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6. Duryodhana, Yudhishtira und Draupadi

Yudhisthira mit Draupadi auf dem ThronDuryodhana gefiel natürlich gar nicht, dass Yudhishtira jetzt der machtvollste Herrscher Indiens war. Er wusste aber auch, dass er Yudhishtira nicht offen bekämpfen konnte. Deshalb ersann er eine List. Er lud Yudhishtira zum Würfelspiel ein. Yudhishtira hatte nämlich eine kleine Eigenart, ein Laster[1]. Yudhishtiras Eigenart nun war, dass er eine Spielschwäche hatte. Wenn er einmal anfing um Geld zu spielen, dann konnte er nicht mehr aufhören.

Weil er das wusste, gab es in seinem Königreich keine Spiele um Geld. Er selbst war sehr konsequent darin, Spiele überhaupt gar nicht erst anzufangen, weil er wusste, dass das ausarten würde. Demzufolge hatte er schon seit Jahren nicht mehr gespielt und war kein guter Spieler mehr. Es gab aber folgende Regel: Wenn ein König den anderen König einlud, dann musste der andere König kommen. Wenn er nicht erschien oder wenn er eine Einladung ausschlug, dann galt das als Beleidigung, auf die normalerweise die Kriegserklärung folgte. Da Yudhishtira keinen Krieg wollte, nahm er Duryodhanas Einladung an. Und weil es in seinem Königreich nie Glücksspiel gegeben hat, konnte er auch niemanden bitten an seiner Statt zu spielen. Duryodhana dagegen hatte einen gewieften Falschspieler, nämlich einen Onkel namens Shakuni, der an seiner Stelle spielte. Das hatte zur Folge, dass Yudhishtira ein Spiel nach dem nächsten verlor. Er verlor erst etwas Kleines, dann etwas Größeres und dann immer mehr. Schließlich verlor er alles an Geld und Besitztümern, was er hatte. Zuletzt spielte er auch noch um seine Familie. Er verlor erst seine Brüder, dann sich selbst und zum Schluss auch noch ihre gemeinsame Frau, namens Draupadi. Die fünf Pandavas hatten zusammen eine Frau, nämlich Draupadi.

Es gab mal eine Zeit, wo die Kauravas Mordanschläge auf die Pandavas verübt hatten. Die Pandavas haben es überlebt und sich infolgedessen eine Weile zurückgezogen und als Brahmanen verkleidet, um nicht erkannt zu werden. Eines Tages gab es dann eine Brautschau bzw. Bräutigamschau. Die Braut sollte derjenige bekommen, der einen Bogen spannen und dann mit diesem Bogen einen Pfeil durch sieben hintereinander liegende Ösen hindurch schießen konnte. Arjuna schaffte das mit Leichtigkeit. Freudestrahlend kam er dann am Abend nach Hause zur Mutter und sagte: „Rat mal Mutter, was ich heute auf meinem Bettelgang bekommen habe.“ Seine Mutter antwortete: „Was auch immer es ist, teilt es unter euch fünfen auf.“ Für die Pandavas galt das Wort der Mutter als heilig. Daher mussten alle fünf Draupadi heiraten. Zunächst war es für alle etwas befremdend. Doch mit der Zeit gewöhnten sie sich daran eine gemeinsame Frau zu haben. Neben Draupadi hatten die einzelnen Pandavas aber auch Nebenfrauen gehabt. Arjuna z.B. hatte zwei oder drei Frauen gehabt, genauso auch Bishma. Nur Yudhishtira war glücklich und zufrieden mit Draupadi als alleiniger Frau. Daher verspielte er sie zuletzt.

Duryodhana wollte nun seinen Triumph auskosten. Er ließ Draupadi an den Haaren zum Königshof hinziehen. Sie wehrte sich dagegen und erinnerte Duryodhana daran, dass Yudhishtira sie zuletzt verloren hatte. Zuerst verlor Yudhishtira sich selbst in die Sklaverei, wodurch die Ehe automatisch annulliert war. Draupadi gehörte nicht mehr zu Yudhishtira. Er hatte deswegen auch nicht das Recht sie zu verspielen. Das sagte Draupadi zu Duryodhana. Duryodhana erwiderte aber, dass das keine Rolle spielt, und sie jetzt trotzdem seine Sklavin sei. Er befahl seinen Hofangestellten: „Zieht sie aus und zeigt sie als Nackte hier vor dem Königshof zum Zeichen, dass sie meine Sklavin ist.“ Draupadi wandte sich an die Adligen im Raum. Da Duryodhana kein absoluter Herrscher war, hätte dieser, wenn alle Adligen dagegen gestimmt hätten, keine Chance gehabt, Draupadi als Sklavin zu bekommen. Aber alle Anwesenden waren wie gelähmt von der Tatsache, dass die Pandavas alles verloren hatten; dass sie jetzt machtlos waren; dass alles vorbei war; dass Yudhishtira, jetzt am Höhepunkt seiner Macht, alles verspielt hatte. Draupadi appellierte an die verschiedenen Ältesten, die dort versammelt waren. Aber keiner traute sich irgendetwas zu sagen.

Draupadi ruft Krishna zu Hilfe

Daraufhin wandte sich Draupadi an Krishna. Sie streckte die Arme in die Höhe und sprach: „Krishna, Du allein bist meine Zuflucht.“ Krishna war zwar nicht im Raum anwesend, aber Draupadi wusste, dass Krishna eine Inkarnation Gottes war und sich überall manifestieren konnte. Als Duryodhana erneut seinen Angestellten befahl Draupadi zu entkleiden, folgten sie seiner Aufforderung. Sie nahmen ihr den Sari[2] weg. Darunter war ein anderer Sari. Auch dieser Sari wurde entnommen. Wieder war ein neuer Sari da. Als die Angestellten irgendwann ein paar Dutzend Saris von Draupadis Körper genommen hatten, merkten sie, dass das irgendwie nicht mit rechten Dingen zuging. Draupadis Hilferuf war von Krishna erhört worden. Auch hörten alle Anwesenden noch verschiedene Omen, die Dhritarashtra als Oberkönig veranlassten aufzustehen und zu verkünden:„Oh Draupadi, ich lass dich in die Freiheit und gewähre dir auch noch zwei Wünsche.“ Draupadi entgegnete: „Lass nur meine Männer in die Freiheit zurück, die werden dafür sorgen, dass ich bekomme, was ich brauche.“ Dhritarashtra, der die ganzen schlechten Omen gehört hatte, sagte zu Yudhishtira: „Oh, Yudhishtira, du bekommst deine Hälfte des Königreichs wieder, du bekommst alles wieder zurück. Bitte verzeih meinem Sohn, dass er so schlimm gehandelt hat. Möge Frieden herrschen in diesem Königreich.“ Yudhishtira antwortete: „Danke für deine Großzügigkeit, kein Problem. Von meiner Seite ist alles vergessen.“

 


[1] in der Mahabharata findet man nicht die rein Guten und rein Bösen. Man findet durchaus auch Stellen, wo der Duryodhana sehr großherzig und großartig ist und es gibt auch Stellen, wo der Yudhishtira schwach dargestellt wird.

[2] Indisches Kleidungsstück. Ein paar Meter langes Tuch.