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16-21 Kommentar Sukadev

Das englische „lust“ wird hier und in vielen Büchern mit „Lust“ übersetzt. Eigentlich bedeutet „lust“ im Englischen aber etwas anderes als „Lust“ im Deutschen. Das Sanskritwort Kama, das hier im Original steht, bezeichnet allgemein Wünsche sowie im Besonderen den Wunsch nach Sinnesbefriedigung. Dann folgt Krodha, Zorn und Lobha, „Gier“, die gesteigerte Form eines Wunsches. Diese drei zusammen können einen in die „Hölle“ führen.

 

Die „Hölle“ in deinem Geist

Hölle“ ist hier nicht verstanden als ein Ort mit Teufeln mit Dreizack und Fegefeuer, an den wir nach dem Tod kommen. Gemeint ist, wir können uns mit unseren Gedanken, Vorstellungen, Verhaltensweisen den Himmel oder die Hölle bereiten. Wenn man großen Ärger hat, „brennt“ man innerlich.

Praxis-Beispiel: Wenn du das nächste Mal ärgerlich bist, analysiere dein Temperaturempfinden. Vermutlich wirst du feststellen, dass, „Hölle“ ein gutes Symbol dafür ist. Oder du hast das Gefühl, dass da ein Dreizack in deinen Eingeweiden herumwühlt.

Wie kommen wir in diese „Hölle aus Ärger“? – Durch Kama, in diesem Kontext verstanden als egoistische Wünsche. Warum führt ein egoistischer Wunsch in die Hölle im Sinne von subjektivem Leiden? – Über eigenen Wünschen kann es passieren, dass wir vergessen, für andere da zu sein. Wir sind nur noch an uns selbst interessiert, damit sind wir getrennt von anderen und getrennt sein von anderen ist an sich schon Leiden.

 

Warum Wünsche zu Leiden führen

Bei Wünschen gibt es vier Möglichkeiten, die alle zu Leiden führen:

Der Wunsch wird nicht erfüllt. Konsequenz ist typischerweise – nicht für Yogis, aber für Nicht-Yogis – Leid.

Der Wunsch geht in Erfüllung, aber nach einer Weile verschwindet das Objekt der Wunscherfüllung. Konsequenz ist wiederum Leid.

Der Wunsch ist erfüllt und von nun an haben wir bewusst oder unterschwellig Angst davor, dass dieses Objekt des Wunsches verschwindet. Dieses Gefühl hält uns vom echten Genießen ab und ist gewissermaßen auch Leid.

Der Wunsch ist erfüllt, bleibt erfüllt und es besteht auch keine Gefahr, dass die Situation sich so schnell ändert. Was ist die Konsequenz? – Nach einer Weile des Genießens stellt man fest, es macht einen nicht dauerhaft glücklich, also will man mehr und kommt so ebenfalls ins Leiden.

 

Wünsche als nach außen projizierte Suche der Seele nach dem Höchsten

Natürlich können wir dem Leiden entgehen, wenn wir das ganze Spiel des Lebens, der Prakriti, der Maya, wie immer wir es bezeichnen wollen, durchschaut haben. Wenn wir nämlich erkennen, jeder Wunsch ist ein Ausdruck davon, dass wir mehr wollen. Warum wollen wir mehr? Weil wir uns identifizieren mit dem begrenzten Körper und Geist und eigentlich streben wir nach dem Höchsten, welches in uns angelegt ist und unsere wirkliche Natur ist. Wenn wir einen Wunsch erfüllen und vorübergehend glücklich sind, ist das deshalb, weil  unser Geist vorübergehend zur Ruhe gekommen ist und deshalb die Wonne des höheren Selbst hervorstrahlen kann.

Angenommen, man hat einen großen Wunsch nach Zitroneneis und holt sich eines, dann ist der Geist erst mal glücklich. Ist das wirklich wegen des Zitroneneises? Wenn es so wäre, müsste man sich nur eine große Menge davon kaufen und immer dann, wenn man ein bisschen mehr Glücksgefühl bräuchte, ein bisschen davon essen. Irgendwann führt es zu einer Magenverstimmung. Warum macht das Zitroneneis glücklich? Weil es vorübergehend die Aufmerksamkeit fesselt und der Geist eine Weile zufrieden ist. Das Glücksgefühl kommt nicht wirklich von dem Eis, sondern weil der Geist einen Moment lang ein bisschen ruhiger ist.

Wenn wir dieses Prinzip verstanden haben, können wir spielerischer leben. Dann müssen Wünsche uns auch nicht unglücklich machen. Wir können jeden Wunsch als Ausdruck menschlicher Unvollkommenheit und der Sehnsucht nach etwas Höherem nehmen. Wir können die Befriedigung eines Wunsches als einen Widerschein der Wonne des Selbst ansehen. Dann haften wir nicht an dem Objekt des Wunsches, können es genießen und haben keine Angst davor, dass es wieder geht.

Wenn wir aber verhaftet sind an einen Wunsch, dann führt das relativ schnell zu Krodha, Ärger, Sauersein. Das muss noch nicht einmal ein Sinneswunsch sein. Schon unsere Vorstellung, wie etwas ist oder zu sein hat, reicht oft aus, Ärger hervorzurufen, wenn die Sache, Situation oder Person nicht so ist, wie wir es uns vorgestellt haben.

Praxis-Tipp: Wenn du das nächste Mal ärgerlich bist, sieh auch den Vorteil dabei: Die innerliche Hitze, die innere „Hölle“, verbrennt auch einiges. So kannst du die Hitze deines Ärgers als Reinigung auffassen, dadurch die positive Energie des Ärgers nutzen und kommst auch schneller wieder heraus.

 

Lobha, Gier

Es folgt Lobha, eine große Gier, eine große Anhaftung.

Als spirituelle Aspiranten, die bewusst an sich arbeiten, erkennen wir normalerweise: „Aha, da ist jetzt ein Wunsch“, und wir können überlegen, wollen wir ihn erfüllen oder nicht das ist die erste Stufe, Kama, Wunscherfüllung.

Wenn wir ärgerlich sind, können wir analysieren: „Da hatte ich einen bestimmten Wunsch, oder eine bestimmte Vorstellung, welche sich nicht erfüllt haben und das ist die Ursache meiner Verstimmung. Der Ärger zeigt mir, da war etwas, voran ich mich verhaftet habe, und jetzt lasse ich es los.“ Wenn es aber tiefer geht und Lobha, eine Art Besessenheit oder Verbohrtheit, dabei ist, gelingt uns das nicht. Dann kommen wir nicht so ohne weiteres aus dem Zorn heraus oder: „So muss es sein und nicht anders und wenn es nicht so ist, muss alles, was dem entgegensteht, vernichtet werden.“