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17-13 Kommentar Sukadev

Man kann Opfer bzw. Rituale auch einfach mechanisch oder nachlässig machen.

„…nicht den Anordnungen der Schriften entspricht…“ und „wo keine Speisen verteilt werden

Man schwenkt beim Arati (Lichtzeremonie) zum Beispiel das Licht irgendwie, ob nun rechts oder links, man hat keinen Glauben und kein Vertrauen, hält es sowieso für unsinnig, und nachher gibt man auch kein Prasad (symbolische Gabe von Obst oder Süßigkeiten an Gott). Warum macht man es dann überhaupt? – Aus Täuschung, Illusion, oder einfach aus Gewohnheit. Man soll es halt machen, hat es so gelernt, da macht man es halt irgendwie.

Es gilt auch als tamasig, nach einem indischen Ritual den Raum zu verlassen, ohne das Prasad abzuwarten. Die symbolische Bedeutung von Prasad ist: Man bringt Gott etwas dar, Gott gibt es einem zurück, es wird als gesegnete Speise an alle Anwesenden verteilten. Wenn man es dann nicht nimmt, lehnt man praktisch die Gabe Gottes ab, und versäumt damit einen Teil der Wirkung des Rituals. Wenn man nichts nehmen will, kann man symbolisch die Hand darüber geben als Zeichen, dass man den Segen schätzt und annimmt.

Hingabe und Ekstase jenseits von Regeln

Es kann aber auch von selbst geschehen, dass man von der klassischen Weise abrückt, wenn die Hingabe sehr tief ist. Ramakrishna (selbstverwirklichter Meister des 19. Jh.) zum Beispiel hat plötzlich einer Katze die Puja-Milch gegeben. Eine Katze gilt nicht als das reinste aller Tiere, denn sie frisst ja auch Mäuse, lässt die Maus eine Weile liegen in der Hitze und frisst dann weiter …, und diese Katze kommt in den heiligen Raum und bekommt die Milch… das ist alles andere als klassisch. Aber Ramakrishna hat gefühlt: Die Katze ist Kali, Kali kommt in der Form der Katze, und aus dieser festen Überzeugung heraus hat er ihr das Prasad gegeben.

Ein anderes Beispiel: Das Prasad opfert man normalerweise erst Gott/Göttin. Aber während der Puja ist Ramakrishna dann so in Ekstase gekommen, dass er gefühlt hat, er ist selbst Kali, und Kali isst das Prasad durch ihn hindurch. Also es aus tiefer Hingabe anders zu machen als vorgeschrieben, ist sattwig. Aber aus Trägheit und Nachlässigkeit heraus ist es tamasig.

Solange wir nicht im überbewussten Zustand sind, sollten wir uns bemühen, Rituale korrekt zu machen, so gut wir es wissen und können.

„Speisen“ als Nahrung für die Seele – Gabe im übertragenen Sinn

„Speisen“ im weiteren Sinn steht auch dafür, dass wir auch anderen etwas Gutes geben wollen. Zu jedem indischen Ritual zur Verehrung Gottes gehören Friedensgebete, Gedanken des Wohlwollens für alle Geschöpfe wie „Sarvesham svasti bhavantu“ oder „Loka samasta sukhino bhavantu“– „Mögen alle Wesen glücklich sein“, oder mindestens drei Mal „Shanti“, „Frieden“, um allen inneren und äußeren Frieden zu wünschen. Damit schenken wir Menschen durch unsere Gedanken „Speise“ für die Seele, für ihr Wohlergehen.

Glaube“, die innere Haltung, ist ebenfalls ein wichtiges Element. Es gibt Menschen, die alles befolgen, was die Schriften sagen, aber rein mechanisch und geistesabwesend. Das erlebt man häufig in Indien und auch in den Kirchen in unseren Breiten. Man muss halt in die Kirche gehen, weil man es so gelernt hat, oder die Eltern darauf bestehen oder aus Rücksicht auf die Leute – mindestens war es früher so. Heutzutage geht man in der Regel schon gar nicht mehr hin, wenn es einem nichts sagt.

Manchmal hilft es auch, die Rituale einer anderen Tradition kennen zu lernen. Da ist man dann mit sehr viel Bewusstheit dabei, hinterfragt, und wenn man dann zur eigenen Tradition zurückkehrt, in der man aufgewachsen ist, sieht man das plötzlich mit neuem Verständnis und es sagt einem plötzlich viel mehr.

So wollen wir alles, was wir tun, mit bestem Wissen und Gewissen tun, anderen dabei etwas geben, Glauben und Vertrauen haben und es Gott darbringen.

In den nächsten Versen geht es um verschiedene Formen von Tapas, Askese.

