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10-05 Kommentar Sukadev

Dieser Vers auf Sanskrit:

Ahimsa Samata Tushtis Tapo Danam Yashoyashah
Bhavanti Bhava Bhutanam Matta Eva Prthag-Vidhah.

Hier fährt Krishna fort, über die göttlichen Eigenschaften zu sprechen.

Ahimsa (Nichtverletzen), Samata (Gelassenheit), Tushti (Zufriedenheit), Tapas (Askese) und Dana (Wohltätigkeit) sind Eigenschaften, die du selbst entwickeln kannst. Du kannst darum beten, dass sich diese als göttliche Eigenschaften in dir manifestieren. Es gibt auch göttliche Sendboten, die von außen auf dich zukommen. Gott kommt als Sukha und Dukha scheinbar von außen zu dir. Gott kommt als Geburt und als Tod. Auch Furcht und Furchtlosigkeit hängen damit zusammen, was außen passiert. Sukha und Dukha, Bhava und Abhava, Bhaya und Abhaya hat Krishna im vorigen Vers erwähnt. In diesem Vers spricht Krishna über Yasha und Ayasha – Ehre und Schmach.

Ahimsa heißt Nichtverletzen in Gedanken, Worten und Taten. Ahimsa ist zunächst eine innere Einstellung und gründet auf Maitri (inneres Wohlwollen). Gott ist in dir als Ahimsa. Diese Kraft ist immer da, auch wenn du sie manchmal nicht spürst. Wenn du dich gerade über jemanden geärgert hast, kannst du sagen: „Aha, da ist gerade Ärger in mir. Angenommen, ich wäre jetzt von Maitri, von Wohlwollen durchdrungen, wie würde ich dann fühlen, denken und reagieren? Ich weiß, ich bin jetzt im Ärger[1]. Aber angenommen, ich wäre voll von Wohlwollen und Verständnis, wie würde ich atmen? Wie wäre meine Körperhaltung? Was würde ich Positives in anderen sehen? Wie würde ich Verständnis und Liebe zeigen?“ Auf diese Weise kannst du wahrhaftig sein. Du empfindest zwar zunächst kein Wohlwollen. Aber du überlegst, wie es wäre, voller Wohlwollen zu sein (ohne dich unter Zwang zu setzen). Vielleicht wirst du plötzlich merken, dass da dieses Gefühl von Wohlwollen ist. Und unvermutet kommt eine Empfindung von Liebe.

Samata (Gelassenheit): Darüber spricht Krishna immer wieder. Samata nennt er eine Eigenschaft, die allen Wesen innewohnt und von Gott stammt. Wenn du dich in einem Zustand von Unruhe befindest, werde dir bewusst: In mir ist auch Samata. Du kannst zu Gott beten: „Lieber Gott, momentan ist in mir große Unruhe. Ich weiß, in mir ist auch Samata. Du bist in mir als Gelassenheit. Bitte manifestiere dich in mir als Gelassenheit. Was müsste ich tun, um Gelassenheit zu spüren?“[2]

Tushti ist Zufriedenheit, Freude und auch Dankbarkeit. Sei immer wieder dankbar für das, was dir geschenkt wurde. Oft sind auch spirituelle Aspiranten gierig. Wenn sie etwas erreicht haben, wollen sie mehr. Wenn sie eine schöne Erfahrung haben, wollen sie mehr. Auf der einen Seite ist es zwar gut, immer nach mehr zu streben. Auf der anderen Seite ist es wichtig, innerlich öfter dankbar zu sein. Überlege dir am besten jetzt gleich, was du in den letzten Tagen Schönes erfahren hast, vielleicht ein freundliches Wort, eine neue Erkenntnis, eine schöne Meditation, eine neue Herausforderung. Sei dankbar. Sprich ein Dankesgebet. Und wenn es ein Mensch war, der dir Anlass zur Freude gegeben hat, dann danke ihm.

