Kapitel 4, Vers 15

Deutsche Übersetzung:

Ist das Objekt dasselbe, rührt der (augenscheinliche) Unterschied (zwischen zwei Wahrnehmungen) von den verschiedenen Wegen der chittas her.

Sanskrit Text:

vastusāmye citta-bhedāt-tayorvibhaktaḥ panthāḥ ||15||

वस्तुसाम्ये चित्तभेदात्तयोर्विभक्तः पन्थाः ॥१५॥

vastusamye chitta bhedat tayorvibhaktah panthah ||15||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • vastu = Objekt
  • sāmya = Gleichheit
  • citta = Verstand, Geist
  • bheda = Veränderung, Verschiedenheit
  • tayoḥ = deren
  • vibhakta = verschieden, getrennt
  • panthāḥ = Wanderer, Wege

Kommentar

Dasselbe Objekt kann auf zwei Menschen ganz unterschiedlich wirken.

Zwei Menschen kommen zu einem Yogaseminar. Der eine findet es ganz phantastisch, hat wunderbare Erfahrungen, öffnet sich, fühlt sich aufgeladen, sein Leben verändert sich grundlegend. Der zweite reist nach dem zweiten Tag ab: den ganzen Tag irgendwelche Verrenkungen, Nase zuhalten, Atem anhalten, eigenartiges Gesinge weit ab von jedem Takt und höherem Kunstverständnis, und den ganzen Tag auf dem Boden sitzen. Gleiches Objekt – zwei vollkommen verschiedene Erfahrungen.

Die Objekte an sich sind unterschiedlich, je nach Zusammensetzung der gunas, und das gleiche Objekt kann auch ganz unterschiedlich wirken. Es kann auf zwei Menschen unterschiedlich wirken oder auch auf denselben Menschen, je nachdem, in welchem Gemütszustand er gerade ist.

Angenommen, wir sitzen abends zusammen, meditieren, singen mantras und hören einen Vortrag über Raja Yoga an. Jemand kommt herein, der um fünf Uhr morgens aufgestanden ist und den ganzen Tag hart gearbeitet hat. In der Meditation schläft er halb, das Mantrasingen wiegt ihn langsam in den Schlaf und beim Vortrag kann er endlich entspannen. Der gleiche Mensch zwei Tage später: ausgeschlafen, ausgeruht, fühlt sich besser, meditiert achtsam, ist in einem erhabenen Gemütszustand, singt „Jaya Ganesha“ voller Enthusiasmus, und beim Vortrag hört er jedes einzelne Wort aufmerksam an. Gleiche Situation, unterschiedliches chitta.

Deshalb sollten wir auch immer vorsichtig sein, wenn wir etwas beurteilen. Unser Urteil ist nicht nur vom Objekt geprägt, sondern auch durch unseren Gemütszustand.

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