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Indische Philosophiesysteme (Darshanas)

Zum besseren Verständnis der Bhagavad Gita kann es hilfreich sein, den Leser kurz in die sechs klassischen indischen Darshanas (Philosophiesysteme) einzuführen. Ich möchte den Leser jedoch warnen: Dieses Kapitel ist das schwierigste dieses Buches… Weniger philosophisch orientierte Leser sowie solche, die mit indischer Philosophie bisher wenig zu tun hatten, können auch gleich zum nächsten Kapitel springen…

Schon zu Krishnas Zeiten existierten sechs klassische Philosophiesysteme. Um seinem Schüler Arjuna seine Lehren zu verdeutlichen, wechselt Krishna in der Bhagavad Gita häufig die Standpunkte. Deshalb lassen sich auch die verschiedensten Strömungen in der Bhagavad Gita finden, auf die Krishna sich jeweils beruft. Diese Tatsache macht die Bhagavad Gita als Buch auch noch interessanter. Verschiedenste Vertreter unterschiedlicher philosophischer Richtungen, erheben den Anspruch, Krishna wäre in ihrer Philosophie verankert.

Die sechs klassischen Darshanas sind:

  • Purva Mimamsa
  • Vaisheshika
  • Nyaya
  • Sankhya
  • Yoga
  • Uttara Mimamsa auch „Vedanta“ genannt

 1. Die Purva Mimamsa Philosophie

Purva Mimamsa, „Purva“ bedeutet „vorherig“; „Mimamsa“ bedeutet „Erörterung/Reflexion“. Beides sind Sanskritausdrücke, die übersetzt soviel wie „Erörterung oder Untersuchung des vorderen Teils der Veden“, bedeuten. Als der Begründer dieser philosophischen Richtung gilt der Weise Jaimini. Die Purva Mimamsa war zu Krishnas Zeiten das populärste Philosophiesystem in Indien. Auch bis heute ist es im indischen Volksglauben mit das Populärste. Da Arjuna in diesem Glauben aufgewachsen, und in ihm fest verwurzelt ist, nimmt Krishna immer wieder Bezug auf dieses System. Nur so kann er Arjuna erreichen. Krishna selbst steht dieser Philosophie recht ablehnend gegenüber.

Das Purva Mimamsa System besagt: Ziel des Lebens ist, in den Himmel zu kommen, um dort ein schönes paradiesisches Leben zu führen. Ein zweites Ziel ist es in jeder Inkarnation auf dieser Erde ein schönes, angenehmes Leben zu leben. Und um dorthin zu kommen müssen wir „Punyas“ ansammeln und „Papas“ vermeiden oder sühnen. „Punya“ kann man übersetzen als „Verdienst“ und „Papa“ kann man übersetzen als „Sünde“. Wahrscheinlich wäre es besser, „Vergehen“ zu sagen, da der christliche Sündenbegriff nicht ganz in Übereinstimmung mit dem Sündenbegriff in der Bhagavad Gita ist. Punya und Papa entstammen der Karmalehre.

  •  Wir tun etwas Gutes und anschließend kommt etwas Gutes auf uns zurück.
  • Wir tun was Schlechtes. Konsequenz ist, dass etwas Schlechtes auf uns zurückkommt.
  • Wir verletzen jemanden, wir werden verletzt.
  • Wir geben eine Spende, wir werden im nächsten Leben reich – vielleicht auch schon in diesem Leben.

Das ist das Grundprinzip der Purva Mimamsa Philosophie.

Weite Teile der Veden lehren diese Purva Mimamsa Philosophie. Insbesondere wird diese Lehre vom so genannten „Karma Kanda“ der Veden unterstützt. Im Karma Kanda wird beschrieben, welche Handlungen wir tun müssen, um gutes Karma zu erzeugen. Demgegenüber steht der „Jnana Kanda“. Im Jnana Kanda geht es darum, wie wir zum Wissen kommen. Die Veden selbst bestehen aus vier Teilen,

  • den Samhitas,
  • den Brahmanas,
  • den Aranyakas und
  • den Upanishaden.

Die ersten drei zusammen formen den Karma Kanda. Der größte Teil der Veden wird also als Karma Kanda bezeichnet und ein kleiner Teil der Veden gehört zum Jnana Kanda.

