Atma Bodha – Vers 4

Die Seele ist unbegrenzt

Atma Bodha – Vers 4

Deutsche Übersetzung:

Aufgrund von Unwissenheit scheint die Seele begrenzt zu sein. Wenn die Unwissenheit zerstört ist, offenbart sich das Selbst, das aus keinerlei Vielfalt besteht, wahrlich durch sich selbst – wie die Sonne, wenn die Wolken sich verziehen.

Sanskrit Text:

paricchinna ivājñānāt tannāśe sati kevalaḥ ।
svayaṃ prakāśate hy ātmā meghāpāye’ṃśumān iva ॥ 4 ॥

परिच्छिन्न इवाज्ञानात्तन्नाशे सति केवलः ।
स्वयं प्रकाशते ह्यात्मा मेघापायेंऽशुमानिव ॥ ४ ॥

parichchhinna ivajnanattannashe sati kevalah |
svayam prakashate hy atma meghapaye’mshuman iva || 4 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • paricchinnaḥ : begrenzt (Parichchhinna)
  • iva : wie, als ob (Iva)
  • ajñānāt : aufgrund von Unwissenheit (Ajnana)
  • tan-nāśe : die Zerstörung (Nasha) dieser (Unwissenheit, Tad)
  • sati : wenn (eingetreten) ist (Sat)
  • kevalaḥ : allein, als das eine Ganze (Kevala)
  • svayam : von selbst (Svayam)
  • prakāśate : erscheint, zeigt sich, wird offenbar (pra +  kāś)
  • hi  : denn (Hi)
  • ātmā : das Selbst (Atman)
  • meghāpāye : beim Verschwinden (Apaya) der Wolken (Megha)
  • aṃśumān : die Sonne (Amshumant)
  • iva : wie ॥ 4 ॥

Kommentar von Sukadev Bretz

Lesen

Hier spricht Shankaracharya darüber, wie man das Selbst erfährt, was eigentlich geschieht, wenn man Selbstverwirklichung erreicht. Er sagt hier: Das auf Grund von Unwissenheit die Seele begrenzt zu sein scheint, es scheint, wir sind begrenzt, wir identifizieren uns. Da ist ein Körper, da ist ein Kopf, so bin ich, hier fange ich an und hier höre ich auf, ich bin so und so groß, das bin ich. Oder wir identifizieren uns mit der Persönlichkeit, sagen ich bin Vata, Pitta, Kapha, also Temperament vom Ayurveda her. Oder ich bin extrovertiert, introvertiert, künstlerisch, intellektuell, mathematisch oder was auch immer. Wir haben so viele Dinge, wo wir sagen, so bin ich, so begrenzen wir uns oder wir identifizieren uns gerade mit unserem Gemütszustand. Ich bin so traurig oder ich bin so freudevoll usw., also wir können uns identifizieren, wir müssen uns aber nicht identifizieren. Wir können uns auch bewusst machen, ich bin all dies nicht und so vergleicht Shankara dies mit der Sonne. Angenommen wir sind Wolken, dann siehst du keine Sonne. An einem bewölkten Tag scheint es so, dass die Sonne weg ist, gänzlich verschwunden. Aber wenn die Wolken plötzlich weg sind, ist die Sonne wieder da, so ähnlich das reine Selbst, die reine Seele ist immer da und nur, wenn die Wolken weggeblasen sind, dann offenbart sich die Seele. Und so sagt er: Die Unwissenheit sind wie die Wolken, wenn die Wolken sich verziehen, verschwindet die Unwissenheit und das Selbst offenbart sich.

Wie geht die Unwissenheit weg? Man könnte sagen die Unwissenheit geht weg, indem wir unseren Geist zu Ruhe bringen, zum Beispiel durch intensives Pranayama und Meditation werden die Wolken des Geistes weggepustet, es bleibt das reine Selbst. So sagt es Patanjali: Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist, dann ruht der Sehende in seinem wahren Wesen. Also mit anderen Worten, beseitige die Unruhe des Geistes, die Wolken der Gedanken, Emotionen usw. Wenn du reines Bewusstsein ohne jegliche Gedanken bist, dann offenbart sich das Selbst oder im Bhakti Yoga – du gibst dich ganz Gott hin und Gott bläst dann alle Wolken weg. Indem du dich ganz Gott hingibst und Gott aus Gnade heraus alle Wolken wegpustet, offenbart sich dein Selbst oder im Jnana Yoga gehst du einfach jenseits der Wolken, es ist gar nicht notwendig die Wolken weg zu pusten, denn du gehst einfach jenseits der Wolken. Man könnte es mit einem Flugzeug vergleichen, das nach oben steigt, über die Wolken hinausgeht und dann siehst du die Sonne.
In diesem Sinne – du kannst die Begrenztheiten durch Jnana Yoga überwinden, durch Erkenntnis. Durch diese Erkenntnis gehst du über die Identifikation heraus und du weißt, wer du wirklich bist. Denke jetzt kurz darüber nach und erkenne: Ich bin das unsterbliche Selbst, ich bin die Seele, eins mit der Weltenseele und selbst, wenn ich es nicht weiß, ich bin es trotzdem. Und auch wenn Wolken auf der Oberfläche meines Geistes sind, in Form von Emotionen, Gedanken, Gefühlen, Wünschen, Identifikationen usw. bin ich das Selbst.
Zwischendurch kannst du dir das bewusst machen, vielleicht betrachtest du die Wolken, vielleicht betrachtest du sie mitfühlend, amüsiert oder auch fasziniert an und fragst dich welche Wolken manifestieren sich gerade auf deinem Geist. Aber hinter all diesen Wolken ist das Selbst, ohne das Selbst siehst du auch keine Wolken. Angenommen es ist Nacht, dann siehst du auch die Wolken nicht, du erkennst diese nur wenn die Sonne scheint, in diesem Sinne ist das Selbst immer da und du siehst auch nur die Wolken als Emotion, Gedanken, Gefühle weil die Sonne dahinter ist das Selbst. Gehe hinter die Gedanken, Gefühle usw., hinter die Identifikationen und erfahre dein wahres Selbst.

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