Kapitel 2, Vers 37

Deutsche Übersetzung:

Ist Nichtstehlen fest begründet, kommen alle Kostbarkeiten wie von selbst.

Sanskrit Text:

asteya-pratiṣṭhāyāṁ sarvaratn-opasthānam ||37||

अस्तेयप्रतिष्ठायां सर्वरत्नोपस्थानम् ॥३७॥

asteya pratishthayam sarvaratn opasthanam ||37||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • asteya = nicht stehlen
  • pratiṣtḥā = fest, beständig, stabil
  • sarva = alles
  • ratna = Juwel, Edelstein
  • upa = nahe
  • sthānam = Platz
  • upasthāna = vorhanden sein

Kommentar

Solange wir anderen etwas wegnehmen, sind wir Bettler. In dem Moment, wo wir nichts mehr stehlen, auch nicht mehr unbedingt etwas haben wollen, bekommen wir alles, was wir brauchen. Das ist auch das Gesetz der Entsagung. Es gibt zwar auf einer Ebene im Yoga die vier Wünsche – kama (Sinnesbefriedigung), artha (Wohlstand), dharma (Pflichterfüllung, Selbstentfaltung) und moksha (Befreiung) –, die der Mensch im Laufe seines Lebens hat und auch befriedigen soll. Auf dieser Ebene soll man sich durchaus auch darum kümmern, die Menge an Geld, finanzieller Absicherung, äußerer Sicherheit u.s.w. zu bekommen, die man braucht, um den Geist frei zu haben für Spiritualität. Aber je mehr wir unsere Wünsche reduzieren, je weniger Gier wir haben, je mehr wir entsagen, desto mehr kommt alles, was wir brauchen, hinter uns hergerannt. Und solange wir Dinge wegnehmen, die uns nicht gehören, schaffen wir natürlich auch negatives karma, so daß uns ebenfalls gewisse Sachen weggenommen werden – auf der materiellen oder emotionalen Ebene. Hier müssen wir sehr aufpassen.

Asteya, Nichtstehlen, ist zum einen sehr wörtlich zu nehmen, also z.B. nichts aus Kaufhäusern mitnehmen. Der Begriff ist aber weitaus umfassender. Wenn man zum Beispiel feststellt, der Nachtisch reicht nur für zwanzig Personen und man ist der Fünfzehnte in der Reihe, dann heißt asteya, sich nur eine kleine Portion zu nehmen, wenn hinter einem noch fünf Leute warten. Oder nicht aus dem Kühlschrank das letzte Stück von etwas wegzunehmen, das andere gerne haben. Nichtstehlen bedeutet auch, sich nicht mit fremden Federn zu schmücken, sich nicht geistiges Eigentum von anderen anzueignen.

Wenn wir darin fest verankert sind, stehlen wir nicht nur nicht, sondern im Gegenteil, wir teilen mit anderen. Alle diese yamas (ethisch-moralische Regeln) sind nämlich nicht nur passiv als Verneinung zu verstehen, wie zum Beispiel Nichtstehlen, sondern in logischer Folge auch im aktiven Sinn als Teilen, Geben. Je mehr wir anderen geben, um so mehr bekommen wir. Das ist das lakshmi-Prinzip.

Lakshmi (Göttin des Wohlstands und der Schönheit) hat zwei nach oben geöffnete Hände und zwei Hände nach unten. Die zwei Hände nach unten symbolisieren: sie gibt, gibt und gibt. Und zwei Hände nach oben: sie empfängt, empfängt und empfängt von der Kosmischen Kraft. Je mehr wir geben, tun für andere, um so mehr bekommen wir. Wie auch Swami Vishnu gerne gesagt hat: Die beste, sicherste Investition sind Spenden und gute Werke. Beides bekommen wir karmisch wieder zurück. Alles andere verlieren wir, zum großen Teil schon in diesem Leben – es gab genügend Wirtschaftskrisen und Börsencrashs –, aber spätestens im Moment des Todes. Aber wenn wir geben, bekommen wir alles, was wir brauchen.

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