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07-16 Kommentar Sukadev

Krishna spricht Arjuna mit „Bharata“ an. Bharata ist ein Beiname von Arjuna und bedeutet, dass er ein Nachkomme Bharatas ist, ein besonders Großartiger.

Vier Arten von Menschen verehren Gott. Die drei ersten Gruppen von Menschen wollen jeweils etwas von Gott, die vierte Gruppe kennt Gott schon und braucht deshalb nichts.

Die erste Gruppe besteht aus den Leidenden, den Verzweifelten. Wenn sie gar nicht mehr weiterwissen, dann wenden sie sich an Gott. Bei vielen Menschen ist das so. Ich kann mich erinnern, irgendwann mal hat mir meine Großmutter Briefe von meinem Großvater gezeigt, die er geschrieben hat, als er im Krieg war. Ich wusste gar nicht, dass mein Großvater so religiös sein konnte. Jeder Brief begann mit Gott, endete mit Gott und war in der Mitte ebenfalls mit Gott angefüllt. Er schrieb oft: „Gott ist unsere einzige Zuflucht, es geschehen grässliche Dinge hier und wir wissen nicht, ob wir morgen noch leben werden.“ Es war Feldpost, die auch überprüft werden konnte, weshalb er nicht zu viel hineinschreiben konnte. Aber aus seinen Zeilen wurde deutlich, dass es ihn bis in die Grundfesten erschütterte, was passierte. Die einzige Weise, wie er damit umgehen konnte, war an Gott zu denken.

Und so gibt es einige Menschen, die an Gott denken und Zuflucht in ihm suchen, wenn es ihnen schlecht geht. Als ein besonders extremes Beispiel in der indischen Mythologie gilt Kunti. Kunti war eine Verehrerin von Krishna. Sie war die Mutter der Pandavas. Ihr war bewusst: Wenn ich nicht leide, denke ich nicht an Gott. Also bat sie Krishna: „Lieber Krishna, bitte schenke mir Leiden, weil ich sonst nicht an dich denke.“ Und von ihr heißt es, dass sie unermessliches Leiden hatte, ganz in Gott war und durch das Leiden schließlich Gott verwirklichte. Ähnlich war es bei der Heiligen Thérèse von Lisieux. Über große Schmerzen und Leiden hat sie Gott verwirklicht. Ich selbst würde dir jetzt nicht raten, Gott um Leiden zu bitten. Das Leiden kommt ja mehr oder weniger ohne dass wir dafür etwas tun müssen. Wir können Leiden aber willkommen heißen als Erinnerung an Gott und als Möglichkeit, unseren Geist zu Hingabe an Ihn zu führen.

Die zweite Gruppe der Gottesverehrer besteht aus den nach Wohlstand Strebenden. Sie beten: „Lieber Gott, bitte gib, dass die Aktien, die ich gekauft habe, an Wert gewinnen. Bitte gib, dass ich den Job kriege, den ich möchte. Bitte gib, dass ich die Prüfung bestehe. Lieber Gott, bitte gib, dass ich die Beförderung kriege. Bitte gib, dass die Partnerin, die ich mir ausgesucht habe, die ich so liebe, dass sie mich auch mag. Bitte lieber Gott gib, dass mein Kind wieder gesund wird. Bitte lieber Gott gib, dass mein Nachbar aufhört, so einen Krach zu machen. Lieber Gott, bitte hilf mir, dass ich den Job bekomme, dann werde ich beim nächsten Kirchgang 100 € spenden.“ Das ist vielleicht eine spirituelle Form von Bestechung… Viele Menschen beten auf diese Art und Weise. Das ist die Realität. Die Übergänge zu einem sattvigen, reinen, selbstlosen Gebet sind dabei durchaus fließend. Wir können ja auch anderen Menschen etwas Gutes wünschen. Wenn es Menschen sind, die uns etwas bedeuten, weil sie mit unserem physischen Körper in Beziehung stehen, sprich Familie, oder weil sie mir schon einmal was Gutes getan haben, ist das eine Mischung aus nach Wohlstand streben und selbstlosem Dienst.