Der Karma Kanda nun bildet die Grundlage der Purva Mimamsa Philosophie. Jede Handlung hat eine Konsequenz. Welche Handlung welche Konsequenz hat, wird im Karma Kanda nicht expliziert ausgeführt. Dies kann man besser in den Puranas nachlesen. Dort steht in aller Ausführlichkeit geschrieben, welche Handlung in welchen Himmel führt, welches Vergehen dich in welche Hölle bringt; was mit dir im nächsten Leben passiert, wenn du in diesem Leben jemanden umgebracht hast; was du tun musst, wenn du König werden willst; wenn du eine Frau heiraten willst; ein Brahmane werden willst; wenn du über jemanden negativ gesprochen hast; wenn du gestohlen, gelogen, geraubt, gemordet hast usw. Wer das nachlesen will, kann das in Swami Sivanandas Buch „What becomes with the Soul after death“ oder Swami Vishnus Buch „Karma und Krankheiten“ nachlesen. Da ist einiges davon beschrieben.

Was gab es aber für Möglichkeiten, böse Taten zu sühnen? Im Karma Kanda werden uns drei Mittel angeboten, etwas Konkretes zu erreichen, Punyas anzusammeln bzw. Papas wieder gut zu machen. Diese sind:

  1. Dana
  2. Tapas
  3. Puja und Homa.

Dana heißt gute Werke tun. Dana heißt geben. Indem wir eben einen Teil unseres Vermögens anderen zur Verfügung stellen, schaffen wir gutes Karma. Wenn wir jemandem etwas gestohlen haben, dann können wir es gut machen, indem wir ihm das wieder zurückgeben, vorzugsweise mit Zinseszins. Wenn man also Mal während seines Lebens feststellt, dass man so viele schlechte Dinge getan hat, dann kann man probieren, es wieder gut zu machen.

Tapas heißt Disziplin oder Askese. Tapas können wir machen, indem wir viel Fasten, indem wir auf dem Boden schlafen, indem wir im Ganges im kalten Wasser stehen, in dem wir ein Feuer anzünden und uns in die Mitte begeben, in dem wir in der heißen Sonne sitzen und ähnliche Praktiken machen. Krishna lehnt jede extreme selbstquälerische Praxis ab, und schimpft sogar an einigen Stellen in der Bhagavad Gita darüber. Er äußert sich immer wieder abwertend über die Purva Mimamsa Philosophie. Er möchte nichts mit ihr zu tun haben und unterstellt dieser Philosophie, sie hätte nichts mit spirituellem Leben zu tun. Vor allem, weil es in diesem System auch furchtbare Askesen gibt, die er gerade im 18. Kapitel und auch in anderen Kapiteln beschreibt. Dazu zählen z.B. tagelang auf einem Bein stehen oder die Fingernägel nicht schneiden, bis sie irgendwann so lang werden, dass sie durch die Hand hindurch wachsen im Bogen.

Es gibt ein sehr interessantes Buch „Das spirituelle Feuer“, erschienen im Mangalam Verlag, was die Lebensgeschichte eines Asketen in Indien beschreibt. Dieser hielt z.B. die Arme immer hochgehoben, so dass sie nicht mehr durchblutet wurden und die Hände vermoderten und er hat weitere extreme Formen von Tapas praktiziert.

Dann gibt es auch „Puja“ und „Homa“. Puja und Homa sind Gottesverehrungs- und Feuerrituale. Beides sind die heute in Indien wohl verbreitesten Formen, um Papas zu vermeiden und Punyas anzuhäufen. Dana und Tapas werden nicht mehr so häufig ausgeführt. Wenn ihr in Indien zu einem Priester geht, sagt der vielleicht: „Ich will eine Puja für euch machen.“ Als westlicher spiritueller Aspirant findet man das irgendwie toll. Dann fragen sie, was für einen Wunsch du dafür hast. Für die Puja hat man einen bestimmten Wunsch. Durch die Puja sammelt man Punyas an und diese Punyas gehen dann (nach diesem Glauben) in die Wunscherfüllung hinein. Zum Schluss will der Priester dann natürlich auch noch eine Spende dafür haben, dass das alles funktioniert.