Bewusstes Bemühen und instinktive Natur

Tapas, bewusstes Bemühen, ist in jeder spirituellen Tradition in der einen oder anderen Weise verankert. Im Christentum gibt es die zehn Gebote. Bei Patanjali im Yoga Sutra sind Yama und Niyama, die ethisch-moralischen Grundsätze im Umgang mit anderen und die Disziplin im Umgang mit sich selbst die ersten beiden Glieder des achtstufigen Weges der Meditation. Tapas gehört zu Niyama, und ist ein sehr wirkungsvolles Mittel gegen das Getriebensein durch Raga, Mögen, und Dvesha, Nichtmögen, Zu- und Abneigungen, die uns beschränken. Der Mensch neigt dazu, Raga und Dvesha und somit seiner instinktiven Natur zu folgen.

Ursprünglich haben Lebewesen eine natürliche, instinktive Intelligenz, was gut für sie ist. Woher weiß eine Katze zum Beispiel, was gut für sie ist? – Sie weiß es einfach instinktiv.

Oder wenn du zum Beispiel einen Hund hast und ihn neben dem Fahrrad her laufen lässt, frisst er nachher das Doppelte als normalerweise, weil er einfach Hunger hat. Er überlegt nicht: Ich bin heute zehn Kilometer mehr gerannt, das ist wahrscheinlich für einen Hund ein Verbrauch von 300 Kilokalorien und so muss ich jetzt 100 Gramm vegetarisches Trockenfutter zusätzlich zu mir nehmen. So kalkuliert er nicht, sondern er isst einfach, und je nachdem, was er braucht, nimmt er mehr Eiweiß zu sich oder mehr Kraftfutter – eine natürliche Intelligenz steckt dahinter. Diese Intelligenz kann aber auch überlistet werden, zum Beispiel durch manipuliertes Hundefutter oder durch zuviel „Leckerli“ zwischendurch.

So ähnlich ist es auch bei Menschen. Ursprünglich hatten wir einen natürlichen Instinkt, und mochten aus berechtigten Gründen manches, und manches nicht. Durch die natürliche Evolution, durch die Veränderung der Lebensbedingungen und aus anderen Gründen ist vieles, was früher einmal sinnvoll und notwendig war, heute nicht mehr sinnvoll. Zusätzlich wird unser natürlicher Instinkt durch unnatürliche Gewohnheiten in die Irre geführt.

Der Flucht-Kampf-Totstell-Reflex zum Beispiel, der irgendwann einmal überlebenswichtig war, ist in seiner ursprünglichen Form nicht mehr sinnvoll, ebenso wie viele andere Reflexe und Instinkte.

Und um uns von dieser animalischen Natur zu lösen – die, wie gesagt, nichts Schlechtes ist, sondern durchaus ihren Sinn hatte und hat – ist Tapas ein wichtiges Mittel.

Um zum Höchsten zu kommen, brauchen wir eine gewisse Freiheit von diesen reflexartigen oder fremd gesteuerten Impulsen. Wir müssen Dinge selbst in die Hand nehmen, uns nicht äußeren Umständen ausliefern, nicht in beklagende oder beschimpfende Muster hineinfallen, sondern mit Energie selbst zielgerichtet etwas tun. Das können wir bewusst trainieren, unter anderem durch Tapas (Askese), was wörtlich Hitze, Feuer bedeutet und wo eben dieser Enthusiasmus, diese Kraft und Energie mit drin stecken.

Eine Methode, Willenskraft und Unabhängigkeit zu trainieren ist zum Beispiel, bewusst auch mal Dinge zu tun, die wir eigentlich nicht mögen. Einfach um des Tuns willen, um nicht abhängig zu sein von unserem individuellen Mögen und Nichtmögen.

Tapas als spirituelle Praxis im weiteren Sinn

Tapas wird oft auch gleichgesetzt mit spiritueller Praxis insgesamt, oder mit den Grundpraktiken des Sadhana im engeren Sinn, wie Asana, Pranayama, Meditation.

 

Im Sivananda Ashram in Rishikesh gibt es zum Beispiel auch den Tapasya Kutir von Swami Sivananda, wo er viele Jahre lang viele Stunden täglich Meditation, Pranayama und Asanas geübt hat.

Wie eine solche Praxis aussehen sollte, damit sie auch sattwig ist, beschreibt Krishna in den folgenden drei Versen, nämlich Tapas des Körpers (Vers 14), der Worte (Vers 15) und des Geistes (Vers 16) – also Gedanke, Wort und Tat.

Die indische spirituelle Tradition – wie auch andere spirituelle Traditionen – legt besonderen Wert darauf, dass alles auf diesen drei Ebenen umgesetzt werden muss, also eine Authentizität da ist von Denken, Sprechen und Handeln.