oder asteya, Nichtstehlen. Man achtet dann sehr genau darauf, daß man nichts wegnimmt, was einem anderen gehört. Man kann das als Meditation machen, als Affirmation sagen und man muß es natürlich jeden Tag auch umsetzen. Nur darüber nachzudenken reicht nicht aus. Aber alles zusammen ist sehr wirksam. Wir können darüber nachdenken, Affirmationen am Anfang und/oder am Ende der Meditation und/oder am Ende der Tiefenentspannung wiederholen, wir können uns morgens vornehmen, öfter während des Tages darüber nachzudenken und jeden Tag mindestens eine Handlung auszuführen, die diese Eigenschaft unter Beweis stellt. Also beispielsweise wenn man Mut entwickeln möchte, dann soll man jeden Tag eine Sache tun, die Mut erfordert und die man normalerweise nicht gemacht hätte. Nicht hundert, sondern eine – aber dann auch wirklich tun. Eine Handlung reicht aus. Man soll den Geist nicht überfordern. Dann wird innerhalb eines Monats eine entscheidende Veränderung im Geist eintreten.

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