Arjuna ist nun in dieser Purva Mimamsa Philosophie aufgewachsen. Er argumentiert aus ihr heraus, er glaubt an sie. Sie ist seine Weltanschauung, seine religiöse Überzeugung. Arjuna kommt zu Beginn der Bhagavad Gita in einen großen ethischen Konflikt. Er weiß nicht, was er tun soll. Er will vermeiden, Papa (Sünde) zu erzeugen. Er will Punya erzeugen. Er ist aber in einer Zwickmühle: Egal, wie er sich entscheidet, schafft er nach den Purva Mimamsa Prinzipien Papa: Kämpft er, werden Menschen sterben, kämpft er nicht, werden ebenfalls Menschen sterben. Das ist eines der Grundprobleme des menschlichen Lebens. Wir können nicht leben, ohne anderen Leid zuzufügen. Betrachten wir mal folgende Situation:

Du liegst im Bett und liest dieses Buch. Eigentlich nicht Schlimmes, könntest du meinen. Du entspannst dich, du lässt dich von indischen Weisheiten inspirieren und tust etwas für deine spirituelle Entwicklung, bist völlig versunken in diesen heiligen Wahrheiten. Doch gleichzeitig tötet dein Körper Tausende von Bakterien. Du sitzt oder liegst nur da, und Tausende von Lebewesen werden getötet. Es sterben Zellen im Körper usw. Das Fazit ist, du kannst nicht leben, ohne irgendwelche Papa im engeren Sinne zu begehen.

Auch in der christlichen Theologie kennt man das Problem. Dort spricht man von der Ursünde. Der Begriff der Ursache kann verschieden interpretiert werden. Zum einen spricht man von der so genannten „Urabsonderung“. Wenn wir uns von Gott getrennt fühlen, dann ist das die Ursünde, mit der jeder Mensch schon geboren wird. Zum anderen kann man es so sehen: Wir entfernen uns von Gott, weil wir Vergehen im Leben begehen. Und da wir nicht umhin kommen, gegen Gottes Gebote zu verstoßen, sind wir in der Ursünde befangen. Die christliche Theologie befasst sich sehr ausführlich mit diesem Problem, worauf ich hier aber nicht näher eingehen will.

Krishna wendet sich nun gegen diesen philosophischen Ansatz. Sein Ansatz der Spiritualität sieht so aus, dass es nicht darum geht Dinge zu tun, um Punyas anzuhäufen. Man sollte nicht Pujas oder Homas zelebrieren, um etwas Konkretes zu erreichen. Es ist nicht richtig Tapas zu tun, um etwas zu erreichen oder Spenden zu geben mit dem Hintergedanken, dann selbst mehr zu bekommen oder gutes Karma anzuhäufen. All diese Handlungen sind aus Wünschen heraus geborene Handlungen. Sie führen dazu, dass wir denken, wenn wir all das haben, dann werden wir glücklich werden. Letztlich bleibt die Purva Mimamsa im Egoismus verhaftet.

 2. Die Vaiseshika Philosophie

Vaishesika ist eine materialistische Philosophie. Sie sagt, dass es das Ziel des Lebens ist, irgendwie Vergnügen zu haben und glücklich zu sein. Nach dieser Philosophie sind wir der physische Körper und haben keine unsterbliche Seele. Die Seele ist nur ein Ausfluss des menschlichen Körpers. Es gibt keine höhere Macht im Leben und kein Leben nach dem Tod. Wir sollten unsere Wünsche und unsere Bedürfnisse erfüllen, so gut es geht. Dabei sollten wir aber aufpassen, dass wir mit anderen Menschen nicht zu sehr in Konflikt geraten oder ethische und moralische Grenzen verletzen.

Sicherlich ist das die „offizielle“ Philosophie unserer heutigen Zeit – die Philosophie, die in unseren Schulen und auch in einigen psychologischen Richtungen propagiert wird. Wenn es uns gelingt, unsere Wünsche und Bedürfnisse zu befriedigen, ohne in Konflikt mit anderen zu geraten, dann sind wir glücklich.

Viele Menschen stellen sich allerdings die Frage, wenn mit dem Tod wirklich alles zu Ende ist, warum soll ich mich dann an ethische Richtlinien halten? Wenn es das Ziel des Lebens ist, Wünsche zu erfüllen und Bedürfnisse zu befriedigen, reich zu werden und Ruhm zu erlangen, wozu brauche ich dann noch Ethik? Nach dem Tod hätte es ja sowieso keine Konsequenz.

