Viveka Chudamani – Vers 190

Deutsche Übersetzung:

190. Obwohl der Atman das wirkliche/wahre Selbst ist, nimmt er durch die falsche Identifikation mit dem Geist die Begrenztheit des Intellektes an und betrachtet sich selbst als getrennt, wie man Töpfe als vom Lehm verschieden ansieht.

Sanskrit Text:

svayaṃ paricchedam upetya buddheḥ
tādātmya-doṣeṇa paraṃ mṛṣātmanaḥ |
sarvātmakaḥ sann api vīkṣate svayaṃ
svataḥ pṛthaktvena mṛdo ghaṭān iva || 190 ||

स्वयं परिच्छेदमुपेत्य बुद्धेः
तादात्म्यदोषेण परं मृषात्मनः |
सर्वात्मकः सन्नपि वीक्षते स्वयं
स्वतः पृथक्त्वेन मृदो घटान् इव || १९० ||

svayam parichchhedam upetya buddheh
tadatmya-doshena param mrishatmanah |
sarvatmakah sann api vikshate svayam
svatah prithaktvena mrido ghatan iva || 190 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • svayam : selbst (Svayam)
  • paricchedam : die Begrenzung („Unterscheidung“, Parichchheda)
  • upetya : indem es annimmt („annehmend“, upa + i)
  • buddheḥ : des Intellekts (Buddhi)
  • tādātmya-doṣeṇa : durch den Fehler (Dosha) der Identifiktion (mit ihm, Tadatmya)
  • param : nur („höchstens“, Para)
  • mṛṣātmanaḥ : des falschen (Mrisha) Selbst (Atman)
  • sarvātmakaḥ : in allem enthalten (Sarvatmaka)
  • san : ist („seiend“, Sat)
  • api : obwohl (das Selbst, Api)
  • vīkṣate : betrachtet (vi + īkṣ )
  • svayam : sich selbst (Svayam)
  • svataḥ : als was es ist („von sich“, Svatas)
  • pṛthaktvena : als etwas anderes („Getrenntes“, Prithaktva)
  • mṛdaḥ : (als getrennt) vom Ton (Mrid)
  • ghaṭān : Tontöpfe (Ghata)
  • iva : so wie (Iva)     || 190 ||

Kommentar

Svayam (das Selbst) ist unendlich. Es nimmt die Begrenzung (paricchedam) an (upetya). Warum? Tādātmya-doṣeṇa – durch den Fehler der Identifikation. Atma ist das Selbst, tadatmya heißt sich selbst annehmen als das. Und so geschieht es durch den Fehler (doṣeṇa ) des Intellekts (buddheh), dass man sich identifiziert als begrenzt. Param (höchstens). Und zwar identifiziert man sich mit dem falschen Selbst (mṛṣātmanaḥ). Also man identifiziert sich und deshalb entsteht ein falsches Selbst. Sarvātmakaḥ – eigentlich enthält man alles in sich drin. San (ist seiend). Und das Selbst ist auch vīkṣate (es betrachtet) svayam (sich selbst). Also eigentlich bist du das Selbst und das Selbst ist überall enthalten und enthält alles in sich. Aber es gibt den Fehler des Intellekts und der identifiziert sich dann mit etwas Kleinerem. Und das führt dann zu pṛthaktvena (etwas Getrenntes).
Also durch den Intellekt, durch die Buddhi, durch die Vernunft, durch deine Überzeugungen denkst du `Ich bin getrennt´. Und das ist so etwas Ähnliches wie ghaṭān (Tontöpfe) sich getrennt annehmen von mṛdaḥ (vom Ton). Also angenommen ich habe einen Tontopf mit einer bestimmten Gestalt, könnte ich sowohl sagen, da ist der Topf, oder ich könnte sagen da ist der Ton. Der Tontopf hat mit allen Tontöpfen den Ton gemeinsam. Er kann sich identifizieren mit seiner Topfhaftigkeit, damit ist er getrennt von anderen. Oder er kann sich identifizieren mit dem Ton, damit ist er verbunden mit allem Ton. Ein anderes Beispiel ist Gold. Ein Goldring ist scheinbar separat von anderem Gold und eben ein Ring. Aber vorher war er vielleicht schon ein Goldbarren oder eine Kette oder eine Münze. Das Gold nimmt die Gestalt an, in die der Goldschmied es gießt und bearbeitet. Aber das Gold bleibt letztlich gleich.
So ähnlich auch Atman. Atman ist unendlich und ewig. Atman scheint die Form anzunehmen von upadhi, den begrenzenden Attributen. Und letztlich ist es dann der Intellekt, der es dazu macht. Der Intellekt sagt `da ist der Ring oder da ist Gold´. Und so ähnlich kann dein Intellekt sagen `Ich bin der Körper, ich bin die Psyche, ich bin 35 Jahre alt, ich bin ein leicht aufbrausender Mensch, ich bin ein Traumaüberlebender´ usw. All das sind Identifikationen, die aus dem Intellekt kommen. Du identifizierst dich mit Aspekten deiner upadhis.
Oder auch mit deinen Aufgaben: Ich bin Lehrer, ich bin Yogalehrende… Oder auch mit deinem Lebensabschnitt: Ich bin frisch verheiratet, ich bin Jugendlicher, ich bin Rentnerin…
Also Identifikation. Oder du sagst: Ich bin reines unendliches Selbst. So kannst du tatsächlich deinen Intellekt trainieren. Sobald du sagst `niemand beachtet mich´ kannst du einen Moment inne halten. `Ich bin das unsterbliche Selbst, wie könnte jemand mich beachten oder nicht beachten?´ Sobald du sagst `ich bin schwer krank´ sei dir bewusst: Der Körper mag eine Krankheit haben, ich bin das unsterbliche Selbst.
Denk ein paar Momente nach, wie du mit deinem Intellekt, deinen Überzeugungen zu Identifikationen kommst, die dich letztlich in Probleme bringen. Und versuche zu überlegen wie du diese Probleme überwinden kannst, indem du dich eben nicht mehr identifizierst.

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