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18-17 Kommentar Sukadev

Frei von Ichgedanken„ – die Erkenntnis, „Ich bin nicht der Handelnde“, wie oben beschrieben.

Wessen Verstehen nicht von gut oder böse gefärbt ist“ – Da muss man wieder aufpassen, dass man den Vers nicht isoliert betrachtet und falsch interpretiert, zum Beispiel für willkürliche oder unethische Handlungen.

Mit oberflächlichem oder falschem Verständnis könnte jemand zu dem Schluss kommen: „Ich fühle mich als Instrument, ohne egoistische Gedanken, und ich spüre in mir, ich muss jetzt ein paar Menschen umbringen. Ob das gut oder schlecht ist, braucht mich nicht zu interessieren, denn ich mache es ja nicht aus Einzelinteresse. Somit bin ich nicht gebunden und dann macht das ja alles nichts.“

So ist es natürlich nicht gemeint.

Ethik beachten

Nicht umsonst geht das 16. Kapitel voraus, wo Krishna sehr klar sagt, was “Daiva” und “Asura”, also ethisch und unethisch ist.

Und natürlich gelten immer die fünf Yamas als Grundregeln:

Satya, Wahrhaftigkeit
Ahimsa, Nichtverletzen
Brahmacharya, Vermeidung von sexuellem Fehlverhalten
Asteya, Nichtstehlen
Aparigraha, Unbestechlichkeit

Daran muss man sich auf dieser Ebene des Menschseins natürlich halten.

Aber auf einer höheren Ebene gibt es nicht gut und schlecht, sondern es gibt nur Göttliches. Alles ist irgendwie Ausdruck des göttlichen Waltens.

Für uns selbst gilt es, uns an die  Ethik zu halten. Aber gleichzeitig sollten wir nicht annehmen, dass ein anderer Mensch abgrundtief schlecht ist, wenn er gegen etwas verstösst.

Wir können versuchen, alles, was im Menschen angelegt ist, als eine Manifestation des Göttlichen aufzufassen. Auf diese Weise bemühen wir uns um das Gute, ohne Hass und ohne Fanatismus. Denn wenn wir andere als böse empfinden, entsteht Hass und aus Hass entsteht neues Leid. Wir haben Verständnis, und bemühen uns trotzdem, das Richtige zu tun und notfalls auch jemanden davon abzuhalten, gegen die Grundregeln der Ethik zu verstossen.

Auch wenn es uns einmal passiert, dass wir, getrieben von einem Impuls, den wir nicht beherrschen konnten, doch etwas gemacht haben, was nicht wirklich in Ordnung war, sollten wir es im Nachhinein Gott darbringen. Natürlich bemühen wir uns, an uns zu arbeiten, ethisch zu handeln, aber manchmal passieren solche Impulse. Wir merken dann zwar im Nachhinein, ich hätte eigentlich besser anders gehandelt, aber ich bringe es trotzdem Gott dar. Gott wirkt selbst durch die Fehler.

So wie Mephisto in Goethes „Faust“ sagt: „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und Gutes schafft.“

Oder wie es Jesus ausgedrückt hat, „Es muss ja Übles kommen, aber wehe dem, durch den es geschieht.“ – Karma muss ablaufen, aber wer es absichtlich durch eine unethische Tat auslöst, lädt neues Karma auf sich.

Auf eine andere Weise können wir über die Vorstellung von Gut und Böse hinaus wachsen, indem wir erkennen, dass jede Neigung und jede Handlungstendenz eines Menschen in irgendeinem evolutionären Kontext auch einmal sinnvoll war.

“tötet nicht und ist auch nicht durch Karma gebunden, auch nicht, wenn er tötet” – mit diesem Vers tun wir uns eher schwer, mindestens auf der wörtlichen Ebene.

Ist Gewalt zu rechtfertigen? Gibt es tatsächlich gute Gründe, einen Menschen zu töten? – Normalerweise ist die Antwort ein klares Nein. Aber manchmal braucht es tatsächlich das rechtsstaatliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel, unter Beachtung des kleinst möglichen Mittels, um Schaden abzuwenden. Angenommen, ein Geiselnehmer hat hundert Menschen in seiner Gewalt. In einer solchen Situation kann es durchaus die Aufgabe eines Scharfschützen sein, den Geiselnehmer zu töten, wenn die Menschen anders nicht zu retten sind. Es ist seine Pflicht und seine Aufgabe. Auf dieser Ebene kann man es vielleicht noch irgendwie vertreten, zu sagen, um das Leben Vieler zu retten, kann es notwendig sein, ein Leben – also eines potentiellen Massenmörders – zu töten, wenn keine andere Lösung möglich ist.

Man muss dabei im Blick behalten, dass Arjuna gegen ein totalitäres Regime kämpft.

Für uns würde es sich sicherlich schöner anfühlen, wenn Arjuna eine Methode des gewaltlosen Widerstandes gefunden hätte. Aber so war es nicht und wahrscheinlich müssen wir damit leben, dass es Extremsituationen gibt, wo Menschen vor solche Gewissensentscheidungen gestellt werden.

Die Technik des gewaltlosen Widerstandes ist übrigens in der Theorie erst im 19. Jahrhundert entwickelt worden. Gandhi war der erste, der sie in die Praxis umgesetzt hat. Er hat sich mit dieser Philosophie, mit der Bergpredigt und als Rama-Verehrer mit dem Ramayana-Epos beschäftigt, welches in weiten Teilen auch von Kämpfen handelt. Aber Gandhi war der Meinung, das müsse man auf einer subtileren Ebene verstehen und in diesem Sinne gehe es mehr die Frage von Mut und Aufstehen gegen Unrecht, aber eben gewaltlos.

Auch Martin Luther King hat gezeigt, dass man damit einiges bewirken kann und in der neueren Geschichte gibt es noch weitere Beispiele.

Um Willkür vorzubeugen, weisen moderne Rechtssysteme eine klare ethische Richtlinie auf. Zum Beispiel wird Völkermord geahndet oder wenn jemand auf Befehl andere foltert oder umbringt, muss er sich vor dem Völkerrecht verantworten.

Zusammenfassend kann man also sagen: Zum einen fühlt man sich als Instrument und tut seine Pflicht. Aber es gibt auch eine übergeordnete Ethik und das Sich-als-Instrument-Fühlen würde zum Beispiel keinen Selbstmordattentäter rechtfertigen oder die leichtfertige Mißachtung hoher ethischer Werte.

Grundsätzlich gilt, Ahimsa Paramadharma – Ahimsa, Gewaltlosigkeit,  ist die höchste Pflicht.