Kapitel 3, Vers 9

Deutsche Übersetzung:

Durch die wachsende Beherrschung der ständig auftauchenden und wieder verschwindenden Eindrücke des Unterbewußtseins und das jederzeitige Verweilen des Geistes im Ruhezustand entwickelt sich allmählich die Meisterschaft (nirodha).

Sanskrit Text:

vyutthāna-nirodha-saṁskārayoḥ abhibhava-prādurbhāvau nirodhakṣaṇa cittānvayo nirodha-pariṇāmaḥ ||9||

व्युत्थाननिरोधसंस्कारयोः अभिभवप्रादुर्भावौ निरोधक्षण चित्तान्वयो निरोधपरिणामः ॥९॥

vyutthana nirodha sanskarayoh abhibhava pradurbhavau nirodhakshana chittanvayo nirodha parinamah ||9||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • vyutthāna = Erwachen, Wachsen, Auftauchen
  • nirodha = Beherrschung, Ruhe des Geistes
  • saṁskāra = Eindruck im Unterbewußtsein
  • abhibhava = Überwindung, Verschwinden
  • prāduḥbhāva = Aufsteigen, Erscheinung
  • nirodha = Beherrschung, Ruhe des Geistes
  • kṣaṇa = Situation, Moment
  • citta = Verstand, alles Wandelbare des Menschen
  • anvaya = Verbindung, Durchdringung, Beziehung
  • nirodha = Beherrschung, Ruhe des Geistes
  • pariṇāma = Wandel, Umwandlung, allmähliche Entwicklung, Evolution

Kommentar

Auch das geschieht wieder Schritt für Schritt. Wir lassen eine störende Gedankenwelle nach der anderen verschwinden, so daß irgendwann diese nirodha-parinama entsteht. Parinama bedeutet eine Veränderung, eine Transformation. Nirodha-parinama ist also die Transformation des Geistes, die dazu führt, daß wir irgendwann immer in nirodha, im Zustand frei von gedanklichen Ablenkungen, sein können, wenn wir wollen. Aber das geschieht eben dadurch, daß wir eins nach dem anderen beherrschen.

Ein Beispiel, das Swami Vishnu gerne gebraucht hat, war: Angenommen, man wollte ein farbiges Meditationstuch in ein goldenes Tuch umwandeln. Was müßte man machen? – Einen Faden nach dem anderen durch einen Goldfaden ersetzen. Wie lange dauert das? – Sicher sehr lange. Wir bräuchten vielleicht geeignete Hilfsmittel dazu wie Nadel, Faden, eine Lupe. Aber in einem Jahr oder so hätten wir es geschafft.

Natürlich könnte man sagen: Dann schaffe ich mir doch gleich ein goldenes Tuch an, wozu soll ich die anderen Fäden erst alle mühsam herausziehen und ersetzen. Aber genau das ist die Schwierigkeit mit unserem Geist. Wir können nicht sagen: Ich lege diesen Geist ab und schaffe mir gleich einen ganz neuen an, der „richtig“ funktioniert. Das klappt nicht. Wir müssen diesen Geist ganz allmählich zu einem goldenen Geist machen. Und das machen wir, indem wir eine Gedankenwelle nach der anderen ersetzen. Schrittweise lassen wir die alten tamasigen und rajasigen Wünsche langsam los und ersetzen sie durch sattvige Wünsche. Wir schaffen Furchen für positive, geduldige, verständnisvolle, liebevolle Reaktionen des Geistes auf irgendwelche Zumutungen oder scheinbare Zumutungen unserer Umwelt und anderer Menschen. Und das wird langsam zu einem neuen Teil unseres Geistes, unserer Persönlichkeit.

Natürlich müssen wir im Laufe der Entwicklung auch die sattvigen Wünsche und Gedanken überwinden, wie Krishna schon im 2. Kapitel der Bhagavad Gita zu Arjuna sagt: „Überwinde rajas und tamas und mache deinen Geist sattvig. Hänge aber an keinen gunas.“

So bekommen wir schließlich einen Geist, der insgesamt beherrschbar ist. Zum Schluß erreichen wir volles nirodha, aber vorher kommt kshana-chittan-vayo, die Herrschaft über den Geist. Diese Herrschaft über den Geist führt zum dauernden nirodha, dem Zur-Ruhe-Kommen der Gedanken im Geist.

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