Viveka Chudamani – Vers 11

Deutsche Übersetzung:

11. Handlungen helfen, um den Geist zu reinigen, führen aber nicht zur Erkenntnis der Wirklichkeit. Die Wahrheit erschließt sich durch die kritische Selbstbefragung (vicara) und nicht im Geringsten durch Millionen von Handlungen.

Sanskrit Text:

cittasya śuddhaye karma na tu vastūpalabdhaye |
vastu-siddhir vicāreṇa na kiñ-cit karma-koṭibhiḥ || 11 ||

चित्तस्य शुद्धये कर्म न तु वस्तूपलब्धये |
वस्तुसिद्धिर्विचारेण न किञ्चित्कर्मकोटिभिः || ११ ||

chittasya shuddhaye karma na tu vastupalabdhaye |
vastu-siddhir vicharena na kin-chit karma-kotibhih || 11 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • cittasya : des Geistes (Chitta)
  • śuddhaye : (ist) für die Reinigung (Shuddhi)
  • karma : das Tun, Handeln („Handlung“, Karman)
  • na : nicht (Na)
  • tu : jedoch, aber (Tu)
  • vastūpalabdhaye : für das Erkennen („Erlangen“, Upalabdhi) der (höchsten) Wirklichkeit (Vastu)
  • vastu-siddhiḥ : das Erlangen („Zuteilwerden“, Siddhi) der (höchsten) Wirklichkeit
  • vicāreṇa : (geschieht) durch das (geistige) Verfahren (der Unterscheidung von Selbst und Nichtselbst, Vichara)
  • na kiñ-cit : nicht einmal („nicht ein bisschen“, Na Kinchid)
  • karma-koṭibhiḥ : durch zehn Millionen (Koti) Handlungen (Karman)     || 11 ||

Kommentar

Vers 11 ist einer der entscheidenden Verse von Shankaracharya und behandelt die Fragen – Wie kommst du zur Befreiung? Wie kommst du zur Selbsterkenntnis?

Die gleiche Frage stellen sich auch verschiedene Theologen – Wie erreicht man die Erlösung?

Im ganzheitlichen Yoga sagen wir, dass es verschiedene Methoden zur Befreiung gibt.

Eine davon ist Bhakti, die bedingungslose Gottesliebe.
Bhakti Yoga, das Yoga der Hingabe, behandelt auch die Frage, wie man die Gottverwirklichung erreicht. Mit Bhakti erfährst Du Gott direkt, verwirklichst die Gnade Gottes. Gott ist nicht parteiisch. Gott schenkt Dir die Gnade immer. Und indem Du Dich um Praktiken bemühst, die Deine Hingabe fördern, erreichst Du die Gottverwirklichung
Bhakti Yoga umfasst in diesem Sinne Praktiken wie das Gebet, Erinnern an Gott, Staunen über die Großartigkeit von Gottes Schöpfung, Singen von Mantras und spiritueller Lieder, Rituale wie das Arati, Puja, Homa.

Wozu machen wir diese Praktiken?
Wir praktizieren Bhakti nicht, weil Gott es braucht oder um uns Gott gewogen zustimmen. Sondern die Praktiken helfen, unser Herz zu eröffnen und Liebe zu erfahren.

Die zweite Möglichkeit zur Befreiung zu kommen ist Raja Yoga.
Im Raja Yoga geht es darum, Deinen Geist zur Ruhe zu bringen. Wenn der Geist zur Ruhe gestellt ist und Du volle Achtsamkeit hast, dann erfährst du deine wahre Natur.

Dazu dienen bestimmte Praktiken. Du meditierst nicht, weil Du durch die Meditation einen Verdienst erlangst und führst kein ethisches Leben, nur um gutes Karma zu erzeugen. Sondern Du entscheidest Dich dafür, um den Geist zur Ruhe zu bringen. Denn alles, was Dir hilft den Geist zur Ruhe zu bringen, hilft Dir zur Befreiung.

Im Karma Yoga geht es um die Transzendenz des Egos. Solange Du Dich nur um Dich selbst kümmerst und fragst, was Du willst, wirst Du nicht zur Befreiung kommen.
Karma Yoga sagt: Strebe nach Befreiung. Wie strebst Du nach Befreiung? – Indem Du anderen hilfst und dienst. Aber das Helfen und Dienen alleine wird Dich nicht zur Befreiung führen. Es reicht nicht aus anderen Gutes zu tun, das macht auch jeder Sozialarbeiter, Arzt, Psychotherapeut, Psychologe, Lehrer, jeder Krankenschwester. Es ist wichtig, dass es solche Menschen gibt. Aber zur Befreiung kommst Du nicht bloß dadurch, indem Du etwas Gutes für andere Tust. Es geht mehr um die Einstellung, dass Du das was Du tust mit Liebe, Hingabe machst, als Instrument in den Händen Gottes. Gestalte es so, dass Du Dich durch uneigennütziges Dienen eins fühlst mit den Menschen, denen Du Dienst, mit der ganzen Schöpfung.

Auch im Kundalini Yoga gibt es ein Konzept, wie Du zur Befreiung kommst.
Hier kommst Du zur Befreiung, in dem die Kundalini erwacht. Wenn die Kundalini erwacht, führe sie nach oben zu den höheren Chakras. Sobald die Kundalini im Sahasrara Chakra ankommt, erreichst du die Gottverwirklichung.
Die Praktiken des Kundalini Yoga sind sehr hilfreich, aber ein mechanisches Ausführen der Praktiken reicht nicht aus. Übe die Praktiken mit Intensität, mit dem Herzen, mit Konzentration.

Dies gilt auch im Viveka Chudamani, im Jnana Yoga. Auch Jnana Yoga führt Dich zur Befreiung.
Wie führt Jana Yoga zur Befreiung? – Indem du dich fragst „Wer bin ich? Was ist wirklich? Was ist dauerhaft? Was ist das höchste Glück?“
Aber auch im Jnana Yoga könntest du mechanische Dinge tun, zum Beispiel alle Sanskritwörter kennen, die Schriften zitieren, die ganzen Vedanta Konzepte lernen und daraus eine Art Philosophie und Theologie machen. Das ist aber nur zweitrangig. Es kann dich zwar reinigen, was Dich aber tatsächlich zur Verwirklichung führt, ist die Sehnsucht nach Befreiung, die intensive Selbsterforschung.
Shankaracharya spricht in der Viveka Chudamani über Jnana Yoga und lobt daher Jnana Yoga über alles. Alles andere sei nur eine Reinigung, Vorbereitung.

Aber das muss man nicht genau so verstehen. Meine Interpretation ist: „Mache, was Du immer auf dem spirituellen Weg machst, mit dem Bewusstsein der Bedeutung. Mache es nicht mechanisch. Mache es nicht nur halbherzig. Sondern sei Dir bewusst, warum Du es machst und wie Du es machen kannst, so dass es Dich zur Befreiung führt.“
Wenn Du beispielsweise meditierst, meditiere mit Intensität. Wenn Du ein Mantra singst, ein Gebet sprichst, dann singe, spreche es mit Intensität, von ganzem Herzen. Wenn du anderen dienst, diene ihnen wirklich. Mach nicht nur gute Handlungen, sondern mache sie mit dem Wunsch, anderen zu helfen. Siehe den anderen als dein eigenes Selbst an. Öffne Dich. Transzendiere die Grenzen Deines Egos.

Wenn du zum Beispiel in diesem Moment die Viveka Chudamani studierst, mache es mit Intensität und dem Wunsch wirklich etwas zu lernen und zu erkennen.

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