Tapas (Askese) gehört zu den 3 Aspekten des Kriya Yoga (Patanjali Yoga Sutra II 1) und zu den 5 Niyamas (Patanjali Yoga Sutra II 43). Tapas heißt auch „Hitze“. Es ist die Fähigkeit, selbst aktiv zu werden, an sich zu arbeiten. Tapas ist die besondere Fähigkeit des Menschen, Dinge auch dann zu tun, wenn sie keinen Spaß machen. Tapas ist hier eine göttliche Fähigkeit, auf die du immer zugreifen kannst. Die Entwicklung dieser Fähigkeit gibt dir ein Gefühl von Freiheit. Du weißt, dein Glück hängt nicht davon ab, dass du nur machst, was du magst. Du weißt, in dir ist große Stärke, auch und gerade dann durchzuhalten, wenn es nicht so einfach ist. Auch „Disziplin“ ist ein Aspekt von Tapas. Dazu eine kleine Übung: Überlege dir, was dir keinen Spaß macht, aber dennoch sattwig und nicht zu kompliziert ist. Dann nimm dir vor, genau das heute noch zu machen und morgen und übermorgen auch. Du kannst dir sogar vornehmen, es solange zu machen, bis es dir Spaß macht. Wenn du das mit einigen Dingen gemacht hast, erfährst du innerlich große Freiheit.

Dana (Wohltätigkeit) ist der aktive Aspekt von Ahimsa und Maitri (siehe oben). Liebe will in die Tat umgesetzt werden. Handlungen können zu geistigen Veränderungen führen. Nicht umsonst gilt die Verhaltenstherapie als effektive Therapie bei psychischen Problemen. Wenn du etwas in dir ändern willst, hilft es oft, das eigene Verhalten zu ändern. Dann können sich auch deine Denkmuster verändern. Ich glaube zwar, dass der verhaltenstherapeutische Ansatz isoliert nicht ausreicht, er wird aber tatsächlich von den meisten Meistern in der Schulung ihrer Schüler eingesetzt. Wenn jemand sehr „ichbezogen“ ist, sollte er viel selbstlosen Dienst, also Seva bzw. Dana machen. Wenn du dich einmal einsam fühlst, überlege: Wem kann ich etwas Gutes tun? Wenn du jemanden nicht magst, überlege: Was könnte ich für diesen Menschen machen? Wie könnte ich ihm eine Freude bereiten? Und dann setze es auch um. Lass dich dabei nicht abschrecken, wenn du nicht das Richtige triffst. Einfühlungsvermögen und Liebe entwickeln sich, wenn du dich regelmäßig in Dana übst.

Yasha und Ayasha: Gott schickt dir einmal Yasha (Ehre), ein anderes mal Ayasha (Schmach). Das sind Herausforderungen für einen spirituellen Aspiranten. Manchen fällt es besonders schwer, Anerkennung entgegenzunehmen. Manchmal wirst du über alle Maßen gelobt. In diesem Fall sage dir: „Gott, ich danke dir, dass du so durch mich hindurch gewirkt hast.“ Äußerlich bedanke dich bei dem, der dir ein Lob gibt. Sage einfach: „Danke“. Sage nicht: „Eigentlich war es ganz schlecht, was ich gemacht habe. Normalerweise hätte ich es viel besser gekonnt.“ Oder: „Peter kann das viel besser…“ Nimm einfach das Lob an, sage danke. Und innerlich gib das Lob an Gott weiter. So verhinderst du, dass du dir etwas Großartiges darauf einbildest, wenn jemand sagt, dass etwas ganz toll war.

Und wenn dich jemand kritisiert? Auch das kommt von Gott. Du kannst sagen: „Das ist ein Test, den Gott mir jetzt gerade gibt.“ Vielleicht sagst du dir innerlich auch als „Erstreaktion“: „Dieses undankbare Individuum. Da macht man alles für ihn/sie. Und was ist der Dank? Ich habe ja gleich gesagt, ich schaffe das nicht, ich kann das nicht.“ Wenn Kritik geäußert wird, schaltet sich der Flucht-Kampf-Mechanismus ein. Instinktiv kommt das Verlangen zu Fliehen (ich werde das niemals mehr machen) oder zu Kämpfen (ich werde es diesem Dummkopf schon zeigen). Dieser Flucht-Kampf-Mechanismus ist schon im Reptiliengehirn verankert. Ein spiritueller Aspirant will nicht auf Echsenniveau verharren. Als Mensch hat man mehr Möglichkeiten als zu kämpfen. Menschen können anderen hinterrücks etwas Böses antun. Und der moderne Mensch kann auch auf subtilere Weise fliehen als der Steinzeitmensch und Flucht oder Rückzug sehr vornehm vor sich selbst und anderen rechtfertigen.