Die Purva Mimamsa Philosophie beruht auf diesem Glauben: Man häuft Verdienste an, um etwas Gutes zu bekommen. Man verehrt Gott, macht spirituelle Praktiken, führt Rituale aus, betet, gibt Spenden, macht Askeseübungen, um so in diesem oder im nächsten Leben dafür belohnt zu werden.

Als Kind praktizierte ich manchmal diese Form der Gottesverehrung. Damals bin ich oft und gerne in die Kirche gegangen – zumindest bis zum Konfirmandenunterricht. Da habe ich manchmal vor einer schwierigen Klassenarbeit gebetet: „Lieber Gott, bitte gib, dass ich eine Eins bekomme. Dann gebe ich das nächste Mal doppelt so viel Kollekte.“ Und irgendwie hat das gut funktioniert: Ich bekam gute Noten. Danach war ich Gott dankbar und habe irgendwie seinen Schutz und seine Gegenwart gespürt. Natürlich ist diese Art, sich an Gott zu wenden, doch etwas egoistisch.

Die dritte Gruppe besteht aus den nach Wissen Suchenden. Dazu zählen vermutlich die meisten Yoga Übenden, vermutlich alle, die dieses Buch lesen… Wir beten zu Gott: „Lieber Gott, bitte lass mich dich erkennen. Lass mich meine wahre Natur erkennen. Bitte zeige mir, was das Richtige ist. Bitte zeige mir meine Pflicht. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Bitte sage mir, was das Richtige ist.“

Zur vierten Gruppe zählen die Weisen. Sie haben Gott erkannt. Für sie gibt es nichts mehr zu erkennen. Sie verehren Gott, weil sie Gott erkannt haben, weil ihr Herz überfließt und weil Liebe da ist. Aus der Liebe kommt die Verehrung zu Gott. Sie wollen keine Hilfe von Gott, sie erwarten nichts. Verehrung kommt allein aus Liebe.

So ähnlich, wenn jemand auf Brautschau ist, dann muss er überlegen, wie er oder sie den Geliebten oder die Geliebte dazu bringen kann, ihn zu heiraten. Angenommen, man ist verheiratet, dann tut man dem anderen weiterhin etwas Gutes an, nicht weil man etwas von ihm will, sondern aus Liebe heraus und um Liebe auszudrücken. Und so ähnlich können wir Gott lieben, uns ihm nahe fühlen, ihn erkennen und ganz natürlich verehren.

So wie Menschen Gott aus vier Gründen verehren, so üben Menschen Yoga aus vier verschiedenen Gründen:

(1) Manche kommen zum Yoga, weil sie eine Krankheit und wenig Energie haben oder gestresst sind. Sie wollen gesund werden.

(2) Manche kommen zum Yoga, weil sie nach Wohlstand streben. Sie wollen mehr Energie bekommen, um im Beruf mehr bewirken zu können, um kreativer zu sein, besser auszusehen usw. Dies alles sind Aspekte des Wohlstandes. Vermutlich ist es in Amerika häufiger verbreitet, dass Menschen Yoga üben, um schöner auszusehen. Ich denke, es gibt da durchaus einen Unterschied in der Motivation. Das hängt auch damit zusammen, dass in Amerika fast jedes Model und jeder Popstar, der etwas auf sich hält, Yoga übt. Und wenn Menschen dann so erfolgreich und schön sein wollen, wie die ganzen Models und Popstars, dann üben sie Yoga und denken, es gelingt ihnen da. Yoga macht ja auch durchaus gesund. Yoga entwickelt Prana. Wenn man mehr Prana hat, kann dies die Schönheit fördern.

(3) Manche kommen zum Yoga, weil sie wirklich nach Wissen streben. Sie wollen erfahren: wer sie sind und zu höheren Stufen des Bewusstseins kommen.

(4) Manche Menschen üben Yoga und sind schon weise. Sie üben dann spontan, nicht um etwas zu erreichen, sondern einfach von innen heraus. Aus der Erfahrung ihres Überbewusstseins, aus der Einheitserfahrung, aus dem Gefühl der göttlichen Gegenwart entsteht in ihnen Yoga und Meditation.

Krishna sagt, zwei Verse weiter: “Edel sind sie wahrhaft alle.“

Deshalb sollten wir auch Menschen nicht verurteilen, wenn sie Yoga aus weniger hehren Beweggründen üben. Egal aus welchem Grund ein Mensch Yoga übt, es ist immer gut, dass er übt. Yoga führt Menschen zu tieferer Erfahrung.

