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14-06 Kommentar Sukadev

Einige Kapitel vorher hat Krishna empfohlen, uns sattwig zu entwickeln. Das gilt natürlich weiterhin. Nur – Sattwa bindet auch; daher sollen wir uns nicht damit identifizieren. Bevor er nachher Arjuna Vieles rät, was er alles sattwig machen sollte, warnt er einleitend: „Binde dich nicht daran.“ Er will nicht, dass wir das zu einem neuen Schlachtfeld machen – in uns selbst und gegenüber anderen die Keule des Sattwa zu schwingen. Er will vielmehr, dass wir spielerisch – sattwig! – mit dem Streben nach Sattwa umgehen.

Von Natur aus ist alles makellos und strahlend – nirmala, rein, makellos. Unser Selbst, unser innerster Kern ist nirmala, makellos, unberührt. Der sattwige Geist ist makellos. Je sattwiger und durchlässiger wir sind, desto besser können wir das Selbst wahrnehmen und kann das Selbst durch uns hindurch wirken. Daher ist es sehr gut, daran zu arbeiten, uns selbst, unsere Umgebung, unser Denken und Handeln auf Sattwa auszurichten.

Sattwa ist strahlend und gesund für Körper, Geist und Seele – Seele hier verstanden im Sinne von Emotion, nicht als unsterbliches Selbst, denn das unsterbliche Selbst ist immer heil und gesund. Dennoch sollten wir auch daran nicht verhaftet sein und uns nicht an das Glück binden, das aus Sattwa kommt, denn auch dieses ist relativ und vergänglich.

Nicht am Sattwa hängen

Ein Beispiel: Dieses Buch ist aus Vorträgen einer neuntägigen Intensiv-Weiterbildung zur Bhagavad Gita entstanden. Die meisten Teilnehmer fühlen sich nach Ablauf einer solchen Intensivwoche sehr gut. Die Erfahrung zeigt, dass man sich toll fühlt, wenn man eine Weile täglich intensiv Pranayama und Asanas übt, meditiert, Mantras singt, Vorträge hört, die den Geist auf Höheres ausrichten. Es ist eine tolle Sache und der Grund, warum es sich so wunderbar anfühlt, ist dieses sattwige Gefühl, dieser sattwige Gemüts- und Körperzustand, in den einen diese Intensivpraxis versetzt und das subtile Prana, das dann da ist. Und dann kommt man wieder nach Hause, wo die Atmosphäre in der Firma, in der man arbeitet, wahrscheinlich nicht ganz diesen sattwigen Ton hat, sondern das Prana eher etwas rajasig und tamasig geprägt sein wird. Dann fühlt man sich nicht nur nicht mehr so gut, sondern zusätzlich denkt man: „Ach, es war doch so schön. Ich habe mich so toll gefühlt. Was habe ich falsch gemacht, dass ich jetzt schon wieder so in diesem Rajas drin bin? Sollte ich nicht vielleicht alles aufgeben und für immer glücklich im Ashram sein oder in einer Höhle in Indien…?“ – Es ist eine gute Sache, als ernsthafter Aspirant Mitarbeiter im Ashram zu sein. Es hat schon etwas für sich, in einer sattwigeren Umgebung zu leben und so vielleicht insgesamt schneller etwas durchlässiger zu werden. Aber man darf nicht die Illusion haben, allein durch das Mehr an Sattwa würde man dauerhaft glücklich. Wenn man nicht erkennt, dass dieses Sattwa wie alles auf der relativen Ebene Veränderungen unterworfen ist, und dass es natürlich ist, dass einen Rajas und Tamas bis zu einem gewissen Grad auch wieder einholen, so lange man nicht die vollständige Selbstverwirklichung erreicht hat, ist auch das eine Form von Anhaftung.

Wie schon erwähnt, kann man auch an Sattwa in seinem Aspekt als Gesundheit verhaftet sein. Yoga will uns gesund machen und hilft ja erstaunlich viel; oft bewirkt Yoga bei Menschen ja tatsächlich Wunder. Manchmal passiert es dann aber, dass spirituelle Menschen, wenn sie mal eine Krankheit haben, nicht einfach nur krank sind, sondern sich ständig fragen: „Was habe ich falsch gemacht? Jetzt praktiziere ich jeden Tag Yoga, Meditation und Pranayama und habe trotzdem diese Krankheit bekommen. Da muss entweder ich etwas falsch gemacht haben oder das Yoga taugt doch nichts.“

Glücklicherweise gehen viele Krankheiten auch recht schnell wieder vorbei, aber eben nicht immer. Wenn man an Sattwa in Form von Gesundheit verhaftet ist, hat man zusätzlich zu der Krankheit noch das Problem, dass man verhaftet ist an das, was vorher war und sich schwer tut, zu akzeptieren, wenn irgendwann einmal etwas anderes kommt – aus karmisch bedingten Lernlektionen heraus oder einfach weil begrenzte Dinge eben Problemen unterliegen. Dann bricht bei manchen Menschen eine Weltanschauung zusammen. Die Einstellung vieler ist: „Du machst doch Yoga und lebst so gesund, da darfst doch niemals mehr krank werden.“ – So ist es nicht. Wir kümmern uns um den Körper und bemühen uns auf der physischen Ebene auch um Gesundheit. Wir tun alles was dafür möglich und notwendig ist, aber wir wissen, es liegt nicht alles in unseren Händen. So gilt es, nicht daran verhaftet zu sein.