Als spiritueller Aspirant willst du anders reagieren. Als eine Möglichkeit, die Krishna dir in diesem Vers gibt, sage: „Das kommt von Gott, diese Kritik kommt von Gott.“ Es kann sein, dass Gott dich damit lehren will. Manchmal ist Kritik gerechtfertigt und du erhältst wertvolle Tipps. Auch wenn jemand Kritik unsachlich vorbringt, steckt vielleicht ein berechtigtes Anliegen dahinter. Vielleicht steckt in einem verbalen Angriff die Chance, dass du erkennst, wo du dich entwickeln kannst. Manchmal bekommst du wertvolle Anregungen gerade von denen, die ihr Anliegen scheinbar unsachlich vorbringen. Dies halte ich für einen wichtigen Ansatz: Gehe bei jeder Kritik davon aus, dass ein berechtigtes Anliegen dahinter steht. Vielleicht weiß jemand nicht, wie er dieses berechtigte Anliegen geschickt formuliert. Du kannst aber danach forschen. Und wenn du das berechtigte Anliegen erkennst, heißt das nicht, dass du dem nachgehen musst. Du kannst es innerlich anerkennen und hast dann die Freiheit, damit zu machen, was dir geeignet erscheint.

Natürlich gibt es auch Kritik, die gänzlich ungerechtfertigt ist. Dann kommt Gott zu dir, um dich Gleichmut zu lehren. Er will dir helfen und dir wirklich bedingungslose Liebe beibringen. So lernst du, einen Menschen zu lieben, selbst wenn er dich beschimpft. Das ist nicht so einfach. Es ist einfacher, jemanden zu mögen, der dir große Komplimente macht. Wenn dich jemand kritisiert, kannst du sehen, ob deine Liebe wirklich bedingungslos ist. Alles kommt von Gott. Die inneren Eigenschaften kommen von Gott. Die Erfahrungen, die du machst, wie Vergnügen und Schmerz, Geburt und Tod, Beginn und Ende, Lob und Schmach oder Lob und Kritik, alles kommt von Gott. Wenn du das so erkennst, wirst du dir der göttlichen Gegenwart mehr und mehr bewusst sein. Du verlierst die Identifikation und spürst eine große Weite im Herzen.

Du kannst diese Aufzählung von scheinbar unzusammenhängenden Eigenschaften als göttliche Sendboten sehen. Du kannst dir dabei vornehmen, Buddhi (Unterscheidungskraft, Weisheit) vermehrt in dir wirken zu lassen und dir sagen: „Ich will nicht so oft getäuscht sein. Ich will die Nicht-Täuschung in mir wirken lassen. Ich will Kshama (Versöhnlichkeit), Satyam (Wahrhaftigkeit), Dharma, (Selbstbeherrschung) und Samatva (Gleichmut und Ruhe) üben. Und ich will, egal ob Glück oder Leid kommen, das als göttlich ansehen.“

Krishna geht bei der Aufzählung der Eigenschaften psychologisch geschickt vor. In seiner Aufzählung sind gute wie schlechte Eigenschaften dabei, wobei die guten überwiegen. Wenn man jemanden geschickt ausbilden will, ist es klüger, ihm mehr positive Affirmationen zu geben. Dann kann man ab und zu einmal kritisieren. Mein früherer Reitlehrer hat uns darauf immer wieder aufmerksam gemacht. Er meinte, dass man das Pferd mindestens 3-4x öfter loben als tadeln muss. Und Menschen haben in dieser Hinsicht einiges mit Pferden gemeinsam.

 


[1] Im Internet findest du ein Video mit einer „Ärgertransformationsatmung

[2] Im Internet findest du eine ganze Vortragsreihe zum Thema „Gelassenheit“. Suche unter yoga-vidya.de/de/service/blog/tag/gelassenheit-podcast/ nach „Gelassenheit“