Kapitel 1, Vers 24

Deutsche Übersetzung:

Ishvara ist ein besonderes Bewußtseinszentrum frei von Leid, Karma und Wünschen.

Sanskrit Text:

kleśa karma vipāka-āśayaiḥ-aparāmṛṣṭaḥ puruṣa-viśeṣa īśvaraḥ ||24||

क्लेश कर्म विपाकाशयैःपरामृष्टः पुरुषविशेष ईश्वरः ॥२४॥

klesha karma vipaka ashayaih aparamrishtah purusha vishesha ishvarah ||24||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • kleśa = Hindernisse des spirituellen Aspiranten, Leid, Ursache des Leides
  • karma = Handlung und Wirkung
  • vipāka = Wirkung der Handlung, Folgen der Handlungen
  • āśayaiḥ = Sediment, das von den Handlungen übrig bleibt. Also sowohl Erinnerung als auch Ursprung für neue Wünsche
  • aparāmṛṣṭaḥ = unberührt
  • puruṣa = das unveränderbare Selbst, Drashtu, hier Individuum
  • viśeṣa = besonders
  • īśvara = persönlicher Gott, ideal gedachtes Wesen

 

Kommentar

Hingabe an Gott führt da zur Befreiung, wo wir uns Gott vorstellen als

  • unberührt von Leiden. Gott leidet nicht, auch wenn er in seinen Verkörperungen zu leiden scheint
  • nicht dem karma unterworfen
  • wunschlos.

Die Vorstellung, daß Gott leidet oder es uns übelnimmt, wenn wir ihn nicht verehren, führt uns nicht zur Befreiung. Gott braucht keine Verehrung und auch keine Opfergaben. Gott hat nicht den Wunsch, daß alle Menschen Christen oder Moslems oder Hindus werden. Gott erwartet auch nicht von uns, daß wir dieses oder jenes tun, und wenn wir es nicht tun, ist er uns böse. Natürlich gibt es das Gesetz des karmas. Aber es ist nicht so, daß Gott Wünsche oder Vorlieben hätte. Gott ist frei von Leiden, frei von karma und frei von Wünschen. Gott bevorzugt weder Hindus noch Moslems noch Christen. Gott in seinem höchsten Aspekt hat auch nicht den Wunsch, daß mehr Menschen Yoga praktizieren.

Gottesverehrung hilft dem Menschen zur Befreiung, aber nicht Gott. Es heißt zwar, daß Gott uns sucht und, wenn wir einen Schritt zu ihm hin machen, hundert Schritte auf uns zugeht. Aber das ist nicht ein Wunsch, den er hat, sondern es liegt in der Natur Gottes, in seiner allumfassenden, bedingungslosen Liebe.

Patanjali verliert also nicht viele Worte darüber, was ishvara ist. Ob er weiblich oder männlich, persönlich oder unpersönlich, Schöpfer der Welt ist oder nicht, bleibt dahingestellt. Wir können ihn uns auf verschiedene Weisen vorstellen.

Patanjali gibt noch drei weitere Aphorismen über ishvara:

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