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14-10 Kommentar Sukadev

Es sind also immer alle drei Kräfte im Menschen vorhanden und alle drei haben ihren Sinn. Mal herrscht die eine vor und mal die andere, während die anderen beiden weniger stark sind.  Sie sind nicht verschwunden, sondern in dem Moment nicht so im Vordergrund.

Für unser Wohlgefühl und unsere Entwicklung, für ein Leben im Einklang mit den universellen Gesetzen ist es gut, wenn wir Sattwa erhöhen, jedoch ohne uns damit zu identifizieren. Zu viel Rajas und Tamas hat eine gewisse Auswirkung auf den Geist und die Gemütsverfassung.

Von Tamas über Rajas zu Sattwa

Wenn wir viel Tamasiges machen, also der Trägheit zu sehr nachgeben, zu viel oder zu schwer essen, uns mit destruktiven oder depressiven Gedanken belasten, verstärken sich die tamasigen Neigungen des Geistes. Wie bereits erwähnt, hat ein gewisses Tamas natürlich auch seine Funktion und das sollten wir als solches anerkennen und akzeptieren. Angenommen wir würden nie müde werden, dann würden wir zusammenbrechen, ohne es vorher zu merken. Angenommen wir wären unfähig zu Trauer, dann würde das die Psyche belasten.  Aber wir dürfen das Tamas nicht zu stark werden lassen und uns auch nicht damit identifizieren.

Ebenso hat auch Rajas im Sinne von Unruhe sein Gutes. Es lässt uns nach Neuem streben, lässt uns mit nichts Begrenztem zufrieden sein, regt uns zur Tätigkeit an. Nur wenn es zu stark wird oder wir uns damit identifizieren, führt es zu Leiden, zu einem Gefühl von Getriebenheit, zu übersteigerter Aktivität und innerer Unruhe.

Rajas führt immer zu Tamas. Wenn wir, von Rajas veranlasst, handeln, erschöpfen wir unsere Kräfte und Energien und kommen anschließend in Tamas. Normalerweise ist das dann einfach eine normale Müdigkeit. Wir legen wir uns hin und schlafen. Aber zu viel Rajas kann auch zur Erschöpfung und in einen Burnout führen, von dem man sich nicht mehr so einfach nur mit längerem Schlafen erholt.

Sattwa erhöhen durch Beachten der „5 K“

Um Rajas und Tamas etwas zu reduzieren und somit das Leben und den Geist insgesamt sattwiger zu machen, beginnt man typischerweise mit dem Essen. Es gibt sattwige, rajasige und tamasige Ernährung. Die grob tamasigen Sachen, die „5 K“, sollte man im Sinne eines sattwigen Lebensstils unbedingt meiden: KEIN Fleisch, Fisch, Alkohol, Tabak, Drogen.

Warum sollten wir auf diese fünf Dinge strikt verzichten? – Ich will dazu die „5 K“ im Folgenden etwas genauer behandeln, sowohl in ihrer Auswirkung auf die Gesundheit wie auch etwaige weiterreichende Aspekte.

1. und 2. K: Fleisch und Fisch wirken auf der körperlichen, energetischen und emotionalen Ebene. Sie machen den Geist träge, das Prana grobstofflich und fördern über Amas, „Unreinheiten“, die sich im Körper bilden, auch die Krankheitsanfälligkeit. Der ethische Aspekt, nämlich Ahimsa, Nichtverletzen, spielt ebenfalls eine große Rolle. Es ist nicht getan mit: „Was kann denn schon so schlimm daran sein, wenn ich mal Lust auf ein Steak habe? So gesundheitsschädlich ist es auch wieder nicht und eine Wirkung in der Meditation merke ich auch nicht, so tief ist meine Meditation ohnehin nicht.“ oder: „Ich bin sowieso nicht in Meditationsstimmung; wenn ich jetzt mal ein Schnitzel esse, was soll das ausmachen?“. – Zum einen, wenn man das regelmäßig so macht, wird die Meditation nie tief werden. Vor allen Dingen ist es aber keine Entscheidung, die nur uns angeht, sondern wir entscheiden damit über ein anderes Lebewesen. Steak wächst nicht an Obstbäumen, sonst wäre es vielleicht nicht ganz so problematisch.