Eine Philosophie, die sicherlich von ihren Gründern her durchaus die Wichtigkeit ethischer Richtlinien propagiert, wird missbraucht von Menschen, die dieser Philosophie nur teilweise folgen. Ein ähnliches Beispiel, das den Unterschied zwischen Theorie und praktischer Anwendung verdeutlicht, ist der Kommunismus. In der Theorie war der Kommunismus etwas sehr Schönes. Es geht zwar auch um die Bedürfnis- und Wunscherfüllung aber er ist eben materialistisch. Marxismus/Leninismus glauben an keine höhere Wirklichkeit. So hat er in den meisten bekannten Formen, wo er auf Materialismus beruht, zu Tyrannei und Menschenverachtung geführt. Wenn der Kommunismus auf spirituellen Prinzipien beruht hat, wie in Klöstern und spirituellen Gemeinschaften, hat er durchaus funktioniert.

Krishna wendet sich auch gegen die Vaishesika Philosophie. Im 16. Kapitel spricht er über die „Suras“ und die „Asuras“, die „Engelswesen“ und die „Dämonen“. Er bezeichnet die Verfechter einer rein materialistischen Weltanschauung als „dämonisch“. Dies mag uns heute etwas übertrieben vorkommen. Ich komme später darauf zurück.

 3. Die Nyaya Philosophie

Nyaya bedeutet „Logik“. Die Nyaya Philosophie gibt es in zwei verschiedenen Ausprägungen, einmal in logikorientierter Ausprägung, ein anderes Mal in der bhaktiorientierten Ausprägung.

Laut der logikorientierten Form werden Subjekt und Objekt der menschlichen Erkenntnis aufgrund der Gesetze der Natur untersucht.

In der bhaktiorientierten Tradition hat Gott die Welt geschaffen, und der Mensch ist auf ewig von Gott getrennt. Dies verursacht Leiden für den Menschen, welche er aber durch spirituelle Praktiken und Hingabe an Gott mindern kann. Es ist die Philosophie der Hingabe und des Loslassen, eine dualistische Philosophie, die im Unterpunkt Uttara Mimamsa noch etwas näher beschrieben wird.

4. Die Sankhya Philosophie

Die Sankhya Philosophie ist eine dualistische Philosophie, die zwei absolute Prinzipien – Purusha und Prakriti – postuliert. Purusha gilt als unsere wahre Natur, unser wahres Selbst, als reines Bewusstsein. Prakriti ist etwas vom Selbst Getrenntes. Prakriti ist unsere Natur, die aus den drei Gunas besteht. Laut Sankhya sind das zwei verschiedene Dinge, die immer von einander getrennt bleiben. Purusha (das Selbst) hat mit Prakriti (der Natur oder der Materie) nichts zu tun.

Sankhya ist ein sehr hoch interessantes Philosophiesystem, dazu könnte man ein ganzes Buch schreiben. Nach dem Sankhyasystem ist es unsere wichtigste Aufgabe, uns von der Identifikation mit der Prakriti zu lösen, uns vom Handeln zu lösen und nach und nach zu Purusha, unserer wahren Natur zu kommen und uns in ihr zu verankern.

Aus diesem Grund gehört die Entsagung als ein wichtiger Bestandteil zur Sankhya Philosophie. Das Hineingehen in die Prakriti führt zur Verhaftung. Verhaftung führt zum Leiden. Leiden führt zur Wiedergeburt. Mit der Wiedergeburt inkarniert man sich in einen neuen Körper. Man macht neue Erfahrungen. Mit diesen Erfahrungen kann man sich wieder identifizieren. So beginnt der Kreislauf von neuem.

Krishna argumentiert oft vom Standpunkt der Sankhya Philosophie aus und setzt diese sowohl dem Purva Mimamsa Philosophiesystem als auch dem Yoga gegenüber.

