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09-32 Kommentar Sukadev

Wenn wir als westliche Aspiranten in der heutigen Zeit eine solche Aussage lesen, dann stehen vielen von uns erst einmal die Nackenhaare zu Berge. Allerdings müssen wir uns erinnern, dass Krishna das vor ein paar Tausend Jahren zu Arjuna gesagt hat. In Indien gab es das Kastensystem. Nach damaliger vorherrschender  Vorstellung kann nur jemand die Verwirklichung erreichen, der aus der Brahmanenkaste kommt oder ein Kshatriya ist. Brahmane und Kshatriya kann man nur sein, wenn man in einen menschlichen Körper geboren worden ist. Dazu muss man gute Handlungen machen, Punyas ansammeln und dann Glück haben, als Mann in der Brahmanen- oder Kshatriya- Kaste wiedergeboren zu werden. Sammelt man Papas, Sünden, an, wird man als Frau oder als Shudra oder Vaishya wiedergeboren und hat keine Chance die Verwirklichung zu erreichen. Ein Shudra ist ein einfacher Tagelöhner, ein Vaishya ein Kaufmann.

Krishna muss da, wie viele Meister in jeder Zeit, einen ziemlichen Spagat machen. Er kann nicht die Philosophie in der Arjuna aufgewachsen ist, vollständig ablehnen. Sonst würde Arjuna ihm gar nicht mehr zuhören. So wechselt Krishna in der Gita zwischen Schimpfen über überkommene fehlgeleitete religiöse Vorstellungen und Aufgreifen dieser Vorstellungen. So macht es ja auch Jesus: Mal schimpft er über die Vorschriften des Alten Testaments: „Ihr habt gehört, dass gesagt wird… Ich aber sage Euch…“. Mal betont er, dass jeder Buchstabe der Thora (des „Gesetzes“, also der 5 Bücher Moses) erfüllt sein müsse (Matth. V 17-19).

Ein solches Verhalten habe ich auch bei Swami Vishnu gesehen. Dieser hat manchmal gegen die Medizin und gegen die materialistische Wissenschaft geschimpft, um dann kurz darauf über Anatomie und Physiologie und über die medizinischen Wirkungen der Asanas zu erzählen. Er hat Forschungsergebnisse zitiert, in den Ashrams den Gebrauch von Internet und Computer eingeführt. Er hat die technischen Möglichkeiten intensiv genutzt.

Als Menschen sind wir immer in eine bestimmte Kultur geboren und wachsen in einem bestimmten System auf. Jedes System hat seine Grenzen, Stärken und Schwächen. Man kann auf diese Grenzen, Stärken und Schwächen Bezug nehmen und sie nutzen. Im Grunde genommen macht Krishna genau das und erklärt, dass Frauen und Shudras das höchste Ziel, die Selbstverwirklichung erreichen können genau wie jeder andere Mensch.

Die Upanishaden erzählen von Männern und Frauen, die die Verwirklichung erreicht haben. Zu Krishnas Zeit gab es aber die Tendenz zu sagen, dass nur Männer, manche sagen sogar nur männliche Brahmanen, die Selbstverwirklichung erreichen können.

An späterer Stelle richtet sich Krishna gegen das ganze Konzept einer durch die Familie bedingte Kastenzugehörigkeit. Er sagt, dass die eigene Natur das Kastenverständnis bestimmt. Wer nach Gott strebt, ist automatisch ein Brahmane. Egal, in welcher Kaste er ursprünglich geboren ist. Brahmane heißt nämlich, „der nach Gott Strebende“. Ähnliches hat auch Jesus gesagt, als er von den Samaritern gesprochen hat. Heute ist „Samariter“ ein positiv konnotiertes Wort. Zu Zeiten Jesus war es negativ konnotiert. Es wurden Halbjuden darunter verstanden, die mit der Besatzungsmacht kooperierten und im Zuge dessen die Rituale nicht mehr richtig ausgeführt haben. Sie haben um ihrer persönlichen Vorteile willen Kompromisse gemacht und waren daher Samariter. Nachher wurden sie deshalb abschätzig behandelt. Es wurde gesagt, dass sie das Heil nicht erreichen. Jesus hat dem widersprochen. Ebenfalls hat er gesagt, dass auch Zöllner zum Heil kommen können. Jesus hatte viele Frauen als Schülerinnen gehabt, wie z.B. Maria Magdalena, Martha und andere. Ähnlich auch Krishna. Krishna war umgeben von Frauen, die die Selbstverwirklichung erreicht haben: Die Gopis, seine eigenen Frauen, die Mutter der Pandavas, Kunti, haben alle die Gottesverwirklichung erreicht.

Mit Krishna wurde dieses ältere Prinzip, was wir in den Veden selbst finden, noch mal weiter getragen: Alle können die Selbstverwirklichung erreichen, wenn sie danach streben. In welchem Geschlecht, in welcher Kaste, in welchen Lebensumständen man geboren ist, ist unerheblich. Jeder kann das höchste Ziel erreichen.