Nicht daran zu hängen heißt auch, Kompromisse zu machen: Als ich vor kurzem eine Schulterverletzung hatte, konnte ich ein paar Tage lang das Sonnengebet nicht so üben wie sonst. Ich habe dann alle möglichen einarmigen Varianten ausprobiert. Das war ganz nützlich, denn so konnte ich persönlich spüren, dass die entsprechenden Übungen, die ich im Internet und in Unterrichtstechniken beschreibe und empfehle, wirklich gut und passend sind. Die Wechselatmung musste ich in dieser Zeit mit der linken Hand machen statt wie gewohnt mit der rechten. Es geht zwar, aber natürlich ist das Feeling nicht dasselbe wie sonst und auch nicht so effektiv. Hat mich das deshalb von Brahman entfernt? – Nein. Es ist halt nicht das gleiche Prana, das gleiche sattwige Gefühl da, und dann arrangiert man sich mit der Situation.

Also, Sattwa bindet an Glück und bindet auch durch Anhaften an Wissen, sagt Krishna hier. Was heißt das, Anhaftung an Wissen?  – Wir können an unseren geistigen Fähigkeiten hängen, zum Beispiel daran, dass wir sehr intelligent sind, ein gutes Gedächtnis haben, dass wir durch Yoga unser Gedächtnis noch mehr verbessert haben, dass wir so Vieles verstanden haben, usw. Mit der Zeit kann etwas von all diesen Fähigkeiten verloren gehen. Die meisten Menschen mit einem guten Gedächtnis werden feststellen, dass das ab einem gewissen Alter nicht mehr ganz so bleibt. Oder Menschen, die immer auf dem neuesten Stand der Wissenschaften waren, werden irgendwann feststellen, dass sie da nicht mehr mithalten können. Daran kann man verhaftet sein und dann kann es zu einem Problem werden. Im Extremfall können Menschen im Alter Alzheimer oder sonstige Krankheiten bekommen, bei denen sehr viele geistige Fähigkeiten verschwinden. –

Zum Trost kann ich sagen, ich kannte sehr viele Yogameister, deren Klarheit des Geistes bis ins hohe Alter präsent blieb.

Wir sind das unsterbliche Selbst, unabhängig von relativen äußeren Veränderungen. Wir bemühen uns auf allen Ebenen um Sattwa, wissen aber, wir werden nicht dauerhaft im Sattwa verweilen können. Selbst große Meister sind mal müde, jenseits aller anderen Eigenschaften.

Man kann sich auch eine Art von sattwigem Ego entwickeln und sich etwas auf sein Sattwa einbilden: „Auf meinem Schreibtisch hat alles seine Ordnung.“  „Meine Kleidung ist immer sauber und gebügelt.“  „Ich esse immer hundertprozentig sattwig.“ „ Ich schreite immer gemessen.“

Vor vielen Jahren hat mir im Yoga Vidya Seminarhaus Westerwald mal jemand gesagt, er sei ja schon enttäuscht von mir. Jemand, der so lange Yoga mache, müsse doch viel graziöser und gemessener schreiten. Erst habe ich gedacht, er macht einen Witz, aber er schien es ernst zu meinen. Jedenfalls hat er nicht verstanden, warum ich angefangen habe zu lachen.

Krishna wird von Arjuna auch immer wieder gefragt: „Wie sitzt ein Mensch von beständiger Weisheit? Wie geht er? Wie spricht er?“ – Krishna geht auf solche äußeren Attribute aufgesetzten Sattwas gar nicht ein.

Wir können uns auch mit unserer sattwigen spirituellen Praxis identifizieren oder unseren spirituellen Errungenschaften, zum Beispiel: „Ich kenne alle Sanskrit-Ausdrücke.“ „Ich spreche die Mantras ganz korrekt aus.“ „Ich kenne alle klassischen Schriften.“ „Ich meditiere jeden Tag 6 Stunden.“ „Ich brauche nur vier Stunden Schlaf.“ „Ich übe jeden Tag 60 Minuten Anuloma Viloma (die Wechselatmung) und 6 Runden Bhastrika (energetisierende Atemübung).“

In der physischen wie auch in der astralen Welt ist reines Sattwa nicht möglich. Sattwa, Rajas und Tamas wechseln sich ab. Wir arbeiten daran, unser Sattwa zu erhöhen, jedoch ohne Verhaftung, ohne Identifizierung und ohne unser Ego hinein zu steigern. Und bei allem Streben nach Sattwa sollten wir nicht vergessen, wer wir wirklich sind: Das unsterbliche Selbst!