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15-07 Kommentar Sukadev

Von hier an geht Krishnas Belehrung wieder in die andere Richtung. In den vorherigen Versen hat er uns zum Höchsten geführt und ermutigt: „Gehe ein in das höchste Bewusstsein.“ Hier geht er auf die relative Ebene zurück. Krishna will Arjuna immer wieder dort abholen wo er ist und ihm verschiedene Standpunkte zeigen.

Der spirituelle Weg

Leben ist nicht einfach eine logische Abfolge im Sinne menschlicher Logik, wo ein logischer Schritt dem nächsten folgt – und Spiritualität auch nicht. Leben und Spiritualität funktionieren nicht so mechanisch und systematisch. Man kann den spirituellen Fortschritt bis zum höchsten Ziel nicht planen, etwa: Heute mache ich Asanas und vervollkommne meinen Körper. Morgen übe ich Pranayama, erwecke die Kundalini und erlange die Herrschaft über das Prana. Übermorgen öffne ich mein Herz und erreiche Bhakti. Überübermorgen wandle ich das alles in die Tat um – Karma Yoga. Dann beherrsche ich meinen GeistRaja Yoga. Danach erfahre ich schrittweise die liebevolle Verbindung mit meinen Mitmenschen, mit meiner Umgebung, mit dem Planeten Erde, mit dem ganzen Weltall, dann nehme ich die Axt der Unterscheidung, kappe alles und verwirkliche Ahambrahmasmi – Ich bin Brahman – Ziel erreicht.

 

So ist es nicht. Wir üben Asanas und spüren Prana; wir machen Pranayama und erfahren Gott. Doch anschließend ärgern wir uns wieder über alles Mögliche im Alltag und vergessen all diese erhebenden Erfahrungen. Dann lesen wir die Bhagavad Gita und bitten: „Oh Gott, ich packe es allein nicht, bitte hilf du mir“ – Bhakti Yoga. Plötzlich erfahren wir wieder die Weite des Herzens. Parallel bemühen wir uns, den Geist zu beherrschen und jenseits von Zu- und Abneigung zu gehen – Raja Yoga. Während des Bemühens kommt plötzlich eine Phase, wo die Meditation tief wird, wir fühlen uns erhaben und erhoben. Und danach identifizieren wir uns plötzlich wieder mit etwas. Vielleicht sind wir auch stolz auf unsere Großartigkeit und im nächsten Moment fallen wir wieder heraus, vergessen alles Erhebende und rutschen in einen Mudha-Zustand der Depression (mudha = Trägheit, Dumpfheit des Geistes).

Dann wenden wir uns wieder an eine höhere Kraft und sagen zum Beispiel: „Oh Krishna, du bist alles. Du bist sogar meine Depression. Ich packe es nicht, herauszukommen. Hilf mir.“ Vielleicht hilft Krishna in dem Moment nicht sofort, aber wenn wir ganz loslassen, kommt früher oder später wieder das Element der Gnade hinein und alles wird wieder licht und klar, trotz und inmitten aller äußeren Umstände.

Oder, je nach Stimmung und Veranlagung, gehen wir nicht ins Bhakti sondern ins Jnana Yoga und  sagen uns vielleicht: In Wirklichkeit bin ich Brahman, aham brahmasmi. Es sind nur die Gunas, die in Bewegung sind. Auch mein Tamas ist nichts als eine Guna, eine der Eigenschaften der manifesten Natur. Aber „Ich“ bin das unsterbliche Selbst und habe mit all dem nichts zu tun. Und plötzlich identifizieren wir uns nicht mehr mit diesem Mudha-Zustand. Mag doch der Körper in seinem Trägheitszustand sein, mag es mir momentan an Prana mangeln, mag mein Geist deprimiert sein – „mir“ ist es egal, „ich“ bin jenseits von allem.

Auf dem spirituellen Weg liegen Höhen und Tiefen nahe beieinander, folgen einander, die Transformation erfolgt allmählich, nicht vorhersehbar und gleichmäßig. Es ist kein reiner Stufenweg, wo eine Stufe der anderen folgt. Und die besondere Schönheit der Bhagavad Gita ist, dass Krishna uns  an den verschiedensten Punkten abholt und uns über verschiedene Weisen immer wieder zum Höchsten bringt.

Wenn man die Bhagavad Gita einmal gelesen hat, kann man sie danach wie ein Orakel benutzen. Man kann innerlich beten und sagen: „Oh Krishna, Oh Gott, Oh Swami Sivananda, ich habe die und die Frage an dich. Bitte beantworte sie mir“, und dann willkürlich eine Seite aufschlagen und sehen, was die Bhagavad Gita dazu zu sagen hat.