Tiere sind denkende und fühlende Lebewesen. Es ist schon paradox, wenn man bedenkt, wie liebevoll Menschen mit ihren Haustieren umgehen und parallel selbstverständlich eine Wurststulle vertilgen. Oder wie Menschen sich über Chinesen empören, die Hunde und Katzen verzehren. Kühe und Schweine sind nicht weniger empfindungsfähig als Hund, Katze oder Pferd; sie sind im Gegenteil hoch intelligente, mitfühlende Wesen. Oder ihren Hund mit Dosen-Schweinefleisch aus Massentierhaltung ernähren. Ein Vorteil des Internet-Zeitalters ist, dass man sich übers Internet über alles Mögliche informieren und sehr gut vegetarische Nahrung für Haustiere beschaffen kann. Selbst wenn es vielleicht von Natur aus nicht so vorgesehen ist, kann man Haustiere heutzutage sehr gut vegetarisch ernähren, und sie vertragen das auch gut. Katzen werden trotzdem ihrem natürlichen Instinkt folgen und Mäuse fangen, aber das ist dann die Natur, darauf haben wir keinen Einfluss.

Jedenfalls als Menschen können wir das tun was direkt in unserem Verantwortungsbereich liegt, nämlich für unser eigenes Überleben soll kein Tier sterben. – Aber natürlich, ganz so einfach ist es mit diesen ethischen Richtlinien auch nicht – ein Leben ganz ohne Ahimsa ist nicht möglich, selbst wenn wir uns bemühen. Das ist mir sehr wohl bewusst.

3. K: Alkohol beeinflusst den menschlichen Geist sehr stark. Wenn man regelmäßig  Pranayama (Atemübungen) und Asanas (Yogastellungen) übt, insbesondere die fortgeschrittenen Atem- und Chakra-Konzentrationsübungen, hat das einen sehr starken Einfluss auf die Nadis (Energiekanäle) und Chakras (Energiezentren). Nimmt man gleichzeitig alkoholische Getränke zu sich, so werden diese Wirkungen in ihr Gegenteil verkehrt. Wenn man auf Alkohol nicht verzichten will oder kann, kann man natürlich trotzdem normales Kapalabhati (Schnellatmung) und Wechselatmung üben, allerdings nicht mit Jalandhara Bandha („Kehlverschluss“, bestimmte Energietechnik), Bhastrika (energetisierende Atemübung) und Bija-Mantras (Klangsilben, die direkt auf die Energiezentren wirken). Als Yogalehrer kannst du mit Schülern, die rauchen, trinken, Fleisch essen etc., natürlich die einfachen Pranayamas üben. Langfristig wirken diese Techniken ja unterstützend, von vielem davon weg zu kommen.

Alkohol hat aber auch eine ethische Komponente, derer sich Menschen oft gar nicht bewusst sind. Nach einer Statistik gibt es fünf Millionen Alkoholiker in Deutschland. Auf jeden Alkoholiker kommt durchschnittlich ein halbes Dutzend Angehörige, die direkt oder indirekt davon betroffen sind, und damit sind schon 30 Millionen Menschen, jede dritte Person in Deutschland, auf irgendeine Art und Weise durch Alkoholismus beeinflusst. Unter Alkoholeinfluss passieren beispielsweise die meisten Auto- und Arbeitsunfälle, wovon oft nicht nur die Person selbst sondern auch andere betroffen sind.

Manche Menschen sind von ihrer genetischen Ausstattung her für Süchte anfällig. Es mag sein, dass andere, welche diese genetische bzw. karmische Anlage nicht haben, ohne weitere Folgen ab und zu mal ein Gläschen Wein trinken können; das macht ihnen nichts aus und schadet auch niemand anders. Natürlich beeinflusst es irgendwie das Prana, aber man könnte sagen, so schlimm ist es auch nicht. Aber dadurch, dass Trinken von Alkohol etwas gesellschaftlich Akzeptiertes ist, führt es dazu, dass diejenigen, die vielleicht eine genetische Suchtanfälligkeit haben, auf diese Weise in die Sucht hineinfallen. Angenommen, sie lebten in einer Gesellschaft, in der es keinen Alkohol gäbe, dann würde ihre latente Suchttendenz nicht gefördert werden und es würde ihnen viel leichter fallen, zu verzichten. Jeder Einzelne, der sich gegen Alkohol entscheidet, ist eine große Hilfe für alle, bei denen das „gelegentlich mal ein Gläschen trinken“ schnell zur Sucht und damit zu großem Leid führen könnte.