 5. Das Yoga Philosophiesystem

Yoga ist nun ein vielschichtiger Begriff und, wie so oft im Sanskrit, schwer zu definieren. Was Yoga wirklich ist, ist äußerst schwer in Worte zu fassen. Im indischen Sprachgebrauch wird das Wort „Yoga“ ganz unterschiedlich verwendet. Vom Wortstamm kommt es von „Yug“. „Yug“ heißt „verbinden“. Somit heißt Yoga Verbindung. Dies ist zumindest die wörtliche Bedeutung. Wenn du jetzt im Sanskrit sagen würdest, stelle mal bitte eine Verbindung zwischen einem Auto und seinem Anhänger her, dann hieße das Autoanhängersamyogaha. Übrigens ähnlich wie Lateinisch „jugare“. Beides sind ja indogermanische Sprachen. „Jugare“ heißt auch „verbinden“.

Yoga in einem Sinne als Philosophiesystem wird meistens bezogen auf Patanjali. Patanjali war der Autor des Yoga Sutra. Da die Bhagavad Gita aber sicher vor Patanjali datiert werden kann, kann sich Krishna nicht auf Patanjalis System bezogen haben. Trotzdem erwähnt Krishna ständig das Wort Yoga. Yoga ist ein praktisches System, welches dazu führen will, die individuelle Seele mit der kosmischen Seele zu verbinden bzw. diese Einheit herzustellen.

Wenn Inder, besonders in der heutigen Zeit, von Yoga sprechen bezieht es sich oft auf das „Raja Yoga“. Besonders bei den intellektuellen Indern. In den 6 Philosophiesystemen gilt Yoga als das Raja Yoga von Patanjali. Wenn Krishna in der Bhagavad Gita einfach von Yoga spricht, meint er meistens den Karma Yoga. Ansonsten gebraucht er das Wort Yoga in Verbindung mit je einem anderem Wort: „Jnana Yoga“, „Sankhya Yoga“ etc. Insbesondere als Überschrift für jedes der 18 Kapitel der Bhagavad Gita wird immer das Wort „Yoga“ in Verbindung mit einem anderen Sanskrit Begriff gebraucht. Eine einfache Definition von Yoga wäre:

Yoga ist ein praktisches System, um zur Einheit zu kommen.

 6. Die Uttara Mimamsa Philosophie auch Vedanta genannt

„Uttara“ heißt „höchstes“, „herausragend“. Uttara Mimamsa gilt als das großartigste aller Philosophiesysteme.

Uttara Mimamsa ist gleichbedeutend mit Vedanta. „Vedanta“ heißt das „Ende (Anta) des Wissens (Veda)“. Uttara Mimamsa wurde von Shankaracharya (indischer Meister 788-820 n.Chr.) popularisiert in der Form von Kevala Adwaita Vedanta. Aus diesem System stammen u.a. die Ausdrücke:

  • Brahman (das Absolute)
  • Maya (Täuschung)
  • Iswhara (persönlicher Gott)
  • Atman (Selbst)

Brahman gilt als die höchste allumfassende Wirklichkeit, bei der Natur und Welt eins sind. Es gibt keine Dualität, wie im Sankhya System. Das Ziel des Lebens ist es, Wissen über seine wahre Natur zu erreichen, nicht wie in der Purva Mimamsa Philosophie das Ansammeln von Punyas.

Maya bedeutet Illusion.

Iswhara gilt als eine Manifestation Brahmans.

Atman ist eins mit Brahman. In Shankaracharyas Philosophie heißt „Atman“ „dieses Selbst, das unbewegt, ewig, unendlich und unveränderlich ist“.

Wenn Krishna nun von Atman spricht, ist aber nicht immer das höchste Selbst gemeint. Oft ist darunter das Selbst im Sinne von „Ich“ zu verstehen.

Neben Kevala Adwaita Vedanta gab es in Indien besonders im Mittelalter eine Reihe von theistischen oder auch deistischen Bhaktiströmungen, wo die Verehrung eines persönlichen Gottes eine ganz persönliche Rolle spielt.

Bei den anderen vorherig beschriebenen Systemen ist es anders. In der Purva Mimamsa gibt es zwar eine Verehrung Gottes. Aber Gott wird verehrt, um etwas von ihm zu bekommen. In Vaishesika und Nyaya gibt es keinen Gott. Ebenfalls gibt es keinen Gott in der Sankhya Philosophie. Es ist ein atheistisches System. Im Yoga gibt es einen Gott. Allerdings wird er dort verehrt mit dem Ziel, mit ihm zu verschmelzen – Yoga als Vereinigung. Im Uttara Mimamsa System ist Iswhara einfach eine Manifestation von Brahman. Wir verehren Gott. Über die Verehrung Gottes kommen wir zum höchsten Selbst.

