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13-21 Kommentar Sukadev

Die Seele (Purusha) befindet sich jetzt innerhalb der Prakriti. Was nicht heißt, dass die Seele durch Prakriti wirklich begrenzt wird. Die Seele ist mit Prakriti verbunden, ihre Bewusstheit geht in die Prakriti. Und so erfährt die Seele die aus der Natur stammenden Eigenschaften. Wenn die Seele (Purusha) sich ganz von Prakriti lösen würde, könnte sie nichts mehr erfahren. So wie bei Nirvikalpa Samadhi – da mag die Welt zerbrechen, die Seele merkt davon nichts. Eine ähnliche Analogie: Einmal hat sich Swami Sivananda einen Tag zur Meditation zurückgezogen. Die Schüler hatten vergessen, dass neben Swami Sivanandas Haus Straßenarbeiten durchgeführt werden sollten. Es gab einen Riesenlärm, Presslufthammer oder ähnliches. Als Swami Sivananda am nächsten Tag ins Büro kam, entschuldigten sie sich, dass sie nicht Bescheid gesagt haben, dass diese lauten Straßenarbeiten geplant waren. Swami Sivananda war sichtlich überrascht. Er sagte nur: „Ich habe nichts gehört.“ Bewusstsein kann sich vom Relativen, von der Sinneswahrnehmung lösen. Aber normalerweise ist unser Bewusstsein im Wachzustand in dieser Welt (Prakriti). Wir erfahren alle Dinge, die in der Natur geschehen. Dann identifizieren wir uns damit und denken nicht mehr: „Ich sehe jetzt diesen Körper, ich sehe diese Welt“ oder „Ich sehe die Welt durch diesen Körper.“ Wir denken stattdessen: „Ich bin dieser Körper.“ Und sind dann identifiziert. Du sagst und spürst: „Mein Körper. Das ist meine Kleidung, meine Brille, mein Auto, meine Wohnung und mein Mann, meine Frau, mein Kind, meine Katze, meine Schildkröte, mein Goldhamster, mein Meerschweinchen, mein Yoga-Center, mein Ashram, mein Aufnahmegerät.“ Man kann sich mit allem identifizieren, sogar wenn es einem nicht gehört.

Angenommen, du hast Zahnschmerzen. In dem Moment, in dem du dich mit jemandem unterhältst und das Gespräch faszinierend ist, spürst du das Zahnweh nicht. Oder angenommen, du liest ein interessantes Buch. Dann merkst du gar nicht, dass du eigentlich hungrig sein müßtest. Das Bewusstsein richtet seine Aufmerksamkeit woanders hin. Bis zu einem gewissen Grad kennst du das: Da wo dein Bewusstsein ist, nimmst du etwas wahr. Dort wo dein Bewusstsein nicht ist, nimmst du nichts wahr. Du kannst das Bewusstsein in dir selbst ruhen lassen und gar nicht in Prakriti hineinbringen. Das ist dann Selbstverwirklichung (Anubhava). Du kannst das Bewusstsein zu einem bestimmten Menschen hin bringen, dann bist du bei dem Menschen. Aber ab und zu ist es gut, seinen Körper wahrzunehmen und dann auch zu spüren, aha, da sind Schmerzen. Dann wird man sich auch um den Körper kümmern. Deshalb, wenn Swami Sivananda gefragt wurde, hast du Schmerzen? In dem Moment hat er gespürt, ja, da sind Schmerzen. Aber wenn du dich an die Eigenschaften verhaftest, beginnt der ganze Schlamassel und er setzt sich immer weiter fort.

Solange du verhaftet bist, schaffst du neues Karma. Solange du neues Karma schaffst, musst du wiedergeboren werden, kommst durch Geburt, Alter, Krankheit, Tod. Alter und Krankheit kannst du nur durch vorzeitigen Tod vermeiden, z.B. durch einen Unfall. Solange du verhaftest bist, gehst du durch Vergnügen und Schmerz. Wenn du dich aber nicht identifizierst, dich stattdessen löst, brauchst du nicht wiedergeboren zu werden.

In manchen Bhagavad Gita Übersetzungen steht: „… für die Geburt und gute und schlechte Mutterschöße“. Im Sanskrit steht Sat und Asat. Sat heißt „Wahrheit“, Asat heißt „Unwahrheit“. Sat heißt in diesem Kontext „geeigneter für die Verwirklichung der Wahrheit“, Asat heißt in diesem Kontext „weniger geeignet für die Verwirklichung der Wahrheit“.

Nein, nicht die Mutter ist schuld, sondern die frühere Verhaftung bzw. das Karma ist die Ursache dafür, wo man geboren wird. Wenn man in bestimmte Regionen, z.B. in Afghanistan geboren wird, ist das Üben von Yoga schwieriger. Oder jemandem, der in Nord-Korea geboren ist, wird jede Form von Religionsausübung und jede Form von spiritueller Praxis enorm schwer gemacht. Und es gibt andere Gebiete, wie zum Beispiel Deutschland, wo zwar die Gesellschaft insgesamt eher materialistisch ist, aber man nicht auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird und auch nicht ins Gefängnis kommt, weil man Yoga übt. Vielleicht kommt man, wenn man es etwas extremistisch übt, ein wenig in Verruf. Aber heutzutage kommt man nicht in Gefahr an Leib und Leben, nur weil man Yoga übt. Und manch einer hat sehr spirituelle Eltern, die eine einfühlsame Art eines spirituellen Erziehungsstils pflegen und wächst so in die Spiritualität hinein. Du kannst nicht wissen, wo du im nächsten Leben wiedergeboren wirst, ob du wieder in einem für die Verwirklichung geeigneten Körper/Region/Zeitalter/Familie geboren wirst. Auch wenn vielleicht manches in deinem Leben nicht perfekt sein mag – mindestens kannst du dieses Buch lesen. Das heißt, dass du Zugang zum spirituellen Wissen hast, du hast ein Dach über dem Kopf, du bist in der Lage, spirituell zu praktizieren und du hast sogar die Möglichkeit, spirituelle Unterweisung zu erhalten. Das ist alles nicht selbstverständlich. Das ist in einigen Weltregionen anders und das war auch hier vor ein paar Jahrzehnten nicht selbstverständlich. Bemühe dich daher in diesem Leben um die höchste Verwirklichung. Verschiebe nicht alles auf das nächste Leben.