4. K: Rauchen. Von den gesundheitlichen Auswirkungen her ist Nikotin sicher das größte Gesundheitsrisiko und zudem das Suchtmittel, das am schnellsten süchtig macht. Es führt schneller zur Sucht als die meisten der aus gutem Grund verbotenen Narkotika. Wenn heute jemand den Tabak erfinden würde, würde der freie Verkauf keinesfalls mehr erlaubt werden. Wegen des hohen Suchtpotentials stellt sich bei Tabak nicht die Frage, soll ich nicht ab und zu mal eine Zigarette rauchen, das schadet doch nichts.

Ähnlich wie beim Alkohol gibt es auch hier die zusätzliche ethische Komponente des Mitgefühls und der Verantwortung für die Mitmenschen. Ein Raucher gefährdet potentiell denjenigen mit einem latenten Suchtpotential in seiner Umgebung. Ganz abgesehen von den negativen Auswirkungen des passiven Mitrauchens, auch Zigaretten haben also nicht nur mit der eigenen Gesundheit zu tun, sondern haben weiterreichende ethische Konsequenzen.

 

5. K: Drogen. Darüber brauche ich wahrscheinlich nicht allzu viel zu sagen, die Schädlichkeit liegt auf der Hand und sie sind ja aus gutem Grund auch nicht erlaubt.

Einige der Leser haben vielleicht vor 20 oder 30 Jahren Erfahrung mit Haschisch und Marihuana gemacht und dadurch vielleicht gewisse Bewusstseinsveränderungen erfahren, die sie letztlich auf den spirituellen Weg gebracht haben. Heutzutage haben diese Mittel einen vielfachen Gehalt der betreffenden chemischen Substanz, so dass man heute bei weitem nicht mehr sagen kann, Marihuana und Haschisch seien eher gefahrlos – im Gegenteil. Die Jahre zwischen dem 14. und 25. Lebensjahr prägen die weitere Entwicklung des heranwachsenden Menschen entscheidend. In dieser Phase geht man Beziehungen ein, schließt Freundschaften, erlernt einen Beruf, entwickelt beruflichen Ehrgeiz, engagiert sich politisch, sozial oder alternativ und die spirituelle Suche erwacht. Was sich in dieser Zeit nicht entwickelt, ist später sehr viel schwieriger. Und gerade in dieser entscheidenden Lebensphase werden die oft immer noch verharmlosten „weichen Drogen“ konsumiert, die den Geist in Trägheit und Antriebslosigkeit führen. Statistisch gesehen haben Menschen, die in dem Alter Drogen zu sich nehmen, dauerhaft ein wesentlich geringeres Einkommen als andere und vor allem führt es zu einer dauerhaften Beschränkung des eigenen Lebens. Die Neigung zu Psychosen wächst.  Und natürlich hängt damit die ganze Beschaffungskriminalität zusammen.

Neben diesen „5 K“, von denen ich meine, dass man sie als spiritueller Aspirant strikt befolgen sollte, gibt es natürlich noch andere tamasige oder rajasige Dinge, die es im Sinne eines gesunden, sattwigen Lebensstils zu reduzieren gilt, die aber bei weitem nicht so starke Auswirkungen haben und nicht so kritisch sind.

 

Sattwa erhöhen durch bewusste Ernährung

Wenn man damit beginnt, seine Ernährung auf eine vegetarische Kost umzustellen, gehen die meisten durch verschiedene Phasen hindurch. Anfangs ist es oft erst mal schwierig. Dann hat man sich umgestellt und die Ernährung ist sehr sattwig geworden. Im Lauf der Zeit passiert es dann oft, dass ein paar tamasige und rajasige Sachen zurück kommen und ihr Anteil allmählich recht hoch wird – und dann wundert man sich, wenn die Meditation an Tiefe verliert oder man sich unausgeglichen,  unruhig oder träge fühlt.  Dazu gehören die sogenannten „kleinen Sünden“ wie Schokolade, Kaffee, Tee, weißer Zucker, Knoblauch und Zwiebeln. All das ist nicht tragisch, aber es hat einen gewissen Einfluss auf unseren Geist und unsere Befindlichkeit.

Praxis-Tipp: Wenn du einmal in einer Phase bist, wo du merkst, du erreichst in der Meditation und deiner spirituellen Praxis nicht mehr die Tiefe, die du schon hattest, dieses wunderschöne Gefühl von Herzensöffnung, das feine Fließen von Prana, dann kannst du zum Beispiel prüfen, welche rajasigen Lebensmittel du zu dir nimmst und einfach mal ausprobieren, wie es sich anfühlt, wenn du diese etwas reduzierst.