Manchmal taucht die Frage auf, ob die Utilarisierung des Yogas im Westen so gut wäre oder eher nicht. Viele westliche Übenden nützen Yoga für weltliche Zwecke, nämlich um zu entspannen, mehr Energie zu haben, um mehr Leistung bringen zu können etc. anstatt nach dem eigentlichen Ziel des Yogas, der Selbstverwirklichung, zu streben.

Beim Yogakongress 2005 gab es eine Befragung einiger Teilnehmer zu der Frage: „Warum bist du zum Yoga gekommen?“ Etwa dreiviertel der Teilnehmer sind aus den ersten beiden, also den weniger spirituellen Gründen, zum Yoga gekommen: 20-25% haben mit Yoga begonnen, weil sie Krankheiten hatten und hofften, durch Yoga wieder gesund zu werden. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer ist zum Yoga gekommen, um mehr Energie zu haben, um mehr Leistung bringen zu können und den High-Speed-Lebensstil der Zeit bewältigen zu können. Interessanterweise hat man in Amerika festgestellt, je mehr Stunden jemand arbeitet, umso wahrscheinlicher ist es, dass er Yoga übt. Nach einer Umfrage im Jahre 2000 haben Menschen, die teilweise durchschnittlich 16 Stunden am Tag gearbeitet haben, zu einem erstaunlich hohem Prozentsatz Yoga gemacht. Ohne Yoga wäre es ihnen nicht möglich gewesen, solche Arbeitsmarathons zu bewältigen. Sie sagten, Yoga würde schon in 30-35 Minuten dafür sorgen, dass sie trotz des sonstigen Raubbaus mit ihrem Körper gesund bleiben würden.

Man kann sich die Frage stellen, ob das nun gut oder schlecht ist? Hilft Yoga, dass ein unangemessener, ungesunder, überfordernder Lebensstil ertragbar wird? Swami Sivananda und Swami Vishnu-devananda waren mit Krishna der Meinung, dass, egal aus welchem Grunde jemand Yoga übt, es erstmal gut ist. Viele Yogameister haben ihrerseits der Utilarisierung des Yoga zugestimmt. Und eigentlich steht es ja auch schon in den alten Schriften. Schon in der Hatha Yoga Pradipika beschreibt Swatmarama, dass Hatha Yoga nur ein Hilfsmittel ist, um Raja Yoga, den Yoga zur Kontrolle über den Geist, zu erlernen. Er sagt, Hatha Yoga sei nur ein Hilfsmittel für die Perfektion im Raja Yoga, also für die Herrschaft über den Geist und für die Erfahrung des Höchsten Selbst. Im weiteren Text benennt er dann aber bei jeder Übungsbeschreibung die gesundheitlichen Wirkungen jeder Übung. Manchmal beschreibt er, welche außergewöhnliche, zum Teil sogar übernatürliche, Fähigkeit man durch die betreffende Übung erlangt.

Durch die Übung von Yoga, egal aus welcher Motivation heraus man beginnt, kommen Menschen zu spirituellen Erfahrungen. Es werden spirituelle Samskaras (Eindrücke) erinnert oder geschaffen, die Menschen auf den spirituellen Weg bringen oder sie halten. Yogische Tiefenentspannungstechniken und gerade das längere Halten der Asanas mit bewusster Atmung und gesteigerter Achtsamkeit bewirken, dass Menschen tiefere Erlebnisse haben, manchmal außergewöhnliche Bewusstseinszustände erfahren und beginnen, sich tiefere Fragen zu stellen.

So kann Hatha Yoga auch ein Mittel sein, um mit Menschen überhaupt über Spiritualität sprechen zu können. Auch in Yogastunden kann man philosophische Themen einbringen. Man kann Menschen dazu inspirieren, mit der Karma Yoga Einstellung der Bhagavad Gita an die Asanas heranzugehen. Natürlich müssen Übende zuerst die Stellungen korrekt beherrschen lernen. Auf Dauer finden viele Übende zu tiefen spirituellen Einsichten.

So möchte ich Yogalehrer durchaus ermutigen, die Philosophie in den Yogaunterricht hineinzubringen.