So hat es dualistische Philosophiesysteme im indischen Mittelalter gegeben, die dann entweder als „Nyaya Nr. 2“ oder auch als „Dwaita Vedanta“ bezeichnet werden. Diese Philosophiesysteme besagen, dass Gott die Welt geschaffen hat. Wir wissen nicht genau, wie er sie geschaffen hat, aber er hat sie geschaffen. Er hat auch die Einzelseelen geschaffen und steht letztlich hinter allen Handlungen. Die Ursache des Leidens ist, dass wir uns von Gott entfernt haben und letztlich Gott nicht spüren. Das Ziel des Lebens ist es, Gott nahe zu kommen und ständig in Gottes Gegenwart zu leben. Also nicht eins zu werden mit Gott, sondern ihm sehr nahe zu sein. Das Mittel, um da hinzukommen, ist Bhakti. Über Hingabe gelangen wir zu Gott. Jnana Yoga oder andere Yogawege können auch noch helfen Gott nahe zu kommen. Aber das Hauptmittel um Gott nahe zu sein ist Bhakti. Dies hat große Gemeinsamkeiten mit den modernen christlichen Strömungen. Die sind oft eine gewisse Mischung aus Nyaya Nr. 2 und einer materialistischen Weltanschauung. Manche sagen auch, dass Gott mit der Welt nichts zu tun hat. Die Verehrung Gottes ist für uns persönlich gut, für die Öffnung unseres Herzens, für unser Seelenheil. Bei den Dwaitas gibt es nicht die allumfassende Wahrheit. Es ist nicht so, dass wir eins mit Gott sind, sondern wir sind von Gott auf ewig getrennt und die Vorstellung mit Gott Einswerden zu wollen, gilt als Ausdruck von Größenwahn. Das kann einem Yoga Übenden auch mal von einem Christen vorgeworfen werden: Es sei Ausdruck von menschlichem Größenwahn, zu meinen, Gott und Mensch seien eins. Etwas Ähnliches sagte auch ein indischer Meister namens Shri Prabhupada, der Begründer der westlichen Hare Krishna Begründung, der ein Dualist ist. Er nannte die Advaita Vedantins „Mayavadis“. Als Mayavadis gelten diejenigen Menschen, die die Maya propagieren und behaupten, diese Welt sei Illusion und die individuelle Seele sei eins mit Brahman.

 Fazit:

Viele indische Schriften sind mehrdeutig interpretierbar. Auch die Bhagavad Gita zählt dazu. Wenn sie nur von einem Standpunkt aus interpretierbar wäre, gäbe es nicht so viele Kommentare. Man kann sie vom Dwaita Standpunkt aus interpretieren und auch vom Adwaita Standpunkt. Der Adwaita Standpunkt entspricht unserer Tradition. Als Schüler von Swami Sivananda gehe ich in diesem Kommentar zur Bhagavad Gita von der Kevala Adwaita Philosophie aus im Bewusstsein, dass man die Bhagavad Gita auch von anderen Standpunkten aus interpretieren kann. Es gibt auch Mischungen von Dwaita und Adwaita, auf die ich aber nicht näher eingehen möchte.

Die Erläuterung der philosophischen Hintergründe sollte dem Leser helfen, die Bhagavad Gita differenzierter zu verstehen. Krishna nimmt auf die verschiedenen Philosophiesysteme immer wieder Bezug. Er verdammt das Purva Mimamsa System in relativ klaren Worten. Auch auf Vaishesika und Nyaya ist er nicht gut zu sprechen, er bezeichnet sie als asurisch (dämonisch). Den Sankhyas billigt er zu, zur Verwirklichung zu gelangen, betont aber gleichzeitig, dass der Weg der Sankhyas nur für sehr wenige Leute ist. Sie sei hart und schwierig zu erreichen. Er postuliert Yoga als Weg der Handlung, als Weg der Hingabe, auch als ein Erkenntnisweg. Schließlich spricht Krishna von Brahman, Atman, Maya und dem höchsten Ziel der Einheit von Selbst und von Brahman, also über Kevala Adwaita Vedanta.