Sattwa erhöhen durch die richtige Menge an Schlaf

Trägheit gilt als tamasig und da stellt sich oft die Frage des Schlafes. Wir wollen das Tamas etwas reduzieren, möglichst auch mit etwas weniger Schlaf auskommen; andererseits wird Tiefschlaf gerne als Analogie genommen für Wonne. Die Tiefschlafphase hat große Ähnlichkeit mit Samadhi (Überbewusstsein). Im Tiefschlaf stehen wir in Verbindung mit dem Göttlichen.

Wichtig ist, die individuell richtige Menge an Schlaf zu finden. Für die Mehrheit der Menschen sind das sechs bis sieben Stunden. Regelmäßig länger als acht Stunden zu schlafen gilt aus medizinischer Sicht als nicht hilfreich. Bei regelmäßiger Praxis von Yoga und Pranayama reduziert sich typischerweise das Schlafbedürfnis etwas. Manchmal gibt es auch Hochenergie-Phasen, wo man mit weniger Schlaf auskommt. Dem kann man dann natürlich nachgeben und es genießen. Nur muss man wissen, wenn diese Phase abgeschlossen ist, wird man wieder mehr Schlaf brauchen. Wenn man diesen Übergang nicht packt, kann es passieren, dass die Meditation plötzlich nicht mehr so tief ist, man sich nicht mehr so inspiriert fühlt. Das kommt daher, dass man dann den fehlenden Schlaf in der Meditation nachholt und auch sonst nicht mehr so aufmerksam ist oder trotz der Yogapraxis müde oder gereizt wird. Das ist dann oft einfach Schlafmangel. Da gilt es, wieder zu seinem Schlafrhythmus zurück zu finden.

Der Tiefschlaf ist besonders wichtig; er dient der tiefen Regeneration. Im Traumschlaf werden die Erfahrungen des Tages verarbeitet; das Erlebte wird in Vorhandenes integriert und neue Verbindungen werden hergestellt. Das Gehirn ist gerade im Traum sehr aktiv und physiologisch geschieht in der Traumphase eine ganze Menge. Angenommen, wir haben einen sehr wachen oder sehr achtsamen Geist, dann kann das, was wir am Tag erleben sehr zügig umgesetzt und die richtigen Verbindungen hergestellt werden. So muss das Hirn nicht die ganze Nacht arbeiten, um alles durchzuspielen, womit das Erlebte noch verbunden werden könnte. Dann kommt man auch schneller in den Tiefschlaf.

Wer tatsächlich in Samadhi hinein kommt, für den ersetzt die Zeit in Samadhi den Tiefschlaf. Der Geist ist vollkommen ruhig und voll bewusst. Und das kann man durchaus sehen: Praktisch alle großen Yogameister, die Zugang haben zu Samadhi  brauchen tatsächlich signifikant weniger Schlaf.

Swami Sivananda und Swami Vishnu-devananda zum Beispiel haben nur wenige Stunden Schlaf gebraucht. Swami Vishnu ist selten vor Mitternacht ins Bett gegangen und er hatte seine Hauptmeditationsphase zwischen 3 und 6 Uhr morgens. Normalerweise brauchte er drei bis vier Stunden Schlaf und ein kurzes Nachmittagsschläfchen. Aber es gab auch Phasen, wo er höchstens um die zwei Stunden geschlafen hat und nachts noch Artikel für ein Yogajournal geschrieben und die Druckerpresse selbst von Hand bedient hat. Auch von Swami Sivananda wird in seinen Biografien Ähnliches berichtet.

Sattwa erhöhen durch achtsame Kommunikation

Unser Sprachgebrauch kann ebenfalls sattwig, rajasig oder tamasig sein.

Als spiritueller Aspirant sollten wir mit Sprache bewusst umgehen und achtsam sein, wie wir mit uns selbst und mit anderen sprechen. Sowohl im Sinne von „Gewaltfreier Kommunikation“ wie auch in einem ganz allgemeinen Sinn. Welche Worte nehme ich in den Mund und wie programmiere ich mich selbst und andere durch mein Denken und Sprechen? Auf Fäkalausdrücke sollten wir als spirituelle Aspiranten gänzlich verzichten, auch wenn das in unserer heutigen Zeit weit verbreitet ist. Es gibt keinen Grund, warum wir Fäkalien in den Mund nehmen sollten – das ist unhygienisch und tamasig. Unser Geist nimmt die Form dessen an, woran er denkt. Das prägt unser Unterbewusstsein und unsere Befindlichkeit. Wenn unser Denken und Sprechen von Liebe und Verständnis geprägt sind, entwickeln wir ein ganz anderes Lebensgefühl, eine ganz andere Einstellung uns selbst und anderen gegenüber.

