Kapitel 3, Vers 46

Deutsche Übersetzung:

Daraus entspringen Fähigkeiten wie den Körper winzig klein zu machen sowie Vollkommenheit und Unverwundbarkeit des Körpers.

Sanskrit Text:

tato-‚ṇimādi-prādurbhāvaḥ kāyasaṁpat tad-dharānabhighātśca ||46||

ततोऽणिमादिप्रादुर्भावः कायसंपत् तद्धरानभिघात्श्च ॥४६॥

tato ’nimadi pradurbhavah kayasanpat tad dharanabhighatscha ||46||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • tataḥ = daher, davon
  • aṇiman = Fähigkeit, den Körper winzig klein zu machen
  • prādurbhāvaḥ = Erscheinung, Auftauchen, Entspringen
  • kāya = physischer Körper
  • saṁpat = Vollkommenheit
  • tat = von diesem, dessen
  • dharma = Funktion, Aufgabe, Pflichterfüllung
  • anabhighāta = Nichtüberwältigung, Unverwundbarkeit
  • ca = und

Kommentar

Hier spricht Patanjali die acht maha siddhis, die großen Kräfte, an. Diese sind:

  • Fähigkeit, winzige Größe anzunehmen, sich zu verkleinern zum Atom
  • Fähigkeit zu kolossaler Größe
  • Fähigkeit zu Schwerelosigkeit
  • Fähigkeit, sich ganz schwer zu machen, zu großem Gewicht
  • Jede Wunscherfüllung und alles Wissen
  • Eintritt in den Körper eines anderen
  • Unbehinderter Wille
  • Göttliche Macht

Auf eine gewisse Weise bekommen wir diese acht Fähigkeiten auch im Kleinen am Anfang unseres spirituellen Weges. Was bedeuten diese acht maha siddhis für den spirituellen Alltag?

Wir sind in der Lage, winzige Größe anzunehmen. Es macht uns zum Beispiel nichts aus, die Toiletten zu putzen und ähnliche Arbeiten zu verrichten oder uns mal tadeln zu lassen.

Aber gleichzeitig auch zu kolossaler Größe: Wenn wir aufgefordert werden, vor fünfhundert Leuten einen Vortrag zu halten oder große Verantwortung zu übernehmen, dann machen wir das halt.

Meistens fällt uns das letztere schwerer als das erste. Aber wir können beides. Und wir verhaften uns an keines von beidem.

Schwerelosigkeit: Wir können uns an andere anpassen, wir brauchen nicht immer diese große Schwere zu haben, wo es um uns selbst geht. Wir sind in der Lage, auch mal das zu tun, was die anderen wollen und doch ganz autonom zu bleiben.

Großes Gewicht: Wir können wenn nötig auch auf unserem Standpunkt beharren, uns durchsetzen.

Wir haben die Fähigkeit zu jedem Wunsch oder Wissen. Wir können uns ab und zu unsere Wünsche erfüllen. Umgekehrt heißt Herrschaft über den Wunsch auch, daß wir in der Lage sind, den Wunsch nicht zu erfüllen. Beides gehört zum Yogi. Er ist in der Lage, sich mal einen Wunsch zu erfüllen und alles Mögliche dafür zu tun, er ist aber auch in der Lage, den Wunsch nicht zu erfüllen, ohne sich deshalb frustriert zu fühlen. Und damit erwirbt er auch das Wissen, das er braucht.

Eintritt in den Körper eines anderen bedeutet im übertragenen Sinn: Man kann sich in einen anderen Menschen hineinversetzen, mit ihm fühlen, wie schon weiter oben besprochen.

Unbehinderter Wille und göttliche Macht: Durch regelmäßige Übung der Yogapraktiken, Innenschau, Hingabe an Gott, Anwendung der Raja Yoga-Techniken zur Persönlichkeitsentfaltung entwickeln wir allmählich eine starke Willens- und Gedankenkraft.

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