Oft gehen wir mit Worten bzw. Wortgedanken sehr kritisch mit uns selbst um.

Ein praktisches Beispiel:

Als spiritueller Aspirant arbeiten wir zum Beispiel daran, weniger ärgerlich zu werden. Also nehmen wir uns vor, künftig liebevoll und verständnisvoll zu reagieren. Das gelingt aber nicht sofort und nicht immer. Dann ärgern wir uns nicht nur über jemand anders oder über eine Situation, sondern auch noch darüber, dass wir uns ärgern und machen uns deswegen Vorwürfe. Die Aussage, „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, impliziert aber, „liebe auch dich selbst“. – Die Folge ist, wir ärgern uns über den Anderen, wir ärgern uns über uns selbst, dass wir uns ärgern und wir ärgern uns noch dazu darüber, dass wir auf uns selbst ärgerlich sind und nicht freundlich mit uns selbst umgehen. – Diese Schleife kann man endlos weiterführen und kommt so immer mehr in rajasige und tamasige Gedankenströme.

Eine Möglichkeit, damit umzugehen, gibt uns Krishna, indem er sagt, letztlich ist alles nur ein Spiel der Gunas. Wir können immer wieder die Beobachterposition einnehmen und registrieren: Nicht „ich“ bin ärgerlich sondern ein Teil meines Geistes ist jetzt etwas rajasiger als sonst. Dieser Teil von mir ist jetzt gerade ärgerlich. Es ist aber nicht die einzige Seite in mir, sondern daneben gibt es noch viele andere mit einer anderen Zusammensetzung der Gunas. Man kann den Ärger in sich beobachten und gleichzeitig andere Gefühle wahrnehmen, die auch da sind, zum Beispiel Verständnis und Mitgefühl für den anderen, über den man sich ärgert. Und dann kann man selbstbestimmt überlegen, will ich lieber der ärgerlichen Seite die Oberhand geben oder will ich die mitfühlende Seite stärker zum Ausdruck bringen. –

Abgesehen davon: Ein bisschen Ärger muss auch nicht schlecht sein, je nachdem, worum es geht: Vielleicht ist es ein sattwiger Ärger im Sinne von gerechtem Zorn, wie wir oben gesehen haben. Vielleicht hat sich jemand nicht an Vereinbarungen gehalten, vielleicht schädigt mich etwas potentiell. Der Ärger macht mich darauf aufmerksam und aktiviert mich, etwas zu tun.

Oder es kann ein rajasiger Ärger sein: Ich hatte einen bestimmten Wunsch, etwas ist nicht so gelaufen, wie ich es gern hätte und jetzt fühle ich mich in meinem Selbstwertgefühl gestört.

 

Übung: Überlege, wann du dich das letzte Mal über jemanden bzw. etwas geärgert hast. Dann finde den Grund heraus, warum dieser Ärger seine Berechtigung hatte. Als nächstes stelle dir vor, wie die Sache sich aus der Sicht des anderen Menschen darstellt und finde seine Berechtigung heraus, warum er so gehandelt hat. Nachdem du beides anerkannt hast, überlege, welches Ziel du erreichen willst und wie du im Hinblick auf dieses übergeordnetes Ziel mit den unterschiedlichen Tendenzen in dir geschickt umgehen könntest.

Praxisbeispiel: Du legst Wert auf sattwige Ernährung, aber deine Familie unterstützt das nicht. Dein Mann gibt den Kindern Cola und Schokolade. Du ärgerst dich darüber.

Der erste Schritt ist, diesen Ärger zu analysieren: Er zeigt, dass dir das Wohl deiner Kinder und deines Mannes am Herzen liegt, denn du möchtest, dass sie sich gesund ernähren. Es ist also ein sattwiger Ärger, denn etwas, was dir wichtig ist und was objektiv gut ist, wird nicht geachtet. Da es der Sache nicht förderlich ist, dauernd nur zu schimpfen, kannst du im zweiten Schritt versuchen zu sehen, auch dein Mann meint es irgendwie gut. Er will, dass die Kinder sich wohl fühlen; er will eine gute Beziehung zu den Kindern aufbauen und das geht wahrscheinlich leicht, indem er ihnen verbotene Sachen gibt. Und vermutlich wird er auch denken, so schlimm ist es auch nicht, wenn die Kinder Schokolade essen. Jetzt weißt du also, ihr habt unterschiedliche Bewertungen und als dritten Schritt kannst du überlegen, wie du einen gesunden Kompromiss finden kannst. Wie man das macht und wie er aussehen kann, ist natürlich individuell verschieden. Euch beiden liegt das Wohl der Kinder am Herzen. Vielleicht könnt ihr gemeinsam überlegen, wie ihr das Wohl der Kinder fördern könnt. Sicher muss man in solchen Situationen immer wieder Kompromisse schließen. Vielleicht verstößt der Partner immer wieder gegen die vereinbarten Kompromisse und du wirst immer wieder ärgerlich werden. Du wirst aber anerkennen können, dass dein Ärger seine Berechtigung hat, dass dein Mann mit seiner Weise auch eine Berechtigung hat und dass das neue Aushandeln von Kompromissen auch seine Berechtigung hat, im Sinne des übergeordneten Ziels des Wohles der Kinder.

Selbst wenn sich faktisch nicht so viel geändert hat, hat man etwas dabei gelernt. Vielleicht, Kompromisse zu schließen. Vielleicht, dass man in den seltensten Fällen jemanden überzeugt, wenn man die missionarische Keule schwingt. Wenn ein Partner plötzlich neue Werte hat, wirkt das bedrohlich auf die Beziehung. Der Partner fühlt sich angegriffen und reagiert mit einer der drei möglichen Reflexreaktionen: Flucht, Kampf oder Totstellen. Vielleicht lernt man, immer mehr eine innere Einstellung zu erzeugen, die von Verständnis und Liebe geprägt ist, Empathie, Mitfühlen, sich in andere hinein zu versetzen, und so wächst man in der Liebe und in der Spiritualität, während man sich auf der relativen Ebene mit gewissen Dingen abfinden muss.

Zusammenfassend also:

Der 1. Schritt ist, zu erkennen, meine Emotionen haben ihren Sinn und ihre Funktion, selbst wenn sie etwas tamasig oder rajasig sein sollten.

Der 2. Schritt ist, zu akzeptieren, dass auch die Emotionen oder Reaktionen des anderen ihre Berechtigung haben und aus seiner Sicht sinnvoll sind, auch wenn ich anderer Meinung bin.

Der 3. Schritt ist, konstruktiv zu überlegen, welches gemeinsame Ziel haben wir und wie können wir diesem Ziel gemeinsam dienen.

Sattwa erhöhen durch Gestaltung der äußeren Umgebung

Natürlich hat auch unsere Umgebung Einfluss auf Sattwa, Rajas und Tamas. Ein einfaches Beispiel sind die Farben, mit denen wir uns umgeben; wie wir uns kleiden, welche Bilder wir in der Wohnung haben usw., all das hat eine bestimmte Wirkung.

Manchmal kann es daher eine gute Strategie sein, etwas in seinem Zimmer zu ändern. Das ist zwar eine materialistische Strategie, wie sie im Westen sehr stark verbreitet ist und normalerweise heißt es im Yoga, wir ändern uns und unsere Sichtweise und wir versuchen nicht, die äußere Umgebung so weit zu verändern, dass sie uns glücklich macht. Zum Beispiel haben Menschen früher etwas gekauft, weil sie es gebraucht haben; in einer späteren Phase, um andere zu beeindrucken; inzwischen kaufen Menschen etwas wegen des Feelings, ihres Lebensgefühls. Oder man lässt sich eine neue Frisur machen oder färbt die Haare. Menschen im Ashram schneiden manchmal die Haare ganz ab, das ist dann oft ein äußeres Zeichen für eine innere Veränderung oder Vorsätze, etwas im Leben zu ändern.

Man kann äußere Veränderungen als Unterstützung nutzen, man muss sich nur bewusst sein, es kommt nicht wirklich auf die äußere Veränderung an und man sollte sich nicht zu sehr auf materialistische Sachen konzentrieren. Aber vielen Menschen hilft es zum Beispiel, mal gründlich zu putzen, den Speicher zu entrümpeln, die Wohnung neu zu streichen. Und wenn man schon neu streicht oder aufräumt, kann man das unter dem Gesichtspunkt des Sattwigen machen – ohne die Menschen, mit denen man zusammen lebt, vor den Kopf zu stoßen. Also zum Beispiel  das Lieblingsbild seines Partners wegzuwerfen,  weil man meint, das sei nicht sattwig genug, würde zu mehr emotionalen Problemen führen als der potentielle Sattwa–Gewinn.